13 October 2023

Halbwegs raus aus dem Hinterzimmer

Der Bundestag stellt die Weichen für ein Gesetz zur Regelung der Finanzierung parteinaher Stiftungen

Wenn der Deutsche Bundestag heute in erster Lesung über den Entwurf für ein Stiftungsfinanzierungsgesetz (BT-Drs. 20/8726) berät, setzt der Gesetzgeber zum Schlussspurt in einem eigenverschuldeten Wettlauf gegen die Zeit an. Hinter der Ziellinie wartet gewiss (mindestens) eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, dessen verfassungsrechtliche Kontrolle der Gesetzestext nicht bestehen dürfte.

Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat der bisherigen Finanzierungspraxis, beruhend auf informellen und weitgehend undurchschaubaren Vereinbarungen, die noch in Bonner Hinterzimmern ausgekungelt wurden, mit Urteil vom 23. Februar 2023 (2 BvE 3/19) endgültig ein Ende gesetzt (dazu bereits hier und hier). So weit, so vorhersehbar. Keinem Beobachter des politischen Prozesses (exklusive Mitglieder des SPD-Fraktionsvorstandes) konnte der seit Jahrzehnten bestehende rechtswissenschaftliche Konsens entgangen sein, dass parteienwettbewerbsrelevante finanzielle Mittelbewilligungen in dieser Höhe mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatz eine transparente, öffentlichkeitswirksame Debatte und eine Grundlage in Form eines materiellen Gesetzes bedürfen.

Die Kunst, wohldurchdachten Ratschlägen zu widerstehen

Umso mehr überrascht die Planlosigkeit, mit der die politischen Akteure die vergangenen Monate haben verstreichen lassen. Ein umsichtiger Gesetzentwurf fehlt, trotz straffen Zeitplans. Bis zum Haushaltsgesetz 2024, das diesen Herbst zu verabschieden ist, muss das Stiftungsfinanzierungsgesetz vorliegen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber, trotz dessen weiten Gestaltungsspielraums (Rn. 245) gleich einige Haltelinien mit auf den Weg gegeben: Wenngleich eine Anknüpfung an die Wahlteilnahme und Wahlergebnisse verfassungsrechtlich zulässig (Rn. 240) und hinsichtlich der Dauerhaftigkeit das Abstellen auf einen Zeitraum, der die Dauer einer (!) Legislaturperiode übersteigt, „nicht fernliegend“ sei (Rn. 244), ist angesichts der bisherigen Anknüpfungen an die wiederholte Vertretung im Deutschen Bundestag (und damit an die 5%-Hürde) darauf zu achten, „dass einer schlichten Übertragung bereits bestehender Sperrklauseln entgegenstehen könnte, dass diese dem Schutz von Verfassungsgütern dienen, denen im vorliegenden Zusammenhang nur eine nachrangige Bedeutung zukommt“ (Rn. 244). Andererseits sei fraglich, ob „allein auf die Ergebnisse von Bundestagswahlen abzustellen ist oder ob auch die Ergebnisse sonstiger Wahlen als Indikator für den Bestand einer relevanten politischen Grundströmung herangezogen werden können“ (Rn. 244).

Die beiden letztgenannten Hinweise des Bundesverfassungsgerichts fordern den (rechts-)wissenschaftlichen Diskurs geradezu heraus. Insbesondere, weil der inzwischen vorliegende Gesetzentwurf gleich alle drei vorgenannten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts unberücksichtigt lässt.

Der Gesetzentwurf sieht stattdessen vor, für die Relevanz einer politischen Grundströmung weiterhin allein die Ergebnisse der nahestehenden Partei bei der Bundestagswahl zu berücksichtigen. Als Indikator für die Dauerhaftigkeit der Grundströmung wird der mindestens dreimalige, aufeinanderfolgende Einzug der nahestehenden Partei in Fraktionsstärke in den Deutschen Bundestag herangezogen (§ 2 Abs. 2 S. 1). Verfassungsrechtlich fundierte Angriffspunkte gegen das Stiftungsfinanzierungsgesetz liegen damit auf dem Silbertablett.

Es lag auf der Hand, dass der Gesetzgeber den Kreis der zukünftigen Zuwendungsempfänger eher wird begrenzen denn erweitern wollen. Nicht nur angesichts des neuerlich betonten Prozeduralisierungsgebotes und abermals statuierten erhöhten Begründungserfordernisses bei Entscheidungen in eigener Sache, müsste der Gesetzgeber den berechtigten Hinweisen des Bundesverfassungsgerichts schon im Gesetzgebungsverfahren eine eingehende und nachvollziehbare Begründung entgegenbringen. Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt dies schuldig.

Die Spreu vom Weizen trennen

Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und der Offenheit des Willensbildungsprozesses zwingt den Gesetzgeber, den Kreis der Zuwendungsempfänger zu erweitern. Das Bundesverfassungsgericht hat den wettbewerbsrelevanten Charakter der Stiftungsfinanzierung endgültig anerkannt: Die Stiftungen leisten wichtige Vorfeldarbeit, die die nahestehende Partei bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung finanziell wie ideell erheblich unterstützt und entlastet. Der Staat darf durch die Stiftungsfinanzierung nicht zugunsten etablierter Kräfte in den Parteienwettbewerb eingreifen und ihnen (staatlich vollalimentiert) das Werben für ihre Ziele und Werte im nebenpolitischen Raum ermöglichen, während weniger etablierte Parteien auf kein vergleichbares Engagement einer Stiftung zurückgreifen können (vgl. A. Sorge, Parteinahe (politische) Stiftungen, in: Zeitschrift für Parteienwissenschaften (MIP) 2023, S. 151f.).

Naheliegend erscheint die wettbewerbsneutrale Bestimmung der Relevanz einer politischen Grundströmung anhand eines Mindestzweitstimmenanteils, den die nahestehende Partei bei Bundestagswahlen erreichen muss. Dieser müsste, um der Offenheit des Willensbildungsprozesses angemessen Rechnung zu tragen, unter der 5%-Hürde liegen. Dass allerdings eine Partei, die den Einzug in den Deutschen Bundestag wiederholt verfehlt, tatsächlich eine relevante Grundströmung repräsentiert, die über einen hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung verfügen soll, ist zumindest nicht unmittelbar ersichtlich.

Gerade die Möglichkeit, im Wettbewerb um politische Handlungs- und Gestaltungsmacht Mehrheiten hinter sich zu versammeln, Debatten für die breite Öffentlichkeit zu initiieren und schließlich selbst Regierungsverantwortung zu übernehmen, muss doch eine wirklich relevante Grundströmung in Abgrenzung zu anderen Grundströmungen auszeichnen. Einer Grundströmung, die daran scheitert, ihre eigene Wählerklientel hinreichend zu überzeugen und politisch nahezu keinerlei Einfluss nehmen kann, ist gerade in Zeiten einer zunehmend zersplitterten Parteienlandschaft eher schwerlich eine ins Gewicht fallende Relevanz zu attestieren.

Um das verfassungsrechtliche Gebot der Offenheit des Willensbildungsprozesses dennoch zu gewährleisten, sollte ein weiterer Indikator für die Relevanz einer Grundströmung herangezogen werden. Die Stiftungsfinanzierung ist für Parteien zu öffnen, die in einer relevanten Anzahl von Landesparlamenten vertreten sind. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass solche Parteien nicht nur eine bedeutende Anzahl von Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten, sondern mit Blick auf die besondere Bedeutung des Föderalismus für unser politisches System (z.B. über den Bundesrat) erhebliche Einflussmöglichkeiten haben und öffentlich wahrnehmbar politische Debatten anstoßen können. Das muss eine relevante Grundströmung auszeichnen.

Eine solche Regelung hätte wohl im Gegensatz zur Festlegung eines Mindestzweitstimmenanteils von 2%, 3% oder 3,5% tatsächlich eine Auswirkung auf den Kreis der Zuwendungsempfänger. Nur ein Beispiel: Verfehlt DIE LINKE. bei den nächsten beiden Bundestagswahlen den Einzug in den Deutschen Bundestag, wird die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Arbeit einstellen müssen. Sogar dann, wenn DIE LINKE. in einigen Landesparlamenten vertreten bleibt oder es gar weiterhin vermag, eine Landesregierung anzuführen. Unabhängig davon, wie die konkrete Arbeit der Stiftung zu bewerten ist, überzeugt es nicht, einer Grundströmung links von der Sozialdemokratie ihre Relevanz im politischen System schon deswegen abzusprechen, weil sie nicht mehr im Deutschen Bundestag vertreten ist. Wer das Schicksal der Stiftungen unmittelbar an den Verbleib der nahestehenden Partei im Deutschen Bundestag knüpft, verkennt den Charakter ihrer einflussreichen Bildungsarbeit. Sie richtet sich, unabhängig von ganz offenkundig bestehenden Verflechtungen zwischen Partei und Stiftung, nicht exklusiv an die Mitglieder oder Wählerschaft der Partei. Vielmehr spricht die Bildungsarbeit der Stiftungen, die Studien-, Promotions- und Wissenschaftsförderung ein breites Spektrum an, das sich oft, aber eben nicht ausschließlich durch die nahestehende Partei repräsentiert sieht.

Nachvollziehbar ist hingegen die Entscheidung, den Zeitpunkt des dreimaligen, aufeinanderfolgenden Einzugs in den Deutschen Bundestag (und wie hier vorgeschlagen in eine relevante Anzahl von Landesparlamenten) als Beginn für die Stiftungsfinanzierung festzulegen. Die acht- (bzw. zehnjährige) parlamentarische Repräsentation ist als Nachweis für die Beständigkeit und nachhaltige Verwurzelung einer Grundströmung in der Gesellschaft keine unverhältnismäßig lange Zeitspanne.

Wer sich in die Nesseln setzt, muss mit Stichen rechnen

Herzstück des Gesetzentwurfs ist die Normierung materieller Zuwendungsbedingungen in § 2 Abs. 4. Die Stiftungen müssen in einer Gesamtschau die Gewähr bieten, für die freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten (§ 2 Abs. 4 S. 1). Eine solche Entscheidung nach begründeter Prognose überzeugt, um Stiftungen, die verfassungsfeindlichem Gedankengut Vorschub leisten, frühzeitig von der Stiftungsfinanzierung auszuschließen, wenngleich wie hier schon zurecht kritisiert, die Verwendung des Begriffes FDGO ohne Definition oder Erläuterung in der Gesetzesbegründung erfolgt.

Der verfassungskonforme Ausschluss von der Stiftungsfinanzierung und der damit verbundene Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien setzt eine Regelung voraus, die zum Schutz eines gleichwertiges Verfassungsgutes, mithin dem Schutz der FDGO, geeignet und erforderlich ist. Eine solche Prognoseentscheidung ist hierfür nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich. Andere Mittel, bspw. eine einfache Selbsterklärung, mit der sich die Stiftungen zur jederzeitigen aktiven Förderung der FDGO verpflichten, sind nicht annähernd gleich effektiv. Zu einer solchen Selbstverpflichtung wird sich wohl jeder Zuwendungsempfänger mit Blick auf das erhebliche Fördervolumen durchringen können. Angesichts des Charakters der politischen Bildungsarbeit und der beachtlichen Höhe der finanziellen Zuwendungen sollte der Gesetzgeber deshalb nicht nur Mittel zurückfordern können, die nachweisbar der Vermittlung verfassungsfeindlicher Inhalte dienten. Vielmehr muss die Möglichkeit bestehen, dass solche Stiftungen erst gar nicht in den Genuss staatlicher Zuwendungen kommen, mit denen sie sich als Bildungswerk etablieren und verfassungsfeindliche Inhalte vermitteln können. Ein einflussreiches Bildungswerk, das im In- und Ausland allerhand verfassungsfeindliche Bestrebungen bündeln und eine Grundströmung konsolidieren könnte, die auf die Aufhebung der FDGO gerichtet ist, muss der Staat nicht dulden und erst recht nicht finanzieren.

Auf halbem Weg stehen geblieben: Transparenz- und Rechtsschutzlücken

Der Gesetzentwurf offenbart allerdings an vielen Stellen noch Schwächen und bedarf der Nachbesserung im weiteren Gesetzgebungsverfahren, um einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle standhalten zu können. So ist bisher vorgesehen, dass sich die Höhe der jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittel weiterhin aus dem jeweiligen Haushaltsgesetz ergibt (§ 3 Abs. 1 S. 2). Davon ist dem Gesetzgeber aber ganz dringend abzuraten. Das Bundesverfassungsgericht hat die freie Festlegung des Finanzierungsvolumens durch den Haushaltsgesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen: „Eine auf das Binnenverhältnis von Parlament und Regierung begrenzte bloße Auflistung von Zuwendungsempfängern und -beträgen (!) im jeweiligen Haushaltsgesetz“ ist mit dem Vorbehalt des Gesetzes nicht vereinbar (Rn. 193). Vielmehr brauche es ein abstrakt-generelles Gesetz, an dem sich die jeweilige Haushaltsgesetzgebung zu orientieren hat (Rn. 193). Offenkundig soll an dem vielfach kritisierten, überaus intransparenten Verfahren der Mittelveranschlagung im Wege von „Stiftungsgesprächen“ und Hinterzimmervereinbarungen festgehalten werden, in dem die Höhe der Förderung ohne Begründung festgelegt und an dem Bedarf der Stiftungen ausgerichtet wird. Dies lädt fast zu einer willkürlichen Erhöhung des Fördervolumens ein, um mögliche Einbußen einzelner Stiftungen aufgrund eines Bedeutungsverlustes der nahestehenden Partei oder des Eintritts einer neuen Zuwendungsempfängerin auszugleichen (vgl. hier und hier).

Überdies birgt die Zuständigkeit des BMI für die Feststellung des Vorliegens materieller Förderbedingungen, also die Befugnis einer weisungsgebundenen Behörde, Entscheidungen über die Gewährung staatlicher Mittel zu treffen, die sich unmittelbar auf den Parteienwettbewerb auswirken, jedenfalls dann eine erhebliche Missbrauchsgefahr, wenn keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten vorgesehen sind, die der Bedeutung der Stiftungsfinanzierung für die Chancengleichheit der Parteien und der Offenheit des Willensbildungsprozesses (s.o.) Rechnung tragen. Schließlich manifestiert sich durch einen möglicherweise unbegründeten Ausschluss von der Stiftungsfinanzierung ein Wettbewerbsnachteil für die nahestehende Partei, der sich durch eine spätere Aufnahme in den Kreis der Zuwendungsempfänger nicht mehr ausgleichen lässt. Praktikabel wäre es, Klagen einer Stiftung gegen die Verwaltungsentscheidung des BMI der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Erst- und Letztinstanz durch eine Erweiterung des Katalogs in § 50 Abs. 1 VwGO zuzuweisen, um einen dreiinstanzlichen Rechtszug und damit eine langjährige Anhängigkeit der Verfahren zu verhindern (so auch Möllers/Waldhoff, S. 19).

Schließlich bedürfen auch die vorgesehenen Transparenzregelungen (§ 6) einer Ergänzung. Die Pflicht öffentliche Jahresberichte vorzulegen (§ 6 Abs. 1 S. 1) und die Wirtschaftsführung von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft überprüfen zu lassen (§ 6 Abs. 1 S. 2) ist, wie die Verpflichtung, Spenden über 10.000 Euro anzuzeigen (§ 6 Abs. 2 S. 1) zu begrüßen. Diese Transparenzvorschriften sollten allerdings mit dem Aufbau eines einheitlichen Stiftungsregisters verbunden werden. Nur so wird der breiten Öffentlichkeit ein möglichst einfacher Zugang u.a. zu den Jahresberichten und Spendenanzeigen ermöglicht. Zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Stiftungstätigkeit sollten die Jahresberichte auch einem einheitlichen Muster folgen. Derzeit trägt die individuelle Veröffentlichung der Jahresberichte eher zur Intransparenz bei.

Die Spitze des Eisbergs

Es bleibt zu hoffen, dass das weitere Gesetzgebungsverfahren zu einer wesentlichen Nachbesserung des Gesetzentwurfes führt, der noch an unzähligen weiteren Stellen überarbeitungsbedürftig ist. In Windeseile müssen zudem dann auch die Landesparlamente sechzehn Gesetzestexte nachschießen, um die Förderung der parteinahen Stiftungen aus dem Landeshaushalt weiterhin zu ermöglichen. Zu Beginn des Jahres hat beispielsweise das VG Magdeburg (3 A 70/22 MD) die Förderung der Bildungsarbeit parteinaher Stiftungen ausgesetzt, weil bislang die hierfür erforderliche Grundlage fehlt. Aber daran haben die handelnden Akteure bestimmt schon gedacht, oder?