Rechtsreferendare dürfen streiken
Zum Arbeitskampf im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis
Das Arbeitskampfrecht von Rechtsreferendaren hat bisher wenig Beachtung gefunden. Ver.di rief jedoch für den Streik am 4.12.2023 explizit auch alle Beschäftigten an den Gerichten und Staatsanwaltschaften zum Arbeitskampf auf. Daher könnte die Frage nach dem Arbeitskampfrecht von Rechtsreferendaren künftig praxisrelevant werden. Schließlich sind die Arbeitsbedingungen für Rechtsreferendare prekär. Statt einer Vergütung zahlt beispielsweise Hamburg lediglich eine Unterhaltsbeihilfe. Sie liegt unter dem Mindestlohn und ist bundesweit die Niedrigste. Nebenverdienste werden streng angerechnet. Besserung scheint nicht in Sicht.
Grund genug, sich näher mit der Frage des Streikrechts von Rechtsreferendaren zu befassen. Der nachfolgende Beitrag lässt sich in fünf Thesen zusammenfassen:
- Der sachliche und persönliche Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist für Rechtsreferendare eröffnet.
- Das richterrechtlich aus Art. 9 Abs. 3 GG entwickelte Arbeitskampfrecht ist auf Rechtsreferendare übertragbar.
- Das aus Art. 33 Abs. 5 GG folgende Streikverbot für Beamte gilt für Rechtsreferendare nicht.
- Streikziel muss ein Tarifvertrag sein. Ein Streik, der auf die Änderung der Unterhaltsbeihilfenverordnung abzielt, wäre als politischer Streik rechtswidrig.
- Eine Bestreikung des Sitzungsdienstes der Staatsanwaltschaft wäre verhältnismäßig.
Das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis
In der Radikalenerlass-Entscheidung1) hat das BVerfG anerkannt, dass der Staat die Rechtsform des Ausbildungsverhältnisses frei wählen kann. Viele Bundesländer haben sich für das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis entschieden. Deswegen ist zunächst zu klären, wie dieses rechtlich einzuordnen ist.
Es ist kein Beamtenverhältnis im statusrechtlichen Sinn. Ebenso liegt kein zivilrechtliches Verhältnis vor. Stattdessen besteht ein Rechtsverhältnis sui generis. Hamburg regelt die Einzelheiten in § 36 ff. HmbJAG. So regelt § 37 Abs. 1 HmbJAG, dass die für Beamte auf Widerruf geltenden Bestimmungen mit wenigen Ausnahmen „entsprechend“ gelten.
Mangels eines statusrechtlichen Beamtenverhältnisses gelten die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ nur eingeschränkt. BVerfG2) und BVerwG3) verneinen für Rechtsreferendare das Alimentationsprinzip. Grund sei, dass Referendaren kein Amt im statusrechtlichen Sinne übertragen werde. Die Unterhaltsbeihilfe sei lediglich eine Hilfe, um den Lebensunterhalt bei der Ausbildung zu sichern.4) Auch sei die Distanz vom Staat zu Referendaren größer als bei Statusbeamten.5)
Anwendbarkeit des Arbeitskampfrechts? Eröffnung des Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG!
Ob das für Arbeitnehmer entwickelte Arbeitskampfrecht auf Rechtsreferendare übertragbar ist, ist davon abhängig, ob der Streik von Rechtsreferendaren vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst ist.
Grund ist, dass das Arbeitskampfrecht nicht gesetzlich geregelt ist. Stattdessen folgt es als gesetzesvertretendes Richterrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Hierzu wiegt die Rechtsprechung die kollidierenden Verfassungsgüter ab. Auch das Arbeitskampfrecht für Rechtsreferendare ist bisher nicht in einem formellen Gesetz geregelt.
Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG („jedermann“) umfasst mangels jedweder Beschränkung auch Referendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis.
Der sachliche Schutzbereich Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG fordert, dass eine Vereinigung der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient. Art. 9 Abs. 3 GG schützt als Doppelgrundrecht nicht nur die Vereinigung selbst, sondern als Individualgrundrecht gleichzeitig die von der Koalitionsfreiheit umfassten Handlungen Einzelner. Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen meint als Begriffspaar die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird.6)
Der Wortlaut „Arbeits-[bedingungen]“ könnte nahelegen, den sachlichen Schutzbereich für Rechtsreferendare nicht zu eröffnen, da sie noch in Ausbildung sind. Dagegen spricht jedoch, dass auch während der Ausbildung eine weisungsabhängige Arbeitsleistung erbracht wird, in welcher sich ein Ober-Unterordnungsverhältnis ausdrückt.
Gegen die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs ließe sich anführen, dass § 611a BGB den Arbeitnehmerbegriff des Art. 9 Abs. 3 GG konkretisiert, welcher wiederum Referendare nicht erfasst. Das Argument überzeugt jedoch nicht. Der verfassungsrechtliche Begriff der Arbeit kann nicht einfachgesetzlich beschränkt werden. Eine so enge Begrenzung des Arbeitsbegriffs widerspräche der Grundrechtsverwirklichung durch einen weiten Schutzbereich. Eine derart starke Einschränkung des Schutzbereichs ist auch nicht notwendig, da eventuelle Besonderheiten des Rechtsreferendariats in der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden können. Ansonsten könnte der Staat durch die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses dem Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG entfliehen.
Besonders der Zweck des Art. 9 Abs. 3 GG spricht dafür, Rechtsreferendare zu erfassen. Art. 9 Abs. 3 GG zielt darauf ab, dass abhängig Beschäftigte im Wege der kollektiven Privatautonomie auf die Bedingungen Einfluss nehmen können, unter denen sie tätig sind. Zu diesen Bedingungen zählen neben der Vergütung auch die Arbeitsumstände, auf die sie wegen des Hierachieverhältnisses weniger Einfluss haben als bei üblichen Austauschverhältnissen.
Auch die Rechtsprechung des BAG legt nahe, dass der Streik von Rechtsreferendaren vom sachlichen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst sind. So bejaht das BAG das aus Art. 9 Abs. 3 GG folgende Recht auf Teilnahme am Arbeitskampf für Auszubildende,7) obwohl bei ihnen der Ausbildungszweck gegenüber dem Arbeitszweck überwiegt.
Keine Übertragbarkeit des beamtenrechtlichen Streikverbots des Art. 33 Abs. 5 GG
Das BVerfG hat 2018 das Streikverbot für Beamte als eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG gefolgert.8) Das Streikverbot folge aus der Treuepflicht des Beamten. Art. 9 Abs. 3 GG werde durch Art. 33 Abs. 5 GG als Recht mit Verfassungsrang dahingehend begrenzt, dass Beamte im statusrechtlichen Sinne nicht streiken dürften.
Sofern das aus Art. 33 Abs. 5 GG gefolgerte Streikverbot sich auf das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis übertragen ließe, scheitert hieran ein Arbeitskampf von Rechtsreferendaren. Doch Art. 33 Abs. 5 GG betrifft Beamte im statusrechtlichen Sinn. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Rechtsreferendare das nicht sind. Für das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis gilt Art. 33 Abs. 5 GG nur eingeschränkt.9) Jede Übertragung der Anwendung von Art. 33 Abs. 5 GG für Rechtsreferendare ist begründungspflichtig.
Das Bundesverfassungsgericht führt im Wesentlichen drei Argumente an, mit denen es das Streikverbot für Beamte begründet. Kein einziges passt für Rechtsreferendare.
Erstens argumentiert das BVerfG, der Ausgleich für das Streikverbot sei das Alimentationsprinzip.10) Beide Grundsätze seien untrennbar wechselseitig miteinander verbunden. Der Staat gewährleistet die lebenslange Alimentation, im Gegenzug benötige der Beamte kein Streikrecht. Stattdessen könnte er sich als milderes Mittel auf sein grundrechtsähnliches Individualrecht auf amtsangemessene Alimentation stützen. Das Alimentationsprinzip steht jedoch Rechtsreferendaren im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis nicht zu.
Zweitens argumentiert das BVerfG, dass Beamte gesetzlich abgesichert (§ 118 BBG; § 53 BeamtStG) durch ihre Spitzenorganisationen Einfluss nehmen könnten.11) Das sei ein Ausgleich zum Streikverbot. Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG werde schonend zum Ausgleich gebracht. Auch das Argument ist nicht auf das Rechtsreferendariat im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis übertragbar. Eine vergleichbare Möglichkeit Einfluss zu nehmen fehlt.
Drittens argumentiert das BVerfG, das Streikverbot sei mit Art. 11 Abs. 1 EMRK vereinbar.12) Dieser sei wegen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes bei der Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG zu berücksichtigen. Ein Streikverbot für Rechtsreferendare würde jedoch in Art. 11 Abs. 1 EMRK eingreifen. Eine Rechtfertigung hierfür nach Art. 11 Abs. 2 EMRK ist nicht ersichtlich. Insbesondere kommt die Rechtfertigung der „Staatsverwaltung“ nicht in Betracht. Wie etwa das OVG Hamburg klargestellt hat, soll im Referendariat nicht die Arbeitsleistung (für den Staat) nutzbar gemacht werden.13) Ein Streikverbot für Rechtsreferendare würde gegen Art. 11 Abs. 1 EMRK verstoßen, was auch bei der Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG zu berücksichtigen ist.
Das Streikverbot könnte sich allenfalls dadurch ergeben, dass der Gesetzgeber Art. 9 Abs. 3 GG durch ein einfaches Gesetz beschränkt. Für Rechtsreferendare gelten die Regelungen für Beamte auf Widerruf regelmäßig „entsprechend“, siehe etwa § 37 Abs. 1 HmbJAG. Die Übertragbarkeit scheitert jedoch bereits daran, dass auch Beamte auf Widerruf keine Beamten im statusrechtlichen Sinne sind.14)
Zusammengefasst gilt das aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleitete Streikverbot für Beamte nicht für Rechtsreferendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis.
Die Frage des Streikziels – (k)ein politischer Streik
Weiterhin stellt sich die Frage des zulässigen Arbeitskampfziels. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist das Arbeitskampfrecht tarifakzessorisch.15) Das bedeutet, dass der Arbeitskampf nur rechtmäßig ist, wenn ein tariflich regelbares Ziel verfolgt wird. Politische Forderungen, die sich an den Gesetzgeber richten, sind demgegenüber nicht tariflich regelbar. Politische Streiks sind rechtswidrig. Ansonsten bestünde ein Konflikt mit dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 GG). Der Erlass von Gesetzen und Verordnungen obliegt dem demokratisch legitimierten Staat. Die parlamentarische Willensbildung darf nicht den Druck einzelner Gruppen behindert werden, die ihre Partikularinteressen durchsetzen.16)
Würden Rechtsreferendare für eine Erhöhung der Unterhaltsbeihilfe streiken, läge ein rechtswidriger politischer Streik vor. Schließlich ist die Unterhaltsbeihilfe regelmäßig in einer Verordnung geregelt. So ist gemäß § 37 Abs. 2 S. 4 HmbJAG etwa der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg ermächtigt. Auf den Senat der FHH als demokratisch legitimiertes Verfassungsorgan darf kein streikbedingter Druck ausgeübt werden.
Allerdings ist es möglich, stattdessen als Streikziel einen Tarifvertrag für Rechtsreferendare zu fordern. Dann liegt kein politischer Streik vor.
Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Referendare an einem bereits laufenden Arbeitskampf mit bestehenden Streikzielen teilnehmen. Ein Beispiel ist der Arbeitskampf des öffentlichen Dienstes. Hier hat Ver.di auch die Beschäftigten der Gerichte und der Staatsanwaltschaft zum Streik aufgerufen. Mangels expliziter Beschränkung auf Arbeitnehmer sind auch Rechtsreferendare erfasst.
Die Verhältnismäßigkeit – mögliche kollidierende Verfassungsgüter
Zuletzt sollen einige Probleme der Verhältnismäßigkeit eines Arbeitskampfes der Rechtsreferendare beleuchtet werden. Bisher unbekannte verfassungsrechtliche Herausforderungen ergeben sich etwa, sollten Rechtsreferendare den Sitzungsdienst der Staatsanwaltschaft bestreiken.
Dann wäre die Staatsanwaltschaft gezwungen, die Sitzungstage (je Referendar bis zu drei pro Woche) durch eigene Vertreter wahrzunehmen. Gerade wegen der dort ohnehin angespannten Personallage dürfte sich die Aktenbearbeitung verzögern. Rein hypothetisch wäre es möglich, dass Hauptverhandlungen mangels Vertreter der Staatsanwaltschaft kurzfristig neu terminiert werden müssten. Strafverfahren könnten sich verzögern.
Ob ein Arbeitskampf verhältnismäßig ist, bemisst sich mangels gesetzlicher Regelung durch eine Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter. Diskussionswürdig ist besonders die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Laut BAG ist ein Arbeitskampfmittel verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional), dass sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt.17)
Als mittelbar Betroffene kommen etwa Angeklagte in Strafverfahren in Betracht. Zu ihren Gunsten ist der Grundsatz des fairen Verfahrens in der Ausprägung des Verfahrens in angemessener Frist zu berücksichtigen (Art. 20 III GG i.V.m. Art. 2 I GG i.Vm. Art. 6 I 1 letzt. Hs EMRK). Eine abstrakte maximale Gesamtlänge ist nicht bestimmbar.18) Stattdessen hängt sie von den Umständen des jeweiligen Verfahrens ab. Wägt man den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Art. 9 Abs. 3 GG ab, ist kein abstrakter Vorrang erkennbar. Bei der konkreten Abwägung gilt: Je intensiver die Beeinträchtigung einer verfassungsrechtlich geschützten Position, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung durch das kollidierende Verfassungsgut. Bei einer Bestreikung des Sitzungsdienstes der Staatsanwaltschaft wäre die Beeinträchtigung für Angeklagte selbst bei einer Terminverlegung äußerst gering. Im Verhältnis zur üblichen Gesamtlänge von mehreren Monaten wären selbst Verzögerungen um mehrere Wochen vernachlässigbar. Auch könnte die Staatsanwaltschaft einzelne Verfahren priorisieren, um Verzögerungen gering zu halten. Wegen der geringen Eingriffsintensität in das Gebot des fairen Verfahrens sind die Anforderungen gering, damit Art. 9 Abs. 3 GG überwiegt und der Arbeitskampf verhältnismäßig ist. Zugunsten der streikenden Rechtsreferendare lässt sich etwa anführen, dass sie mangels zivilrechtlichen Vertragsschlusses keinen anderen Einfluss auf die Vergütung als den Arbeitskampf haben. Somit überwiegt das Arbeitskampfrecht der Rechtsreferendare (Art. 9 Abs. 3 GG) gegenüber dem Grundsatz des fairen Verfahrens, welches Angeklagte schützt.
Art. 9 Abs. 3 GG überwiegt selbst gegenüber der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG), wenn der Angeklagte in Untersuchungshaft sitzt. Die Staatsanwaltschaft kann diese Fälle priorisiert bearbeiten, was sich bereits aus dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz für Haftsachen ergibt.
Auch die Abwägung des Art. 9 Abs. 3 GG mit der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege (Art. 20 Abs. 3 GG) fällt zugunsten des Arbeitskampfes aus. Es ist Aufgabe des Staats, durch eigene Kräfte die Strafrechtspflege zu sichern. Der Staat darf sich nicht darauf berufen, dass die Strafrechtspflege nur mit Rechtsreferendaren aufrecht zu erhalten ist. Mit der Begründung dürften Rechtsreferendare je weniger streiken, desto schlechter ihre Arbeitsbedingungen sind. Ein Streik würde scheitern, weil der Staat diese Arbeitsleistung ausbeutet und seine Ressourcenplanung für die Staatsanwaltschaft auf dem Rücken und zulasten von Rechtsreferendaren betreibt. Das ist mit dem Ziel des Art. 9 Abs. 3 GG, durch Koalitionen die Arbeitsbedingungen zu verbessern, unvereinbar.
Zusammengefasst wäre selbst die Bestreikung des Sitzungsdienstes der Staatsanwaltschaft verhältnismäßig.
Fazit – Streikrecht besteht
Rechtsreferendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis dürfen streiken. Neben der rechtlichen Ebene sind gute Arbeitsbedingungen im Referendariat jedoch gleichzeitig die beste Werbung für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst. Daher hat der Staat ein Eigeninteresse, Streiks als ultima ratio durch gute Arbeitsbedingungen zu vermeiden.
References
↑1 | BVerfG, Beschl. v. 22.05.1975 – 2 BvL 13/73, juris Ls. 11. |
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↑2, ↑9, ↑14 | BVerfG, Beschl. v. 24.09.2007 – 2 BvR 442/06, juris Rn. 10. |
↑3, ↑4 | BVerwG, Beschl. v. 17.03.2014 – 2 B 45/13, juris Rn. 16. |
↑5 | BVerfG, Beschl. v. 24. 09.2007 – 2 BvR 442/06, juris Rn. 10. |
↑6 | ErfK/Linsenmaier, 24. Aufl. 2024, GG Art. 9 Rn. 23. |
↑7 | BAG, Urt. V. 12.09.1984 – 1 AZR 420/83, juris Rn. 134. |
↑8 | BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12, juris Rn. 144. |
↑10 | BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12, juris Rn. 153. |
↑11 | BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12, juris Rn. 158. |
↑12 | BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12, juris Rn. 163 ff. |
↑13 | OVG Hamburg, Beschl. v. 04.01.2006 – 1 Bf 92/05, juris Rn. 6. |
↑15 | BAG, Urt. v. 20.11.2018 – 1 AZR 189/17, juris Rn. 28. |
↑16 | BVerfG, Urt. v. 12.06.2018 – 2 BvR 1738/12, juris Rn. 162. |
↑17 | BAG Urt. v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, juris Rn. 28. |
↑18 | EGMR, Urt. v. 06.11.2014 – 67522/09 –, juris Rn. 54. |
Die Autoren vertreten einige kühne Thesen, berühren jedoch manche Frage, die sich im Zusammenhang des Themas aufdrängt, nicht.
Zwei Punkte seien kurz angerissen: zum einen ist der Arbeitskampf nach deutschem (Richter-)Recht nur zulässig, wenn er sich auf ein tariflich regelbares Ziel richtet. Was Inhalt von Tarifverträgen sein kann, sagt uns § 1 Abs. 1 TVG: Rechtnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissesn sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordenen. Die hamburgischen Rechtsreferendare stehen aber, wie im Beitrag näher dargelegt wird, nicht in einem Arbeitsverhältnis. (Sie sind auch sicher keine arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinne von § 12a TVG). Also kann für sie kein Tarifvertrag im Sinne des § 1 Abs. 1 TVG geschlossen werden (vgl. BAG, 19.06.1974 – 4 AZR 436/73: keine Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für öffentlich-rechtliche Gewaltverhältnisse). Dann aber wird ein Arbeitskampf für einen TV Rechtsreferendare HH kaum zulässig sein.
Zweiter Punkt: Nach ständiger Rechtsprechung sind nur Arbeitskämpfe zulässig, die für ein tariflich regelbares Ziel von einer (tarifzuständigen) Gewerkschaft geführt werden. Die Streikforderungen von Ver.di, die vor dem 04.12. verkündet wurden, beziehen sich, das sei ohne nähere Prüfung angenommen, auf tariflich regelbare Ziele, für die Ver.di tarifzuständig ist. Sie beziehen sich aber – soweit ich sehe – nicht auf tarifliche Regelungen für Rechtsreferendare in HH. Ein Streik von hamburgischen Rechtsreferendaren in dieser Konstellation wäre somit wohl ein Unterstützungsstreik (gewesen), und den Unterstützungsstreik hält das Bundesarbeitsgericht, vereinfach gesagt, nur unter engen Voraussetzungen für zulässig.
Dass das Streikverbot für Beamte für Rechtsreferendare als Quasi-Beamte auf Widerruf nicht gelten soll, obwohl diese als Beamte vereidigt werden (war jedenfalls in meiner Referendarzeit so) und auch sonst diversen Rechtsvorschriften des Beamtenrechts unterliegen, scheint mir ebenfalls kühn.
Referendar*Innen können in Hessen, M-V, Sachsen und Thüringen als Beamte auf Widerruf tätig sein. Im Übrigen werden sie in einem öffentlich- rechtlichen Ausbildungsverhältnis beschäftigt.
Was ein Quasi- Beamter auf Widerruf ist, ist mir unbekannt. Wo es sie gibt, ist ihnen zu wünschen, dass sie auch quasi- alimentiert werden. Das hätten Sie dann immerhin mit Berliner Richtern gemein. /s
Ich halte den Beitrag für stichhaltig. Insbesondere überzeugen mich alle drei von Ihnen aufgebrachten Punkte nicht.
Erstens umfasst das TVG auch Auszubildende dem Wortlaut nach nicht, trotzdem hat das BAG ihre Streikteilnahme bereits 1984 für rechtmäßig erklärt (BAG, Urt. V. 12.09.1984 – 1 AZR 420/83, juris Rn. 133). Gleichzeitig hat das BAG auch die tarifliche Regelung der Auszubildendenvergütung anerkannt. Wäre die Auszubildendenvergütung demgegenüber nicht tariflich regelbar, müsste konsequenterweise jeder Arbeitskampf mit diesem Ziel wegen der Rührei-Theorie rechtswidrig sein. Mir ist jedoch kein Arbeitskampf bekannt, welcher wegen der Forderung der Azubi-Vergütung für rechtswidrig erklärt wurde. Ob das BAG für Auszubildende § 12a Abs. 1 TVG analog anwendet oder einen anderen dogmatischen Weg wählt, ist bisher sein Geheimnis. Dieselbe Argumentation für Azubis muss jedoch auch für Rechtsreferendare gelten.
Zweitens sind Unterstützungsarbeitskämpfe seit der BAG-Rechtsprechungsänderung 2007 im Regelfall rechtmäßig und nur ausnahmsweise rechtswidrig. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist daher umgekehrt als von Ihnen vorgetragen (BAG 19.6.2007, NZA 2007, 1055 Rn. 33; ausführlich ErfK/Linsenmaier, 24. Aufl. 2024, GG Art. 9 Rn. 121). Unabhängig davon könnte eine tarifzuständige Gewerkschaft einen eigenen Streikbeschluss für Rechtsreferendare fassen.
Drittens wäre es – vorsichtig gesagt – etwas kühn, ein Grundrecht bereits wegen eines Eids leerlaufen zu lassen. Ausschlaggebend ist nicht der Eid, sondern die mit dem Eid verbundenen Rechtsfolgen, die die massive Beschränkung des Art. 9 III GG rechtfertigen müssen. Wenn Rechtsreferendare als Folge des Eids sich aber nicht auf das Alimentationsprinzip berufen können, entfällt ein wesentliches Argument für die Verhältnismäßigkeit des Streikverbots.