18 January 2024

AfD-Verbotsverfahren als demokratische Pflicht  

„Fascism a World Movement“ – so lautet die Eingangspassage in Karl Loewensteins Text zur wehrhaften Demokratie. 1937 unter dem Titel „Militant Democracy and Fundamental Rights“ in zwei Teilen (1, 2) im American Political Science Review erschienen, arbeitet Loewenstein hier die Bedrohung des rechtsextremen „Kriegs gegen die Demokratie“ heraus und fordert die Demokratinnen und Demokraten aller Länder dazu auf, „den Erfordernissen der Stunde gerecht zu werden und alles dafür zu tun, um die Demokratie zu retten“.

Wie aktuell diese Diagnose, wie groß die Gefahr durch die rechtsextreme Weltbewegung ist, zeigen nicht nur die Entwicklungen im US-amerikanischen Vorwahlkampf und im polnischen Nachwahlkampf, sondern auch im deutschen Dauerwahlkampf.

Rassismus als Verfassungsfeindlichkeit

Gerade für die deutsche Diskussion wäre es wünschenswert, wenn Loewensteins Analyse, die den Sinn der „wehrhaften Demokratie“ nicht im Staatsschutz, sondern im Schutz von Demokratie und Grundrechten verortet, endlich auch einmal in deutscher Übersetzung vorläge.

Denn Loewensteins Vorstellungen zur „wehrhaften Demokratie“ lassen sich gut verknüpfen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das im NPD-Urteil 2017 gerade nicht das Element des Staatsschutzes gegen Extremismus, sondern die Bedeutung der Menschenwürde bei der Bewertung der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei betont hat. Das ist eine wichtige Präzisierung. Sie schärft das Schwert des Parteiverbots gegen rechts und mindert die Hufeisen-Gefahr, indem gerade die Bedeutung des Rassismus für die Bewertung der Verfassungsfeindlichkeit hervorgehoben wird.

Kampf in allen gesellschaftlichen Sphären

Die aktuelle Verbotsdebatte gewänne an Tiefe, wenn die Leerformel, dass der Rechtsextremismus „politisch zu bekämpfen“ sei, einmal mit den Erkenntnissen politischer Theorie á la Loewenstein und Praxis konfrontiert würde. Denn dann würde rasch deutlich, dass von einem „politischen Kampf“ gegen den Rechtsextremismus nur die Rede sein kann, wenn dieser Gefahr in allen gesellschaftlichen Sphären – in den Betrieben, in den Wissenschaftsinstitutionen, im Recht, ja auch in den Kirchen – konsequent entgegengetreten wird. Gerade auch die politischen Institutionen sind dabei gefragt, ihrer Verantwortung zum Schutz der Demokratie und der Menschen in vulnerablen Situationen nachzukommen. Klaus-Ferdinand Gärditz hat diese in der Verbotsnorm des Art. 21 GG zum Ausdruck kommende Schutzverantwortung für die Menschen, die durch die rassistischen, antisemitischen, sexistischen, ableistischen und klassistischen Praxen des Rechtsextremismus in ihrer Existenz gefährdet sind, zutreffend beschrieben.

Dieser Verantwortung kommt man nun aber politisch nicht schon einfach dadurch nach, dass man sich mehr oder minder unausgegoren zur Frage eines möglichen AfD-Verbotsverfahren auf dem Marktplatz der politischen Meinungen positioniert. Vielmehr geht es darum, konkrete Schritte einzuleiten, um der Schutzpflicht für Demokratie und Grundrechte nachzukommen.

Das ist insofern nicht nur eine Forderung der politischen Theorie eines Karl Loewenstein sondern auch des Grundgesetzes selbst. „Parteien“, so bestimmt das Artikel 21 des Grundgesetzes, „die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen sind verfassungswidrig“. Das Grundgesetz lässt hier keine Wahl und keinen Dünkel zu: Die Verfassungswidrigkeit folgt unmittelbar aus der Verfassungsfeindlichkeit und dem Gefahrenpotential der Partei („darauf ausgehen“).

„Ermessensreduktion auf Null“

Politische Ermessensfragen im Umgang mit dem Rechtsextremismus kennt die Verfassung daher selbst nicht. Formulierungen, die Spielräume zulassen, finden sich erst in den der darunter liegenden Verfahrensnormen. So sieht § 43 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes vor, dass das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit von Parteien entscheidet und dass ein entsprechender Antrag Bundestag, Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden „kann“.

Dieses „Können“ ist nun aber nicht so zu verstehen, dass die drei hier genannten Institutionen frei wären, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag mit einem Verbotsantrag zu warten. Das würde die verfassungsrechtliche Wertung, nach der verfassungsfeindliche Parteien mit gesellschaftlichem Gefahrenpotential zwingend als verfassungswidrig einzustufen sind, untergraben.

Dementsprechend geht auch die juristische Literatur davon aus, dass sich das politische Ermessen im Hinblick auf ein Parteiverbotsverfahren verdichten kann. Wie weit, das ist gerichtlich ungeklärt. Das Bundesverfassungsgericht oszilliert im KPD-Urteil zwischen den Formulierungen, (1) dass es ein verfassungsrechtliches Gebot sei, „daß jede Partei an der politischen Willensbildung des Volkes nur im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Ordnung mitwirken darf“ (BVerfGE 5, 85 (230)) und (2) dass die Einleitung des Verfahrens eine „Frage des politischen Ermessens“ sei (a.a.O., 128). An wiederum anderer Stelle spricht das Gericht diesbzgl. von einem „pflichtmäßigen Ermessen“ (a.a.O., 113). Das ist alles nicht ausjudiziert, aber: Wo es Ermessen gibt, gibt es auch Ermessensgrenzen.

Sehenden Auges in die Katastrophe zu gehen, ohne die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung auszuschöpfen, ist insofern keine Alternative. Und dementsprechend versucht sich auch die Literatur richtigerweise an einer Eingrenzung der Ermessenseinräumung, also an einer Ausdeutung des „pflichtgemäßen Ermessens“. Von Hans Klein ist im „Dürig/Herzog/Scholz“ insofern zu lesen (a.a.O., Art. 21 GG, Rn. 547): Das „den möglichen Antragstellern eingeräumte Ermessen ist weit, aber nicht unbegrenzt. Bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungswidrigkeit einer Partei, sind also die Erfolgsaussichten eines Verbotsantrags hoch einzuschätzen, und haben die Bemühungen, die Partei politisch zu bekämpfen, binnen einer nicht zu lang zu bemessenden Zeit es nicht vermocht, sie zu schierer Bedeutungslosigkeit zu reduzieren, schrumpft der Ermessensspielraum auf Null.“

Ein konzertiertes Vorgehen wäre ideal

Die AfD, so lässt sich nicht mehr ernsthaft wegdiskutieren, ist ein solcher Fall, in dem offensichtliche Verfassungsfeindlichkeit und Gefahrenpotential zusammenfallen. Das genau ist ja der Grund, weshalb die Politik hier wie das Kaninchen vor der Schlange steht.

Ernsthafte Zweifel, das Deutsche Institut für Menschenrechte hat das in seiner Studie zu den Möglichkeiten eines Verbotsverfahrens verdienstvoll dokumentiert, an der Verfassungswidrigkeit gibt es keine mehr. Die Partei ist durchsetzt von Rassist*innen, sie hat dem Menschenwürdeprinzip, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit den Kampf angesagt, sie will ausweislich ihres 5-Punkte-Plans für Thüringen im Fall eines Machteintritts sämtliche Landesmaßnahmen zum Klimaschutz beenden und die Erde unbewohnbar machen. Eine solche Partei greift die Grundlagen unserer Existenz an.

Es ist daher die verfassungsrechtliche Pflicht von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, hier nun – idealerweise konzertiert – voranzuschreiten, konkrete und öffentlich dokumentierte Prüfschritte für die Einleitung eines Verbotsverfahrens einzuleiten, einen realistischen Zeitplan und eine adäquate Strategie für eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit, die Christoph Möllers zu Recht eingefordert hat, zu erarbeiten. Zumindest diese Prüfung und dokumentierbare Prüfschritte werden für einen, ggf. auch gerichtlich einklagbaren pflichtgemäßen Ermessensgebrauch zu verlangen sein.

Auch das Bundesverfassungsgericht darf das Verfahren nicht verschleppen

Und auch das Bundesverfassungsgericht hat im Angesicht der Gefahr konkrete Pflichten im Rahmen eines Verbotsverfahrens. Es darf den grundgesetzlichen Schutzmechanismus in dieser existentiellen Frage nicht dadurch unterlaufen, dass dieses Verfahren wie die Verbotsverfahren der Vergangenheit über viele Jahre hinweg verschleppt wird. Natürlich wird das Verfahren nicht schon 2024 beendet werden können, das Gericht wird mit umfassenden Beweisaufnahmen konfrontiert sein. Aber in dieser Sache, in der die Rechtsstaatlichkeit und damit seine eigene Existenz auf dem Spiel steht, wird es nicht die in den letzten Jahren üblichen vier Jahre deliberieren können.

Aber auch vor einer Entscheidung würden, sofern ein Verbotsverfahren noch 2024 eingereicht wird, auch für dieses Wahljahr wichtige Signale ausgesendet. Die Verfahrenseinleitung schafft den Rechtsextremismus nicht aus der Welt, bringt auch nicht die welt- und europaweit bestens vernetzten Rechtsextremist*innen zum Verschwinden, aber das Verfahren wird bei entsprechender Öffentlichkeitsarbeit ein Signal dafür sein, dass es Grenzen gibt, die in der Demokratie nicht überschritten werden dürfen. Ein konzertiertes Verbotsverfahren hätte, anders gesagt, auch einen Effekt auf die Milieus, die der AfD derzeit ihre Stimme zu geben bereit sind. Nach der Verfahrenseinleitung ist die Republik nicht dieselbe wie zuvor.

Und ja, die AfD wird versuchen, daraus politischen Profit zu schlagen, sie wird sich als Opfer von Zensur, staatlicher Repression und Willkür gerieren. Aber dieser Klaviatur bedient sich die Partei sowieso. Das Verbotsverfahren würde an diesem Narrativ des Rechtsextremismus nichts ändern. Im Gegenteil: Je konzertierter sich die Institutionen endlich, endlich an die Arbeit des Verbotsverfahrens machen, desto weniger wird das Willkürargument der AfD greifen können.

Konkrete Schritte sind daher gefragt. Denn im Angesicht der Gefahr wächst nicht nur das Rettende, sondern wachsen auch die verfassungsrechtlichen Pflichten für die Staatsorgane, ernsthafte und wirkungsvolle Rettungsmaßnahmen einzuleiten.


SUGGESTED CITATION  Fischer-Lescano, Andreas: AfD-Verbotsverfahren als demokratische Pflicht  , VerfBlog, 2024/1/18, https://verfassungsblog.de/afd-verbotsverfahren-als-demokratische-pflicht/, DOI: 10.59704/c66cb99692acb885.

23 Comments

  1. schorsch Thu 18 Jan 2024 at 17:42 - Reply

    Meine Fresse. Erst das subjektive Recht auf eine wehrfähige Bundeswehr, jetzt eine latente Antragspflicht für Parteiverbotsverfahren – nächste Woche dann das per Verfassungsbeschwerde einklagbare Recht auf Stellung eines Verbotsantrags?

    Zum ersten Mal stelle ich mir die Frage, ob ein (von mir geliebtes und seit Jahren gelesenes) Blog, das das aktuelle politische Geschehen fortlaufend aus der Perspektive des Verfassungsrechts kommentiert, nicht ein inhärent problematisches Genre ist, weil es der Verrechtlichung der Politik geradezu das Wort reden MUSS.

    • schorsch Thu 18 Jan 2024 at 22:16 - Reply

      Beim ersten Lesen überlesen, aber da steht es ja schon::

      „[…] einen, ggf. auch gerichtlich einklagbaren pflichtgemäßen Ermessensgebrauch […].“

      Ich denke jetzt das Wochenende darüber nach, ob ich aus der beamtenrechtlichen Treuepflicht des Herrn Fischer-Lescano zur FDGO einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen Herrn Fischer-Lescano habe, dass Herr Fischer-Lescano die Bundesregierung darauf verklagt, beim BVerfG ein Parteienverbot zu beantragen. Oder so ähnlich.

    • Bijan Moini Fri 19 Jan 2024 at 08:16 - Reply

      An dieser Stelle halte ich das Gegenteil nicht für die Lösung: Die einfachrechtliche Regelung der Antragsberechtigung und die unklare Frage des Ermessensspielraums haben aus einer zentralen Frage für unsere Demokratie eine politische gemacht, wodurch das Parteiverbot in weiten Teilen als Frage des Parteiwettbewerbs interpretiert wird. Das delegitimiert das Verfahren in den Augen dieser Teile schon vor seinem Beginn, was seinem Zweck und seiner Bedeutung nicht gerecht wird.

      • schorsch Sat 20 Jan 2024 at 08:46 - Reply

        ich glaube die „unklare fragen des ermessens“ gibt es einfach nicht. umgekehrt wird ein schuh draus: der verwaltungsrechtliche begriff des ermessens verunklart, wie politik entscheidet, entscheiden darf und entscheiden muss.

        ich verstehe ihren punkt. das ist ein wirkliches dilemma, dass ein parteiverbotsantrag gegen starke politische konkurrenten immer unter dem verdacht stehen muss, es gehe darum, eben diese konkurrenz auszuschalten. dieses dilemma ist dem verfahren inhärent. es ist im übrigen von karlsruhe unnötigerweise dadurch verstärkt worden, dass das gericht qualitative argumente (verfassungsfeindlichkeit) um quantitative argumente ergänzt hat (potenzialität/ verhältnismäßigkeit). die grenzziehung zwischen dem, was noch teil der demokratischen auseinandersetzung ist, und dem, was gegen diese demokratische auseinandersetzung gerichtet ist, ist schwierig. aber sie ist sicher keine frage der verhältnismäßigkeit.

        ich halte es auch offen gestanden in einer demokratie für selbstverständlich, dass ALLE „zentralen fragen für unsere demokratie“ zu politischen fragen gemacht werden. das ist ja das wunderbare an der demokratie! das gegenmodell ist für mich ein horrorszenario: mir geht der arsch auf grundeis, wenn ich mir vorstelle, dass die 23. kammer des verwaltungsgerichts berlin in der kirchstraße zusammentritt und die frage entscheidet, ob die bundesregierung ein afd-verbot beantragt. ich glaube übrigens auch nicht, dass diese frage dadurch „unpolitisch“ oder das verbotsverfahren „legitimiert“ würde. allenfalls würde dadurch die justiz delegitmiert.

        • Bijan Moini Mon 22 Jan 2024 at 10:47 - Reply

          Dass die 23. Kammer des VG Berlin über die Pflicht zur Antragstellung entscheidet, ist nur eine Möglichkeit. Es gäbe andere Gestaltungsmöglichkeiten: Ein Jedermanns-Antragsrecht z.B. oder ein Antragsrecht bei einer unabhängigen Stelle (die es noch nicht gibt). Das bringt jeweils eigene Probleme mit sich. Aber ich wollte mit alldem sagen: Ich verstehe den allgemeinen Unwillen, alle politischen Fragen zu verrechtlichen; nur gerade beim Parteiverbot sehe ich mindestens ebenso große Probleme in der Politisierung des Verfahrens, weshalb es sich aus meiner Sicht nicht gut als Beispiel für Ihre allgemeinere Kritik eignet.

          • schorsch Mon 22 Jan 2024 at 19:15

            wie gesagt: ich sehe das problem, nur nicht die lösung (ein jedermannsrecht fände ich wirklich am allerschlimmsten, mal ganz davon abgesehen, dass die afd damit eben jenen coup einfahren könnte, den auch die npd einst versucht hat, vgl. 2 BvE 11/12).

    • Tim Fri 19 Jan 2024 at 10:42 - Reply

      Worüber der Kommentator “schorsch” sich so aufregt, verstehe ich nicht… Prof. Fischer-Lescano stellt ja lediglich die Rechtslage dar. In der Tat aber ist die Frage spannend, ob nicht auch Einzelne die Möglichkeit hätten, z. B. die Bundesregierung verwaltungssgerichtlich zu zwingen, ihr Ermessen sachgerecht auszuüben und ggfs. einen Verbotsantrag zu stellen, wenn eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt.

    • Th. Koch Sun 21 Jan 2024 at 20:19 - Reply

      Dieser Kritik an dem Beitrag ist zu widersprechen: Die Annahme einer Pflicht zur Antragstellung entspricht einer Literaturmeinung, die darauf verweist, dass die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei eine Rechtsfrage ist, die naturgemäß nicht Gegenstand von Opportunitätserwägungen sein kann. Sofern der Tatbestand des Art. 21 II als erfüllt angesehen wird und dies hinreichend belastbar dokumentiert ist, muss folgerichtig eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Antragstellung bestehen, die sich daraus ergibt, dass im Falle der Duldung der Agitation einer verfassungswidrigen Partei ein von der Verfassung selbst als verfassungswidrig bezeichneter Zustand besteht, für dessen Beseitigung ein Verfahren wie auch eine Zuständigkeit existieren. Das Unterlassen eines Verbotsantrags verstößt in diesem Falle gegen das Grundgesetz.

      • schorsch Tue 23 Jan 2024 at 10:45 - Reply

        steile these. soll dieses „legalitätsprinzip“ auch überall anders gelten? muss jedes verfassungswidrige gesetz auch mit einer abstrakte normenkontrolle angegriffen werden? wenn ja: wen trifft die abtragspflicht? alle abtragsberechtigten? welche abgeordneten 1/4 der abgeordneten des bundestags muss den antrag stellen

  2. Kaffeesatzleser Thu 18 Jan 2024 at 18:32 - Reply

    Warum ist die AfD in Umfragen bei 20 % und mehr? Weil sich die Eliten in Deutschland in weiten Teilen daneben benehmen. Die politischen und medialen Eliten.
    Was ist Demokratie? Demokratie ist die Herrschaft des Volkes, in den Formen des GG. Das GG sieht eine parlamentarisch-repräsentative Demokratíe vor. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Demokratie ist, dass sich die Repräsentanten an das Volk gebunden fühlen, dass sie sich eben als dessen Repräsentanten ansehen. Das war in der “alten” Bundesrepublik in weiten Teilen der Fall.
    Heute denken sehr, sehr viele Politik und die meisten Medienschaffenden, dass sie eine Art Kolonialaufsicht über das deutsche Volk ausüben. Sie – die Eliten – sehen sich als moralisch überlegen an, und halten das deutsche Volk für (zu) dumm.
    Diese Verachtung merken die Menschen und wenden sich ab.
    Dazu kommt, dass die Ergebnisse der Politik der letzten 10, oder 20 Jahre ziemlich daneben sind. Gibt es irgend jemanden, der behaupten kann, dass Deutschland eine gute Energie-, Migrations- oder Verteidigungspolitik betrieben habe? Eben!
    Die Demokratie wird am Besten durch demokratisches Handeln verteidigt. Deshalb: redet mit dem Volk, identifiziert Euch mit Deutschland, handelt zu seinem Wohl. Eigentlich Selbstverständlichkeiten. Die Medien: seit kritisch – gegenüber allen. Auch wenn Ihr Sympathien für eine bestimmte politische Meinung habt.
    Ein Zitat von Gustav Heinemann: “Die Grundlage der Demokratie ist die Volkssouveränität und nicht die Herrschaftsgewalt eines obrigkeitlichen Staates. Nicht der Bürger steht im Gehorsamverhältnis zur Regierung, sondern die Regierung ist dem Bürger im Rahmen der Gesetze verantwortlich für ihr Handeln. Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, das sie demokratische Rechte missachtet”
    Ist es denkbar, dass – sagen wir – Steinmeier so etwas sagen würde? Nein – und darin liegt das Problem.
    Mehr Heinemann wagen!

    • Thomas Sun 21 Jan 2024 at 22:24 - Reply

      Ich finde die von Ihnen vorgenommene Unterteilung (Sie als Teil der unverstandenen Massen, des “Volkes” – der Rest hier wohl als Teil der “Eliten) mal wieder sehr interessant. Ich will garnicht bestreiten, dass politisch wohl viel falsch gelaufen ist über die letzten Jahre und Jahrzehnte.
      Mich stört nur dieser Duktus, dass es anscheinend eine böse, wahrscheinlich verschwörerisch agierende, Elite gibt, welche planmäßig berechnend alles gegen sein “Volk” unternimmt. Wer bitte sollen denn bitte diese politischen und medialen Eliten sein? Am Ende ist es doch so, dass eine Demokratie nur so gut ist wie die Menschen die sie tragen. Dazu gehören Sie genau so wie der Rest hier.
      Dieses Gerede von “Wir das Volk” und “Die Eliten da oben” hat für mich immer etwas Verschwörungstheoretisches an sich, geht am eigentlichen Punkt weit vorbei und legitimiert nur irgendwelche Umsturzfantasien des vermeintlich nicht gehörten Volkes.

      • cornelia gliem Mon 22 Jan 2024 at 14:46 - Reply

        dem kann ich nur zustimmen. ehrlichgesagt klingt das hier auch schon sehr nach rechtsradikalen staatsfeindlichem Verschwörungs-Geraune. und der von Ihnen Kommentierte beruft sich da auf eine Auslegung der Demokratie, die eben längst nicht mehr gültig ist: unsere Demokratie ist durch Menschenrechte “eingeschränkt”, es gilt eben nicht die Herrschaft der Mehrheit.

        • Kaffeesatzleser Thu 25 Jan 2024 at 18:09 - Reply

          Nichts von dem, was ich geschrieben habe ist in irgend einer Form “rechtsradikal”, “verschwörungstheoretisch” oder “staatsfeindlich”. Ich habe einfach die Grundlagen der Demokratie beschrieben, wie sie sich aus dem GG ergeben Wenn das schon als “rechtsradikal” angesehen wird – was sagt das dann über die Zustimmung zur Demokratie. Was vielleicht auch Gustav Heinemann rechtsradikal? Wer weiß….

  3. Postkartenverehrer Fri 19 Jan 2024 at 09:42 - Reply

    Also ich finde diese Diskussion um ein Verbot der AFD mehr als hilflos.

    1. Die Diskussion wurde bereits lange geführt und ein Verbotsverfahren wurde nicht eingeleitet.
    2. Jetzt wo die AFD in Umfragewerten erstarkt, wird auf einmal die Verbotsdiskussion wieder erwärmt. Können sich die Parteien und die Gesellschaft (?) nicht anders behelfen diesem Trend entgegen zu wirken, als in Angst vor steigenden Zahlen auf einmal doch ein Verbot zu diskutieren?
    3. Rechtsfolge eines Verbotes? Wird nicht wirklich erläutert. Selbst wenn ein Verbot stattfindet, laufen die Mitglieder dann zur “Werte Union” oder anderen noch gründbaren Parteien und es geht einfach weiter.
    4. Türingen =/= Bund. Und wenn Höcke ein Nazi ist, muss es Weidel nicht sofort auch sein. Diese Ausdifferenzierung fehlt komplett. Und gegen den “Flügel” wurde bereits vorgegangen. Sehr erfolgreich wie es nun scheint, oder? Spiegelt sich darin womöglich die Naivität der Vorgehensweise?
    5. Die AFD erstarkt nicht, weil es ein stetiges Wachstum von Rechtsextremisten im Land gibt. Sie erstarkt aus absolutem Politikverdruss über die Clownsviesta im Bundestag. Der Bürger fühlt sich geschröpft, ausgenutzt, verkauft und vieles mehr.
    6. Der Bürger greift zum Mittel der DEMOKRATIE und wählt eine Partei, von der sie sich was auch immer erhofft. Und die DEMOKRATIE sieht es dann als gerechtfertigt an, diesen Bürgerwillen “einfach” wegzuverbieten? Demokratie ist kein Rosinenpicken und der Wille des Volkes (sollte) entscheidet nun einmal.
    7. Wenn die Ressourcen dieser sinnlosen Diskussion mal in gesellschaftlichen Mehrwert investiert würden, könnte man das Vertrauen der Bürger vielleicht mal wieder zurück gewinnen.

  4. Tom Fri 19 Jan 2024 at 12:28 - Reply

    Jahrzehntelanger Input hat zu diesem Output geführt

    Gleichzeitig ist keine der daran beteiligten Parts(-eien) mehrheitsfähig geblieben oder wieder geworden. Sie wünschen also diesen Output der dazu führt, daß die Menschen im Land sie nicht mehr wünschen. Diese Ignoranz der Wünsche der Menschen im Land ist somit der Gegner.
    Empfinden die Parteien die Menschen als Gegner, oder die Menschen die Parteien als Gegner.

    Nun, die Menschen können nur wählen, demonstrieren und miteinander sprechen. Die Parteien können Gesetze machen und haben alle Gewalten im Staat.

    Seit vier Jahren demonstrieren die Menschen in immer größerem Umfang. Millionen haben sich auf diesen Demonstrationen kennengelernt und sprechen nun. Die Parteien ignorieren auch dies. Anderenfalls hätte ein Part reagiert. Ihr Zuspruch wieder gestiegen. Das wird nun einer jüngeren Partei zu Teil.
    Die Kommunikation und Formung der Meinung hat sich vom Frontalmedium Fernsehen und Print zur zwischenmenschlichen Kommunikation weiterentwickelt.
    Der Bruch mit Fernsehen/Print ist manifestiert und nun für Jahre unumkehrbar.

    Allgemeines bis irrationales Mißtrauen gegenüber den Parteien ist ein Output der letzten Jahre. Die Menschen müssen also zwangsläufig Parteien und deren Herrschaft der staatlichen Gewalten als Gegner wahrnehmen.

    Ein Versuch mit den Staatsgewalten Gesetzgebung und Rechtsprechung den Output zu neutralisieren KANN und MUSS zu fatalen FOLGEN führen. Denn dann wird selbst die Rechtsprechung, durch sich selbst, die Legitimierung entzogen.

    Dann folgt etwas völlig irrationales. Die Menschen sehen, daß sie keinen Rechtsschutz mehr haben. Dann macht sich Angst breit. Das fördert bekanntlich irrationales und unkontrolliertes Verhalten. Das kann keiner wollen.

    Mit Rechtsprechung läßt sich der Output nicht bereinigen. Der Input muß verändert werden, dann ändert sich auch der Output.

    Die Parteien können schon ab heute den Input verändern und der Output wird sich ebenfalls sofort verändern.

    Ich hoffe für alle Kenner der Juristik, daß sie nicht den Fehler machen sich in die fehlende Änderungen der Parteien einzumischen. Es gibt für alles was unrecht ist das Strafgesetzbuch. Wenn das nicht reicht, dann stimmt etwas grundsätzlicher Natur nicht. Denn dann ist anzunehmen, daß keine Straftaten vorliegen.

    Ich hoffe für alle Kenner der Juristik, daß sie nicht den Fehler machen sich in die fehlende Änderungen der Parteien einzumischen. Ich wiederhole dies. Wenn die nun aktiv werdenden Juristen hier eingreifen, dann lösen sie eine “Kernschmelze” aus.
    Man kann die mißachteten, legalen Wünsche nicht mit Gesetzen und Gerichten lösen, denn dann ändert sich zwangsläufig die Staatsform.
    Dann verliert jeder. Dann ist außer Kontrolle was daraus entsteht.

    Das mildeste Mittel ist die Veränderung der Parteien. Der Versuch juristisch einzuschreiten wird, so hoffe ich, von weisen Juristen erkannt und verworfen.

    • cornelia gliem Mon 22 Jan 2024 at 14:50 - Reply

      Ihr Sprachgebrauch klingt doch sehr nach …. Sekte. Welche “Millionen” sind vier Jahre lang auf die Sstraße gegangen? und wo bitte haben die Regierungen versucht “den Output zu neutralisieren”?
      “die Kenner der Juristik” – es wäre besser gewesen, den entsprechenden Artikel hier korrekt zu lesen…

  5. Kim Tolliver Fri 19 Jan 2024 at 13:16 - Reply

    “Sie schärft das Schwert des Parteiverbots gegen rechts und mindert die Hufeisen-Gefahr, indem gerade die Bedeutung des Rassismus für die Bewertung der Verfassungsfeindlichkeit hervorgehoben wird.”

    Diesen Satz verstehe ich nicht, was ist die “Hufeisen-Gefahr”? Lese ich den Satz so richtig, dass der Autor gern Prinzipien verankert sehen möchte, mit denen man spezifisch rechte Verfassungsfeinde leichter staatlich unter Druck setzen kann, ohne dabei gleichzeitig linke Verfassungsfeinde zu stark einzuschränken? Eine andere Interpretation erschließt sich mir nicht. Wenn das so stimmt, dann die Frage: Was soll das? Gibt es für den Autor eine “schützenswerte” Verfassungsfeindlichkeit?

  6. Gideon Botsch Sat 20 Jan 2024 at 13:00 - Reply

    Diese Klarstellungen waren überfällig.
    Besonders dankbar bin ich dem Kollegen Fischer-Lescano für die Kursivsetzung des Wörtchens “sind” beim Zitat aus dem Grundgesetz. Die Diskussion um das Parteiverbot wird – und wurde lange vor Gründung der AfD – viel zu oft rein taktisch geführt. Es geht inzwischen aber um nicht weniger als die Verteidigung der Demokratie im Sinne des Grundgesetzes, und zwar in ihrem aus der Menschenwürde abgeleiteten Grundprinzipien.
    Tatsächlich und mit guten Gründen hat das NPD-Urteil von 2017 die durch und durch rassistische Volks- und Staatskonzeption der NPD in den Mittelpunkt gerückt, wenn es die Verfassungswidrigkeit der Partei auf Grund ihrer Ziele und des Verhaltens ihrer Anhänger feststellt.
    Die “Potenzialität” der Erreichbarkeit ihrer Ziele wird der AfD niemand mehr absprechen können, seit sie erste kommunale Spitzenämter erlangt hat.
    Ein taktisch motivierter Einwand gegen die Prüfung eines Verbotsverfahrens besteht in dem Zweifel, ob man im Fall der AfD die Verfassungswidrigkeit gleichermaßen beweisen kann, wie im Fall der NPD. Das “Remigrations”-Ziel samt dem konkreten Begriff ist indes seit langem Bestandteil ihrer Politik, und derzeit bekennen sich AfD-Repräsentanten geradezu provokativ dazu.
    Darüber hinaus benennt GG 21 explizit nicht nur verfassungswidrige Ziele der Partei, sondern auch ein entsprechendes Verhalten ihrer Anhänger. Im NPD-Urteil 2017 hat das BVerfG zur Operationalisierung und Präzisierung des Begriffs “Anhänger” eine gute Grundlage geschaffen, anhand derer die erforderliche Bewertung der Zurechenbarkeit gegeben ist. Dabei dürfen Sinn und Wortlaut von GG21 nicht ausgeblendet werden, und mit Blick darauf empfiehlt es sich, auch das SRP-Urteil von 1952 noch einmal heranzuziehen. Damals hat der Senat explizit erläutert, warum Art 21 eben auch auf die Anhänger zielt.

  7. Reiner Schindler Sun 21 Jan 2024 at 09:21 - Reply

    zwei Dinge werden in der Diskussion übersehen:
    1. Wir haben keine Demokratie. Wir haben eine Parteienoligarchie.
    2. Eine Demokratie hat den Diskurs zu führen und auszuhalten

    Wer das versteht, sucht keine Argumente für ein Parteienverbot, sondern redet…auch wenn es der politische Gegner ist.

    • cornelia gliem Mon 22 Jan 2024 at 14:52 - Reply

      Oho, da wagen Sie sich aber weit vor: “Wir haben keine Demokratie” – na wenn das stimmen würde, befinden Sie sich sicherlich seit gestern in Haft und können meine Replik hier gar nicht mehr lesen…

      • Edward Fri 26 Jan 2024 at 10:37 - Reply

        Gibt es einen Unterschied zwischen “Demokratie” und “Rechtsstaat”? Bedingen sie sich under schließen sie sich vllt sogar aus?

    • Tim B. Tue 23 Jan 2024 at 10:06 - Reply

      Herr Schindler, Ihr unzutreffender Kommentar darf nicht so stehen gelassen werden. Zunächst werden die angesprochenen Punkte nicht übersehen, das ist eine schlichte Behauptung die ihren Beitrag hervorheben soll, obwohl er ziemlich generisch ist. Ihre These zu 1. ist terminologisch missglückt und wissenschaftlich unhaltbar: Sie scheinen Parteiendemokratie mit -oligarchie gleichzusetzen. Nachdem Sie von einer Oligarchie sprachen, kommen Sie in 2. zu dem Schluss, Demokratien haben diskursiv zu sein. Grundsätzlich ist Ihnen hier zuzustimmen, im Umgang mit verfassungsfeindlichen (intoleranten) Bestrebungen führt dies aber zum vom Popper bereits 1945 (!) formulierten Paradoxon. Uneingeschränkter Diskurs führt also nicht notwendigerweise zum Erhalt der Demokratie, man könnte mit guten Gründen sogar das Gegenteil vertreten. MMn. bräuchte es vielmehr einen rationalen Diskurs, der wird aber gerade durch Kräfte wie die AfD blockiert/verunmöglicht. Auch aus diesem Grunde ist der Verfassungsfeind eben kein politischer Gegner.

  8. Roman Bennertz Sat 27 Jan 2024 at 18:06 - Reply

    Zitat F-L.: “Parteien (…) sind verfassungswidrig“. Das Grundgesetz lässt hier keine Wahl und keinen Dünkel zu: Die Verfassungswidrigkeit folgt unmittelbar aus der Verfassungsfeindlichkeit und dem Gefahrenpotential der Partei (…). Zitat Ende

    In der “Schwesternorm” des Art. 9 Abs. 2 GG heißt es: “Vereinigungen (…) sind verboten.” Dort ist auch anerkannt, dass ein Verbot nicht automatisch eintritt, sondern es eines konstitutiven Aktes bedarf. (vgl. Dürig/Herzog/Scholz 2023 GG Art. 9 Rn. 132)

    Warum sollte für die Verfassungswidrigkeit einer Partei etwas anderes gelten?

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