26 Oktober 2019

Haft ohne Rechtsgrundlage

Zur Haftanordnung im Zuge von Binnengrenzkontrollen

Es ist ruhig geworden um die Grenzkontrollen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich. Trotzdem hat Bundesinnenminister Seehofer angeordnet, dass die Grenzkontrollen bis Mai 2020 fortgesetzt werden. Bei diesen Grenzkontrollen werden immer wieder Personen aufgegriffen, die nicht direkt nach Österreich zurückgeschickt werden und daher zur Sicherung der Rückkehr inhaftiert werden. Für diese Inhaftierung gibt es in den allermeisten Fällen keine rechtliche Grundlage, so dass die Haft rechtswidrig ist: Denn anders als die bisherige deutsche Praxis annimmt, findet der als einschlägig angesehene § 15 Abs. 5 AufenthG an der Binnengrenze keine Anwendung.

Die Praxis ist aktuell davon geprägt, dass die Behörden, die die Haft beantragen, und die Untergerichte, die die Haft anordnen, davon ausgehen, dass an der Binnengrenze dieselben Haftmöglichkeiten bestehen wie an der Außengrenze (also am beispielsweise Frankfurter Flughafen). Gemäß § 15 Abs. 5 AufenthG soll Zurückweisungshaft angeordnet werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. In einer kürzlich öffentlich gewordenen Entscheidung hat das Landgericht Traunstein diesbezüglich die Argumentation der Ausländerbehörde übernommen, dass „der Zweck der wiedereingeführten Grenzkontrollen […] ad absurdum geführt“ würde, wenn eine mit der Einreiseverweigerung einhergehende Inhaftierung nicht statthaft wäre (S. 6). 

Europarechtliche Verwirrungen

Im Europäischen Recht kommen in dieser Situation drei Rechtsquellen für die Inhaftierung in Betracht. Dies sind die Rückführungsrichtlinie (RRL), die immer dann zur Anwendung kommt, wenn die Person ausreisepflichtig ist; die Aufnahmerichtlinie (AufnahmeRL), die unter bestimmten Umständen die Inhaftierung von Asylsuchenden erlaubt, und die Dublin-Verordnung (Dublin-VO), die spezielle Regelungen für die Inhaftierung in Dublin-Fällen beinhaltet. Welche dieser Regelungen bei einer Binnengrenzkontrolle anwendbar ist, war im Verfahren streitig.

Die Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, dass an der Binnengrenze keine Zurückweisungshaft angeordnet werden dürfe und sich dabei auf die Entscheidung des EuGH im Fall Arib vom 19. März 2019 berufen und zusätzlich, da es sich um einen Dublin-Fall gehandelt hat, auch auf die Entscheidung des EuGH im Fall Hassan vom 31. Mai 2018. Wäre dies richtig, wäre grundsätzlich an der Binnengrenze eine Zurückweisung nicht erlaubt, jedenfalls aber keine Haft, ohne zusätzlich die Voraussetzungen entweder nach der Rückführungsrichtlinie  (dort Art. 15) oder der Dublin-Verordnung (dort Art. 28) zu erfüllen. Das Gericht geht auf diese Argumentation im Wesentlichen nicht ein, sondern geht von einer anderen Konstellation aus: Art. 8 Abs. 3 Bst. c AufnahmeRL ermöglicht es, eine Person zu inhaftieren, „um im Rahmen eines Verfahrens über das Recht des Antragstellers auf Einreise in das Hoheitsgebiet zu entscheiden.“ Ob diese Bestimmung bei einer Binnengrenzkontrolle überhaupt anwendbar ist, wird in der Entscheidung gar nicht problematisiert, da der Bundesgerichtshof (BGH) im September 2017 bereits in einer ganz ähnlichen Konstellation entschieden hatte, dass eine Zurückweisungshaft rechtmäßig auf § 15 Abs. 5 AufenthG gestützt werden kann.

Wenn das also geklärt ist, warum also überhaupt noch etwas dazu schreiben? Weil in der Zwischenzeit der EuGH im Fall Arib geurteilt hat. Seither steht fest, dass sich der BGH über die europarechtlichen Voraussetzungen geirrt hat.

Die Entscheidung des BGH von 2017

Der BGH hatte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Bundesrepublik Deutschland mit § 15 Abs. 5 AufenthG für „Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, See- oder Landweg ein Sonderregime eingeführt [hat], das die Haftanordnung nicht von dem Vorliegen von Haftgründen abhängig macht“ und dieses Sonderregime „nach Art. 2 Abs. 2 [Bst. a] der Rückführungsrichtlinie zulässig“ sei (Rz. 12). Ein weiteres tragendes Argument der Entscheidung war (Rz. 13), dass Art. 14 Abs. 4 des Schengener Grenzkodex (SGK) im Falle der Einführung von Binnengrenzkontrollen auf diese anwendbar sei, da dies von Art. 32 iVm Art. 14 Abs. 4 SGK angeordnet werde. Art. 14 Abs. 4 SGK regelt: „Die Grenzschutzbeamten stellen sicher, dass ein Drittstaatsangehöriger, dem die Einreise verweigert wurde, das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht betritt.“ Daher sei in diesen Fällen bei asylsuchenden Personen Art. 8 Abs. 3 Bst. c AufnahmeRL und nicht Art. 28 Abs. 2 Dublin-VO einschlägig. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Normen besteht darin, dass Art. 28 Abs. 2 Dublin-VO eine bestehende erhebliche, individuelle Fluchtgefahr erfordert, während nach der Aufnahmerichtlinie in der genannten Sonderkonstellation nach Ansicht des BGH keine weiteren Voraussetzungen für die Haft zu prüfen sind.

Der Fall Arib

Der EuGH hat im Fall Arib im Wesentlichen entschieden, dass Binnengrenzkontrollen die Binnengrenze nicht zur Außengrenze macht und daher die Rückführungsrichtlinie  ohne Rückgriff auf die Sonderkonstellationen angewendet werden müsse. Das bedeutet das § 15 Abs. 5 AufenthG, der vom BGH als rechtmäßige Ausnahmevorschrift auf Basis von Art. 2 Abs. 2 Bst. a RRL angesehen wurde, an der Binnengrenze nicht angewendet werden kann. Dies gilt erst recht für Konstellationen des Asylverfahren, für die eine solche Ausnahmevorschrift gar nicht existiert. Der EuGH sagt dazu (Arib, Rn. 62), dass Art. 32 SGK bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nur eine entsprechende Anwendung der Normen des SGK vorsieht, nicht aber, „dass in einem solchen Fall Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/115 [i.e. die Rückführungsrichtlinie] Anwendung findet.“ Die Nichtanwendbarkeit von Ausnahmevorschriften bestätigt auch das von der EU-Kommission erstellte Rückkehrhandbuch, das „bei der Durchführung rückkehrbezogener Aufgaben heranzuziehen ist.“ Das Handbuch stellt (siehe Abl. 2017 L 338/83, 95 f.) klar, dass die Verweigerung der Einreise einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Überschreiten der Außengrenze erfordert, der an der Binnengrenze nicht gegeben ist:

„Die folgenden Personengruppen gelten nicht als „von den zuständigen Behörden in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten der Außengrenze … aufgegriffen bzw. abgefangen“, da kein UNMITTELBARER Zusammenhang mehr zu dem illegalen Grenzübertritt besteht: […] irreguläre Migranten, die eine Binnengrenze überschreiten — siehe Urteil des EuGH in der Rechtssache C-47/15, Affum (Rn. 69),“ 

Das Handbuch verweist dabei auf den Wortlaut von „Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie, der auf die Außengrenzen Bezug nimmt, und Artikel 14 SGK, der an den Außengrenzen Anwendung findet.“ Damit ist ein Rückgriff auf § 15 Abs. 5 AufenthG an der Binnengrenze grundsätzlich ausgeschlossen, da die Ausnahmekonstellation, der die Norm ihre Geltung verdankt, auf Binnengrenzen nicht übertragbar ist. Eine Zurückweisungshaft ist also an der Binnengrenze generell rechtswidrig. 

Haft nach Art. 8 AufnahmeRL?

Damit besteht auch die Haftmöglichkeit aus Art. 8 Abs. 3 Bst. c AufnahmeRL nur an der Außengrenze, da dieser eine Inhaftierungsmöglichkeit nur „im Rahmen eines Verfahrens über das Recht des Antragstellers auf Einreise in das Hoheitsgebiet“ vorsieht. Ein solches Verfahren findet allerdings nach den EuGH-Entscheidungen in den Fällen Arib und Affum nur an den Außengrenzen statt und ist nicht auf die Binnengrenze übertragbar. „Das Hoheitsgebiet“ ist daher in Einklang mit dem EuGH als „Hoheitsgebiet des Schengen-Raumes“ zu lesen, da der Zweck der Haftmöglichkeit, der in der endgültigen Verweigerung der Einreise in den Schengen-Raum liegt, lediglich bei einem Grenzverfahren an der Außengrenze (vgl. Art. 43 der AsylverfahrensRL) erreicht werden kann. 

Jede andere Auslegung würde in Dublin-Fällen an der Binnengrenze dazu führen, dass der Mitgliedstaat faktisch zwischen der Haft nach der Aufnahmerichtlinie und der Dublin-Haft nach der Dublin-Verordnung wählen könnte, denn auch die Haft nach Art. 28 Dublin-VO ist nicht davon abhängig, ob eine Aufnahmeersuchen an den für zuständig gehaltenen Staat bereits gestellt worden ist (vgl. EuGH, Hassan, Rn. 67). Eine solche doppelte Inhaftierungsmöglichkeit scheint zumindest im System nicht angelegt zu sein. Art. 8 AufnahmeRL ist daher restriktiv auszulegen, damit sich die Haftmöglichkeiten im System ergänzen und nicht überlappen.

Auch wenn man ein solches Wahlrecht annimmt, bliebe die Haft nach Art. 8 Abs. 3 Bst. c AufnahmeRL an die weiteren Voraussetzungen von Art. 8 AufnahmeRL geknüpft. So muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Haft erforderlich ist und dass „sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.“ Damit kann auch die Haft nach Art. 8 Abs. 3 Bst. c AufnahmeRL nicht allein auf eine Zurückweisungsentscheidung und deren unmittelbare Nichtvollziehbarkeit gestützt werden.

Fehlen einer Rechtsgrundlage

Zusammengefasst bestehen also auch bei einer extensiven Auslegung des Wortlauts von Art. 8 AufnahmeRL keine Anhaltspunkte dafür, dass § 15 Abs. 5 AufenthG als Rechtsgrundlage für diese Haftmöglichkeit an der Binnengrenze gelesen werden könnte. Art. 8 Abs. 3 AufnahmeRL am Ende fordert aber, dass „Haftgründe […] im einzelstaatlichen Recht geregelt“ werden. Eine solche Grundlage für die Inhaftierung in einem Einreiseverfahren gibt es mit § 15 Abs. 5 AufenthG bisher nur an der (Schengen-)Außengrenze (also in Deutschland im Wesentlichen an internationalen Flughäfen, die eine Non-Schengen-Zone haben), da die Rückführungsrichtlinie solche Ausnahmen von der Verhältnismäßigkeitsprüfung (wenn überhaupt) nur an der Außengrenze zulässt. 

Damit fehlt jedenfalls aktuell im deutschen Recht eine Rechtsgrundlage für eine europarechtskonforme Zurückweisungshaft an der Binnengrenze (so denn eine solche überhaupt möglich wäre). Eine Inhaftierung ohne weitere Voraussetzungen an der deutsch-österreichischen Grenze nach einer Zurückweisungsentscheidung ist schon deshalb nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes rechtswidrig. 

Der Auslegung des EuGH liegt der Gedanken des gemeinsamen Schengen-Raumes zugrunde. Dass damit die europarechtswidrige deutsche Binnengrenzkontrollpraxis „ad absurdum“ geführt wird (siehe dazu weiterführend auch hier), ist aus europarechtlicher und europäischer Sicht eher zu begrüßen als zu bedauern. Es wird damit auch das europarechtliche Prinzip gestärkt, dass die Freiheit generell nur dann entzogen werden darf, wenn die Freiheitsentziehung verhältnismäßig ist und kein milderes Mittel besteht. Die Freiheitsentziehung, die lediglich der administrativen Erleichterung des Ablaufs von Verwaltungsverfahren dient, ist eben immer europarechtswidrig. 

Es war gerade der Befund, dass asylsuchender Personen in Europa oft rechtswidrig inhaftiert werden (vgl. Evaluierungsbericht der EU-Kommission zur Aufnahmerichtlinie, insbes. S. 8, und Evaluierungsbericht zur Dublin-Verordnung, insbes. S. 9 beide aus dem Jahr 2007), der die EU-Kommission dazu bewogen hat, in beiden Neuvorschlägen die Inhaftierungsmöglichkeiten stark zu beschränken und klar zu definieren, dass eine Freiheitsentziehung nur als „letztes Mittel“ in Frage kommt. Schon aus diesem Grund müssen die in beiden Rechtsakten genannten Haftvoraussetzungen restriktiv ausgelegt werden und können eine Haft an den Binnengrenzen ohne weitere Voraussetzungen und ohne eine Einzelfallprüfung keinesfalls rechtfertigen.


SUGGESTED CITATION  Hruschka, Constantin: Haft ohne Rechtsgrundlage: Zur Haftanordnung im Zuge von Binnengrenzkontrollen, VerfBlog, 2019/10/26, https://verfassungsblog.de/haft-ohne-rechtsgrundlage/, DOI: 10.17176/20191026-172705-0.

31 Comments

  1. Peter Camenzind Sa 26 Okt 2019 at 17:21 - Reply

    Behandelt ist innereuopäische Gültigkeit von Normen, nicht aber, inwieweit europäisches Recht konkret nationalem Recht entgegensteht?

    • Titus von Unhold Mo 28 Okt 2019 at 11:58 - Reply

      Ganz einfach: Europarecht bricht Landesrecht.

      • Peter Camenzind Mo 28 Okt 2019 at 14:44 - Reply

        Ist nationales Recht damit ganz außer Kraft gesetzt?

        • Constantin Hruschka Di 29 Okt 2019 at 02:37 - Reply

          Nur wenn es dem Europarecht widerspricht, also nicht dort, wo es keine europarechtliche Regel gibt oder eine europarechtskonforme Regelung besteht. Nur zur Erinnerung: Das Europarecht wird maßgeblich von den Mitgliedstaaten gemacht und da hat Deutschland einiges an Gewicht.

  2. Gerolf Mo 28 Okt 2019 at 20:46 - Reply

    Typischer Fehler in der rechtlichen Betrachtung.

    Wie kommt es zu Haft ohne Rechtsgrundlage? Durch Grenzkontrollen zwischen AT und DE. Das verstößt gegen EU-Recht, es sei denn, es liegt eine zeitlich befristete Ausnahmegenehmigung der EU vor. Die beantragte damals noch Seehofers Vorgänger und bekam sie. Angreifbare Gründe, damit streng genommen nichtig, aber wenigstens scheinbar rechtskonform. Seehofer wiederholte das mehrfach, bekam immer wieder, unter noch fadenscheinigeren Vorwänden, Verlängerungen um mehrmals 6 Monate, zuletzt nur noch drei mit energischem Hinweis, dass die Grenzkontrollen kurzfristigi wieder aufgehoben werden und EU-Recht eingehalten werden muss.

    Seitdem fragt Seehofer einfach nicht mehr sondern verlängert die Grenzkontrollen selbst. Dazu hat er nicht die Kompetenz. Die Grenzkontrollen selbst sind damit bereits rechtswidrig, daraus folgend alles, was darauf fußt. Der rechtlichen Betrachtung des Haftgrundes bedarf es damit nicht mehr.

    Es ist immer das Selbe. Wie oft werden wir gezwungen, unsere Identität zu nennen. Ausweiszwang, Fingerabdruckzwang, Biometriezwang, Meldezwang, Schleierfahndung, hunderte Vorschriften, die uns zur Identifizierung zwingen, Telefon, Arzt, Auto… alles rechtswidrig. Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wurde vom Bundesverfassungsgericht im so genannten Volkszählungsurteil (BVerfG, 1 BvR 209/83 vom 15.12.1983) 1983 als Grundrecht anerkannt. Ausgangspunkt für das Bundesverfassungsgericht ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, also Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (unter C II 1. des Urteils; Rn 152), nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG einschränkbar. Art. 8 EMRK, ebenso nicht einschränkbar.

    Damit ist jedes Gesetz automatisch nichtig, das Identifikation oder die Offenlegung persönlicher Daten fordert.

    Selber Fehler in der rechtlichen Betrachtung. Man diskutiert über Rechtsgrundlagen und bemerkt nicht, dass der Diskussionsgegenstand nichtig ist und sich die Diskussion damit erübrigt.

  3. Ulrich Reinhardt Do 31 Okt 2019 at 20:39 - Reply

    Viel entscheidender als die Frage ob eine Inhaftierung der bei solchen „Grenz“kontrollen (man sollte viel eher von allgemeinen Kontrollen der Polizei sprechen) aufgegriffenen illegalen Einwanderer rechtmäßig ist oder nicht, ist es diese einzusperren. Dafür notwendige Rechtsgrundlagen werden sich konstruieren lassen, ganz legal, rechtskonform und damit der Überbetonung der Formen vor den Inhalten wie sie dem extremen Legalismus hierzulande entspringt genügend.

    Dann werden sie halt in Gewahrsam genommen oder man behauptet sonst etwas. Viel wesentlicher als die äußere Form ist der Inhalt, die zwingend notwendige Einschränkung der Freiheit dieser Personen, da ansonsten die Einreisekriminalität in keinster Weise mehr in den Griff bekommen werden kann, mit allen extrem negativen realen praktischen Folgen die dass dann für den Rechtsstaat hat.

    Wenn man hier nicht rechtspositivistisch Wege findet, dann wird der Rechtsstaat genau so wenig überleben wie seine in bizarrer Weltfremdheit vor sich hin subsumierenden scheinbaren Apologeten.

    Es gibt hier für diesen Fall gerade eben kein milderes und verhältnismäßigeres Mittel. Und wenn nun eine Inhaftierung irgendwelchem Recht scheinbar wiedersprecht und damit die dringend notwendige und gebotene Freiheitsentziehung dadurch juristisch angreifbar macht, dann ersetzt man hier die Inhaftierung eben durch eine Ingewahrsamnahme oder sonst irgendein Substitut.

    Der in fast allen Beiträgen der üblichen Verdächtigen vorherrschende Rechtsnegativismus in dem ständig nur ins allerkleinste Detail zerlegt untersucht wird, was nicht geht und was verboten ist, ist keine Lösung von gar nichts und allzu offensichtlich soll er eine ganz bestimmte gewünschte politische Zielsetzung umsetzen, ist also gerade eben nicht neutral und insbesondere nicht rational / logisch.

    Die gleiche hohe Intelligenz, dass gleiche Wissen derselben Personen könnte – davon bin ich absolut überzeugt – ebenso auch rechtliche Wege finden, die praktisch notwendigen Dinge zu ermöglichen, dass Recht also dahin zu nutzen, den Formen genügend das tun zu können was zwingend getan werden muss. Wenn es denn gewollt wäre (was es so offensichtlich nicht ist).

    Nun kann man mir vorwerfen, dass ich ja ebenso nicht neutral argumentiere und daher lediglich eine andere politische Zielsetzung ermöglichen will. Und zweifelsohne ist dem so, aber ich hatte nie etwas anderes behauptet und der entscheidende Unterschied ist daher, dass ich nicht behaupte hier neutral wissenschaftlich Recht allein so vorzutragen wie es ist. Dies ist meiner Ansicht nach sogar ohnehin niemals möglich.

    Recht ist seiner Natur nach auch ein Instrument, ein Mittel zum Zweck und ist dafür geschaffen worden Dinge zu ermöglichen. Was es uns jetzt ermöglichen muss ist die nachhaltige Bekämpfung der Einreisekriminalität. Ansonsten werden weder Rechtsstaat noch freiheitlich demokratische Grundordnung noch der Sozialstaat in diesem Land überleben.

    • Maximilian Steinbeis Do 31 Okt 2019 at 20:46 - Reply

      Wer einem anderen die Freiheit entziehen will, trägt die Begründungslast dafür, dass es eine Rechtsgrundlage dafür gibt. Würden Sie mir da zustimmen, Herr Reinhardt, ja oder nein?

      • Peter Camenzind Sa 2 Nov 2019 at 00:06 - Reply

        Mal nur ganz grobschlächtig: es gibt in Europa grundsätzlich an Binnengrenzen keine Grenzkontrollen mehr. Kann es an Grenzen trotzdem noch eine Form von fortwirkender nationaler staatlicher Souveränität geben? Wenn ja, kann dies in einer Weise eine Möglichkeit mit beinhalten, hier grundsätzlich über zulässige Einreisen und Aufenthalte und über Ausreisepflichten entscheiden und dafür in diesem Rahmen gegebenenfalls vorübergehend festsetzen zu können?
        Oder inwieweit kann Europarecht materiell dagegen sprechen, bzw. oder inwieweit kann Europarecht rein formell wirkend eventuell entsprechend anzunehmende materielle nationale staatliche Souveränität aufheben?

  4. Peter Camenzind Sa 2 Nov 2019 at 01:02 - Reply

    Es scheint eine weithin, wie selbstverständlich, vertretene Auffassung, dass Recht immer politisch sei und daher stets politisch zu entscheiden sein könne. Ein abschließend zwingend überzeugender Nachweis für die Richtigkeit solcher Auffassung kann nur nicht besonders klar erkennbar scheinen.

    • Peter Camenzind Sa 2 Nov 2019 at 01:05 - Reply

      Kommentar bezog sich auf vorangehenden Kommentar des Kommentators Ulrich Reinhardt.

  5. Ulrich Reinhardt Sa 2 Nov 2019 at 12:12 - Reply

    Sehr geehrter Herr Steinbeis,

    ich stimmme Ihnen zu, bin aber der Überzeugung, dass sich eine für die jeweilige Zielsetzung geeignete Rechtsgrundlage finden lässt, wenn man sie denn nur finden wollte.

    Die teilweise extreme Uneinheitlichkeit in der Handhabung des Rechtes in Deutschland (man vergleiche beispielsweise mal Bremen, NRW und Bayern in Fragen von Asyl, Aufenthaltsgesetz und praktischer Umsetzung der Bekämpfung der Einwanderungskriminalität, oder man nehme mal nur in Bayern die drastischen Unterschiede in Bezug auf die Frage der Abschiebehaft zwischen München und dem Rest von Bayern) zeigt meiner Meinung nach klar auf, dass das Recht in diesem Bereich kein so einseitiges und vollkommen ausschließliches Axiom mit nur einer Möglichkeit ist, wie dies hier viele weismachen wollen.

    Hochachtungsvoll

    • Maximilian Steinbeis Sa 2 Nov 2019 at 17:03 - Reply

      Wenn Sie glauben, dass das schon geht, warum machen Sie dann nicht einfach einen Vorschlag, wie das geht? Über den könnte man sich dann unterhalten, anders als über Ihre „Überzeugung“, die Ihre Privatangelegenheit ist und keinen Menschen zu interessieren braucht.

      • Ulrich Reinhardt Sa 2 Nov 2019 at 23:05 - Reply

        Sehr geehrter Herr Steinbeis,

        gerne will ich diverse Versuche dazu unternehmen. Der Autor des vorliegenden Beitrags spricht den ganzen Text über ständig über eine Zurückweisungshaft und bezieht sich folgerichtig auf den § 15 Aufenthaltsgesetz. Er kommt zu der Schlußfolgerung, dass eine solche Inhaftierung auf Rechtsgrundlage des § 15 Aufenthaltsgesetz an den deutschen Binnengrenzen rechtswidrig ist, und daher unerlaubt in das Gebiet der Bundesrepublik einreisende Ausländer nicht inhaftiert werden dürfen.

        Nehmen wir nun einmal an dem sei so (was nicht so sicher ist wie der Autor es hier darstellt) – und wir bedürften daher einer Alternative. Versuch Nummer 1:

        Praktischer Ablauf: der unerlaubt nach Deutschland eingereiste Ausländer wird angetroffen und kontrolliert. Zum Zweck der Identitätsfeststellung wird er von der Polizei festgehalten. Er wird im weiteren der unerlaubten Einreise, des Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel sowie des Aufenthaltes ohne Pass / Passersatz (in fast allen Fällen werden diese Personen ohne Pass angetroffen) angezeigt. Der unerlaubt in die Bundesrepublik eingereiste Ausländer hat damit standardmäßig drei Straftaten begangen (Einreisekriminalität). Er hat keinen festen Wohnsitz im Bereich der Bundesrepublik, so gut wie immer eine ungeklärte Identität und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dass er sich dem Strafverfahren entziehen wird (würde dieses ernsthaft betrieben werden) weshalb in der Gesamtwürdigung hier problemlos eine Fluchtgefahr angenommen werden kann, womit man einen Haftgrund hat. Die Verhältnismässigkeit ist ebenfalls gegeben. Deshalb wird der Ausländer in Haft genommen. „Ganz nebenbei“ wird dann seine Abschiebung / Zurückschiebung betrieben. Wenn man diese forcieren würde, wäre er deutlich schneller abgeschoben oder zurückgeschoben als seine Inhaftierung wegen der begangenen Straftaten dauern dürfte. In Haft aber fährt er höchst einfach aufgrund der von ihm begangenen Straftaten und des bestehenden Haftgrunds der Fluchtgefahr.

        Als kleine Anekdote anbei: noch bis ca. 2013 war dies übrigens ein Standardverfahren der Polizei in Bayern: Jeder Illegale wurde schlicht und einfach verhaftet, und mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr in die Haftanstalt verbracht, dort erstmal festgehalten, verhört, erkennungsdienstlich behandelt und dann dort dem Ermittlungsrichter vorgeführt.

        Versuch 2: wir lassen weiterhin den § 15 (5) Aufenthaltsgesetz sein und wenden stattdessen den § 62 Aufenthaltsgesetz an:

        Prinzipiell kann der Zweck der Haft in dem vorliegenden Fall der unerlaubten Einreise ohnehin durch kein milderes Mittel erreicht werden, womit man schonmal den Absatz 1 erfüllt hätte, da ohne die Inhaftierung die Abschiebung / Zurückschiebung praktisch real nicht durchführbar ist. Nach Absatz 3 kann ein Ausländer in Sicherungshaft genommen werden, wenn Fluchtgefahr besteht und der Ausländer aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Beides liegt vor.

        Praktischer Ablauf: der von der Polizei festgehaltene Ausländer wird einem Richter vorgeführt der nach § 62 Aufenthaltsgesetz die Sicherungshaft anordnet und erneut ist er inhaftiert und kann man nun problemlos die Zurückschiebung betreiben.

        Das war jetzt beides noch nicht einmal besonders kreativ. Ganz einfache Standardprozedere und Standardparagraphen.

        Wie man es dreht und wendet, es gäbe unglaublich viele rechtliche Möglichkeiten irgendeine Rechtsgrundlage für eine Inhaftierung zu konstruieren.

        Real praktisch wurden Ausländern welche unerlaubt eingereist sind sogar schon anhand des § 427 des Familienverfahrensgesetzes die Freiheit entzogen. Ich will es aber mal bei den genannten 2 Versuchen obig belassen und gar nicht erst solche obskureren Rechtsgrundlagen bemühen.

        Hochachtungsvoll

        • Peter Camenzind So 3 Nov 2019 at 07:50 - Reply

          Im Artikel scheint vertreten zu sein, dass das AufenthaltsG an Binnengrenzen nicht ohne Weiteres gelten können soll. Folglich ebenso keine darauf gegründete „Einreisekriminalität“ usw.

          • Ulrich Reinhardt So 3 Nov 2019 at 23:38

            Sehr geehrter Herr Camenzind,

            das Aufenthaltsgesetz ist in Kraft, gilt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und dies sowohl 1 cm hinter der Binnengrenze als auch 100 km im Landesinneren. Folglich gibt es Einreisekriminalität, völlig unabhängig von der Frage ob Binnengrenzen mit Grenzkontrollen gesichert werden dürfen und/oder können und völlig unabhängig von der Frage ob eine Zurückweisung an einer Binnengrenze und damit die Zurückweisungshaft möglich sind oder nicht.

            Auch wenn viele es nicht wissen, auch hier und heute noch wird jeder Ausländer der im Gebiet der BRD einen Asylantrag stellt immer wegen der genannten drei Straftaten (pro forma) angezeigt. Fast jeder Asylbewerber hat daher im polizeilichen Datenbestand die entsprechenden Einträge. Dass die Verfahren seit Jahren schon in einem extra dafür gefahrenen Schnellverfahren fast alle eingestellt werden ändert rein gar nichts daran, dass diese Straftaten vorliegen und dass man statt einer Einstellung genau so gut auch ein ernsthaftes Strafverfahren gegen diese Personen führen könnte.

            Da die Staatsanwaltschaften der Politik gegenüber Weisungsgebunden sind, würde hier eine entsprechende Anweisung aus den Innenministerien die früheren Zustände in denen tatsächlich die Einreisekriminalität noch strafrechtlich verfolgt wurde einfach wieder in Kraft setzen.

            Beispielsweise wurden vor dem EU Beitritt Polens und anderer Osteuropäischer Länder regelmässig Staatsangehörige dieser Länder angezeigt, mussten hohe Strafzahlungen leisten welche man auf der Stelle per Sicherheitsleistung eintrieb, wurden dann abgeschoben und erhielten darüber hinaus noch ein Wiedereinreiseverbot. Das ist gar nicht so lange her. Noch heute gibt es daher irrwitzigerweise Osteuropäer mit einem Wiedereinreiseverbot in die BRD obwohl diese inzwischen EU Bürger sind.

            Umso absurder wenn man zugleich die Einreisekriminialität von Ausländern welche hier unter Ausnutzung des Asylrechtes einwandern wollen nun heute überhaupt nicht mehr verfolgt.

            Hochachtungsvoll

          • Peter Camenzind Mo 4 Nov 2019 at 00:37

            Zu den Grundzügen von Strafverfahren kann gehören, dass nicht stets jeder Strafanzeige und dabei erfolgter Datenerfassung tatsächlich Kriminalität zu Grunde liegen muss.

        • Jonas Ganter Mo 4 Nov 2019 at 12:26 - Reply

          Sehr geehrter Herr Reinhardt,

          vielleicht könnten Sie zu ihrem Vorschlag einer pauschalen Inhaftnahme aufgrund eines Strafverfahrens wegen illegaler Einreise noch erläutern, wie sich das mit Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention verträgt.
          Art. 31 Abs. 1 GFK:

          “ Die vertragschließenden Staaten werden wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen.“

          Meines Wissens nach verzichten die Staatsanwaltschaften nämlich genau aus diesem Grund auf eine Strafverfolgung: weil sie völkerrechtswidrig wäre. Der allergrößte Teil der irregulär eingereisten Personen stellt einen Asylantrag und fällt damit unter diesen Art. 31 GFK. Auch hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass mit „unmittelbar aus einem Gebiet kommend“ auch gemeint ist, dass eine Person sich kurzzeitig in Drittstaaten aufgehalten und von dort nach Deutschland weiter gereist ist (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 08. Dezember 2014
          – 2 BvR 450/11 -, Rn. 26 ff.)

          Ihre nonchalante Argumentation, man könne schon „irgendwie eine Rechtsgrundlage konstruieren“ halte ich übrigens für eine Gefährdung des Rechtsstaats. Rechtsstaatlichkeit bedeutet aus meiner Sicht, dass der Staat nur dann in die Freiheit des Menschen (und auch Geflüchtete sind Menschen) eingreifen darf, wenn er dafür eine einschlägige Rechtsgrundlage vorweisen kann, die selbst wiederum höherrangigem Recht genügen muss. Und genau da liegt der Teufel im Detail. Wie Tino Hruschka schon sehr gut ausgeführt hat, hat sich Deutschland europarechtlich freiwillig gebunden, ebenso an die GFK. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass sich der Staat an diese Bindungen hält und nicht wie irgendeine willkürherrschaftliche Bananenrepublik nach Lust und Laune das eigene nationale Recht über seine Verpflichtungen stellt, die er selbst eingegangen ist. Dann erleben wir nämlich wirklich eine „Herrschaft des Unrechts“.

          Mit freundlichen Grüßen,

          Jonas Ganter

          • Ulrich Reinhardt Di 5 Nov 2019 at 22:32

            Sehr geehrter Herr Ganter,

            bei dem vorliegenden Fall (Binnengrenze / Zurückweisung / Zurückweisungshaft) kommen die unerlaubt in das Gebiet der Bundesrepublik einreisenden Ausländer eben nicht aus einem Gebiet in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren. Sie kommen aus anderen europäischen Ländern, beispielsweise aus Österreich. Und bevor sie sich Österreich aufhielten, waren sie erneut in anderen europäischen Ländern, beispielsweise um die ganze Kette aufzuzählen: Griechenland – Bulgarien – Rumänien – Ungarn – Österreich – Deutschland.

            In keinem dieser Staaten haben sie sich offenkundig bei den Behörden gemeldet, womit die ebenfalls im gleichen Artikel genannte Voraussetzung fehlt: nämlich ist die unerlaubte Einreise nur dann straffrei, wenn sich die unerlaubt einreisenden Ausländer selbst unverzüglich (!) bei den Behörden melden.

            Die Staatsanwaltschaften verzichten übrigens im Weiteren unter jedem nur denkbaren Vorwand allein deshalb auf die Strafverfolgung, nicht weil diese völkerrechtswidrig wäre, sondern weil dies rein praktisch gar nicht mehr bearbeitbar ist. Insbesondere 2015 und 2016 brach de facto jedwede ordnungsgemäße Bearbeitung völlig zusammen und es enstand ein bis heute nicht mehr aufgearbeiteter Kontrollverlust. Aus dem gleichen Grund werden auch die Hunderttausenden von abgelehnten Asylbewerbern welche teilweise x-fach gerichtlich überprüft keine Asylberechtigten sind, keine Duldung, ja nicht einmal mehr eine Fiktionsbescheinigung haben und daher in Abschiebehaft zu nehmen sind – eben nicht in Haft genommen und nicht abgeschoben.

            Weil der völlige Kontrollverlust über die Situation dazu geführt hat, dass man rein praktisch dazu gar nicht mehr in der Lage ist. Selbst hier und heute wissen die verantwortlichen Behörden nicht einmal mehr für zehntausende und aberzehntausende von Ausländern wo und wie untergebracht ist obwohl diese Ausländer im Land sind und Leistungen beziehen. Nicht einmmal in den Asylbewerberunterkunften ist der Status aller dort befindlichen Personen klar, ob sie jetzt Bewerber sind, anerkannte Bewerber, Fehlbeleger etc

            Der von Ihnen nun angeführte Beschluss von 2014 greift ebenfalls nicht, weil in fast allen Fällen sich die unerlaubt eingereisten Ausländer eben nicht kurzzeitig in Drittstaaten aufhielten. Gestatten Sie mir übrigens noch als Anmerkung dass es in dem von Ihnen zitierten Fall auch noch um Urkundenfälschung ging (also deutlich über das hinaus was ich an Straftaten angeführt habe) und dass sich hier die unerlaubt eingereisten Ausländer unter anderem allein in Athen um die 40 Tage aufgehalten haben um sich gefälschte Urkunden zu beschaffen etc etc

            Wenn nicht einmal mehr Urkundenfälschung strafrechtlich verfolgt werden darf sobald irgend ein Ausländer der nach Deutschland einwandern will (in den allermeisten Fällen eben kein Flüchtling) hier das magische Zauberwort Asyl quäkt hebt den Rechtsstaat auf.

            Ihrer Definition von Rechtsstaatlichkeit stimmte ich im allgemeinen zu, gebe aber zu bedenken, dass das vollkommen blinde Befolgen des Wortlauts jedweder Gesetzen ebenso den Rechtsstaat zerstören kann und dass umgekehrt ein positivistischer Ansatz, welcher die vorhandenen Rechtsgrundlagen aktiver benutzt hier den Rechtsstaat tatsächlich schützen kann. Denn wenn jedwede Straftaten bis hin zur Urkundenfälschung für jedweden beliebigen Ausländer irrelevant sein sollen, nur weil behauptet Asyl zu benötigen, dann schädigt dies den Rechtsstaat mehr als umgekehrt vorhandenes Recht anzuwenden um dadurch sowohl den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, als auch den Bestand des Sozialstaates wie der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung zu schützen.

            Wer blind und fernab jeder praktischen Realität gemäß seiner politischen Überzeugung Recht anwenden will, auch wenn dieses zwingend über kurz oder lang sowohl die derzeitige Gesellschafftsordnung als auch den Rechtsstaat an sich zerstören wird, der ist in Wahrheit der größte Feind des Rechtsstaats.

            Hochachtungsvoll

  6. Ulrich Reinhardt Sa 2 Nov 2019 at 12:17 - Reply

    Sehr geehrter Herr Camenzind,

    in Bezug auf Ihre Frage nach einer fortwirkenden nationalen staatlichen Souveränität:

    Nur weil es keine Grenzkontrollen an Binnengrenzen mehr gibt, heißt dies nicht umgekehrt zwingend, dass im Bereich der de facto nicht mehr bestehenden Binnengrenzen nicht allgemeine Polizeiliche Kontrollen möglich wären. Dann sind die Kontrollen in diesem Raum halt einfach keine Grenzkontrollen mehr, sondern beispielsweise Kontrollen nach dem Polizeiaufgabengesetz, welche rein zufällig an der Stelle der früheren Binnengrenze stattfinden. Möglich wäre hier sehr viel.

    Auf Ihre zweite Aussage hin möchte ich erwiedern, dass die Frage was Richtig ist viel eher von der Frage abhängen sollte was rein praktisch real funktioniert und was nicht funktioniert als von zu abstrakten und von der praktischen Realität entkoppelten geistigen Höhenflügen.

    Hochachtungsvoll

    • Peter Camenzind Sa 2 Nov 2019 at 16:54 - Reply

      Es gibt nichts, was nicht praktisch real in einer Weise funktioniert. Dies insbesondere wenn ein Ergebnis dabei völlig willkürlich unbestimmt bleiben soll, um sich auf keine geistig entkoppelten Höhenflüge zu begeben. Was manche als paraktisch real einzig funktionierenden Weg ansehen mögen, können andere dagegen dem Grunde nach nur als geistig entkoppelten Höhenflug auffassen, usw…..

  7. Ulrich Reinhardt Di 5 Nov 2019 at 22:46 - Reply

    Allgemein:

    Der folgende Satz:

    >Der allergrößte Teil der irregulär >eingereisten Personen stellt einen >Asylantrag und fällt damit unter diesen Art. >31 GFK.

    ist eines der Kernprobleme an sich. Ist jeder illegal in die Bundesrepublik eingereiste Ausländer automatisch ein Flüchtling, nur weil er das Wort Asyl verwendet ? Und hat er dadurch automatisch beliebig Schutz vor Strafverfolgung nur weil er behauptet (!) ein Flüchtling zu sein ? Entsteht die Flüchtlingseigenschaft aus der bloßen Verwendung des Wortes Asyl durch jedermann ?

    Dies in den allermeisten Fällen zu verneinen wäre der erste und wichtigste Schritt zur Lösung der ganze sogenannten Flüchtlingsproblematik.

    Den gemäß Genver Flüchtlingskonvention schaffen die jeweiligen Regierungen selbst (!) Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Die Richtlinien der UNHCR sind dabei übrigens rechtlich nicht bindend und sollen lediglich als mögliches Vorbild dienen.

    Die GFK bezieht sich zudem explizit nicht (!) auf Menschen welche vor Konflikten fliehen, auch wenn die (rechtlich nicht verbindlichen) Richtlinien dies implizieren.

    Nur weil also ein Afghane der sich mehrere Monate in Griechenland, Bosnien, Kroatien, Österreich usw aufgehalten hat nach Überschreiten der Grenze das Wort Asyl von sich gibt ist er weder ein Flüchtling im Sinne der GFK noch werden dadurch seine Straftaten irrelevant. Es sei den: wir selbst legen das so fest – wie wir es zur Zeit ja aus einer Vielzahl von Gründen heraus tun.

    Folglich könnte man die ganze Sache eben auch einfach anders festlegen, da die GFK uns hier viel mehr Spielraum lässt als dies hier impliziert wird.

  8. Ulrich Reinhardt Fr 8 Nov 2019 at 09:03 - Reply

    Nachtrag:

    Ich habe jetzt noch mal genau das von Herr Ganter genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichtes genau gelesen. Und darin steht (zum einer eigenen Überraschung), dass die Stellung eines Asylantrags nicht (!) die Eigenschaft als Flüchtling begründet.

    Eine Person ist daher gemäß diesem Urteil schon vor der Stellung des Asylantrags ein Flüchtling oder in Wahrheit eben kein Flüchtling.

    Von daher ist der Rest höchst einfach: Die Person wird im Bereich der früheren Grenze einer Polizei-Kontrolle unterzogen (keiner Grenzkontrolle, sondern einer allgemeinen Polizeikontrolle nach dem PAG). Sie gibt an Asyl zu benötigen. Wir gehen im weiteren davon aus, dass es sich eventuell um einen Flüchtling handeln könnte. Aufgrund der begangenen Straftaten wird der illegal eingereiste Ausländer jedoch in Haft genommen. Während er in Haft ist wird geprüft, ob es tatsächlich ein Flüchtling ist. Dies ist möglich, da die Straffreiheit nach 31 GFK i