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19 September 2023

Die Finanzierung parteinaher Stiftungen als „Entscheidung in eigener Sache“

Die Finanzierung parteinaher Stiftungen wird häufig als Beispielsfall für eine Entscheidung des Parlaments in eigener Sache angeführt. Ein detaillierter Blick auf die Stiftungsfinanzierung zeigt, dass der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ zwar nicht gut gewählt ist, die Materie aber für die Politikfinanzierung typische Kontrolldefizite aufweist, die häufig unter diesem Label diskutiert werden. Diese Kontrolldefizite gehen Hand in Hand mit anderen verfassungsrechtlichen Defiziten.

Kritik am Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“

Der Begriff ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Das wird nicht zuletzt am Beispiel der Stiftungsfinanzierung deutlich. Zum einen kann er aufgrund seiner Unbestimmtheit willkürlich verwendet werden und wird nicht selten als Kampfbegriff benutzt. Im letzten Fall dient er vor allem dazu, den Mitgliedern des Bundestags Selbstbedienung an Staatskassen zu unterstellen – so auch bei der Stiftungsfinanzierung. Das ist nicht hilfreich. Denn so defizitär die Regelung der Stiftungsfinanzierung im Einzelnen auch sein mag, sie dient keineswegs ausschließlich den Parteien oder den Abgeordneten. Parteinahe Stiftungen leisten vor allem wichtige Arbeit in der politischen Bildung und bieten interessierten Bürger:innen den Raum, sich mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen zu befassen. Daneben sind sie in der internationalen Zusammenarbeit aktiv und betreiben politische Forschung. Sie sind damit wichtige politische Akteure, deren Arbeit der demokratischen Gesellschaft insgesamt zu Gute kommt. Um eine sachbezogene Debatte über die Regelungsdefizite zu fördern, ohne die Stiftungsfinanzierung insgesamt zu diskreditieren, sollte deshalb ein anderer Begriff gefunden werden.

Zum anderen kann unter dem Label „Entscheidung in eigener Sache“ das eigentliche Problem nicht sinnvoll adressiert werden. Abgeordnete entscheiden immer auch in eigener Sache, schließlich sind sie als Bürger:innen selbst den von ihnen beschlossenen Gesetzen unterworfen. Dass selbstbetroffene Personen die Gesetze machen, ist aber kein Problem, sondern vielmehr typisch für eine Demokratie. Deswegen kennt das Grundgesetz auch keine Befangenheitsregeln für die Legislative. Eine gemeinwohlorientierte Entscheidung soll in der Legislative nicht durch die Distanz der Entscheidenden zur Materie erreicht werden, sondern durch den Ausgleich der gegenläufigen Interessen in einem deliberativen Prozess. Dieser wird idealerweise von der kritischen Öffentlichkeit begleitet, die in diesem Zusammenhang eine politische Kontrolle über die Entscheidenden ausübt.

Es gibt aber Entscheidungen, an denen die Abgeordneten als Parteipolitiker:innen ein gesteigertes Interesse haben und die deswegen besonders missbrauchsanfällig sind. Das sind nicht nur Entscheidungen, die tatsächlich als „eigene Sache“ bezeichnet werden können, weil sie den Abgeordneten unmittelbar zugutekommen (Beispiel: Diäten). Vielmehr sind es alle Entscheidungen der Politikfinanzierung, die den Machterwerb und -erhalt der vorherrschenden politischen Grundströmungen betreffen, unabhängig davon, ob sie den Abgeordneten unmittelbar oder mittelbar nützen. Sie sind missbrauchsanfällig, weil die üblichen Kontrollmechanismen – gegenläufige Interessen innerhalb des Parlaments und der kritische Blick der Öffentlichkeit – ausfallen oder sehr schwach ausgeprägt sind. Es bietet sich deshalb an – wie von Thilo Streit vorgeschlagen – von einer Materie mit strukturellem Kontrolldefizit zu sprechen.1) Die Stiftungsfinanzierung ist ein Paradebeispiel für eine solche Materie.

Das Kontrolldefizit der Stiftungsfinanzierung

Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben ein Interesse daran, dass die ihnen nahestehenden Stiftungen mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Schließlich gehören die Partei und ihre nahestehende Stiftung derselben politischen Grundströmung an und teilen dieselben Werte und politischen Überzeugungen. Diese tragen die Stiftungen insbesondere im Rahmen ihrer Bildungsveranstaltungen in die Gesellschaft. Dadurch erfährt die jeweilige politische Grundströmung eine gesteigerte Resonanz in der Bevölkerung, was wiederum die Wettbewerbsposition der dazugehörigen Partei stärken kann (mehr dazu hier).2) Auch das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem jüngsten Urteil zur Stiftungsfinanzierung fest, dass die Parteien von der Arbeit ihrer nahestehenden Stiftungen „erheblich profitieren“ (s. hier).3)

Das gemeinsame Interesse an der finanziellen Absicherung der parteinahen Stiftungen führte in der Vergangenheit vor allem dazu, dass die Stiftungsmittel in ihrer Höhe kontinuierlich stiegen, ohne dass der steigende Finanzbedarf jemals im Bundestag hinterfragt und diskutiert worden wäre. Das liegt insbesondere daran, dass das Verfahren zur Festsetzung und Verteilung der Mittel maßgeblich von den parteinahen Stiftungen selbst gestaltet wird. Die Stiftungsfinanzierung beruht nicht auf einer spezialgesetzlichen Grundlage, sondern die Stiftungsmittel werden im Bundeshaushaltsplan veranschlagt und mit dem Haushaltsgesetz beschlossen. Die konkreten Finanzierungsvoraussetzungen ergeben sich seit 1998 vor allem aus einer „Gemeinsamen Erklärung“, die die parteinahen Stiftungen selbst verfasst haben und die der Haushaltsausschuss als Grundlage für die Veranschlagung der Mittel heranzieht. Die Höhe der Zuwendungen sowie der Verteilungsschlüssel wurden bis 2017 im Rahmen sogenannter „Stiftungsgespräche“ ausgehandelt. Dabei handelte es sich um informelle Treffen zwischen Mitarbeitenden der Stiftungen und Vertreter:innen des Bundestages sowie des Bundesministeriums des Innern, die auf Einladung der bisher geförderten parteinahen Stiftungen stattfanden. Die Ergebnisse dieser Beratungen wurden dann weitgehend unverändert in den Bundeshaushaltsplan übertragen. Die Finanzierungsvoraussetzungen und Verteilungskriterien werden folglich nicht im Rahmen einer öffentlichkeitswirksamen Debatte im Bundestag diskutiert und kontinuierlich neu verhandelt.

Die fehlende parlamentarische Debatte führte bislang dazu, dass die Stiftungsfinanzierung auch außerhalb des Parlaments wenig Aufsehen erregte – von wenigen kritischen Stimmen aus der Politik- und Rechtswissenschaft einmal abgesehen. Eine umfassende Kontrolle durch die Öffentlichkeit ist darüber hinaus kaum möglich. Die Zuwendungen an die Stiftungen sind verstreut auf einzelne Haushaltstitel in den Einzelplänen der Bundesministerien, aus denen nicht immer klar hervorgeht, dass die parteinahen Stiftungen als Zuwendungsempfänger vorgesehen sind. Es ist also nicht ohne weiteres erkennbar, wie viel Geld den Stiftungen für welche Aufgaben zugutekommt. Die Intransparenz des dargestellten Verfahrens führt außerdem dazu, dass die Bürger:innen weder die Finanzierungsvoraussetzungen noch die Verteilungskriterien nachvollziehen können. Darüber hinaus werden sie von der Entscheidung, die Zuwendungen kontinuierlich zu erhöhen, praktisch ausgeschlossen. Dabei ist die Öffentlichkeit aufgrund des Kontrolldefizits im Parlament „die einzig wirksame Kontrolle“.4)

Eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Stiftungsfinanzierung ist zwar möglich, aber in ihrem Umfang begrenzt. Im Rahmen eines Organstreitverfahrens können einzelne Parteien eine Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG rügen. Das Bundesverfassungsgericht kann in diesem Zusammenhang aber nur diejenigen Aspekte der Stiftungsfinanzierung beleuchten, die zu einer individuellen Rechtsverletzung führen. Das betrifft beispielsweise konkrete Finanzierungsvoraussetzungen oder Ausschlusskriterien. Die stetige Erhöhung der Stiftungsmittel oder die Intransparenz der Mittelfestsetzung sind hingegen keine tauglichen Gegenstände des Organstreitverfahrens. Sie könnten lediglich im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Hier sind aber die Parteien oder Stiftungen selbst nicht antragsberechtigt. Der Antrag müsste von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Die Bundesregierung, die selbst die Mittel in der streitbefangenen Höhe im Haushaltsentwurf veranschlagt, sich also konkludent einverstanden erklärt, fällt als Antragstellerin aus. Ein Antrag einer Landesregierung ist eher unwahrscheinlich, zumindest solange keines der Länder von der AfD regiert wird. Am wahrscheinlichsten wäre ein Antrag aus dem Bundestag, nämlich von einem Viertel der Abgeordneten. Da aber derzeit alle Fraktionen außer die der AfD von der Stiftungsfinanzierung profitieren, würde wohl nur letztere als Antragstellerin infrage kommen. Allerdings verfügt sie nicht über ausreichend Sitze im Parlament, um ein Viertel des Bundestages auszumachen.

Die Stiftungsfinanzierung als politisches Instrument

Die Festsetzung und Verteilung der Stiftungsmittel ging in der Vergangenheit weitestgehend geräusch- und vor allem kritiklos über die Bühne. Solange alle Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien angemessen berücksichtigt wurden, gab es keine kritischen Debatten. Alle Verantwortlichen hatten ein gemeinsames Interesse: Die Stiftungsfinanzierung sollte die parteinahen Stiftungen als Akteure der politischen Bildungsarbeit stärken und so den Einfluss der parteinahen politischen Grundströmungen insgesamt sichern.

Das gemeinsame Interesse änderte sich nur dann, wenn eine neue Partei die politische Bühne betrat und mit ihrer nahestehenden Stiftung an der Stiftungsfinanzierung partizipieren wollte. Das war erstmals in den 1980ern der Fall, als die Grünen in den Bundestag einzogen. Heute ist es die AfD, die eine Förderung der ihr nahestehenden Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) fordert. Aufgrund der Tatsache, dass Zweifel an der Verfassungstreue der AfD und ihrer Stiftung bestehen, möchten die etablierten Parteien die DES dauerhaft von der Finanzierung ausschließen, was ihnen bisher gelungen ist. Dabei machen sie sich das oben beschriebenen Kontrolldefizit zunutze. Um die DES von der Finanzierung auszuschließen, wurden im Bundeshaushaltsplan 2022 alle Haushaltstitel, die die parteinahen Stiftungen begünstigen, um einen Haushaltsvermerk ergänzt. In diesem wird die staatliche Förderung von der Verfassungstreue der jeweiligen Stiftung abhängig gemacht und die DES konkludent wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue von der Finanzierung ausgeschlossen.

Der zitierte Haushaltsvermerk wurde überraschend in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, also kurz vor Abschluss seiner Beratungen über den Haushaltsentwurf 2022, in dessen Beschlussempfehlungen aufgenommen. In der abschließenden Beratung über das Haushaltsgesetz im Plenum des Bundestages wurde nicht mehr ausführlich darüber debattiert. Die Einzelheiten des neuen Haushaltsvermerks fanden keinerlei Erwähnung oder wurden gar zur Diskussion gestellt. Es ist zudem nicht dokumentiert, wie der Haushaltsausschuss zu der gewählten Formulierung kam und auf welcher Grundlage er die DES als nicht verfassungstreu einstuft. Die anderen Fraktionen nutzen hier die Tatsache aus, dass die Debatte über den Bundeshaushaltsplan sehr komplex und zeitintensiv ist und kaum Raum bleibt, um auf einzelne Haushaltsvermerke detailliert einzugehen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Redezeit der Opposition begrenzt ist und so eine Priorisierung der Themen vorgenommen werden muss. Damit ist die Kontrolle sowohl der Opposition als auch der Öffentlichkeit eingeschränkt.

Die Beseitigung des Kontrolldefizits

Es sind zwei Wege denkbar, über die das beschriebene Kontrolldefizit aufgelöst werden kann. Für beide Wege streiten verfassungsrechtliche Argumente. Erstens muss für die Stiftungsfinanzierung eine spezialgesetzliche Grundlage geschaffen werden. Das ergibt sich bereits aus dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes und der dazu entwickelten Wesentlichkeitslehre (mehr dazu hier).5) Die Erforderlichkeit eines Stiftungsgesetzes wurde auch vom Bundesverfassungsgericht in seinem zweiten Stiftungsurteil bestätigt (s. hier).6) Die Regelung der Stiftungsfinanzierung in einem speziellen Gesetz kann die Kontrolldefizite in zweifacher Hinsicht ausgleichen: Zum einen wären die Finanzierungsvoraussetzungen und Verteilungskriterien für die kritische Öffentlichkeit nachvollziehbar. Sie könnten nur in einem transparenten und öffentlichkeitswirksamen Gesetzgebungsverfahren geändert werden, das von einer parlamentarischen und außerparlamentarischen Debatte begleitet würde. Zwar wären die Interessen innerhalb des Parlaments auf den ersten Blick weiterhin gleichlaufend. Aber die Tatsache, dass die Öffentlichkeit kritisch auf die Entscheidung blickt, kann bereits disziplinierend wirken. Die jüngste Debatte über die Anhebung der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung hat gezeigt, dass der kritische Blick der Öffentlichkeit die Fraktionen zu einer Diversifizierung der Meinungen anhält, unter anderem um den Rückhalt bei den Wähler:innen nicht zu verlieren. Zum anderen müssten sich an einem „Stiftungsgesetz“ alle parteinahen Stiftungen gleichermaßen messen lassen. Es wäre nicht mehr möglich, den politischen Gegner ohne überprüfbaren Grund und in einem intransparenten Verfahren von der Finanzierung auszuschließen.

Zweitens kann eine Deckelung der Stiftungsmittel für ein höheres Kontrollniveau sorgen. Als Vorbild kann hier die absolute Obergrenze für die Parteienfinanzierung dienen. Eine solche Obergrenze führt zum einen dazu, dass die Verteilung der dann knappen Mittel kontroverser diskutiert und ihre Verwendung besser kontrolliert wird. Zum anderen erhöht sie die Kontrollmöglichkeiten für die Öffentlichkeit, da eine Erhöhung der Stiftungsmittel nur noch durch Gesetzesänderung, also in einem öffentlichkeitswirksamen Verfahren möglich wäre.

Ob die Argumente des Bundesverfassungsgerichts für die Einführung einer absoluten Obergrenze (Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Gefahr der Selbstbedienung an der Staatskasse) verfassungsrechtlich tragfähig sind, kann hier dahinstehen. Denn eine verfassungsrechtliche Erforderlichkeit, die Stiftungsmittel zu deckeln, ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses. Dieser gebietet, dass neben etablierten Strömungen neue politische Grundströmungen entstehen und sie auch verdrängen können. Mithilfe der immensen Mittel, die den parteinahen Stiftungen zugutekommen, sind diese im Laufe der Zeit zu den bedeutendsten Akteuren der politischen Bildungsarbeit geworden. Andere intermediäre Organisationen, die nicht den Parteien nahestehen und entsprechend keine oder weniger staatliche Mittel erhalten, können mit ihnen ebenso wenig mithalten wie nicht geförderte parteinahe Stiftungen. Die stetige Erhöhung der Stiftungsmittel hat bislang dazu geführt, dass die parteinahen Stiftungen keine finanziellen Einbußen erlitten haben, obwohl die ihnen nahestehende Partei Stimmverluste verzeichnet hat. Während beispielsweise die CDU und SPD an Zuspruch verlieren, bleibt die Finanzkraft der Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung gleichbleibend groß. Sie können ihre Bildungsarbeit ohne große Einbußen weiterführen, obwohl die nahestehende Partei, von der sie ihre Förderungswürdigkeit ableiten, zunehmend an Bedeutung verliert. Damit sichert der Staat auf Dauer die Wettbewerbsposition der parteinahen Stiftungen zu Lasten anderer intermediärer Organisationen und nicht etablierter Parteien.  Eine Deckelung der Mittel kann zumindest teilweise verhindern, dass die parteinahen Stiftungen im Vergleich zu ihren Konkurrenten – unerheblich ob parteinah oder parteifern – künstlich groß gehalten werden.

Der Gesetzgeber hat also die Chance, mit der Schaffung der ohnehin erforderlichen spezialgesetzlichen Grundlage weitere verfassungsrechtliche sowie demokratietheoretische Defizite zu beseitigen. Hoffentlich nutzt er sie.

References

References
1 Thilo Streit, Entscheidung in eigener Sache, Berlin 2006, S. 179 ff.
2, 5 S. dazu Antje Neelen, Die AfD, ihre Stiftung und das Bundesverfassungsgericht, VerfBlog, 2022/10/27, https://verfassungsblog.de/die-afd-ihre-stiftung-und-das-bundesverfassungsgericht/, DOI: 10.17176/20221027-225912-0 <11.08.2023>.
3 BVerfG, Urt. v. 22.02.2023 – 2 BvE 3/19 – Rn. 216.
4 BVerfGE 40, 269 (327).
6 BVerfG, Urt. v. 22.02.2023 – 2 BvE 3/19 – Rn. 233 ff.