22 July 2022

Ein Plädoyer für die Änderung der Strafzumessungsgründe in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB

Warum „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe im Strafgesetzbuch klar benannt werden müssen

Dass die von Justizminister Marco Buschmann angekündigte Ergänzung des Katalogs der in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB aufgezählten Strafzumessungsgründe um die Merkmale der „geschlechtsspezifischen“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Beweggründe auf verhaltene Reaktionen stößt, ist nicht verwunderlich. Die Reaktionen passen nur allzu gut zu der gesamtgesellschaftlich, medial und insbesondere innerhalb der Justiz zu beobachtenden Neigung, das Ausmaß und die Dimension geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland nicht gänzlich anzuerkennen. In diesem Sinne ist der Vorstoß des Bundesjustizministeriums, mit der geplanten Gesetzesänderung geschlechtsspezifische Gewalt als solche zu benennen, ihre Bagatellisierung zu verhindern und damit ein Signal an die Gesellschaft zu senden, in höchstem Maße zu begrüßen. Er ist zweifellos nicht der einzige, aber doch ein wesentlicher Schritt bei der Bekämpfung von Hass gegen Frauen und LGBTQI*-Personen, vor allem in Form von Femiziden, Partnerschaftsgewalt, sexualisierter Gewalt sowie von Hassdelikten.

Der Mehrwert einer Klarstellung

Buschmann fordert, dass geschlechtsspezifische Gewalt mit der gebotenen Strenge bestraft werden müsse. Dabei ist an dieser Stelle zu betonen, dass die geplante Gesetzesänderung keine Straferhöhung für die Täter*innen per se bedeutet. Sie soll in erster Linie klarstellend wirken und die bisherige Rechtslage verdeutlichen und bekräftigen. Denn Tatmotivationen, die geschlechtsspezifisch sowie gegen die sexuelle Orientierung gerichtet sind, können derzeit bereits unter die „sonstigen menschenverachtenden Beweggründe“ in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB gefasst werden. Ferner lassen sich schon jetzt unter der Art der Ausführung ein besonderer Vertrauensbruch sowie bei den verschuldeten Auswirkungen ein besonderer psychischer Schaden beim Opfer als strafschärfend im Rahmen des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB berücksichtigen. Die Beweggründe insgesamt stehen zueinander in Wechselwirkung. Auf den ersten Blick scheint die deutsche Rechtslage also keinen Grund herzugeben, das Gesetz zu ändern. Zu vernehmen ist außerdem, dass dies reine Symbolpolitik sei und keiner Frau das Leben retten werde; man überlegen müsse, ob diese Änderung angesichts der bisherigen Rechtsprechung wirklich nötig sei und ob es klug sei, den § 46 StGB durch immer mehr Gruppen zu erweitern. Auch sei fraglich, ob die Reformziele auch mit dem Begriff „geschlechtsspezifisch“ erreicht würden.

Dass es trotz der Tatsache, dass die bisherige Rechtslage das in Rede stehende Unrecht bereits erfasst, dennoch einer klarstellenden Gesetzesänderung bedarf, liegt maßgeblich daran, dass ein großes Problem für die strafrechtliche Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und gegen LGBTQI*-Personen die gängige Rechtspraxis ist. Trotz zunehmender gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Betroffenen gerichteter Gewaltdelikte nimmt die bisherige Rechtspraxis eine dem Unrecht adäquate Anwendung des Gesetzes unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Motive nicht oder nur unzureichend vor, besonders, wenn eine Nähebeziehung zwischen Täter und Opfer bestand. Die klarstellende Änderung nimmt daher geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Gewalt buchstäblich in den Blick. Dem Einwand, dass man überprüfen müsse, ob diese Änderung angesichts der bisherigen Rechtsprechung wirklich nötig sei, ist entgegenzusetzen, dass mit dieser Aussage gerade – wohl ungewollt – ein Kernproblem im Bereich der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt angesprochen wird. Denn die bisherige fehlende Anerkennung und Bagatellisierung geschlechtsspezifischer Gewalt haben zu einem Mangel an Daten geführt. Seit Jahren fordern Frauenverbände, kontinuierlich Daten staatlich und finanziell gesichert zu erheben und interdisziplinär auszuwerten. Die Kriminalstatistische Auswertung Partnerschaftsgewalt vom Bundeskriminalamt ist aufgrund der ihr inhärenten Lücken nicht ausreichend. Die Forschungslücken für gegen LGBTQI*-Personen gerichtete Hasskriminalität sind eklatant. Insgesamt fehlt es an Zahlen, Daten und Statistiken, die auch für eine wirksame Präventionsarbeit zentral sind. Der Ruf nach einer umfassenden Auswertung der Rechtsprechung beispielsweise von Femiziden ist zwar hier und da zu vernehmen, aber auf der politischen Agenda derzeit nicht auf höchster Prioritätsstufe. Insofern ist einzugestehen, dass die gewonnenen Erkenntnisse sich zumeist auf die Arbeit von Nebenklagevertreter*innen, Frauenverbänden, ehrenamtlichen Vertreter*innen und freiwilligen Initiativen berufen, die in unmittelbarer Nähe zu den Betroffenen stehen. Aber selbst diese zeichnen bereits ein düsteres Bild und erachten die gesetzgeberische Änderung für notwendig.

Femizide und sexualisierte Gewalt in (Ex-)Partnerschaftsbeziehungen veranschaulichen die unzureichende Rechtspraxis

Bei den in Deutschland am häufigsten in Form von Trennungstötungen auftretenden Intimfemiziden ist die von der Frau ausgehende (angekündigte) Trennung tatauslösend. Mit der Trennung entscheidet sie sich frei und selbstbestimmt für ein Leben ohne den (Ex-)Partner. Indem der Täter ihr die Inanspruchnahme ihres Selbstbestimmungsrechts abspricht und ihre Trennung nicht akzeptiert, sondern sie stattdessen getreu dem Motto „wenn er sie nicht mehr haben könne, dürfe sie keiner haben“ tötet, bringt er sein patriarchales Besitzdenken zum Ausdruck. Handlungsleitend ist seine Vorstellung über ihre geschlechtsbezogene Ungleichwertigkeit. Er begeht einen Femizid.

In Deutschland versucht jeden Tag ein Täter, seine (Ex-)Partnerin umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt es ihm. Aufgrund der absoluten Strafandrohung des Mordtatbestandes kann der § 46 StGB grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung bei Femiziden finden. Trotzdem spielt die Tatsache, dass eine Tötung ein Femizid ist, das heißt von geschlechtsspezifischen Beweggründen im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB geleitet war, für die Einordnung als Totschlag oder Mord eine Rolle. So lässt sich, wenn die Tat als „geschlechtsspezifisch“ motiviert im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB eingeordnet wird, dies für die Auslegung und Anwendung der Rechtsprechung zu niedrigen Beweggründen bei § 211 Abs. 2 StGB nutzbar machen.

Problematisch ist, dass die derzeitige Rechtsprechungspraxis teilweise vermittelt, dass die Trennung dem Täter den Boden unter den Füßen weggerissen habe, vorherrschend Verzweiflung, Enttäuschung, Ausweglosigkeit und seine Situation emotional nachvollziehbar seien. Der Fakt der Trennung dürfe daher als Grund für die Ablehnung von niedrigen Beweggründen gewertet werden. Im Endeffekt wird die emotionale Situation des Täters strafmildernd berücksichtigt. Bei näherer Betrachtung, warum der Täter denn so in Verzweiflung geraten sei, offenbart sich ein patriarchalisches Macht- und Besitzdenken. Der Täter stellt seinen Wunsch, die Beziehung zum Tatopfer fortzusetzen oder dessen neue Beziehung zu verhindern, über die selbstbestimmte Lebensgestaltung des Opfers. So hält der Referentenentwurf korrekterweise fest: „auch so motivierte Taten sind im Kern Hasstaten“.

Diese patriarchale Besitzkonstruktion hinter einer Trennungstötung wird vielfach nicht erkannt. Erschwerend kommt hinzu, dass geschlechtsspezifische Beweggründe sich oft nicht als expliziter Frauenhass zeigen, sondern teils subtil und unterbewusst verankert sind. Nicht in allen Fällen wird die Beweislage offensichtlich auf die Vorstellung geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit und einen patriarchalen Besitzanspruch hindeuten. Um dem beizukommen, muss Gesetzesanwender*in jedoch gewillt sein, solche strukturellen Gewaltmuster und die Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit zu erkennen. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass der Begriff der „geschlechtsspezifischen“ Beweggründe laut Referentenentwurf so verstanden werden muss, dass er „nicht nur die Fälle gruppenbezogener Hassmotive […], bei denen […] die Tat als symbolischer, stellvertretender Akt […] etwa in einem „Hass auf alle Frauen“ zum Ausdruck kommen kann“, sondern gerade auch Fälle erfasst, in denen der Täter aus einer häufig patriarchal geprägten Einstellung eine dominante Haltung gegenüber der (Ex-)Partnerin erfasst.“

Der Trugschluss einer fortgeschritten, gleichberechtigten Gesellschaftsordnung

Auffällig ist, dass die patriarchale Besitzkonstruktion bei Tätern mit nichtdeutschem Hintergrund eher erkannt wird. Anscheinend herrscht der Trugschluss, dass aufgrund der festen Verankerung der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter in der deutschen Werteordnung ein Problem struktureller Ungleichheit sowie patriarchaler Gewalt innerhalb der so fortgeschrittenen deutschen Gesellschaft nicht existent sei. Erneut zeigt sich das Problem, dass es häufig nicht an der Rechtslage scheitert, sondern an der Rechtsanwendung. Die Tatsache, dass, wie Buschmann formuliert, „in besonders eklatanter Weise“ regelmäßig auch in unserer Gesellschaft gegen diese unsere Werteordnung verstoßen wird, ändert hieran nichts. Im Übrigen ist das Beharren auf Einzeltäter-Thesen und damit einer Leugnung der strukturellen Komponente nicht nur im Bereich Gewalt gegen Frauen bekannt. Ähnliche Muster finden sich bei rechtsextremen und rassistischen Straftaten, wie an den Ermittlungen zu den Straftaten des NSU und dem Anschlag im Münchner Olympia-Einkaufszentrum zu sehen ist.

Auch im Bereich sexualisierter Gewalt dürfte die Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB Abhilfe schaffen. Eine vorangegangene oder noch bestehende Nähebeziehung des Opfers zum Täter wird bei Sexualdelikten häufig als Grund gegen eine Strafschärfung angeführt und sogar strafmildernd berücksichtigt. Sexualisierter Gewalt, auch in einem Näheverhältnis, liegt jedoch in der Regel auch die Vorstellung geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit zugrunde. Diese Rechtspraxis widerspricht klar dem Artikel 46 lit. a der in Deutschland seit dem 1. Februar 2018 geltenden „Istanbul-Konvention“, der deutsche Gerichte dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass der Umstand, dass die Straftat sich gegen eine (Ex-)Ehefrau oder (Ex-)Partnerin richtet, aufgrund der besonderen Vertrauensposition und dem aus dem Vertrauensbruch resultierenden psychischen Schaden strafschärfend berücksichtigt werden kann.

Diese Verpflichtung der deutschen Gerichte hat augenscheinlich kaum Wirkung gezeigt. Das Wissen um die Istanbul-Konvention selbst ist innerhalb der Justiz nicht weit verbreitet, nicht zuletzt fehlt ein hinreichendes Fortbildungsangebot. Immer noch dominieren im Gerichtssaal Vergewaltigungsmythen in der Art, dass eine Vergewaltigung innerhalb eines Näheverhältnisses aufgrund des Näheverhältnisses weniger traumatisch sei. Dass das Trauma aufgrund des Missbrauchs dieses Näheverhältnisses erwiesenermaßen gerade besonders hoch ist, wird missachtet. Die klarstellende Gesetzesänderung soll daher verdeutlichen, dass die geschlechtsspezifische Tatmotivation es grundsätzlich verbietet, eine Strafmilderung aufgrund eines Näheverhältnisses anzunehmen – und trägt damit nicht zuletzt der sexuellen Selbstbestimmungsfreiheit der Betroffenen Rechnung.

Eine Änderung im Allgemeinen Teil des StGB schafft keinen, sondern verhindert gerade einen Flickenteppich

Ist es klug, § 46 StGB durch immer mehr Gruppen zu erweitern? Grundsätzlich ist anzustreben, einen strafrechtlichen Flickenteppich zu vermeiden. Insoweit ist der Neuen Richtervereinigung Fachgruppe Strafrecht zuzustimmen, die fordert, dass das Strafgesetzbuch aus diesem Blickwinkel grundsätzlich einer Revision unterzogen werden sollte. So sollte die Abschaffung des § 219a StGB lediglich als Anstoß zur grundsätzlichen Reform der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch gemäß §§ 218 ff. gesehen werden. Auch sollte der Gesetzgeber sich nicht mit der Bestrafung des sog. Upskirting/Downblousing im neu eingeführten § 184k StGB zufriedengeben, sondern bildbasierte sexualisierte Gewalt umfassend betrachten. Dass es bei dem erst 2021 eingeführten § 192a StGB, der die verhetzende Beleidigung unter Strafe stellt, versäumt wurde, das Merkmal „Geschlecht“ explizit aufzuführen, ist bezeichnend für die Blindheit bezüglich der Erscheinungsformen und Dimension geschlechtsspezifischer Gewalt.

Speziell beim § 46 StGB geht diese Argumentation für ein schlankeres Strafgesetzbuch jedoch fehl. Denn der § 46 StGB ist eine allgemeine Vorschrift. Er regelt die Strafzumessung für alle Täter*innen und legt dabei ihre Schuld, die Schwere der Tat – und zwar aller Taten – sowie ihre Bedeutung für die Rechtsordnung zugrunde. Eine Änderung des § 46 StGB soll gerade bewirken, dass das gesamte Spektrum geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Gewalt möglichst breitflächig im Strafrecht erfasst wird. Gerade deshalb hat sich der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bei dem jüngst häufig zu vernehmenden Ruf nach einem „Femizid“-Straftatbestand gegen dessen Einführung und für die Änderung des allgemeinen § 46 StGB ausgesprochen.

Geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt müssen für alle unterbunden werden

Angesichts der besonderen Betroffenheit von mehrfachdiskriminierten Personen ist die Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 nicht zuletzt deshalb zu befürworten, da die Nebeneinanderstellung verschiedener Beweggründe möglicherweise für intersektionale Diskriminierung sensibilisiert. Im Fall einer Hijab tragenden Muslima, die Hasskriminalität erfährt, können geschlechtsspezifische neben rassistischen Beweggründen stehen. So wird ein Augenmerk auf ebenfalls zutage tretende geschlechtsspezifische Beweggründe gelegt, die häufig neben rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen eine Rolle spielen. Beispielhaft ist hier der Terroranschlag in Halle im Jahr 2019, der im allgemeinen Gedächtnis als antisemitischer und rassistischer Anschlag verankert ist, der Täter jedoch gleichzeitig frauenverachtende Beweggründe in seinem Manifest veröffentlichte.

Die Zweifel, ob wiederum die geschlechtsneutrale Formulierung der geplanten Änderung das Problem der Gewalt gegen Frauen nicht Rechnung tragen könnte, erscheinen unbegründet. Geschlechtsspezifische Gewalt zeigt sich darin, dass sie eine Personengruppe unverhältnismäßig oft trifft. Somit werden Gewaltformen, die Frauen besonders häufig treffen, auch trotz der geschlechtsneutralen Formulierung erfasst werden können. Angesichts der Tatsache, dass nicht-binäre und/oder trans*Personen besonders oft von Hasskriminalität betroffen sind, ist eine geschlechtsneutrale Formulierung außerdem schlicht unerlässlich, um auch diese erfassen zu können. Geschlechtsbezogene Diskriminierung und Gewalt gilt es für alle zu unterbinden, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität.

Ob es einer zusätzlichen Ergänzung von „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe bedurft hätte, ist dagegen offener, denn „geschlechtsspezifisch“ sind alle Taten, die dadurch motiviert sind, dass das Opfer sich nicht in die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale einfügt. Dies ermöglicht also auch eine Auslegung, die das Merkmal der Sexualität einbezieht. In Anbetracht der besonderen Betroffenheit von LGBTQI*-Personen von Hasskriminalität erscheint die explizite Nennung der „sexuellen Orientierung“ jedoch begrüßenswert.

Unerlässlich sind und bleiben präventive Maßnahmen

Die explizite Nennung „geschlechtsspezifischer“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichteter“ Beweggründe im § 46 Abs. 2 S. 2 StGB ist also vollumfänglich zu begrüßen. Wie nach den Anschlägen des NSU, als der § 46 Abs. 2 S. 2 um rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Motivgründe ergänzt wurde, soll sie die Bedeutung dieser Motive für die gerichtliche Strafzumessung verdeutlichen und frühzeitig Strafverfolgungsbehörden und Justiz für die Wirkungsweise und das Ausmaß geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt, insbesondere deren strukturelle Dimension, sensibilisieren und ihre Ermittlungsarbeit verbessern.

Selbstverständlich gilt es, keine Symbolpolitik zu schaffen. Doch wenn es heißt, dass diese „Symbolpolitik“ keiner einzigen Frau das Leben retten werde, ist dem entgegenzuhalten, dass es ohnehin nicht Aufgabe des Strafrechts sein kann, Frauen unmittelbar das Leben zu retten. Das Strafrecht ist einer Tat nachgelagert. Die Ergänzung dient vielmehr Zwecken der positiven Generalprävention, die für das Gemeinwesen grundlegende Wertungen dokumentiert und bekräftigt. Das Strafrecht bildet nur eine Säule bei der Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und anderen marginalisierten Gruppen. Unerlässlich sind und bleiben präventive Maßnahmen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Für den Bereich der Justiz gilt insbesondere, dass, wenn geschlechtsspezifische Gewalt wirklich erkannt und benannt werden soll, verpflichtende Fortbildungen für Polizei, Staatsanwält*innen und Richter*innen gesetzlich verankert werden.

Dass die Sinnhaftigkeit der Änderung in Frage gestellt wird, ist wenig überraschend. Es ist nichts Neues, dass die Stimmen der Strafrechtskritiker*innen besonders laut sind, wenn es um den verstärkten gesetzlichen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung geht. Abhalten lassen sollte man sich davon nicht.


SUGGESTED CITATION  Çelebi, Dilken: Ein Plädoyer für die Änderung der Strafzumessungsgründe in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB: Warum „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe im Strafgesetzbuch klar benannt werden müssen, VerfBlog, 2022/7/22, https://verfassungsblog.de/ein-pladoyer-fur-die-anderung-der-strafzumessungsgrunde/, DOI: 10.17176/20220722-173303-0.

10 Comments

  1. Leser Fri 22 Jul 2022 at 17:33 - Reply

    Nach meiner Wahrnehmung ist es ein falscher Schluss, dass die Justiz mit der gesamtgesellschaftlichen Tendenz geht, Gewalt (insbesondere) gegen Frauen zu verharmlosen. In der Gesellschaft gibt es solche Tendenzen gerade in konservativen Kreisen. Eher konservative Gerichte (ländlicher Raum) neigen aber nicht (oder jedenfalls nicht generell) zur Verharmlosung solcher Umstände. Im Gegenteil: Ich bin mir relativ sicher, dass etwa ein Schwurgericht im tiefsten Niederbayern, dem erzählt wird, man(n) habe eine Frau getötet, eben weil sie eine Frau ist, eher noch ins Urteil schreibt, dass man sich eine Mindestvollstreckung so im Bereich von 30+ Jahren vorstellt. In Großstädten ist das nicht so. Ähnlich auch unterhalb des Tötungsdelikts: Wer jemandem im Wirtshaus ein blaues Auge verpasst, wird in aller Regel milde davon kommen. Diese Handlung gegenüber der eigenen Ehefrau wird in aller Regel nicht dieselbe Milde erfahren.

    Die Aussage, dass Gewaltdelikte wegen des Geschlechts zunehme, ist nicht zu belegen. Richtig ist hingegen, dass – zum Glück! – die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für dieses Thema zunimmt. Bei der sexuellen Orientierung mag es nochmal anders sein, weil nicht heterosexuelle Orientierungen heute offener zur Schau gestellt werden (können). Selbst dabei würde ich aber davon ausgehen, dass es heute insgesamt weniger Gewalt gibt als in der Vergangenheit.
    Zustimmung verdient insoweit die Forderung, dass diese Bereiche besser erforscht werden müssen, weil nur so die Ursachen angegangen werden können.

    Das systematische Problem scheint mir insgesamt viel eher im Verfolgungsdruck zu liegen. Der ist nicht durch das Patriachat geschaffen, sondern durch den Haushalt für die Justiz.

    Leider definiert der Beitrag dann nicht, was hier unter dem “Femizid” verstanden wird. Es fehlt insoweit leider an einer einheitlichen Definition für den “Femizid”. Dieser Begriff kann extrem unterschiedliche Bedeutung haben. Bei einer sehr enge Definition umfasst es nur die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. In dieser Defintion sind die Fälle sehr selten. Mit einer sehr weiten Definition sind hingegen entweder alle Trennungstötungen (nur von Frauen?) oder sogar alle Tötungen von Frauen erfasst.

    Dieser Unterschied in den Definitionen spiegelt sich im Beitrag, aber auch in den niederen Beweggründen. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass irgendein Gericht in Deutschland noch auf die Idee kommt, dass es keine niederen Beweggründe wären, einen Menschen wirklich wegen seines Geschlechts zu töten. Ich lasse mich gerne widerlegen, wenn es sowas heute noch gibt!

    Umgekehrt ist es aber grob verkürzt, jede Trennungstötung als Mord aus niederen Beweggründen einzuordnen. Einerseits sind Trennungstötung und deren Versuche nach meiner Wahrnehmung ziemlich genau geschlechtsparitätisch (oder vlt. im Verhältnis von zwei weiblichen Täterinnen zu drei männlichen Tätern) verteilt. Wer die Forderung erhebt, dass jede Trennungstötung (geschlechtsunabhängig?) automatisch die niederen Beweggründe erfüllen soll, schafft schlicht Unrecht. Das ginge nur, wenn man den Totschlag abschaffen will und jede vorsätzliche Tötung als Mord einordnen wollte – was auch kaum gerecht wäre.

    Die typische Trennungstötung sieht nicht so aus, dass sich eine Person tagelang Gedanken macht und dann losschlägt. Meist sind das eher Fälle, wo es nochmal ein Gespräch in der Küche gibt, entsprechende Worte fallen und dann eine Seite zum Brotmesser greift. Das ist normativ ein ganz gewaltiger Unterschied zu den Fällen von “wenn ich Sie nicht haben kann, soll Sie keiner haben”. Dass es mit patriachalen Besitzkonstruktionen zu tun hätte, solche (Intim)Beziehungstötungen nicht automatisch als Mord einzuordnen, überzeugt mich nicht, weil diese Einordnungen in beiden Konstellationen (Mann/Frau bzw. Frau/Mann) vorgenommen werden (einen Fall mit einem anderen Geschlecht habe ich noch nie gesehen). Ob es insoweit wirklich einen geschlechtsspezifischen Unterschied gibt, wage ich zu bezweifeln. Mit Forschung wäre dies übrigens einfach zu überprüfen.

    Gut gefallen hat mir der Passus, dass die Novelle darauf zielt, Taten härter zu sanktionieren, die ein Opfer deshalb ausgewählt haben, weil es nicht “in die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale” passen. Das scheint mir eine verallgemeinerungsfähige und sehr richtige Aussage zu sein. Angriffe auf andere Menschen, die den eigenen Vorstellungen nicht entsprechen, tragen ein Gift in die Gesellschaft, das nicht hingenommen werden darf. Insoweit habe ich mir beim Lesen die Frage gestellt, warum nicht eine solche Formulierung zur Grundlage der Änderung gemacht wird. Das wäre eindeutiger und würde noch weitere Umstände beschreiben, die zwar seltener, aber nicht weniger strafwürdig sind.

    • Dr. Uwe Seiler Sun 24 Jul 2022 at 23:45 - Reply

      Ich möchte mich beinahe allem vorgenannten anschließen, jedoch mit Ausnahme der letzten Absatzes.
      Es lohnt sich den (stilistisch insgesamt ziemlich abenteuerlichen) Referentenentwurf zu Gemüte zu führen. Eine härtere Täterbestrafung ist mit dem Regelungsanliegen nicht verbunden und auch – im Anwendungsbereich des § 46 II, 2 StGB – kaum vorstellbar. So stellte der Referentenentwurf selbst heraus, dass es lediglich um ein „klares Zeichen gegen Hasskriminalität“ (sic!, letzteres ein strafrechtlich irrelevanter Terminus) gehe „und vor allem die Bedeutung der Gleichwertigkeit der Geschlechter sowie der Freiheit des Auslebens der eigenen sexuellen Orientierung hervor[gehoben]“ werden solle. Es geht namentlich um Symbolpolitik vor dem Hintergrund eines irritierenden Verhältnisses und Vertrauen in die Strafrechtspflege. Als StAGl fühle ich mich hierdurch und durch die entsprechenden Unterstellungen im obigen Beitrag persönlich verletzt. Was all das mit „on matters constitutionals“ zu tun haben soll; ich weiß es nicht.

      • Leser Mon 25 Jul 2022 at 14:30 - Reply

        Der letzte Absatz war etwas missverständlich ausgedrückt. Es ging nicht darum, dass dies bereits Inhalt des RefE sei, sondern darum, dass dies Inhalt einer Novelle sein könnte. Bei Straftaten, die begangen werden, weil einem Geschädigte “nicht passen”, sehe ich jedenfalls ein deutlich gesteigertes Strafbedürfnis. Dieses geht auch über die “allgemeinen” Ziele und Beweggründe hinaus.

        Das halte ich jedenfalls für besser als die Aufnahme von immer mehr Sonderbeispielen.

        Dabei steht auf einem anderen Blatt, dass die Symbolpolitik ein gefährliches Spiel ist. Das Symbol bedeutet auch, dass abseits der Symbolisierung von Tätigkeit eigentlich gar nichts getan wird. Es wird ja kein Polizist sagen, “Oh, jetzt steht aber auch dieser oder jener Strafschärfungsgrund im Gesetz, da schreibe ich doch gleich mal sieben Anzeigen mehr, bei denen ich früher gesagt hätte, da wird schon nichts sein, oder mache heute doppelt so viele Gefährderansprachen.”

  2. Henrik Eibenstein Fri 22 Jul 2022 at 17:45 - Reply

    Der Beitrag lässt den Leser mit offenen Fragen zurück.
    Dies beginnt mit der nicht belegten – und schon im Ausgangspunkt irritierenden – Behauptung der Verfasserin, „innerhalb der Justiz [gäbe es die] zu beobachtende Neigung, das Ausmaß und die Dimension geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland nicht gänzlich anzuerkennen“.
    Es bleibt auch offen, wie zu der Auslegung des Begriffs „geschlechtsspezifisch“ gelangt werden kann, wonach dies alle Taten [seien], die dadurch motiviert sind, dass das Opfer sich nicht in die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale einfügt“. Das gilt umso mehr, als das Kriterium der Geschlechtsspezifität – wie sämtliche Merkmale in § 46 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB – (nur) Bezug auf die Beweggründe und Ziele des Täters nimmt.
    Keine Auseinandersetzung erfährt dahingegen leider, wie sich die erhofften Effekte der geplanten Novellierung zeigen können und in wie fern das Regelungsanliegen leer zu laufen droht, wenn die „geschlechtsspezifischen“ Beweggründe und Ziele des Täters nicht in der konkreten Tat zum Ausdruck kommen sollten; denn die Berücksichtigung einer geschlechterdiskriminierenden Gesinnung als solche wäre für die Strafzumessung auch nach einer solchen Novellierung des § 46 Abs. 2 StGB unzulässig.
    Dass der Beitrag mit einem argumentum ad hominem schließt, bringt jedenfalls kein Licht ins Dunkel.

    • Dietrich M. Sun 24 Jul 2022 at 23:26 - Reply

      Ich möchte mich diesem Kommentar anschließen. Der Beitrag ist insoweit auffallend unwissenschaftlich, als in ihm mit Thesen und Prämissen gearbeitet wird, die sich (nahezu) allesamt nicht belegen lassen. Es ist eine zunehmend besorgniserregende Tendenz, dass gesellschaftliche Fragen nicht mehr im Rahmen der Rechtsordnung, sondern durch deren Transzedierung und Vereinnahmung für ideologische Vorstellungen gelöst werden sollen. Die verfassungsrechtlichen Grundfragen hinter dem aufgeworfenen Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in diesem Kontext erörtert der Beitrag letztlich überhaupt nicht.

  3. Ute M. Fri 22 Jul 2022 at 21:37 - Reply

    Mit Verlaub, aber der Beitrag ist durch eine absolut fehlende praktische Kenntnis geprägt. Ich darf die Autorin als Vorsitzende einer kleinen Strafkammer beruhigen: Ihre Kritik und Abwertung gegenüber der deutschen Strafjustiz ist – soweit ich dies für den Zuständigkeitsbereich meines Landgerichts attestieren darf – ausnahmslos unbegründet. Sie geht auch ohnehin an der Sache vorbei, soweit in strafgerichtlichen Entscheidungen “geschlechtsspezifische” Tatprägungen keine Beachtung auf Ebene der Strafzumessung fänden; das tun sie regelmäßig (insbesondere bei sog. “Ehrenmorden”). Strafurteile beinhalten naturgemäß keine erschöpfende Aufzählung sämtlicher stafzumessungsrelevanter Gesichtspunkte, auch wenn sie dort eine Rolle gespielt haben können. Strafurteile sind nicht der Raum für rechtspolitische Anliegen. Wie dem praktischen Problem begegnet werden soll, dass sich zulasten des Täters auswirkende Umstände im Rahmen des § 46 StGB nur auf der Basis sicherer Feststellungen berücksichtigungsfähig sind, zeigt der Beitrag nicht auf; das aber wäre eine tatsächlich praxisrelevante Frage.
    Sollte eine Tat im Übrigen “als „geschlechtsspezifisch“ motiviert im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB eingeordnet” werden, dann kann dies gerade nicht “für die Auslegung und Anwendung der Rechtsprechung zu niedrigen Beweggründen bei § 211 Abs. 2 StGB nutzbar” gemacht werden, weil dies mit dem Verbot der Doppelverwertung konfligieren würde.

    • Beisitzer Wed 27 Jul 2022 at 16:03 - Reply

      Selbstverständlich ist die Frage, ob die Tat durch besondere Eigensucht geprägt ist, was wiederum mit einer geschlechtsspezifischen Tatmotivation im Zusammenhang steht, maßgeblich für das MM der niedrigen Beweggründe. Wo da das Doppelverwertungsverbot berührt sein sollte – denn ist wird ja gerade nur in diesem Zusammenhang relevant -, ist mir schleierhaft.

  4. Verfassungsreferendar Wed 27 Jul 2022 at 19:48 - Reply

    Die Anreicherung des § 46 Abs. 2 StGB um weitere besonders zu berücksichtigende Beweggründe bzw. Ziele des Täters ist meiner Einschätzung nach bereits im Grunde fragwürdig:
    Die Erweiterung dieser Liste ist im Kern ungeeignet, gesellschaftlich bekannte und benannte Missstände gesetzlich herauszustellen:

    1. Die nachgewiesene Häufigkeit verschiedener Straftaten kann schon der Natur nach keine Berücksichtigung finden, da dies zumeist im besonderen Teil erfolgt (vgl. Strafschärfungen konkret bei Wohnungseinbruchdiebstahl). § 46 StGB verengt den Blick innerhalb dieses Strafrahmens ausschließlich auf das Indviduum des Täters. Daneben wäre es zudem widersinnig, bei einem (aller Wahrscheinlichkeit nach nicht kausalen) Rückgang bestimmter Straftaten diesen Berücksichtigungspunkt wieder aus der “insbesonderen”-Aufzählung zu streichen.
    2. Die insbesondere Liste ist näherer Betrachtung des § 46 Abs. 2 StGB ohnehin bereits systemfremd, da verschiedene punktuell herausgegriffene Tatmotivationen, die Beweggründe des Täters sein können herausgestellt werden, ohne das überhaupt eine Rangfolge gegenüber anderen (ggf. auch strafmildernden) Beweggründen besteht. Die Wirkung erschöpft sich auf plakative und vor allem (egal wieviele Erweiterungen des Kataloges noch bevorstehen könnten) lückenhafte Symbolgesetzgebung. Eine Perpetuierung dieses Katalogs (den Fischer zu Recht als “Schmuck” bezeichnet) ist damit also nur eine Verschlimmbesserung auf der Suche nach Vollständigkeit, der es nicht bedarf, da sich auch § 46 StGB zwanglos die Werteordnung des Grundgesetzes (insb. Art. 1, 3 GG) zugrunde legen lässt.

    Daneben erstaunt der Beitrag noch mit weiteren Fragen zur Funktionsweise des § 46 Abs. 2 StGB.
    Die Norm ist die Umsetzung des strafrechtlichen Grundsatzes, Strafe müsse “tat- und schuldangemessen” sein. § 46 Abs. 2 StGB versucht anhand von verschiedenen Gesichtspunkten die “Schuld” zu ordnen und im Wege des Zumessungsprozesses zu einer angemessenen Strafe zu formen. Betont wird bei subjektiven Gesichtspunkten durch die Norm stets ein quasi subjektives Element: “des Täters”. Grundlage ist nicht, was die Gesellschaft in oder aus der Tat liest (siehe: Gesinnung die aus der Tat spricht), sondern die Beweggründe des Täters selbst.
    Diese sind subjektiv, individuell und eigen.
    >”Diese patriarchale Besitzkonstruktion hinter einer Trennungstötung wird vielfach nicht erkannt.”
    Wurde diese denn zwingend vom Täter selbst erkannt?
    > “Bei näherer Betrachtung, warum der Täter denn so in Verzweiflung geraten sei, offenbart sich ein patriarchalisches Macht- und Besitzdenken. Der Täter stellt seinen Wunsch, die Beziehung zum Tatopfer fortzusetzen oder dessen neue Beziehung zu verhindern, über die selbstbestimmte Lebensgestaltung des Opfers.”
    Wird hier nicht über die Grenzen des § 46 StGB hinausgegangen? Das individuelle Tatmotiv des Täters spielt (im Gegensatz zur der aus der Tat sprechenden Gesinnung) in dessen Binnenvorstellung und kann nicht durch eine normativierte (wenn auch ggf. psychologisch unterfütterte) Fortschreibung dessen Gedanken ersetzt werden. Der Affekt der Schwäche, den der Täter (“den emotionalen Boden unter den Füßen weggerissen”) kann in diesem Zusammenhang nicht (wie im Beitrag plädiert) pauschal durch eine stereotype und konträre Bewertung der Tat als Ausleben von patriarchaler Macht umgedeutet werden: Das Psychogramm des Mesnchen (auch des Täters) entzieht sich in seiner Einzigartigkeit einer derart schematischen (an der Tatkonstellation selbst orientierten) Betrachtung.

    Fazit:
    Die insbesondere Berücksichtigung von Beweggründen ist ungeeignet, gesellschaftspolitisch desiderable Wertungen strafrechtlich zu normativieren. Insbesondere darf man nicht die Gesinnung die aus der Tat spricht abstrakt zum (teils offenkundig anders artikulierten) Beweggrund des Täters transformieren, indem verschiedene Täter-Opfer-Konstellationen eine individuelle Betrachtung durch ein bereits vorgefertigte und abstrahierte “Tat”Motivation ersetzt werden.

    • Gleichheitsbastion Fri 29 Jul 2022 at 11:30 - Reply

      All das was Sie schreiben ist richtig. Es interessiert diese zum Teil wahnsinnig pauschalisierend agierende Strömung des aktuell zu beobachtenden “Feminismus” aber herzlich wenig. Ein plakatives Beispiel dafür sind auch die – bisweilen trotz 2x Verfassungswidrigkeit-bescheinigender Judikate – Paritätsgesetze. Die große Gefahr besteht darin, ein für sich selbst gefundenes Ergebnis nachträglich irgendwie rechtlich zu dogmatisieren versuchen. Gerade die Rechtswissenschaft sollte mE. gegen derlei Strömungen besonders wachsam sein.

  5. cornelia gliem Tue 4 Jul 2023 at 17:02 - Reply

    hm. ich bin doch überrascht, wie vehement hier – bei allen potentiell vielleicht zu kritisierenden Details – der Autorin “Feminismus” etc. vorgeworfen wird. Natürlich kann jetzt bereits ein Verstoß aufgrund geschlechtlicher Diskriminierung etc. geahndet werden – aber mit dem Argument könnte man sich auch die anderen 19 Artikel sparen neben Artikel 1 GG.
    zudem erläutert die Autorin meiner Ansicht nach gut, wieso ein weiteres Merkmal im 46er sinnvoll wäre.
    Auch erwähnt sie durchaus, wie sie auf den Befund kommt, im deutschen Rechtssystem wären bisher geschlechtssezifischer Gewalt-Straftaten “nicht gänzlich anerkannt”; sie hat sich wohl eher noch recht höflich ausgedrückt, wenn man sich ansieht, wie lange es gedauert hat, Vergewaltigung in der Ehe strafbar zu machen, oder Upskirting oder Stalking – und dass gerade aktuell das sog. Catalling thematisiert wird.

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