03 April 2023

Die private Durchsetzung des Unionsrechts

Zur Einordnung der Diesel-Entscheidung C-100/21 in die Judikatur des EuGH

Welche Ansprüche bestehen bei Verstoß gegen unionsrechtlich fundierte Normen, die keine eigenen Rechtsfolgenanordnungen vorsehen – diese Frage ist seit einigen Jahren zu einem zentralen Thema (auch) des Privatrechts geworden.1) Im Kern geht es um ein Problem, das sich in allen föderal organisierten oder supranational beeinflussten Rechtsordnungen stellt2): Wie kann trotz der Ebenentrennung von (unionalen) Rechten („rights“) und (nationaler) Rechtsdurchsetzung („remedies“) eine wirksame Durchsetzung der Regeln der höheren Ebene durch die niedrigere Ebene gewährleistet werden – und welche Rolle spielt in diesem System das Privatrecht?

Die Entscheidung C-100/21 (QB/Mercedes-Benz Group AG)

Mit der Entscheidung C-100/21 der Großen Kammer des EuGH vom 21.3.2023 (im Folgenden zitiert als EuGH Rn.)3) ist die private Durchsetzung des Unionsrechts – nach mehreren Vorläuferentscheidungen zu Sondermaterien4) – im Kernbereich des Bürgerlichen Rechts angekommen. In der auf Vorlage des Landgerichts Ravensburg5) entschiedenen Rechtssache hat der EuGH drei wesentliche Aussagen getroffen. Erstens hat er – entgegen der Rechtsprechung des BGH6) – bekräftigt, dass die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie 2007/467) iVm Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 715/20078) neben allgemeinen Rechtsgütern wie dem Umweltschutz und der Luftreinhaltung auch „die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist“ (EuGH Rn. 85). Zweitens hat er im Hinblick auf die Folgen eines Verstoßes gegen diese Vorschriften entschieden, „dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist“ (EuGH Rn. 91, auch Rn. 89). Und drittens – und dies dürfte für die Praxis die größten Fragen aufwerfen – hat der Gerichtshof zwar die Ausgestaltung dieses Schadensersatzanspruchs den Mitgliedstaaten überlassen (EuGH Rn. 92), allerdings unter dem Vorbehalt, dass „nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang“ stehen (EuGH Rn. 93). Zur Bedeutung dieses Effektivitätsvorbehalts für die konkrete Frage, ob bei Anrechnung hoher Nutzungsvorteile des Erwerbers der Schadensersatzanspruch maßgeblich reduziert oder sogar entfallen kann oder ob dies effektivitätswidrig wäre, hielt sich der EuGH bedeckt. Nur zu drei knappen Aussagen mochte man sich durchringen: Erstens dürfen die nationalen Gerichte dafür Sorge tragen, „dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt“ (EuGH Rn. 94). Zweitens müssen sie prüfen, ob „die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs dem betreffenden Käufer eine angemessene Entschädigung gewährleistet“, sofern feststeht, dass im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (EuGH Rn. 95). Und drittens wird zusammenfassend festgehalten, dass die Ausgestaltung des Schadensersatzes durch die Mitgliedstaaten voraussetzt, „dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht“ (EuGH Rn. 96).

Drei Voraussetzungen für die Existenz privater Schadensersatzansprüche bei Unionsrechtsverstößen

Die Entscheidung des Gerichtshofs entspricht in Struktur und Aufbau9) den Schlussanträgen des Generalanwalts Rantos (im Folgenden zitiert als Schlussanträge Rn.)10), und auch die Ausführungen zum Individualschutz durch die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46, der wesentlich mit der Konformitätsbescheinigung und dem Regelungskontext der Abgasnormen begründet wird, ähneln sich in Urteil und Schlussanträgen (EuGH Rn. 73, 78 ff.; Schlussanträge Rn. 42, 47). Bemerkenswerte Unterschiede ergeben sich aber bei der Begründung der Erforderlichkeit privater Schadensersatzansprüche bereits bei Fahrlässigkeit des Herstellers (§ 823 Abs. 2 BGB) und nicht erst unter den Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB), wie es bisher der Rechtsprechung des BGH entsprach.11) Der Generalanwalt machte sich die Argumentation des vorlegenden Landgerichts zu eigen, dass der Hersteller wegen des Ausnahmecharakters der Haftung nach § 826 BGB keinen hinreichenden „Anreiz [habe], die Unionsvorschriften penibel einzuhalten, um eine deliktische Haftung zu vermeiden“ (Schlussanträge Rn. 58) und dass die unionsrechtlichen Vorschriften „wohl nur dann durchschlagskräftig wären, wenn auch fahrlässige Verstöße durch deliktische Schadensersatzansprüche der Erwerber gegen den Hersteller sanktioniert würden und die Hersteller dies von vornherein einkalkulieren müssten“ (Schlussanträge Rn. 59). Der EuGH hingegen stellt die Existenz eines Schadensersatzanspruchs der Käufer von Dieselfahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung gegen deren Hersteller eigentlich nur fest (EuGH Rn. 89, 91). Das einzige Begründungselement ist das Wörtchen „somit“ („ainsi“) in Rn. 89, das eine Verknüpfung zum zuvor festgestellten Individualschutz durch die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 herstellt. Dieser Unterschied ist bedeutsam für die nach wie vor ungeklärte Frage, wann Verstöße gegen Unionsrecht privatrechtliche (Schadensersatz-)Ansprüche zur Folge haben. Legt man nämlich die Position des Generalanwalts zugrunde, so käme es auf die Anreizwirkung, also den Präventionseffekt einer deliktischen Haftung, und die Sicherung der Wirksamkeit des Unionsrechts an.12) Die Begründung des EuGH scheint hingegen eher oder sogar ausschließlich auf den Individualschutz durch die Richtlinienvorschriften abzustellen. In diesen Unterschieden spiegeln sich die Unsicherheiten, die die Judikatur des Gerichtshofs zur Begründung privater Schadensersatzansprüche seit jeher begleiten.13) Immerhin sind die vom Generalanwalt genannten Punkte (Präventionswirkung der Haftung und Sicherung der Wirksamkeit des Unionsrechts) auch in früheren Entscheidungen anzutreffen, während ein Abstellen allein auf den Individualschutz einer Norm neu ist und auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zur früheren Entscheidung in TÜV Rheinland14) steht (die allerdings infolge der dort geltend gemachten Haftung eines Marktüberwachers einen nicht generalisierungsfähigen Sonderfall betrifft)15).

Richtigerweise dürften deshalb sowohl die Argumente des Gerichtshofs wie des Generalanwalts ausschlaggebend für die Haftungsbegründung sein. Demnach ist ein Unionsrechtsverstoß (auch und neben einer ggf. parallelen öffentlich-rechtlichen Durchsetzung) durch einen privaten Schadensersatzanspruch zu sanktionieren,16) wenn erstens die praktische Wirksamkeit oder die effektive Durchsetzung iSd Effektivitätsgrundsatzes der verletzten Primärnorm bei Nichtdurchsetzung durch private (Schadensersatz-)Ansprüche beeinträchtigt wäre und zweitens die verletzte Primärnorm dem konkreten Anspruchssteller eine individuelle Anspruchsberechtigung verleiht, was in erster Linie (wie im Beispiel der Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46) bei individualschützenden Normen des Unionsrechts der Fall ist, aber auch bei kollektiv- oder wettbewerbsschützenden Vorschriften der Fall sein kann.17) Als dritte Voraussetzung kommt die unmittelbare Wirkung – im weitesten Sinne, also auch unter Einbeziehung von Richtlinien bzw. des Umsetzungsrechts zu Richtlinien – der verletzten Primärnorm zwischen Privaten hinzu. Die erste Voraussetzung (Effektivitätsbeeinträchtigung bei Nichtdurchsetzung durch Schadensersatzansprüche) wird dabei vom Gerichtshof als eine Art Platzhalter für unterschiedliche Abwägungskriterien genutzt. Zu diesen Abwägungskriterien zählen der Charakter der verletzten Primärnorm als grundlegende Bestimmung des Unionsrechts, die Zielsetzung der verletzten Primärnorm, eine bestimmte (einheitliche) Wettbewerbs- oder Marktordnung zu errichten, die Erhöhung der Durchsetzungskraft des Unionsrechts durch Schadensersatzansprüche (auch wenn parallel öffentlich-rechtliche Durchsetzung existiert), der Beitrag privater Schadensersatzansprüche zur Aufdeckung und Abschreckung von Unionsrechtsverstößen und schließlich die Erwägung, dass ein von der Primärnorm angestrebter Zustand nur durch Schadensersatzansprüche und den damit verbundenen Schadensausgleich erreicht werden kann.18) Unter Anwendung dieser Abwägungskriterien dürften sich kaum Fälle finden lassen, in denen die Kriterien nicht für die Anerkennung privater Schadensersatzansprüche sprechen, so dass man von einer „Regelvermutung der privaten Durchsetzbarkeit des Unionsrechts“19) sprechen kann. Allerdings greift diese Regelvermutung nicht, wenn die verletzte Primärnorm keinen materiellen Schutz vermittelt oder wenn die Existenz privater Schadensersatzansprüche durch das Unionsrecht explizit oder implizit ausgeschlossen wird.20)

Kein Ausschluss privater Ansprüche trotz paralleler öffentlich-rechtlicher Durchsetzung

Abgesehen von der Ausprägung der Kriterien für die Existenz privater Schadensersatzansprüche liefert die Rechtssache C-100/21 auch Diskussionsimpulse für die Würdigung verschiedener Einwände gegen die Regelvermutung der privaten Durchsetzbarkeit des Unionsrechts. Dies gilt zunächst für die Auffassung, dass ein Verstoß gegen Unionsrecht grundsätzlich keine privatrechtlichen Ansprüche zur Folge habe und vielmehr auch eine allein öffentlich-rechtliche Sanktionierung zur Sicherung der Effektivität des Unionsrechts ausreiche.21) Zwar ist zutreffend, dass der Gerichtshof grundsätzlich die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung der Sanktionsregeln respektiert. Allerdings gibt es inzwischen verschiedene Entscheidungen, in denen der EuGH – trotz Existenz öffentlich-rechtlicher Sanktionen – explizit zusätzlich privatrechtliche Ansprüche verlangt hat.22) Die Entscheidung in der Rechtssache C-100/21 ist nur der letzte Baustein in der Linie dieser Judikatur, auch wenn er besonders bemerkenswert ist, weil nicht nur die Existenz privatrechtlicher Schadensersatzansprüche, sondern auch ihre Entkopplung vom Erfordernis der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung hin zu einer Haftung für einfache Fahrlässigkeit aus Effektivitätsgründen gefordert war. Auch rechtspolitisch ist die Parallelität öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rechtsdurchsetzung sinnvoll, denn die Wirksamkeit einer rein öffentlich-rechtlichen Durchsetzung ist sowohl durch begrenzte öffentliche Ressourcen wie ggf. mangelnden politischen Willen begrenzt. Die Ausdehnung der Anspruchs- und Klageberechtigung Privater bedeutet deshalb nicht nur eine Stärkung der Wirksamkeit des Unionsrechts, sondern auch einen Emanzipations- und Freiheitsgewinn für die Bürger, die die Durchsetzung des Unionsrechts unabhängig von behördlichen Entscheidungen in ihre eigenen Hände nehmen können. Es gibt deshalb kein Durchsetzungsmonopol staatlicher Behörden,23) sofern sich nicht dem unionsrechtlichen Regelungsumfeld deutlich entnehmen lässt, dass der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen ausschließlich behördlicher und auch privatrechtlicher Rechtsdurchsetzung explizit vorbehalten wollte.24)

Keine Unterscheidung zwischen Richtlinien und Verordnungen

Hinweise gibt die Entscheidung in der Rechtssache C-100/21 auch für die Frage, ob bei der Begründung privater Schadensersatzansprüche nach der Rechtsnatur der verletzten Unionsnorm zu differenzieren ist. So könnte man bei unmittelbar anwendbarem Unionsrecht und bei Verordnungen eine private Rechtsdurchsetzung als grundsätzlich geboten ansehen, bei (umsetzungsbedürftigen) Richtlinien aber nicht.25) Angesichts der Annäherung zwischen Richtlinien und Verordnungen durch die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung und Fortbildung und angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber immer mehr Richtlinien ohne Änderung des materiellen Regelungsgehalts in Verordnungen überführt, so dass die Formen zunehmend austauschbar erscheinen,26) erscheint diese Differenzierung nicht ohne weiteres überzeugend. Mit der Entscheidung in der Rechtssache C-100/21 dürfte sie noch schwieriger zu halten sein, weil die Existenz privatrechtlicher Ansprüche vom Generalanwalt ausschließlich (Schlussanträge Rn. 54)27) und vom Gerichtshof zumindest überwiegend aus dem Individualschutz und der Durchsetzungsverpflichtung der Rahmenrichtlinie 2007/46 (EuGH Rn. 91)28) abgeleitet wurde.

Schutzzweck- oder Betroffenheitskriterium für die Eingrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten?

Schließlich gibt die Entscheidung in der Rechtssache C-100/21 Hinweise für die Eingrenzung des Kreises möglicher Anspruchssteller. Infolge der unklaren Judikatur ist umstritten, ob die Existenz von Schadensersatzansprüchen bei Unionsrechtsverstößen – wie in § 823 Abs. 2 BGB – an ein Schutzgesetz- bzw. Schutzzweckerfordernis geknüpft werden kann oder ob nicht vielmehr im unionsrechtlichen Kontext bereits ein bloßer „personaler Bezug“ oder eine bloße „Betroffenheit“ genügt. Anspruchsberechtigt soll danach bereits derjenige sein, der in den von der jeweiligen Norm geschützten Interessen beeinträchtigt ist bzw. sein könnte, ohne dass ein von der Allgemeinheit abgrenzbarer Individualschutz erforderlich sei.29) Mit der Entscheidung C-100/21 dürfte sich der EuGH indes – wie auch sonst bei (Staats-)Haftungsansprüchen30) – zugunsten des Individualschutzkriteriums und gegen ein Genügen der bloßen Betroffenheit ausgesprochen haben, weil der Gerichtshof für die Begründung der Schadensersatzansprüche maßgeblich darauf abstellt, dass die betreffenden Vorschriften des Unionsrechts die „Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen“ (EuGH Rn. 88). Allerdings gilt dies nur bei individualschützenden Normen. Steht die private Durchsetzung wettbewerbsschützender Unionsrechtsnormen in Rede, so ist „jedermann“ anspruchsberechtigt, so dass eine Eingrenzung des Kreises der Anspruchsstellers nur über die Kriterien von Kausalität und Zurechenbarkeit erfolgen soll.31) Bei kollektivschützenden Normen (z.B. kollektiven Rechten von Arbeitnehmern) wiederum ist die betreffende Kollektivorganisation anspruchsberechtigt, wobei diese Fälle bisher für die Schadensersatzhaftung keine Bedeutung erlangt haben.

Ausgestaltung der Haftung: Bereicherungsverbot und angemessene Entschädigung

Unterschiede zwischen den Schlussanträgen und der Entscheidung finden sich auch bei den europäischen Vorgaben für die Ausgestaltung der Schadensersatzhaftung: Zwar verweisen sowohl die Schlussanträge (Rn. 61) wie der EuGH (Rn. 94) – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte32) – auf die Zulässigkeit nationaler Regeln, eine ungerechtfertigte Bereicherung der Anspruchsberechtigten zu verhindern. Daraus folgt, dass eine Anrechnung der Nutzungsvorteile, die die Erwerber der Dieselfahrzeuge durch den Gebrauch der Fahrzeuge erlangt haben, unionsrechtskonform ist (Schlussanträge Rn. 62, wohl auch EuGH Rn. 95, wo die Anrechnung des Nutzungsvorteils erwähnt und nicht untersagt wird). Während der Generalanwalt allerdings eine Nutzungsanrechnung explizit für effektivitäts- und unionsrechtswidrig hält, wenn der Käufer „letztlich keinerlei Ersatz für den erlittenen Schaden erhält“ (Schlussanträge Rn. 62), äußert sich der Gerichtshof weniger deutlich und verlangt lediglich, dass trotz Nutzungsanrechnung eine „angemessene Entschädigung“ (EuGH Rn. 95) gewährleistet sein muss. Indes dürfte dies im Ergebnis keinen Unterschied zur Position des Generalanwalts begründen, weil die „angemessene Entschädigung“ in der Judikatur des Gerichtshofs signalisiert, dass umfassend alle Positionen auszugleichen sind und ein bloß symbolischer Schadensersatz nicht genügt.33) Dies dürfte den Weg dafür ebnen, dass die Nutzungsanrechnung einen Rest-Schadensersatzanspruch nicht ausschließen darf, der etwa darin bestehen könnte, dass der Hersteller das Fahrzeug zum Zeitwert34) eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne unzulässige Abschalteinrichtung zurücknehmen muss.

References

References
1 Vgl. nur Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012; Wilman, Private Enforcement of EU Law before National Courts, 2015; Franck, Marktordnung durch Haftung, 2016; Ebers, Rechte, Rechtsbehelfe und Sanktionen im Unionsprivatrecht, 2016; Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, 2017; Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019) 797; Oster, EuR 2019, 578.
2 Zum US-Recht etwa Davis v. Wechsler, 263 U.S. 22, 24 (1923); zum Gleichwertigkeitsgrundsatz dort Testa v. Katt, 330 U.S. 386, 394 (1947); näher Halberstam RabelsZ 66 (2002) 216, 231 ff.; Lindholm, State Procedure und Union Rights: A Comparison of the European Union and the United States, 2007.
3 EuGH 21.3.202