Kein Schutz vor Subjektivierung: Das neue Berner Polizeigesetz auf dem Prüfstand
„Überall und zu jeder Zeit meiden die Armen den Schutzmann.“ Diese knappe Formel identifiziert Daniel Loick in seiner Einführung zur Polizeikritik als universelles Wesen der Polizei, welche nach einer differenziellen Logik operiere: Während die Mehrheitsgesellschaft kaum je mit ihren „Freund*innen und Helfer*innen“ in Berührung kommt, prägt polizeiliche Repression den Alltag jener Menschen, die als abweichend oder fremd konstruiert werden. Diesen Gruppen mangelt es mit Bourdieu gesprochen an ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital. Armut, die der Angst vor dem Schutzmann zugrunde liegt, ist demnach nicht rein ökonomisch zu verstehen. Die polizeiliche Tätigkeit knüpft an gesellschaftlich konstruierte Gruppen an, die oftmals mit Diskriminierungsmerkmalen verbunden sind, und reproduziert diese zugleich. Dadurch werden „störende“ Subjekte geschaffen, deren Alltag von polizeilicher Repression geprägt ist. Die Differenzierung wirkt doppelt: Verstärkte Repression geht mit mangelndem Schutz einher. Die differenzielle Funktionsweise ist dem Polizeirecht eingeschrieben.
Diese Logik kommt jüngst in verschiedenen Gesetzesnovellen zum Ausdruck. Viel Aufmerksamkeit erfuhren etwa die Reformen in Bayern und NRW. Auch die Totalrevision des Polizeigesetzes des Kantons Bern (noch nicht in Kraft) reiht sich in diese Entwicklung ein. Die Gesetzesvorlage wurde vor Kurzem in der Volksabstimmung von einer deutlichen Mehrheit (76,4 %) angenommen. Umstritten sowie verfassungs- und menschenrechtlich heikel sind vor allem jene Normen, die in besonderer Weise die „Armen“ in den Blick nehmen und verstärktem polizeilichem Zugriff aussetzen. Das klare Abstimmungsergebnis vermag jedoch vor dem Hintergrund des einleitend Gesagten kaum zu verwundern. Dieses Wohlwollen der Mehrheitsbevölkerung könnte den Regierungsrat – trotz rückläufiger Kriminalität seit 2012 – darin bestärkt haben, eine Erhöhung des Personalbestands der Polizei um 18 % in Aussicht zu stellen.
„Lex Fahrende“
Roma, Sinti und Jenische werden von Art. 83 Abs. 1 lit. h i.V.m. Art. 84 Abs. 4 adressiert. Diese als „Lex Fahrende“ kritisierten Vorschriften erlauben die Wegweisung bei „Campieren“ auf privaten und öffentlichen Grundstücken (dazu, dass bereits die begriffliche Gleichsetzung der spezifischen Lebensweise einer Minderheit mit einem Freizeitvergnügen problematisch ist hier, S. 5). Steht ein Transitplatz zur Verfügung, kann die Räumung innerhalb von 24 Stunden vollzogen werden. Hier wird deutlich, dass die gesetzgebende Gewalt nicht das wilde Zelten außerhalb von Campingplätzen im Blick hatte, sondern Fahrende, schließlich existieren Transitplätze nur für diese Gruppe.
Anders als die übrigen Wegweisungstatbestände erfordert die „Lex Fahrende“ keine über die bloße Anwesenheit hinausgehende Gefährdung von Polizeigütern. Insbesondere bei privaten Grundstücken führt dies dazu, dass eine Räumung auch dann möglich ist, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 3 (Schutz privater Rechte durch die Polizei) nicht erfüllt sind und eine zivilgerichtliche Räumungsklage statthaft wäre. Damit wird der (polizei-)rechtliche Grundsatz verworfen, dass private Rechte nicht von Amtes wegen zu schützen sind. Der verstärkte Schutz privaten Eigentums geht also Hand in Hand mit der verschärften Kontrolle einer marginalisierten Gruppe.
Eine Anhörung sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche sieht das Bundesgericht im Entscheid (2019) zu einem Gesetz aus dem Kanton Neuenburg als notwendige Konkretisierung der Verfahrensgarantien aus Art. 29 der Bundesverfassung. Den diskriminierenden Charakter der Loi sur le stationnement des communautés nomades verkennt das Bundesgericht hingegen. Obwohl die Rechtsfolgen des Neuenburger Gesetzes, wie etwa die polizeiliche Räumung von Wagenplätzen oder Bußgelddrohungen bis 40.000 CHF, nur Fahrende treffen, sieht das Bundesgericht keine Ungleichbehandlung, da die Rechtsordnung diese Rechtsfolgen auch an anderer Stelle vorsehe. So könne auch am Ende eines mietrechtlichen Verfahrens eine Räumung stehen, Bußgelder in Höhe von 40.000 CHF könnten etwa auch für das widerrechtliche Führen eines Anwaltstitels verhängt werden (E. 5.2.). Indem es willkürlich Vergleichsgruppen bildet, führt das Gericht den Gleichheitssatz ad absurdum. Dass das Bundesgericht beim PolG/BE zu einem anderen Resultat gelangen wird – eine Überprüfung des Gesetzes durch abstrakte Normenkontrolle beim Bundesgericht wurde bereits beantragt –, scheint verfassungsrechtlich geboten, zumal die „Lex Fahrende“ verfahrensrechtlich rudimentärer und rein repressiv ausgestaltet ist.
Auch darüber hinaus wurden die Wegweisungsbefugnisse der Polizei mit dem neuen Berner Polizeigesetz erheblich erweitert. Nach Art. 83 Abs. 1 lit. b genügt, dass „Dritte erheblich belästigt oder gefährdet werden“, während lit. a schon zur Wegweisung befugt, wenn die öffentliche „Sicherheit und Ordnung […] gestört oder gefährdet wird.“ Dies senkt die Anforderungen der polizeilichen Generalklausel (diese ist in der Schweiz generell enger als in Deutschland) ab, ohne zusätzliche Voraussetzungen zu normieren.
Kostenüberwälzung bei Demonstrationen
In Bern als der politischen Hauptstadt finden viele Demonstrationen statt. Auch deshalb wurden die Art. 54 f. besonders hitzig debattiert. Diese erlauben es, Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen von Veranstaltungen, an denen Gewalt gegen Personen oder Sachen verübt wurde, Polizeikosten in Rechnung zu stellen. Bei Veranstalter*innen ist dies möglich, sofern eine bewilligungspflichtige Veranstaltung unbewilligt ist oder „Bewilligungsauflagen vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht eingehalten“ werden. Teilnehmer*innen dürfen zur Kasse gebeten werden, wenn sie an der Gewaltausübung beteiligt waren. Eine eigenhändige Gewaltausübung ist hierfür nicht notwendig. Vielmehr wird die strafrechtliche Figur des Landfriedensbruchs ins öffentliche Abgabenrecht überführt. Den betroffenen Personen können nicht nur die Kosten für die Beseitigung ihres Störungsbeitrags verrechnet werden, sondern für den gesamten Polizeieinsatz ab Beginn der Gewaltausübung. Diese Kosten würden jedoch zu einem Großteil auch anfallen, wenn keine Gewalt ausgeübt würde. Art. 56 sieht zwar die Kostenauflage „nach Massgabe des individuellen Tatbeitrags und der individuellen Verantwortung“ vor, beschränkt die ersatzfähigen Kosten indes nicht. Indem die Kostentragungspflicht von der konkreten Störungsbeseitigung entkoppelt zu werden droht, zeigt sich, dass die Norm auf die Sanktionierung unerwünschten Verhaltens zielt. Derartiges aber muss strafrechtlich unter Berücksichtigung der entsprechenden Garantien geregelt werden und stellt überdies eine Verletzung des gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzips dar, das auch das Bundesgericht in seinem Entscheid zum Luzerner Polizeigesetz (2017) hochgehalten hatte (E. 12.3; zum Ganzen siehe auch Husmann). Noch weiter vom Äquivalenzprinzip entfernt sich die Kostenauflage an Veranstalter*innen, die sich „nach Massgabe der Nichteinhaltung der Bewilligungsauflagen“ bemisst (Art. 56 Abs. 1).
Trotz einer Deckelung bei 30.000 CHF (Art. 57 Abs. 2) ist die Kostendrohung geeignet, eine Abschreckungswirkung auf die Träger*innen der Demonstrationsfreiheit zu entfalten. Der grundrechtliche Abschreckungseffekt wird durch die Unbestimmtheit der Normen noch verstärkt. Das Bundesgericht hielt es in seinem Entscheid zur vergleichbaren Regelung des Luzerner Polizeigesetzes zwar für möglich, dass eine Kostendrohung einen Grundrechtseingriff im Sinne eines „chilling effect“ darstellen könne. Für Veranstalter*innen sah es eine Inanspruchnahme als Zweckveranlasser*innen (dass die Anwendung dieser Figur insbesondere im Versammlungsrecht heikel ist, zeigt Husmann, 77) jedoch als gerechtfertigt an (E. 5.4). Die Verfassungsmäßigkeit der Inanspruchnahme von Teilnehmer*innen hatte das Bundesgericht hingegen ausdrücklich offengelassen (E. 11), da die Luzerner Regelung hier bereits wegen eines Verstoßes gegen das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip unzulässig war (E. 12.4). Auch wenn im Abstimmungskampf häufig ein anderer Eindruck entstehen konnte, hat das Bundesgericht also keinesfalls umfassend grünes Licht für derartige Regelungen gegeben. Auch die Kostenobergrenze von 30.000 CHF wirft Fragen auf. Im Luzerner Fall hatte das Bundesgericht Kosten in solcher Höhe nur verteilt auf mehrere Veranstalter*innen gebilligt, nach PolG/BE kann hingegen auch eine einzelne Person mit dieser Summe haften, freilich nur in einem „besonders schweren Fall“, was wiederum Bestimmtheitsprobleme aufwirft.
In dieser Kostenregelung sowie auch in der verschärften allgemeinen Verrechnung polizeilicher Leistungen (Art. 137) zeigt sich die Tendenz, den Aufwand öffentlicher Aufgaben zu privatisieren. Dies ist insbesondere hier problematisch, weil mit Demonstrierenden jene Menschen in den Blick genommen werden, die im demokratischen Diskurs über begrenzten Einfluss verfügen und daher verstärkt darauf angewiesen sind, ihre Anliegen auf die Straße zu tragen. Davon wird in Bern als der politischen Hauptstadt der Schweiz gerne Gebrauch gemacht. Während die Mehrheitsgesellschaft kaum von diesen Bestimmungen beeinträchtigt werden dürfte, treffen sie Minderheiten umso stärker und reproduzieren somit die differenzielle Logik.
Verdeckte Vorermittlungen
Diese Logik wird perpetuiert, in dem die Eingriffsschwelle etwa für verdeckte Vorermittlungen, die der Feststellung dienen, ob strafbare Handlungen „zu erkennen und zu verhindern sind“ (Art. 72 Abs. 1), bis zur Unkenntlichkeit herabgesetzt wird. Der erhöhte Bedarf der Differenzierung im Polizeialltag öffnet Diskriminierung Tür und Tor, zumal gerade dieser Verwaltungszweig regelmäßig mit entsprechenden Vorwürfen konfrontiert wird. Bestehen „ernsthafte Anzeichen dafür […], dass Verbrechen oder Vergehen vor der Ausführung stehen“ kann eine verdeckte Fahndung (Art. 111) oder eine verdeckte Observation mit Bild- und Tonaufnahmen an allgemein zugänglichen Orten (Art. 118) vorgenommen werden. Wenn eine Katalogtat „vor der Ausführung steht“, kann die Polizei verdeckte Vorermittlungen anstellen und dabei auch Legendierungen vornehmen (Art. 114 f.). Neu eingefügt wurde lediglich die verdeckte Fahndung, während die anderen Maßnahmen bereits 2011 ins Gesetz aufgenommen wurden. Diese Kompetenzerweiterung folgt einer einfachen legislatorischen Logik: Strafprozessuale und damit repressive Befugnisse werden von der Voraussetzung des Tatverdachts gelöst und dadurch zeitlich in die präventive Polizeiarbeit vorverschoben. Zwar scheint der Präventionsdrang nicht derart ungezügelt, wie er sich jüngst in der bayerischen Gesetzgebung manifestierte, die auch für verdeckte Polizeiarbeit eine „drohende Gefahr“ genügen lässt, was auf Kritik stieß. Indem die polizeilichen Befugnisse an „ernsthafte Anzeichen“ möglicher Straftaten anknüpfen, dürfte eine ausufernde Handhabung wie sie bei der Anwendung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes droht, weniger wahrscheinlich sein. Einer extensiven und potenziell verfassungswidrigen Anwendung zugänglich ist jedoch auch die Voraussetzung der „ernsthaften Anzeichen“. So hielt etwa der Regierungsrat im Gesetzgebungsverfahren bezüglich der verdeckten Fahndung und der verdeckten Vorermittlung, fest, dass der „einzugrenzende Sachverhalt u.U. noch keinem spezifischen strafrechtlichen Tatbestand zugeordnet werden“ könne. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass im Strafrecht eine Verschiebung hin zur Prävention zu beobachten ist, indem vermehrt abstrakte Gefährdungsdelikte konstruiert und Vorbereitungshandlungen kriminalisiert werden. Dies erweitert indirekt polizeiliche Befugnisse, so dass eine „drohende Gefahr“ mitunter faktisch auch außerhalb bayerischer Gefilde für erhebliche Grundrechtseingriffe ausreicht.
Andere Kantone kennen ähnliche Befugnisse, wobei sich die Gesetzgebenden uneinig darüber zu sein scheinen, ob eine Observation der Verhinderung oder der Erkennung von Straftaten, der Gefahrenabwehr oder gleich sämtlichen Zielen dienen soll. Jedenfalls bewegen sich die angesprochenen Berner Normen weitgehend innerhalb der von der Rechtsprechung festgelegten Grenzen, die namentlich anhand des Zürcher (2009; 2014) und des Genfer Polizeigesetzes (2014) aufgestellt wurden. Das Bundesgericht erachtete es etwa als verfassungskonform, dass eine Observation erst nach einem Monat gerichtlich zu überprüfen ist und Personen unabhängig der Schwere oder der Art der potenziellen Tat observiert werden können. Unzulässig dürfte aber selbst angesichts der freigiebigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung sein, dass die Polizei unter dem neuen Berner PolG im Zusammenhang mit einer Observation technische Mittel zur Lokalisation einsetzen kann (Art. 118 Abs. 2). Damit kann eine umfassende Standortüberwachung einhergehen, die im Rahmen der Strafverfolgung deutlich strengeren Voraussetzungen unterliegen würde (Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 269 ff. StPO).
Mit der Vorverschiebung strafprozessualer Maßnahmen in die Prävention geht die Schrankenwirkung, die sich aus dem erforderlichen Tatverdacht ergibt, verloren. Zugleich taugen Aspekte wie etwa die Schwere der Straftat als Kriterium im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung tendenziell wenig. Entsprechend weit ist das Ermessen der Polizei. Dessen Ausübung droht daher latent, Grundrechte zu verletzen. Derartige Bedenken sind jedoch keineswegs neu oder notwendig an den Erlass der hier besprochenen Normen geknüpft, zumal die Zulässigkeit gewisser polizeilicher Handlungen früher selbst ohne ausdrückliche Grundlage angenommen oder den damit einhergehenden Beeinträchtigungen die Grundrechtsrelevanz gänzlich abgesprochen wurde.
Rechtsstaatliche Einhegung erforderlich
Die Ausweitung von Befugnissen mit dem neuen Polizeigesetz ist schließlich auch deshalb kritikwürdig, weil gar nicht erst versucht wurde, die der Polizeiarbeit inhärente Grundrechtsproblematik rechtsstaatlich verstärkt einzuhegen. Selbst wenn es fragwürdig erscheint, ob dies überhaupt gelingen kann (siehe etwa Pichl, hier), drängte sich aus grund- und menschenrechtlicher Sicht zumindest der Versuch auf, dies mittels bestimmter Maßnahmen zu tun. Sinnvoll wären etwa eine unabhängige Ombudsstelle, die Kennzeichnungspflicht von Beamt*innen sowie das Quittieren von Personenkontrollen. Untersuchungen von Vorwürfen durch unabhängige Instanzen und die Kennzeichnung der Einsatzkräfte legt denn auch der EGMR in der Sache Hentschel und Stark v. Germany nahe. Dass derartige Anliegen im Gesetzgebungsverfahren keine Beachtung fanden, bestärkt die differenzielle Funktionsweise der Polizei.
Disclaimer: Die Autoren sind Mitglieder in Organisationen, welche die erwähnte abstrakte Normenkontrolle gegen das PolG/BE mittragen.
Sehr geehrter Herr Gutmann, sehr geehrter Herr Weber, der Versuch, sogenannte Randgruppen aus dem öffentlichen Raum mit diversen repressiven und präventiven Maßnahmen zu vertreiben, ist offenbar ein europaweites Phänomen. In Ihrem Beitrag sprechen Sie verschiedene Aspekte an: Diskriminierung, Kostenüberwälzung, Vorfeldermittlungen. Davon scheint mir in der sicherheitsrechtlichen Praxis nach Sichtung zahlreicher Judikate aus verschiedenen Ländern der Gleichheitssatz den Betroffenen insgesamt den größten Schutz zu bieten. So gibt es beispielsweise in Österreich eine ausgebaute, gleichheitsrechtlich fundierte Grundsatzrechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu den Bettelverboten, die dort inzwischen in zahlreichen Landessicherheitsgesetzen rezipiert wurde, wenn sie auch noch nicht auf Alkoholverbote übertragen wurde (vgl. dazu RFG 2018, 67). Demgegenüber ist die Argumentation mit dem Vorbehalt des Gesetzes angesichts seiner – deutschlandweit, erst recht aber europaweit – unterschiedlichen Handhabung durch Verwaltung und Rechtsprechung insgesamt weniger aussichtsreich. Zweifellos besteht die Hauptaufgabe eines modernen Polizei- und Sicherheitsrechts jedenfalls darin, gerade jenen gleichheitsrechtlichen Schutz vor Subjektivierung zu gewähren, der jetzt in Bern offenbar fehlt. Herzliche Grüße, Anna Leisner-Egensperger
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Leisner-Egensperger,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Eine Stärkung des Gleichheitssatzes in Bezug auf das PolG/BE erscheint auch uns wünschenswert, müsste derzeit allerdings durch die Rspr. erfolgen. Diesbezüglich sind wir mit Blick auf die bislang ergangene Rspr. allerdings nur verhalten optimistisch. Allgemein erscheint uns das herrschende Verständnis der Rechtsgleichheit gerade bei strukturellen Diskriminierungen häufig an seine Grenzen zu stoßen. Im Übrigen teilen wir Ihre Skepsis in Bezug auf die praktische Wirkmächtigkeit des Vorbehalts des Gesetzes.
Beste Grüße
Florian Weber und Andreas Gutmann
Natürlich muss das Recht den einzelnen vor staatlicher Willkür schützen. Gerade “Randgruppen” (der Begriff gefällt mir nicht) brauchen Schutz, da sie tatsächlich vielfältigen Formen von Gewalt ausgesetzt sind. Zum Beispiel mehr oder weniger verwahrloste Suchtabhängige. Hier hat der Staat auch eine Fürsorgepflicht, er muss ab einem gewissen Grad der Verwahrlosung eingreifen, da diese Menschen sonst sterben oder Ernsthaft zu Schaden kommen könnten. Als jemand der Zürich in den neunziger Jahren erlebt und gesehen hat, was menschliche “Wracks” sich selbst und anderen antun können, bin ich klar ein Anhänger von Repression aber immer zwingend verbunden mit sozialen Massnahmen. Vor allem Kinder und Jugendliche müssen vor diesen Menschen geschützt werden und es braucht daher eine hohe Polizeipräsenz und es muss schnell und hart eingegriffen werden. Es braucht aber auch genügend soziale (Zwangs)-Einrichtungen, die diese gestrandeten auffangen. Ich begründe das folgendermassen: Das oberste Rechtsgut ist das Leben und sein Schutz vor negativen Einwirkungen. Somit muss die Öffentlichkeit vor teilweise aggressiven Süchtigen geschützt werden oder auch vor aggressiven Bettlern. Dann wiederum haben diese verwahrlosten Menschen das recht, auch gegen ihren Willen, aus ihren elendigen Zuständen befreit zu werden. Ohne hartes Eingreifen, werden die Grundrechte praktisch aller verletzt. Das der Spielraum der Polizei an vielen Orten erweitert wird, ist daher zu begrüssen. Eine kritische Begleitung durch die Gerichte ist sicherlich wünschenswert, vor allem dann, wenn es um das Grundrecht auf Durchführung und/oder Teilnahme an einer friedlichen und bewilligten Demonstration geht.