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27 Juni 2012

Beschneidungs-Urteil: Juristisch und rechtsethisch fragwürdig

Ist die religiös motivierte Beschneidung eines minderjährigen Jungen als Körperverletzung strafbar? Das Landgericht Köln hat die Frage in einer Entscheidung vom Mai 2012 bejaht (Az. 151 Ns 169/11). Erst Ende Juni wurde die Entscheidung von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. In der jüdischen Welt sorgt die Entscheidung für allerlei Irritationen. Folgt man dem Urteil, droht den in Deutschland lebenden Juden strafrechtliche Verfolgung, wenn sie der biblischen Tradition entsprechend Jungen acht Tage nach der Geburt beschneiden (Brit Mila). Die Zirkumzision ist im Judentum nicht irgendein randständiges Brauchtum, sondern für viele Juden ein wesentlicher Bestandteil jüdischer Identität . Die Brit Mila als Aufnahmeritual in die jüdische Gemeinschaft geht zurück auf die biblische Überlieferung des Bundschlusses Abrahams mit Gott (Gen 17, 10-14). Doch auch im Islam wird die Beschneidung praktiziert. Sie gilt in der abrahamitischen Tradition als essentieller Ausdruck muslimischer Religionszugehörigkeit.

Das Landgericht Köln sieht in der Beschneidung mit Einwilligung der Eltern, aber ohne medizinische Indikation durch einen Arzt kunstgerecht vorgenommene Beschneidung eine nicht gerechtfertigte Körperverletzung. Der Angeklagte wurde im Ergebnis aber freigesprochen, weil die Rechtslage verworren sei und er einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag, so das Gericht. Doch grundsätzlich sei die Beschneidung strafbar.

Schaut man sich die Urteilsgründe genauer an, beschleichen einen Zweifel, ob das alles so richtig ist. Schaut man sich den religions- und kriminalpolitischen Subtext an, wachsen die Zweifel noch einmal erheblich an.

Zunächst zum Rechtlichen: der Streit um die Zulässigkeit der Jungenbeschneidung (die Strafbarkeit der Genitalverstümmelung von Mädchen steht außer Frage) dreht sich um die Frage, ob die Eltern rechtswirksam und damit rechtfertigend gemäß § 1627 BGB einwilligen können. Das Landgericht schließt das aus, weil die Beschneidung nicht dem Kindeswohl diene und begründet das mit drei Argumenten: Auf grundrechtlicher Ebene komme dem Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit ein absoluter Vorrang vor dem elterlichen Recht zur religiösen Erziehung zu. In der Rechtswertung sei die Beschneidung mit körperlicher Züchtigung, seelischen Verletzungen und anderen Entwürdigungen des Kindes (§ 1631 II BGB) gleichzusetzen. Und schließlich wird hervorgehoben, dass das Kind sich ja später von der Herkunftsreligion abwenden könnte; die Beschneidung stelle dann eine irreparable Beschädigung des Körpers dar.

Alle drei Begründungsschritte sind fragwürdig: Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit ist zwar von hoher Bedeutung und der Staat tut gut daran, sich schützend davor zu stellen. Doch schließt das eine grundrechtliche Kollisionslage, die nach den üblichen Regeln des Rechtsgüterausgleichs aufzulösen ist, nicht per se aus. In der Abwägung der Rechtsgüter ist dann auch die relativ geringe Intensität der körperlichen Beeinträchtigung und die hohe Bedeutung für die religiöse Identitätsbegründung (zumindest im Judentum) in Rechnung zu stellen. Die gesetzgeberische Wertung des § 1631 II BGB bietet hingegen kaum Erkenntniswert. Kinder sollen nicht verprügelt werden – Schmerzzufügung und Demütigung sind keine erlaubten Erziehungsmittel, sagt das Gesetz. Der soziale Sinn und das physiologische Geschehen einer kunstgerecht durchgeführten Zirkumzision sind dann doch was anderes. Bleibt schließlich das Argument des bleibenden Stigmas. Der Beschnittene bleibt für sein Leben „gezeichnet“. Das stellt aber doch die Freiheit nicht in Frage, die inkulturierte religiöse Tradition später abzustreifen. Hier scheint ein Argument durch, dass zum Standardarsenal der antireligiösen Eiferer gehört: Über religiöse Zugehörigkeit könne erst der Mündige selbst entscheiden, weshalb man Kinder von allen religiösen Einflüssen fern halten müsse, damit es zu keiner Vorprägung kommt. Die Religionssoziologie weiß es besser: Selbstbestimmung über religiöse Zugehörigkeit setzt in der Regel ein Vertrautwerden mit religiöser Tradition voraus. Auch ist nicht recht erkennbar, warum eine Beschneidung dem Interesse, als Erwachsener über seine Religion zu entscheiden, zuwiderlaufen soll: geschätzt mind. ein Viertel der männlichen Weltbevölkerung ist beschnitten. Es gibt viele Gründe für eine Beschneidung. Vorzüge und Nachteile der Beschneidung werden in Fachkreisen intensiv diskutiert. In der Bewertung der Beschneidung von Männern und Jungen kommen eine Fülle kulturgeschichtlich-religiöser, medizinischer und ästhetisch-lebenspraktischer Aspekte zusammen. Im Raum stehen über tausende Jahre gepflegtes religiös-kulturelles Brauchtum, lange Traditionen antireligiöser und antisemitischer Polemiken, das spannungsgelandene Feld der sexuellen Lust und sexuellen Tabuisierungen, kulturelle Wahrnehmungen von Körperlichkeit, der biopolitische Zugriff des Staates auf den Körper und die alte Frage, inwieweit die freiheitlich-demokratische Staatsgewalt Mittel zur Durchsetzung einer rationalistischen Aufklärung sein soll und darf.

Liest man die Entscheidung des Landgerichts Köln, verwundert vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage die Unbekümmertheit, mit der das Gericht zu Werke geht. Die hier vorgeführte Konzentration auf die rechtstechnischen Fragen ist sicherlich vornehmster Ausdruck eines funktional ausdifferenzierten Rechtssystems; eine gewisse historische und kulturelle Sensibilität, ein Sinn für das, was man mit einem Urteil anrichtet, wünscht man sich aber doch von der Justiz. So stellt sich etwa die Frage, ob es sinnvoll ist, ausgerechnet den Arzt zu kriminalisieren, der die Beschneidung durchführt. Denn mit der Abdrängung solcher tradierten Praktiken in die Illegalität droht die Einschaltung von Pfuschern und damit sind echte Gesundheitsrisiken für die Kinder zu besorgen. Welches Signal geht weltweit davon aus,  dass ausgerechnet in Deutschland nun ein strafrechtliches Beschneidungsverbot bestehen soll? Dass Juden für die Beschneidung Deutschland verlassen müssen, um ihre Religion entsprechend den eigenen Lehren leben zu können? Was sagt die Entscheidung den Muslimen, die in hohem Maße integrationswillig sind, aber bestimmte religiöse Traditionen doch pflegen wollen? Rechtsethisch und strafrechtlich wirft die Beschneidung von männlichen Minderjährigen schwerwiegende Fragen auf. So leicht wie das Landgericht Köln sollte es man sich bei der Beantwortung dieser Fragen nicht machen.

Hans Michael Heinig ist Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Göttingen und leitet im Nebenamt das Kirchenrechtliche Institut der EKD.


SUGGESTED CITATION  Heinig, Hans Michael: Beschneidungs-Urteil: Juristisch und rechtsethisch fragwürdig, VerfBlog, 2012/6/27, https://verfassungsblog.de/beschneidungsurteil-juristisch-und-rechtsethisch-fragwrdig/, DOI: 10.17176/20171121-184638.

72 Comments

  1. Ano Nym Mi 27 Jun 2012 at 22:27 - Reply

    Es gibt viele Gründe für eine Beschneidung.

    Die meisten von denen sind aber in der vorliegenden Diskussion völlig unbeachtlich, weil sie nur (höchstens) einen Kollateralnutzen zum Gegenstand haben: Die religiös motivierte Beschneidung wird ja gerade nicht wegen dieser Gründe sondern völlig unabhängig davon ausgeführt.

  2. Pascal Mi 27 Jun 2012 at 22:48 - Reply

    Und ich finde es immer noch bemerkenswert, wieso einige relitiös motivierte Körperverletzungen „außer Frage“ stehen, andere hingegen nicht.

    Was ist denn mit dem gemeinhin folgenlosen Recht auf körperliche Züchtigung? So ein kleiner Klaps hat noch niemandem geschadet? Große Teile Rechtschaffener Christeneltern dürfen nicht kriminalisiert werden?

  3. Matthias Mi 27 Jun 2012 at 22:57 - Reply

    Das Beschneidungsverbot kann natürlich nur ein erster Schritt sein, um die geistig umnachteten, tradierter, wahlweise auch orthodoxen oder dogmatischen Religionseiferer in die Schranken zu verweisen. Der nächste in der logischen Konsequenz zum Schutze der Kinder muss ein Verbot des Betretens einer Einrichtung der katholischen Kirche durch Minderjährige. Und natürlich müssen diejenigen, die dieses Verbot umgehen, sich der Beihilfe des sexuellen Missbrauchs durch die triebgestörten Mitglieder dieser Einrichtung strafbar machen.

  4. Jonny Krüger Mi 27 Jun 2012 at 23:00 - Reply

    Dem anonymnen Vorredner stimme ich zu. Die meist hygienischen Gründe, die für die Beschneidung angeführt werden, sind tatsächlich nur ein Nebenaspekt und dürfen auch nicht erheblich für die Abwägung sein.

    Ich habe ein paar Punkte, die ich zur Diskussion stellen möchte und ich hoffe, der Autor oder gern weitere Menschen äußern sich dazu, da ich nun nicht allwissend bin und schon gar kein Prof. Dr. 😉

    1. Ich möchte mal einen Vergleich anstellen: Die Eltern entscheiden für ihr !erwachsenes! Kind, dass dieses deren Religion annehmen muss. Da würden wir sagen: Geht nicht, das erwachsene Kind soll das doch selbst entscheiden dürfen. Das Kind von dem wir aber in der Praxis reden, ist noch nicht einsichtsfähig genug eine solche Entscheidung selbst zu fällen. Führt das aber automatisch dazu, dass die Eltern in Gutdünken die Entscheidung abnehmen dürfen? Ich finde nicht, jedenfalls dann nicht, wenn damit ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes verbunden ist.

    2. Okay, zur Religionsfreiheit soll auch gehören, dass die Eltern mit ihrem Kind religiöse Traditionen und Gepflogenheiten üben können. So sei es. Das Kind kann, wenn es dann hinreichend einsichtsfähig ist, ja dann später immer noch davon Abstand nehmen. Aber – und nun bemühe ich wieder einen Vergleich: Eltern entscheiden für ihr erwachsenes Kind, dass dessen Vorhaut entfernt wird. Geht nicht! Das soll der Sohn gefälligst selbst entscheiden. Grundrechte und so!

    Wie schaffen wir es jetzt dogmatisch überzeugend zu argumentieren, warum das minderjährige und nicht einsichtsfähige Kind weniger Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit empfängt als das erwachsene Kind?

    Ich fordere nicht den Aufschub bis ins Erwachsenenalter. Aber doch wenigstens bis das Kind die nötige Einsichtsfähigkeit für eine solche Maßnahme selbst entwickelt hat.

    3. Es wird in der Welt sehr oft gemacht. Und es ist auch Tradition. Das sind Fakten. Aber keine Argumente. Dass etwas oft und schon immer gemacht wird, sagt nichts über dessen Wert oder Unwert aus. Wieder ein Vergleich: Homosexuelle, Hexen, Schwarze usw. wurden diskriminiert, verfolgt, getötet. Das war schon immer so. Das haben die anderen auch gemacht. Dafür gab’s im Zweifel auch religiöse Gründe. Gut, dass wir solche Dinge los sind und uns nicht von dem Scheinargument der Tradition davon abbringen lassen.

    Das ist ein ehrlicher Beitrag und ist wirklich nicht als Troll gewollt. Würde mich ehrlich freuen, wenn der Autor oder einer der Blogverantwortlichen zu meinen Punkten Stellung nehmen würde.

    Grüße von einem respektvollen Jurastudenten

  5. Hans-Werner Mi 27 Jun 2012 at 23:37 - Reply

    Auf Telepolis zieht Ruth Berger Analogien – zu Ohrlöchern und zur Taufe: http://www.heise.de/tp/artikel/37/37170/1.html Nicht uninteressant, diese Gedanken.

    An den „respektvollen Jurastudenten“: Da steht die Rechtsgrundlage, über die wir zu Punkt 1 reden, doch oben im Artikel. Oder ist das jetzt eine Nebendiskussion über die Arbitrarität der Grenze „18 Jahre“? Zu Punkt 2: Wir reden nicht über den Schutz, sondern über die Einwilligung in eine Aufgabe des Schutzes. Das ist zwar auch ein ganz klein wenig Korinthen-usw., aber hier doch ein bedeutendes Faktum. Die Sache mit der Einwilligung muss dabei aber im Licht der Freiheit der religiösen Erziehung gesehen werden, und, so die Kritik, da greift das Urteil ein wenig kurz. Zu Punkt 3 drehe ich die Argumentation mal um: Was schützt denn dann die Religionsfreiheit?

  6. Gerd Kraemer Mi 27 Jun 2012 at 23:51 - Reply

    Eine kleine Strafkammer am Kölner Landgericht, besetzt mit einem einzigen Berufsrichter und zwei Postbediensteten, ist in nicht tragenden (!) und geradezu lächerlich kurzen und oberflächlichen Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die religiös motivierte Beschneidung strafbar sei. So what. Lohnt das wirklich die Aufregung?

    Dass Herr Putzke meint, die Sache sei jetzt in seinem Sinne „geklärt“, kann ja wohl nicht als ernstgemeint angesehen werden. Es sollten sich alle beruhigen und weitermachen wie bisher.

  7. turtle of doom Do 28 Jun 2012 at 00:07 - Reply

    „Der Beschnittene bleibt für sein Leben „gezeichnet“. Das stellt aber doch die Freiheit nicht in Frage, die inkulturierte religiöse Tradition später abzustreifen.“

    Es tut weh, so etwas zu lesen. Der beschnittene Penis ist doch eine Erinnerung an den Mann: Du warst mal Jude. Deine Eltern zwangen dich mal, Jude zu sein, denn du konntest der Beschneidung nicht wiedersprechen.

    Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr Heinig.

    „Auch ist nicht recht erkennbar, warum eine Beschneidung dem Interesse, als Erwachsener über seine Religion zu entscheiden, zuwiderlaufen soll: geschätzt mind. ein Viertel der männlichen Weltbevölkerung ist beschnitten.“

    Ist die Tatsache, dass 25% der Männer beschnitten sind ein Grund, meinen Sohn nicht zu fragen, ob er beschnitten werden möchte?

    Ist die Tatsache, dass deutlich mehr als 25% der Weltbevölkerung nicht über einen Hochschulabschluss verfügen ein Grund, meinem Kind eine solche Bildung zu verunmöglichen?

    Sorry, aber eine solche Begründung ist wirklich hanebüchen.

    „Es gibt viele Gründe für eine Beschneidung. Vorzüge und Nachteile der Beschneidung werden in Fachkreisen intensiv diskutiert.“

    Die Beschneidung senkt tatsächlich das Risiko einiger Erkrankungen (z.B. Aids oder Genitalwarzen). Aber: Eine solche Überlegung ist erst sinnvoll, wenn mein Kind in einem Risikogebiet aufwächst. Aber das ist in Deutschland längst nicht der Fall.

    Nein, Herr Heinig, ich bin über enttäuscht, dass Sie einer solchen Meinung sind.

    Das Gericht hat keine „Unbekümmertheit“ gezeigt, sondern sich gerade vorbildlich um § 2 des Grundgesetzes gekümmert.

  8. Anonym II Do 28 Jun 2012 at 01:14 - Reply

    @ Hans Werner: Na die Religionsfreiheit schützt die Ausübung der Religion, sofern dabei kein kollidierendes Verfassungsrecht verletzt wird.
    Und in dem uns gegebenen Fall findet sich das kollidierende Verfassungsrecht in den Art. 2 und 4 GG, die die Grundrecht des Kindes schützen.
    Die Religionsfreiheit der Eltern schützt i.V.m Art. 6 GG sicherlich, dass die Eltern das Kind in gewissem Maße religiös Erziehen dürfen und auch an ihre Religion heranführen. Aber es schützt garantiert nicht, dass die Eltern das Recht haben, dem Kind durch das Schaffen von kaum mehr reversiblen Tatsachen (hier: Beschneidung) ihre eigenen Religion geradezu aufzwingen. (So schützt doch Art. 4 GG neben der Religionsausübung ausdrücklich auch die Entscheidung zur Freiheit von Religion.)

    Zudem stellet sich die bekannte Abgrenzungsproblematik: Was mache ich mit der (fiktiven) Religion, die ihren Kindern einen Finder amputiert? Dann kann ich auch dieser (fiktiven) Religionsgruppe die Amputation nicht verwehren; es lässt sich wohl kaum argumentieren, dass die „etablierten“ Religionen die Körperverletzung nur deshalb straffrei durchführen dürfen, weil „sie es halt schon immer so gemacht haben“.
    So und wie lautet nun die Definition, die eine „gute“ religiös-motivierte Verletzung des Kindes von einer „schlechten“ Verletzung trennt? Gibt es nicht. Und wenn ich keine trennscharfe Definition habe, dann muss ich eben dort ansetzen, wo ich noch differenzieren kann. Beispielsweise bei der Frage nach der Intensität oder Reversibilität des Eingriffs.
    Eine Taufe wird wohl kaum bei einem Kind bleibende Schäden hinterlassen, da sie keinen körperlichen Eingriff darstellt; eine Beschneidung ist aber ja doch ein erheblicher Eingriff in die körperliche Unversertheit, die noch dazu kaum reversibel ist.
    In der weiteren Argumentation kann ich mich dem Kommilitonen oben nur anschließen („Das sind Fakten. Keine Argumente“). Nur um den Kreis zu schließen: Nur weil es in weiten Teilen der Erde an der Tagesordnung war/ist Menschen wegen ihrer Religionszugehörigkeit zu verfolgen/töten/… ist dies doch glücklicherweise kein Argument, die auch weiterhin zu tun.
    Ist es nicht gerade eine der großen Errungenschaften unseres Rechtsstaates, dass „haben wir schon immer so gemacht“ eben gerade kein Argument ist, sondern wir an einem abstrakten Maßstab (landläufig auch Verfassung genannt) nach Recht und Unrecht trennen?
    Und die Begründung des Autors besteht leider aus ziemlich wenig Messen am objektiven Maßstab, dafür aber aus viel zu viel „ist halt so, Tradition“.
    Dies zeigt sich meines Erachtens auch, wenn der Autor von „antireligiösen Eiferern“, nicht aber beispielsweise einfach vom Atheismus spricht; dann müsste der Autor doch auch (ebenso unangebracht und abwertend) von „religiös-verirrten Fundamentalisten“ sprechen, anstatt (völlig korrekt) vom Judentum und dem Islam.
    Aber wer sich derart abwertend über die „antireligiösen Eiferer“ äußert (die die größte Weltanschauungsgruppe in Deutschland darstellen, und selbstredend auch von Art. 4 GG geschützt sind) demaskiert sich selbst und zeigt, dass er leider nicht gewillt ist einen objektiven Prüfungsmaßstab anzulegen.

  9. Malte S. Do 28 Jun 2012 at 09:25 - Reply

    „Die Religionssoziologie weiß es besser: Selbstbestimmung über religiöse Zugehörigkeit setzt in der Regel ein Vertrautwerden mit religiöser Tradition voraus.“

    Das ist doch eine hahnebüchene Begründung, um eine Beschneidung zu rechtfertigen. Welche Form von Vertrautwerden wird denn durch die objektive Körperverletzung begründet? Gar keine.

    Der Ansatz, dass ein Vertrautwerden mit der Religion erst eine Auseinandersetzung mit dieser ermöglicht, ist diskursiver Natur. Der trägt auch die religiöse Erziehung, weil dies gerade den (ggf. nur inneren) Diskurs fördert. Der Betroffene kann sich intellektuell mit der anerzogenen Religion auseinandersetzen und die Erziehung abstreifen. Wie bitte soll er die Beschneidung abstreifen können?

    Ein weiteres Argument, warum die Eltern im Übrigen nicht strafbefreien einwilligen konnten, fehlt im Übrigen. Die Beschneidung des eigenen Kindes dient nicht dessen Religionsausübung, sondern der Religionsausübung der Eltern. Damit stehen sich die körperliche Unversehrtheit des Kindes und die Relgionsausübung der Eltern als kollidierende Interessen gegenüber. In einer solchen Konstellation die Eltern entscheiden zu lassen ist vergleichbar mit der Situation des § 181 BGB.

  10. turtle of doom Do 28 Jun 2012 at 09:44 - Reply

    Malte, dein letzter Absatz bringt alles schön auf den Punkt!

    Ich war übrigens während einem Sozialpraktikum zu Gast bei Alttäufern im Emmental. Diese kennen keine Kindestaufe, sondern bei ihnen muss man als erwachsener Mensch eine bewusste Entscheidung für oder gegen die Glaubenszugehörigkeit treffen.

  11. Hans-Werner Do 28 Jun 2012 at 10:51 - Reply

    Malte S.: Das ist aber nun wirklich eine soziologisch sehr ignorante Einstellung. Ist es denn so undenkbar, dass im Rahmen dieses Vertrautwerdens die Gewissheit der eigenen Beschneidung eine Rolle spielt? Und zum letzten Absatz: Es ist überhaupt nicht hilfreich, die Beschneidung zu einem schnöden Rechtsgeschäft zu erklären. Das hinkt nicht nur, das ist politisch motiviert an den Haaren herbeigezogen. Der Eindruck entsteht erst recht, da die Konstellation Eltern/Kind sowieso im Familienrecht detaillierter geregelt ist.

    Anonym II: Wo steht denn das mit dem „kein kollidierendes Verfassungsrecht verletzt wird“? Nein, also etwas komplizierter sind Grundrechtskollisionen schon. Es gibt auch außerdem gute Gründe, warum beim BVerfG auch selten von fiktiven Religionen die Rede ist, die seltsame Dinge machen. Die Religionsfreiheit geht weit, sehr weit. Die Frage, was unter sie fällt, ist allerdings kompliziert und braucht Fingerspitzengefühl.

    Vielleicht ist es schwer für manche, zu akzeptieren, wie es ist: Wir haben eine (zunächst) schrankenlos gewährte Religionsfreiheit. Das mag für viele politisch überholt sein und von vielen politisch abgelehnt werden, aber sie gehört auch in den Kanon der Grundrechte.

  12. Jonny Krüger Do 28 Jun 2012 at 11:48 - Reply

    @Hans-Werner: Ist es soziologisch !notwendig! für das Vertrautwerden mit einer Religion, dass man sich der Beschneidung gewiss wird? Ich denke, da gibt es genügend Religionen und Glaubensrichtungen, die es auch anders können.

    Die Beschneidung selbst wird ja auch nicht zum Rechtsgeschäft erklärt. Der ist nur ein Realakt. Wir reden über die Einwilligung der Eltern anstelle des Sohnes.

    „Nein, also etwas komplizierter sind Grundrechtskollisionen schon. […] Die Religionsfreiheit geht weit, sehr weit. Die Frage, was unter sie fällt, ist allerdings kompliziert und braucht Fingerspitzengefühl.“ Das ist richtig. Damit haben Sie aber der Diskussion aber nichts beigetragen. Ihre Ausführungen sind keine Argumente. Dass bei einer Abwägung und einer Wertungsfrage Fingerspitzengefühl gefragt ist und dass das nicht leicht ist, sollte allen Beteiligten klar sein.

    Dann legen Sie bitte los: Dann wägen Sie mal ihrer Ansicht nach die Art. 4 und 2 II GG ab. Andere Kommentatoren und ich haben diese Abwägung schon durchgeführt. Wir sind, kurz gefasst, dazu gekommen, dass im Zweifel die körperliche Unversehrtheit Vorrang vor der Religionsausübung der Eltern hat.

    Legen Sie uns doch bitte folgendes dar: Inwiefern ist das Verbot der Beschneidung für die Eltern ein drastischer Grundrechtseingriff? Und inwiefern ist die Beschneidung für das Kind ein weniger drastischer Grundrechtseingriff?

  13. zirp Do 28 Jun 2012 at 11:56 - Reply

    > Anonym II: Wo steht denn das mit dem “kein kollidierendes Verfassungsrecht verletzt wird”? Nein, also etwas komplizierter sind Grundrechtskollisionen schon.

    Stimmt das nicht? Auch schrankenlose Grundrechte finden ihre Grenzen dort, wo Grundrechte Dritter *verletzt* (nicht bloß: eingeschränkt) werden.

    Die komplizierte Frage ist gerade die, wann eine Einschränkung zu einer Verletzung führt.

  14. zirp Do 28 Jun 2012 at 12:02 - Reply

    Nachtrag: Muss natürlich „ein Eingriff“ heißen.

  15. Malte S. Do 28 Jun 2012 at 12:02 - Reply

    @Hans-Werner: Ich habe nicht die Beschneidung zu einem schnöden Rechtsgeschäft erklärt. Ich habe gesagt, dass bei der Einwilligung der Eltern eine deutliche Interessenkollision vorliegt, die meines Erachtens nach schon aus diesem Grunde die Einwilligung unwirksam macht.

    Der Ansatz des Vertrautwerdens zum Diskurs setzt voraus, dass die erzogene Religion / Überzeugung aufgrund des Diskurses abgestreift werden kann. Unter dieser Voraussetzung ist eine religiös geprägte Erziehung auch unter Geltung der Religionsfreiheit des Kindes mE unproblematisch. Die mit der Beschneidung erfolgte religiöse Prägung kann aber nicht mehr (vollständig) abgestreift werden. Daher ist dieses Argument mE vollkommen untauglich.

    Es gibt andere Argumente für die Zulässigkeit der Beschneidung, aber nicht dieses. Mit dem Argument kann man auch jede andere körperliche Misshandlung – die natürlich nicht erniedrigend gemeint ist – begründen. Sie gehört halt dazu. Und man kann sich doch später damit auseinandersetzen.

  16. Hans-Werner Do 28 Jun 2012 at 12:36 - Reply

    Jonny Krüger: ich bin auch kein Soziologe. Allerdings geht die Religionsfreiheit möglicherweise auch weiter als bis zum im Auge eines externen Betrachters absolut nötigsten. Sogar, wenn sie mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit kollidiert. Ich werde mich im übrigen hüten, Intensität von Eingriffen in die Religionsfreiheit zu beurteilen, schon deshalb, weil ich als Agnostiker nicht unbedingt dazu prädestiniert sind. Wie tief verwurzelt in bestimmten Religionen die Pflicht zur Beschneidung ist, damit eröffnet doch aber der Artikel oben. Und weitere Auskünfte sind dazu bestimmt auch nicht schwer zu recherchieren. Aus meiner bisher noch sehr laienhaften Perspektive: Das ist ein ganz erheblicher Eingriff. Hier sehe ich ein Problem der Debatte: Das wird von vielen Menschen so nicht akzeptiert, dass es sich um einen sehr erheblichen Eingriff handeln könnte. Einfach, weil ihnen Maßstäbe auf dem Gebiet der Religionsfreiheit fehlen und weil der gesellschaftliche Diskurs in Bezug auf dieses Grundrecht hierzulande nicht ausgeprägt ist.

    Malte: Ich sehe durchaus die formulierte „Interessenkollision“. Dabei darf man aber die Grundrechtsseite nicht ausblenden und sich auf das Zivilrecht stürzen. Weitergehend bin ich skeptisch: Entsteht solch eine Interessenkollision nicht automatisch bei jeder Art von religiöser Erziehung, weil dabei dann den Eltern immer auch ein Eigeninteresse zugeschrieben wird, wenn so argumentiert wird? Das deutet doch schon deutlich in die Richtung, dass das Argument doch eher gegen „religiöse Erziehung“ gerichtet ist. Soweit ich die sehr komplizierte Rechtsprechung über den Schutzbereich des Grundrechts der Religionsfreiheit kenne, kommt allerdings in der Tat der Frage, ob es wie postuliert ein „sie gehört halt dazu“ gibt, erhebliche Bedeutung zu.

  17. c Do 28 Jun 2012 at 12:50 - Reply

    „antireligiösen Eiferer“

    Vielen Dank, an der Stelle wusste ich dann, dass ich nicht weiterlesen muss.

  18. AndiG Do 28 Jun 2012 at 13:35 - Reply

    Als (wenngleich aus medizinischen Gründen) Betroffener möchte ich gerne mal zwei Dinge einführen:

    1. Die Beschneidung ist kein Eingriff der rein kosmetische Folgen hat. Die Empfindlichkeit erogener Zonen nimmt stark ab. Wer mag kann ja mal kräftig mit dem Fingernagel an die Eichel seines unbeschnittenen Penis (oder die des Partners) schnippen. Bei einem beschnittenen Mann wird es statt eines Aufschreis höchstens ein müdes Lächeln produzieren.
    Ob man das nun vor- oder nachteilhaft findet, soll jeder selber entscheiden. (Ich hab kein Problem damit).

    2. Der Schwimmuntericht in der Schule wird nicht diskussionsfrei ablaufen. Mich hat das nicht gestört, ich kann mir indes gut vorstellen, dass weniger dick behäutete (haha!) die blöden Sprüche der (in der Regel samt und sonders unbeschnittenen) Klassenkameraden nicht einfach so wegstecken.

    Art. 6 und 4 der Eltern in allen Ehren: Art. 2 Abs. 2 und die sexuelle Selbstbestimmung des Kindes sollten nicht einfach ob der deutschen Geschichte übergangen werden.

    Ach ja: es wäre schön, wenn die Diskutierenden auf das Wort Verstümmelung verzichten könnten. Ich bin nicht verstümmelt.

  19. Jonny Krüger Do 28 Jun 2012 at 13:55 - Reply

    @Hans Werner: Leider verkennen Sie, was ich schreibe. Das ist schade. Wenn ich von Notwendigkeit rede, dann habe ich im Hinterkopf das Abschneiden von Haut. Und nicht irgendeine abstrakte Religionsausübung. Ist das Abschneiden der Vorhaut notwendig für die Religionsausübung? Ich verwende den Begriff der Notwendigkeit auch nur deshalb, weil hier eben Grundrechte kollidieren und wir eine verhältnismäßige, ausgewogene Entscheidung brauchen.

    Ich verlange nur, dass das Kind selbst entscheiden soll. In dem Alter, das die nötige Einsichtsfähigkeit mit sich bringt. Wie tief etwas verwurzelt ist, ist aber kein Argument. Das ist ein Scheinargument der Tradition. Wie Religion ausgeübt wird, hat sich seit jeher verändert. Und das ist auch gut so.

    Im Übrigen haben Sie immer noch kein Argument für die Beschneidung gebracht.

    @euckenserbe: Ich hoffe, dass Sie sich die Meinung des Artikels nicht zu eigen machen. „Schneidet ab den Lappen! Wem es nicht passt, der soll ihn sich später wieder annähen lassen.“ Ja genau. Erstmal ab das Ding, beschweren sollen sich die Jungs dann später. Was weg ist, ist weg. Bitte, das kann nicht ernst gemeint sein.

    @AndiG: Schön zu sehen, dass die Beschneidung nicht eine Lappalie ist, wie sie gern dargestellt wird. Damit ist schon einiges mehr verbunden. Danke für die eigene Erfahrung, die Sie schildern.

  20. Th. Koch Do 28 Jun 2012 at 14:56 - Reply

    Der Kommentar von Herrn Heinig beruht auf einer unzutreffenden Prämisse, die dem gesamten Text die Grundlage entzieht:

    „Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit ist zwar von hoher Bedeutung … Doch schließt das eine grundrechtliche Kollisionslage, die nach den üblichen Regeln des Rechtsgüterausgleichs aufzulösen ist, nicht per se aus.“

    Dies ist unrichtig, das Gegenteil ist richtig: Zunächst wird schon diskutiert, ob die Einwirkung auf Rechtsgüter anderer Personen überhaupt tatbestandlich von einer Grundrechtsnorm (hier der Religionsfreiheit) erfasst wird (verneinend – aus dem Gedächtnis – etwa Starck und Ipsen, bejahend Alexy). Selbst wenn man dies annimmt, liegt hier aber keine (!!) der üblichen Grundrechtskollision vor, da hier nicht verschiedene (Handlungs-) Freiheiten aufeinanderstoßen. Vielmehr liegt eine Einwirkung auf die persönliche Integrität eines anderen Rechtssubjektes vor.
    Das Privaten mit Blick auf deren Grundrechte eine solche Befugnis zur Einwirkung auf die körperliche Integrität eingeräumt würde (die selbst der Staat nur in seltenen Ausnahmefällen aufgrund expliziter gesetzlicher Grundlage besitzt), wäre für das deutsche Verfassungsrecht mE ein Novum.

    Für eine „Abwägung“ ist hier daher kein Raum, da kollidierendes Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 2 GG des Opfers) entgegensteht und damit eine verfassungsimmanente Grenze greift. Vilmehr trifft den Staat eine grundrechtliche Schutzpflicht, hier zugusten des minderjährigen Opfers – das sich nicht selbst helfen kann – zu intervenieren.

  21. Ano Nym Do 28 Jun 2012 at 16:24 - Reply

    Die Religionsfreiheit geht weit, sehr weit.

    Anderer Ansicht ist Herzberg [1]. Zitat:

    »[…] Das Abschneiden der Vorhaut ist eine Körperverletzung, und § 223 StGB macht es grundsätz­lich zur Pflicht eines jeden Staatsbürgers, seinem Mitmen­schen keine Körperverletzung zuzufügen. Davon gibt es Ausnahmen (etwa für Fälle der Notwehr), aber die Religions­freiheit begründet keine. Das stellt Art. 140 GG ausdrücklich klar. Denn zum „Bestandteil dieses Grundgesetzes“ macht er den Art. 136 der deutschen Verfassung vom 11.8.1919, und dessen Abs. 1 bestimmt: „Die bürgerlichen und staatsbürger­lichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt.“ Den Um­fang der Pflichten, die aus den Gesetzen folgen, vermindert also der Umstand, dass wir unsere Religion ausüben, um gar nichts. Oder, was dasselbe ist: Die Schranken, die solche Gesetze unserer Handlungsfreiheit ziehen, verschieben sich im Fall der Religionsausübung um keinen Millimeter. Z.B. wenn eine Frau in der fast leeren Kirche den Rosenkranz betet und Zeuge wird, wie zwei Bänke vor ihr ein alter Mann einen Herzinfarkt erleidet und um Hilfe ruft. Die Hilfe zu leisten ist dann nach § 323c StGB ihre gesetzliche, also staatsbürgerliche Pflicht, und Art. 140 GG stellt klar, dass sie sich in ihrer Religionsausübung sehr wohl „stören“ lassen muss, d.h. sich nicht auf eine Rechtfertigung nach Art. 4 Abs. 2 GG („Die ungestörte Religionsausübung wird gewähr­leistet“) berufen kann. Es wäre ja auch eine empörende Un­gleichbehandlung, wenn in der Kirche die Putzfrau ihr Staubwischen selbstverständlich unterbrechen müsste, die fromme Dame ihr Beten aber ungerührt fortsetzen dürfte.«

    [1] http://www.zis-online.com/dat/artikel/2010_7-8_468.pdf

  22. noe Do 28 Jun 2012 at 16:57 - Reply

    „Und schließlich wird hervorgehoben, dass das Kind sich ja später von der Herkunftsreligion abwenden könnte; die Beschneidung stelle dann eine irreparable Beschädigung des Körpers dar.“

    Der Grund ist korrekt, denn das Kind kann später nicht mehr in eine Religion wechseln, die beschnittene Mitglieder ablehnt.
    Das eine solche Religion nicht existiert oder nicht bekannt ist, darf grundsätzlich nicht das Problem des Kindes sein. DENN, das Kind würde auch niemals der Gründer einer solchen Religion sein können. Es käme damit witzigerweise zu einer Beschränkung der Religionsfreiheit des Kindes, bzw. des späteren Erwachsenen.

  23. noe Do 28 Jun 2012 at 17:15 - Reply

    Nebenbei. Auch die religiöse Erziehung hinterlässt Spuren. Nicht immer physischer Natur wie bei der Beschneidung, aber auch psychischer Natur.
    Es gibt tatsächlich Menschen, die religöse Erziehung nicht nur als Gehirnwäsche, sondern als psychischen Kindesmißbrauch einstufen zum Wohle des Religionsfrieden der Eltern.

    Nur mal so. Und wer das Problem hat, braucht u.U. ein Leben lang um sich davon wieder zu lösen. Das nur mal so am Rande als Anmerkung für Diejenigen, die Religion verharmlosen oder für sich nicht als Negativum wahrnehmen.

  24. Hans Michael Heinig Do 28 Jun 2012 at 17:52 - Reply

    Über die Rechtsfragen kann man im Detail trefflich diskutieren. Aber man sollte sich bewusst sein, was auf dem Spiel steht: Die Frage, ob Juden in Deutschland sich gezwungen sehen, Koffer und Kisten zu packen und das Land zu verlassen, weil sie im Kernbestand ihrer religiösen Identität strafrechtlich verfolgt werden. Ich zitiere aus eine der vielen emails, die mich erreichten (falls man glaubt, ich übertreibe): „And of course you know that if this decision stands, Jews will not travel elsewhere for circumcisions. We will leave. I wonder whether those who do not find this possible outcome tragic, actually revel in the notion.“
    Wenn ich so manchen Kommentar zu dem Urteil des LG Köln lesen, frage ich mich das auch.

  25. […] […]

  26. turtle of doom Do 28 Jun 2012 at 18:09 - Reply

    @ Herr Heinig:

    Sie sind unter Umständen bereit, das Recht zu beugen und dafür ein paar (kleinen!) Glaubensgruppen entgegenzukommen?

    Klar, wird das Wellen werfen, aber für die gesamte Gesellschaft wäre es besser, wenn sich alle Glaubensgruppen unterschiedslos an die gleichen Gesetze halten würden.

    Zudem ist das Judentum ziemlich flexibel, was die Interpretation ihrer Glaubensvorschriften anbelangt. Was Sie fordern ist, dem gesamten Spektrum jüdischen Lebens einen Platz zu bieten, den liberalen wie auch den orthodoxen Juden.

    Diesen Dienst bieten wir beispielsweise den Muslimen nicht. Würden Sie ihnen die Polygamie erlauben?

  27. Adrenalin Do 28 Jun 2012 at 18:34 - Reply

    „Die Religionssoziologie weiß es besser: Selbstbestimmung über religiöse Zugehörigkeit setzt in der Regel ein Vertrautwerden mit religiöser Tradition voraus.“

    Na klar doch, und das Vertrautwerden mit den archiaischen Ritualen der religon der ELTERN beginnt sinnvollerweise bei maximal 8 Tage alten Neugeborenen. Hat die Religionssoziologie so herausgefunden.

    Sorry, aber dieser Aufsatz erscheint mir locker so fragwürdig wie der Autor des Artikels das Urteil des LG Köln beurteilt.

    Das was blei bt ist das hohe Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit und zum Glück wie immer wenn Juristen streiten gibt es mehr als diese einzig gültige Meinung von Prof. Hans Michael Heinig. Dem würde ich per se zudem eine gewisse Befangenheit in der Sache unterstellen als Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD.

    Strafrechtler Professor Dr. Holm Putzke von der Universität Passau. Er bewertet das Urteil für die Deutsch Türkischen Nachrichten im Interview.

    http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/06/455709/nach-urteil-„aerzte-sollten-religioese-beschneidung-ablehnen“/

  28. Faufu Do 28 Jun 2012 at 21:02 - Reply

    „Der Beschnittene bleibt für sein Leben „gezeichnet“. Das stellt aber doch die Freiheit nicht in Frage, die inkulturierte religiöse Tradition später abzustreifen.“

    dann kann man dem kind genausogut „Jude“ oder „Moslem“ auf die Stirn tätowieren. ist ja trotzdem frei, später nicht mehr in die Moschee/Synagoge zu gehen

  29. Ano Nym Do 28 Jun 2012 at 21:32 - Reply

    @Hans Michael Heinig:

    „Über die Rechtsfragen kann man im Detail trefflich diskutieren.“

    Sie wollen das ja gerade nicht, wie ihr neuerlicher Kommentar zeigt. Zur Abrundung fehlt nur noch, dass Sie für die eine ihnen am Herzen liegende Betroffenengruppe eine Fristenlösung vorschlagen:

    Bis zum neunten Tag kann straffrei beschnitten werden.

  30. Max Steinbeis Do 28 Jun 2012 at 21:53 - Reply

    Du liebe Zeit, jetzt sind hier wirklich nur noch die Taliban übrig. Wir haben hier doch auch noch andere Leser. Wo seid ihr??

  31. DerKritiker Do 28 Jun 2012 at 22:18 - Reply

    Das Ganze wird daher eher höchst nachteilige Folgen haben, denn Ärzte werden u.U. diesen Eingriff nicht mehr ausführen.

    Die Folgen lassen sich erahnen, ich glaube nicht, dass diese Glaubengruppen von diesem Ritual ablassen werden und die Zahl der beschneidungen zurück gehen wird. Die Gefahr, dass Quacksalber dan