12 June 2025

Die Waffen des Rechts gegen die Waffen der AfD

Wann kann AfD-Mitgliedern der Waffenschein entzogen werden?

In den letzten Jahren haben immer mehr Waffenbehörden versucht, Waffenbesitzern aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der AfD die Waffenbesitzkarte zu entziehen, da sie bei dieser Gruppe von Waffenbesitzern eine mangelnde Zuverlässigkeit annahmen. Seither hat sich eine ganze Reihe verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen mit diesem Vorgehen der Waffenbehörden auseinandergesetzt.1)

Ein Beschluss des OVG Münster vom 30. April 2025 ist die jüngste Entscheidung zu diesem Problembereich. Der Beschluss erging kurz bevor das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD (bis zur Abgabe einer Stillhaltezusage wenige Tage später im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren) als gesichert rechtsextrem einstufte. Im Zeitpunkt des Beschlusses galt die AfD „nur“ als Verdachtsfall. Das OVG entschied, dass der Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis gegenüber einem AfD-Mitglied rechtswidrig ist. Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das BfV begründe keine Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts.

Dieser Beitrag zeigt, dass die Begründung des OVG dogmatisch richtig ist. Zugleich hat der Gesetzgeber aber Spielraum, die Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern, die bestimmte Parteien unterstützen, zu verschärfen. Verfassungsrechtliche Gründe – insbesondere die Parteienfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 GG – stehen dem nicht entgegen.

Waffenrechtliche Ausgangslage und Entscheidung des OVG Münster

Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen; nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Voraussetzungen für eine waffenrechtliche Erlaubnis sind in § 4 WaffG normiert. Dabei ist neben der Vollendung des 18. Lebensjahres, persönlicher Eignung, nachgewiesenem Bedürfnis und einer Haftpflichtversicherung vor allem entscheidend, ob der Antragsteller zuverlässig ist.

In denjenigen Fällen, in denen die Waffenbehörden die Zuverlässigkeit von AfD-Mitgliedern in Frage gestellt hatten, beriefen sie sich auf die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Unzuverlässig sind danach Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren

a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die

aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,

bb) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder

cc) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder

c) eine solche Vereinigung unterstützt haben.

„Vereinigungen“ im Sinne der Vorschrift können auch politische Parteien sein. Das BVerwG hat bereits im Jahr 2009 im Falle eines NPD-Mitglieds geurteilt, dass Mitglieder sich bestimmter Parteien nicht auf das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG, nach dem nur das BVerfG Parteien verbieten darf, berufen könnten. Würde eine nicht verbotene Partei nicht unter § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG fallen, bliebe es folgenlos, wenn ein Mitglied solch einer Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verfolgen würde. Dies wäre jedoch – so das BVerwG – mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbar.

Die grundlegende Frage, die sich indes bei allen Tatbestandsvarianten stellt und die in der jüngsten Entscheidung des OVG Münster zentral war, ist, ob konkret „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass der Antragsteller selbst verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder Mitglied oder Unterstützer einer entsprechenden Vereinigung ist (diese Frage war seinerzeit bei der oben zitierten Entscheidung des BVerwG offengeblieben). Das OVG Münster hält es dabei nicht für ausreichend, dass eine Partei vom BfV als Verdachtsfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG eingestuft wurde.

Der Kläger, Mitglied des Landesverbands NRW der AfD, hatte daher mit seiner Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis Erfolg.

Das OVG Münster begründet seine Ansicht mit einer sehr detaillierten und durchaus präzisen grammatischen Auslegung: Es müsse für die zuständige Behörde feststehen, dass Bestrebungen im Sinne der Vorschrift verfolgt werden. Es genüge nicht, dass lediglich Tatsachen die Annahme rechtfertigen – also nur ein Verdacht besteht –, dass die Vereinigung solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat. Das Tatbestandsmerkmal „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ beziehe sich – auch wenn diese Formulierung den gesamten Absatz einleite – allein auf die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung bzw. auf deren Unterstützung. Ob tatsächlich eine „Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat“ vorliege, müsse die Behörde hingegen eindeutig aufklären. Bloße Verdachtsmomente – auch wenn sie in dem Sinne verfestigt sind, dass das BfV eine Vereinigung als Verdachtsfall führt – genügen nach Auffassung des OVG Münster nicht. Anders – so das OVG – würde sich die Lage darstellen, wenn das BfV die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hätte. Dann hätten sich die Verdachtsmomente zur Gewissheit verdichtet, was auch die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zur Folge hätte. Hätte der Gesetzgeber dies anders gewollt, so das Gericht, hätte er unschwer eine andere Formulierung wählen können.

Vorschlag für eine Änderung des Waffenrechts

Nimmt man den Gedanken des OVG Münster auf, könnte der Gesetzgeber – in Anlehnung an § 16 BVerfSchG – die entscheidende Stelle des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG wie folgt formulieren:

„Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht

(…)

bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren

(…)

b)

Mitglied in einer Vereinigung waren, bei der hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat,

(…).“

Die Unzuverlässigkeit künftig in solchen Fällen zu bejahen, entspricht durchaus der Ratio des Waffengesetzes – der waffenrechtlichen Gefahrenreduzierung. Wie das BVerwG in der oben zitierten Entscheidung von 2009 richtigerweise zum Ausdruck gebracht hat, ist es das „zentrale Anliegen des Waffengesetzes, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen“. Angesichts der extremen Gefährlichkeit von Waffen sei der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit wirksam vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu schützen. Dabei obliegt es dem Gesetzgeber, im Hinblick auf den konkret betroffenen Lebensbereich im Einzelnen darüber zu entscheiden, ob, wie und mit welchem Schutzniveau potenziell gefährlichen Situationen entgegengewirkt werden soll.

Legt man dies zugrunde, erscheint es aufgrund der massiven Gefährlichkeit von Waffen mehr als naheliegend, die Anforderungen an die Zuverlässigkeit von (potentiellen) Waffenbesitzern zu erhöhen und den Grad der erforderlichen Gewissheit hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei, welcher ein Waffenbesitzer angehört oder die er unterstützt, abzusenken. Dies gilt wohlgemerkt keineswegs nur für die AfD und ist letztlich auch nicht abhängig davon, ob die AfD weiterhin als Verdachtsfall behandelt oder als gesichert rechtsextrem eingestuft wird: In Zeiten, in denen sich politische Diskurse verhärten und radikalisieren und Gewalterfahrungen gerade auch im Zusammenhang mit politischen Auseinandersetzungen zunehmen, ist es gerechtfertigt, das Waffenrecht zu verschärfen. Auch wenn eine Partei „nur“ als Verdachtsfall gilt, bestehen durchaus Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ihrer Mitglieder und Unterstützer. In solchen Fällen sollte es den Waffenbehörden erlaubt sein, die Waffenbesitzkarte zu entziehen.

Verfassungsrechtliche Dimension

Unweigerlich drängt sich dann die Frage auf, ob eine solche Regelung verfassungsrechtlich haltbar wäre.

Kein Grundrecht auf Waffen

Anders als in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo das Recht, Waffen zu besitzen, im 2. Zusatzartikel verfassungsrechtlich verbürgt ist, fehlt im Grundgesetz eine entsprechende Regelung. Auch wenn der Ruf nach Volksbewaffnung zu den Märzforderungen des Jahres 1848 gehörte, wurde daraus in der seitherigen deutschen Verfassungstradition kein subjektives Recht entwickelt. Dort, wo das Grundgesetz im Zusammenhang mit Grundrechten Waffen erwähnt, tut es dies nur in negativer Hinsicht: In Art. 8 Abs. 1 GG wird allen Deutschen das Recht gewährleistet, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die Formulierung „friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ findet sich identisch schon in § 161 der Paulskirchenverfassung. Ein wie auch immer geartetes „Recht auf Waffen“ kennt die deutsche Rechtsordnung daher nicht, vielmehr stellt es lediglich einen Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit dar. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher den dem deutschen Waffenrecht innewohnenden Grundsatz formuliert, „so wenig Waffen wie möglich ins Volk“ gelangen zu lassen. Ein gesetzlicher Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit, der den Zugang zu Waffen beschränkt, ist aufgrund des damit intendierten Schutzes der Rechtsgüter aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt.

Parteienfreiheit und Chancengleichheit der Parteien

Es mag bei manchem ein demokratisches Störgefühl auslösen, wenn ausgerechnet AfD-Mitgliedern die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen werden soll. Darin liege, so könnte man meinen, eine massive Benachteiligung der AfD. Was intuitiv plausibel erscheinen mag, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als verfassungsdogmatischer Holzweg: Denn zum einen wird der AfD selbst überhaupt keine waffenrechtliche Erlaubnis entzogen, da eine waffenrechtliche Erlaubnis per definitionem nur natürlichen Personen erteilt und dementsprechend auch entzogen werden kann. Zum anderen ist die Parteiarbeit der AfD aber auch durch einen Entzug der Waffenbesitzkarte bei Personen mit AfD-Mitgliedschaft überhaupt nicht beeinträchtigt: Die Parteienfreiheit des Art. 21 Abs. 1 GG schützt die Parteien als institutionelle Akteure des politischen Wettbewerbs in ihrer spezifischen Kommunikationsdimension. Die Aktivitäten politischer Parteien verweisen insofern auf die Kommunikationsgrundrechte und finden in Art. 21 Abs. 1 GG ein besonderes Gepräge.2) Der systematische Zusammenhang von Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit mit der Tätigkeit von Parteien führt dazu, dass auch Art. 21 Abs. 1 GG der Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses3) dient und zu den „unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens“ zählt (BVerfG in Bezug auf die Meinungsfreiheit, BVerfGE 69, 315 (344)). Sowie namentlich die Meinungsfreiheit als „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und als eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist“, gilt, indem sie „die ständige geistige Auseinandersetzung und den Kampf der Meinungen als Lebenselement dieser Staatsform“4) ermöglicht, so vollzieht sich auch der Wettbewerb zwischen den Parteien ausschließlich in diskursiven Formen.5) Damit steht der Einsatz von Waffen – wie überhaupt jeglicher Form von physischer Gewalt – außerhalb des Schutzbereichs der Parteienfreiheit, weswegen der Entzug einer waffenrechtlichen Erlaubnis auch nicht die Chancengleichheit der Parteien verletzen kann (im Ergebnis auch BVerwG, NVwZ-RR 2010, 225).

Dies gilt umso mehr als Parteien von Verfassungs wegen keine Ziele verfolgen dürfen, die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehen. Insoweit betont das BVerfG, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung den Schutz der Freiheit des Einzelnen gerade dadurch gewährleistet, dass nur staatliche Organe, die rechtlich gebunden sind und gerichtlicher Kontrolle unterliegen, physische Gewalt anwenden dürfen; das Gewaltmonopol des Staates sei deshalb ebenfalls als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Art. 21 Abs.1 Satz 1 GG anzusehen (vgl. BVerfGE 144, 20 (210 Rn. 547)).

Fazit

Eine gesetzliche Verschärfung des Waffenrechts mit dem Ziel, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit auch dann zu verneinen, wenn der Antragsteller oder Waffenbesitzer einer Vereinigung angehört oder eine Vereinigung unterstützt, die vom BfV als Verdachtsfall geführt wird, wäre möglich und unabhängig von einer Einstufung als gesichert extremistisch auch sinnvoll. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Lösung bestehen nicht. Dadurch würden weder Grundrechte noch die Parteienfreiheit verletzt. Will der Gesetzgeber diesen Weg nicht beschreiten, bleibt abzuwarten, wie der verwaltungsgerichtliche Streit über die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ausgeht. Hätte das BfV hier Erfolg, wäre der Entzug der Waffenbesitzkarte bei AfD-Mitgliedern bereits auf der Grundlage des jetzigen Waffenrechts möglich.

Der Autor gibt hier nur seine persönliche Auffassung wieder.

References

References
1 Vgl. nur OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. April 2023 – 3 M 13/23 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Oktober 2023 – OVG 6 S 44/23 –, juris; BayVGH, Beschluss vom 16. November 2023 – 24 CS 23.1695 –, juris; OVG Weimar, Beschluss vom 19. Februar 2024 – 3 EO 453/23 –, juris.
2 Vgl. Streinz, in: Voßkuhle/Huber, GG, Art. 21 Rn. 111.
3 Vgl. Klein, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 21 Rn. 485.
4 BVerfG 69, 315 (344) mit Verweis auf BVerfGE 7, 198 (208); 12, 113 (125); 20, 56 (97); 42, 163 (169).
5 Vgl. Wiegand, NVwZ 2023, 1211.

SUGGESTED CITATION  Wiegand, Marc André: Die Waffen des Rechts gegen die Waffen der AfD: Wann kann AfD-Mitgliedern der Waffenschein entzogen werden?, VerfBlog, 2025/6/12, https://verfassungsblog.de/afd-waffenrecht-zuverlassigkeit/, DOI: 10.59704/934fc64ab704640f.

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