Das Ende der „Schattenfinanzierung“ parteinaher Stiftungen
Eine Einordnung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftungsfinanzierung
Mit Urteil vom 22.02.2023 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bisherige staatliche Mittelvergabe an die parteinahen Stiftungen unter Aussparung der Desiderius-Erasmus-Stiftung die AfD in ihrer politischen Chancengleichheit verletzt.
Was nach einem Sieg auf ganzer Linie für die AfD klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Pyrrhussieg – Geld für den gerügten Zeitraum vor 2021 wird die Desiderius-Erasmus-Stiftung (kurz: DES) wohl nicht bekommen und auch für die Zeit danach hängt vieles von der neuen gesetzlichen Regelung ab. Grund für die Entscheidung war dann auch nicht eine Beanstandung der bisherigen Verteilungskriterien und eine daraus folgende Nichtberücksichtigung der DES, sondern lediglich die fehlende formalgesetzliche Grundlage. Neben der Entscheidung in der Sache hat das Gericht auch noch einige bemerkenswerte Fingerzeige für eine gesetzliche Ausgestaltung gegeben, die sich zu beleuchten lohnen.
Verhältnis Partei zur Stiftung: Kein Mut zur Rechtsprechungsänderung
Bei der zentralen Frage, wie Stiftung und Partei rechtlich zueinanderstehen, hat das Gericht am umstrittenen Stiftungsurteil aus E 73, 1 festgehalten. Es bekräftigt, unter knapper Darstellung der Kritik aus der Literatur: Partei und Stiftung seien eng verbunden, aber rechtlich und organisatorisch unabhängig, womit auch die Stiftungsfinanzierung keine Parteienfinanzierung darstelle. Wegen der dann aber doch bestehenden besonderen Nähebeziehung nimmt das Gericht durch die Finanzierung des parteinahen Dritten eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Partei an.
Während hier die Verteidigung des Stiftungsurteils im Vordergrund steht, sind doch einige frische Akzente zu erkennen: Die Vorteile der Partei werden immerhin nicht länger relativiert: Während man in E 73, 1 noch davon sprach, dass die Arbeit der Stiftungen „in gewissem Maße“ der Partei zugutekomme, so stellt das Gericht nun unter gründlicher Auswertung der Tätigkeiten der Stiftungen fest, dass die Parteien „in erheblichem Umfang profitieren“ (Rn. 216) bzw. „relevante Vorteile“ (Rn. 214) genießen und es „realitätsfern [sei], anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfaltete.“ Bei insgesamt gut 660 Millionen Euro im Jahr 2019 wäre alles andere auch durchaus schwer erklärbar gewesen.
Hinsichtlich der Anforderungen an die gebotene Distanz zwischen Partei und Stiftung verschließt das Gericht aber weiterhin die Augen vor den tatsächlichen Verhältnissen und preist diese nicht ausreichend in seine Bewertung mit ein: Letztendlich begnügt man sich mit der Feststellung, dass es für Verstöße gegen § 11 Abs. 2 Satz 3 PartG, wonach Vorsitzender und Schatzmeister einer Partei nicht in einer der Partei nahestehenden politischen Stiftung vergleichbare Funktionen ausüben dürfen, und gegen die Spendenannahmeverbote nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 PartG keine Hinweise gebe. Den angehörten Sachverständigen lägen auch keine Hinweise auf unmittelbare Einflussnahmen der Parteien auf die Stiftungen vor, auch die Arbeitsplanung und -durchführung erfolge eigenständig.
Offene Fragen zum Verhältnis verbleiben
Es erscheint ein wenig, als machte das Gericht hier einen Bogen um das eigentliche Problem: Bei der Frage, ob Parteien und Stiftungen wirklich rechtlich und organisatorisch unabhängig sind, wird auf die engen personellen und finanziellen Verflechtungen nicht eingegangen, es genügt dem Gericht, dass keine Hinweise auf Einflussnahmen vorliegen (Rn. 195 ff.). Erst bei der Begründung der besonderen Nähebeziehung zwischen Stiftung und Partei wird umfassender zu den Verflechtungen personeller Natur eingegangen (Rn. 206 ff.). Diese Trennung der Begründung leuchtet nicht ein, denn das Ergebnis – organisatorische Unabhängigkeit – wird so überhaupt nicht substantiell in Frage gestellt, sondern bleibt Ausgangspunkt.
Es gibt allerdings verschiedenste Begründungsansätze, die aus der engen personellen und finanziellen Verflechtung zwischen Stiftung und Partei die Folgerung zulassen, bei den Stiftungen handele es sich zwar um rechtlich selbständige Vereine, die aber aufgrund der engen Nähebeziehung Teil der Partei sind. Bei der Bestimmung der Reichweite des Parteibegriffs hat man sich schon vor langer Zeit von der Vorstellung verabschiedet, dass Parteiorganisationen lediglich aufgrund rechtlicher Einordnung in die Parteistruktur zu bestimmen sind, da dies leicht zu umgehen ist. In der Stiftungsfrage fällt das Gericht aber diesbezüglich zurück und klebt an der unflexiblen rechtlichen Selbständigkeit als Kriterium für Unabhängigkeit.
Zu berücksichtigen sind vielmehr weitere Zurechnungskriterien, insbesondere ein Beherrschungsverhältnis im Sinne finanzieller und personeller Abhängigkeit: Überleben kann die Stiftung nur durch die staatlichen Mittelzuwendungen, welche die Parteivertreter bisher im Haushaltsausschuss für sie verhandelt haben. Partei und Stiftung bilden eine ganz besondere Schicksalsgemeinschaft, derer sich beide Seiten auch im Rahmen ihres Selbstverständnisses bewusst sind: Schlechte Wahlergebnisse bedeuten weniger Stiftungsgeld.
Personell sind alle Leitungspositionen in Stiftungen mit Parteimitgliedern besetzt, besonders häufig mit ehemaligen herausgehobenen Repräsentanten der Partei. Faktisch werden die Leitungspositionen auch aus den Parteien heraus besetzt. Aber auch eine Betrachtung der Mitgliedschaft der Vereine – alle Stiftungen bis auf die FNF sind e.V. – ist aufschlussreich: Auch hier ist die Parteimitgliederquote extrem hoch. Mitglied werden kann man in der Regel nur auf Vorschlag der Partei werden, die Stiftungen sind also closed shops ohne externe Einflussmöglichkeit. Bei der Heinrich-Böll-Stiftung ist etwa in der Satzung niedergelegt, wer Mitglieder vorschlagen kann (§ 4 Nr. 3): Die Grünen-Bundestagsfraktion, die Bundespartei oder der Verein „Freundinnen und Freunden der Heinrich-Böll-Stiftung“. Das Verfahren dürfte – wenngleich nicht so transparent niedergelegt – bei allen Stiftungen ähnlich sein.
Der Widerspruch, einerseits parteinah zu sein, damit die Stiftung zur förderungswürdigen Grundströmung gehört, andererseits parteifern zu sein, damit die Stiftung organisatorisch und rechtlich unabhängig ist, bleibt weiterhin unaufgelöst. Die Stiftungen bleiben damit weiterhin eine Art „Schrödingers Katze“ im Parteiumfeld: gleichzeitig parteinah und parteifern.
Das zeigt sich plastisch bei der Gemeinnützigkeit, welche den parteinahen Stiftungen zuteilwird: Wenn das Gericht nun davon ausgeht, die Arbeit der Stiftungen unterstütze die Partei so erheblich, dass die Mittelbereitstellung eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist, wie passt das mit der Gemeinnützigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 AO zusammen, wonach die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft „weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien“ verwendet werden dürfen.
Im Übrigen widerspricht der organisatorischen und rechtlichen Trennung, dass allein die Partei hinsichtlich einer möglichen Berücksichtigung der Stiftung antragsbefugt ist: Auch im vorliegenden Verfahren hat die Partei eine Verletzung von Art. 21 GG durch die Nichtberücksichtigung ihrer Stiftung gerügt, das Gericht hat der Partei die notwendige Antragsbefugnis attestiert (Rn. 143 ff.). Die Partei ist also notwendigerweise eine Art gesetzlicher Prozessstandschafter für die Stiftung, anders kann diese gegen die Mittelvergabe überhaupt nicht erfolgreich vorgehen. Wie aber in einer derartigen Abhängigkeitssituation von einer rechtlichen und organisatorischen Unabhängigkeit gesprochen werden kann, leuchtet nicht ein.
Ohne formelles Gesetz keine Stiftungsfinanzierung
Nach der Bejahung einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Partei lässt das Gericht die bisherige Finanzierung der parteinahen Stiftungen an der fehlenden gesetzlichen Grundlage scheitern. Das ist ohne weiteres richtig und in der Literatur schon seit E 73, 1 vehement gefordert worden. Seinerzeit hatte das BVerfG die materiellen Kriterien der Verteilung der Gelder geprüft und die Frage offengelassen, ob ein formelles Gesetz erforderlich ist. Im Nachhinein ein schweres Versäumnis, den das Gericht nun richtigerweise korrigiert und so nun Licht in den bisher dunklen, intransparenten Bereich der Stiftungsfinanzierung bringt.
Dabei stellt es richtigerweise fest, dass es auf die zwischen den Stiftungen verabredete Verteilung und auf etwaige Anmerkungen im Haushaltsplan nicht ankommt. Erforderlich ist wegen des Vorbehalts des Gesetzes vielmehr ein formelles Gesetz, welches die Kriterien der Mittelvergabe darlegt. Bei einer so wesentlichen Frage – Verteilung von 660 Mio. Euro –, die nach Ansicht des Gerichts eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit darstellt, ist dieses Ergebnis offenkundig richtig.
Komplexer Weg zu einem Partei-Stiftungsgesetz
Die bisherigen materiellen Verteilungskriterien, u.a. mindestens zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten, greift das Gericht in seiner Entscheidung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an, billigt sie aber in einer Art von obiter dictum dem Grunde nach, deutet darüber hinaus auch an, dass der genannte Zeitraum wohl in Ordnung ist, um nur Grundströmungen mit einem gewissen Gewicht zu fördern (Rn. 244).
Außerdem gibt das Gericht zu erkennen, dass Differenzierungen zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung möglich sind. Einer gesetzlichen Regelung, die eine Stiftungsfinanzierung an eine Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder ähnlicher Aspekte koppelt, ist damit der Weg höchstrichterlich geebnet.
Welche Auswirkungen eine solche inhaltliche Begrenzung für die DES haben wird, ist unklar. Die Maßstäbe, die hierfür aktuell in der Diskussion sind, etwa eine Anknüpfung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sind so hoch gegriffen, dass sie faktisch wirkungslos sind. Insoweit ist der Gesetzgeber hier gut beraten, sich insbesondere der Kodifikation einer (idealerweise wechselseitigen) Zurechnung zwischen Partei- und Stiftungshandeln zu widmen: Nur so kann für die gesamte politische Grundströmung sinnvoll erfasst werden, ob sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Eine solche Zurechnung von Parteizielen zur Bestimmung der Stiftungsziele hat die Rechtsprechung auch ohne gesetzliche Regelung bereits teilweise vorgenommen (OVG NRW, 25 A 2431/94, Rn. 74; BVerwGE 106, 177, Rn. 34).
Daneben dürften die inhaltlichen Anforderungen an einen Ausschluss von der Finanzierung sinnvollerweise unter denen des Art. 21 Abs. 3 GG, gegebenenfalls nahe denen von § 3 VereinsG liegen, da die Chancengleichheit – wenn man mit dem Gericht die Stiftungen nicht als Teil der Partei sieht – hier weit weniger stark tangiert ist als bei der unmittelbaren Parteienfinanzierung. Für die AfD bedeutet der Sieg in diesem Verfahren also möglicherweise, dass die DES – bei einem neuen Regelungssystem mit inhaltlichen Förderkriterien – sogar für die Zukunft leer ausgeht.
Gleichzeitig muss man die Frage in den Raum stellen, welche Materien sich in diesem Zusammenhang noch sinnvollerweise regeln lassen. Zu denken wäre etwa an erhöhte Anforderungen an die Transparenz, denn hier besteht noch immer eine nicht unerhebliche Diskrepanz, die zu einer Umleitung von Spenden einlädt. Daneben ist fraglich, ob der Bundestagspräsident, der im Rahmen der Parteienfinanzierung die nötige Agilität eher vermissen ließ, hier die richtige Adresse für die Mittelfestsetzung ist.
Viel Arbeit für den Gesetzgeber
Einfach hat es der Gesetzgeber bei der nun anstehenden Regelung nicht unbedingt. Hält das Gericht an seiner neueren Rechtsprechung zur Prozeduralisierung fest, ist durchaus fraglich, wie hoch der Aufwand im Gesetzgebungsverfahren sein wird, die Finanzierung der Stiftungen in Höhe von 660 Millionen Euro diesen Begründungserfordernissen entsprechend darzulegen. Diesen Betrag der Höhe nach plausibel zu begründen, kommt einer Herkulesaufgabe gleich.
Es bleibt also einiges zu tun: Mit der Neuregelung der Parteienfinanzierung und derjenigen der Stiftungsfinanzen hat der Gesetzgeber zwei umfangreiche Aufgaben vor sich. Er sollte also zeitnah beginnen, idealerweise – soweit es geht – parteiübergreifend und mit sachverständiger Hilfe, um ein verfassungskonformes Stiftungsgesetz vorzulegen.
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