Kupierte Freihandelsabkommen: Verfassungsrechtliche Herausforderungen einer neuen Unionsstrategie
Bisher wurden die Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Abkommen bei allen Freihandelsverträgen der Union mit Drittstaaten eigenständige Vertragsparteien. Der Freihandel war damit keine ausschließliche Domäne der Union. Mit dieser Tradition wird die EU-Kommission unter ihrem Präsidenten Juncker nun brechen. Wie sich aus unmissverständlichen Hinweisen in der Rede zur Lage der Union erkennen lässt, werden Freihandelsabkommen zukünftig aufgeteilt: Übrig bleiben ein äußerst umfangreicher Vertrag, der ausschließlich von der Europäischen Union selbst geschlossen werden kann, und ein Rumpfvertrag, bei dem neben der Union noch die Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Was aber steht hinter diesem Paradigmenwechsel, der sich auch als Strategie der kupierten, also beschnittenen Freihandelsabkommen beschreiben lässt? Und ist er noch vereinbar mit dem Karlsruher Rechtsspruch, dass die mitgliedstaatliche Rechtssubjektivität nicht zu Gunsten einer staatsanalogen Union zurückweichen darf?
Die Zukunft des Freihandels unter dem Dach der Union
Eines der Kernanliegen der Kommission unter Juncker, so lässt es sich seiner Rede zur Lage der Union entnehmen, ist die Stärkung der europäischen Handelsagenda. Dabei fehlt es der Kommission weder an Selbstbewusstsein noch an Ehrgeiz: Zum einen stünden, so Juncker, Partner aus der ganzen Welt Schlange, um Handelsabkommen mit der Union abzuschließen. Dabei werde die Union jedoch keine Geschenke verteilen, kein Naivling sein, sondern strikte Gegenseitigkeit einfordern. Zum anderen gibt er das Ziel aus, Handelsabkommen mit Australien, Neuseeland, Japan, Mexiko und weiteren südamerikanischen Ländern bis zum Ende der aktuellen Amtszeit, dem Jahr 2019, abzuschließen. Und das alles unter Wahrung größtmöglicher Transparenz. Hat die Union etwa das Wundermittel gefunden, das handelspolitische Effizienz mit Prinzipientreue und demokratischer Beteiligung vereint? Sind wallonische Nein-Sager, Chlorhühnchen und TTIP-Leseräume damit Relikte aus einer anderen Zeit? Hört man Junckers ambitionierte Ansprache aufmerksam zu, man mag es denken. Doch den Weg dahin deutet er nur an. Daher lohnt ein näherer Blick.
Als erstes verwundert es zu hören, dass umfassende Freihandelsabkommen innerhalb von wenigen Monaten abgeschlossen werden sollen. Allein der Ratifikationsprozess zum Freihandelsabkommen mit Südkorea beispielsweise dauerte nicht weniger als fünf Jahre. Auch CETA, das umfassende Handelsabkommen mit Kanada, wurde zur Hängepartie: Die Verhandlungen begannen im Jahr 2009, ab nächster Woche wird es vorläufig angewendet. Wann es vollständig in Kraft tritt, hängt davon ab, wie schnell die mitgliedstaatlichen Ratifikationsprozesse abgeschlossen werden (hier der derzeitige Stand, Südkorea lässt grüßen). Die angestrebte Verkürzung der Verfahrensdauer kann daher nur bedeuten, dass die Kommission den Abschlussmodus im Freihandel radikal ändern möchte.
Parlamentarische Mitbestimmung als Integrationshemmnis
Dazu muss man Folgendes wissen: Bisher wurden die Mitgliedstaaten im Rahmen gemischter Abkommen bei allen Freihandelsverträgen der Union mit Drittstaaten eigenständige Vertragsparteien. Gemischte Abkommen sind völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten der Union, die die Zuständigkeiten sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten berühren. Daher können sie von keiner Partei allein geschlossen werden. Gemischte Abkommen machen den Reglungsverbund also handlungsfähig, indem die vertraglich gewollten begrenzten Kompetenzen, die jede Partei für sich genommen hat, durch Zusammenwirken erweitert werden. Wo genau die Kompetenzgrenzen verliefen, wer also für welche Vertragsbereiche verantwortlich war, wurde aber in den seltensten Fällen klar benannt. Gemischte Abkommen waren ein bequemer Weg, politisch kostspielige Streitigkeiten unausgefochten zu lassen und sich gegenüber Drittstaaten einig zu zeigen. Union und Mitgliedstaaten übernehmen durch die getrennten Ratifikationsprozesse die Gesamtverantwortung für ein Abkommen. Dieser Modus machte jede Debatte darüber, wo die Kompetenzgrenzen verlaufen, überflüssig.
Das ging so lange gut, wie man sich tatsächlich auch politisch einig über den eingeschlagenen Weg war. Freihandelsabkommen mit Südkorea, Staaten der Andengemeinschaft oder aus West- und Südafrika durchliefen nahezu geräuschlos die notwendigen Ratifikationsprozesse, sie zogen sich nur zeitlich in die Länge. Erst als es inhaltlich mit TTIP und CETA heikel wurde, schärfte sich das öffentliche Bewusstsein für den Freihandel (vielleicht auch, weil man zum ersten Mal mit Verhandlungspartnern auf Augenhöhe am Tisch saß, die zu tatsächlichen Zugeständnissen zwangen?). Die Konsequenz dieses öffentlichen Erwachens sind hinreichend bekannt: Gegen beide Abkommen regte sich lautstarker Protest in Gesellschaft und Politik, der auch ein Schlaglicht auf die intransparenten Verhandlungsprozesse warf. Während TTIP gegenwärtig auf Eis liegt, drohte CETA an der Vetomacht des wallonischen Parlamentes zu scheitern, bevor es dann doch die Zustimmung erhielt.
Die Episode um das wallonische Veto zu CETA offenbarte neben dem langen Abschlussprozess ein weiteres Grundproblem gemischter Abkommen: Die Vetomacht, die die mitgliedstaatlichen Parlamente haben, erstreckt sich materiell auf den gesamten Vertrag und nicht nur auf die Regelungsbereiche in mitgliedstaatlicher Kompetenz. Anders ausgedrückt wird die Entscheidungsmacht der Mitgliedstaaten durch diese Verfahrensart überhöht. Mitbestimmung wird zum Integrationshemmnis. Bekanntlich hat das Drama ein versöhnliches Ende genommen, und CETA durchläuft nun als gemischtes Abkommen die nationalen Ratifikationsprozesse. Dennoch wurde deutlich, dass das bisherige Modell der Gesamtverantwortung, der Nichtklärung von Kompetenzsphären der ambitionierten Freihandelsstrategie der Union entgegensteht.
Es ist kaum vorstellbar, dass geplante Freihandelsabkommen mit kontroversen Partnern wie China, Japan, Indien oder die USA in einem souveränitätsbedachten und EU-kritischen Umfeld ratifiziert werden könnten. Will die Union also eine effektive und umfassende Freihandelspolitik erreichen, wie sie es anstrebt, muss sie die Mitbestimmung der Mitgliedstaaten kupieren. Und genau das hat die Kommission vor. Der Schlüssel hierzu ist die Aufspaltung von Freihandelsabkommen in zwei Teile. Übrig bleiben ein äußerst umfangreicher Vertrag, der ausschließlich von der Europäischen Union selbst geschlossen werden kann und ein Rumpfvertrag, bei dem neben der Union noch die Mitgliedstaaten zustimmen müssen. Das aber ist nur möglich, wenn die Kompetenzbereiche zwischen Union und Mitgliedstaaten klar definiert sind. Die Grenzen aber waren umstritten, sodass die Kommission den EuGH ersuchte, eine gutachterliche Einordnung anhand des Freihandelsabkommens mit Singapur vorzunehmen.
Die Kommission verwandelt die Vorlage des EuGH aus dem Singapur-Gutachten
Zwar stellte der Gerichtshof in seinem Gutachten vom Mai fest, dass die Union umfassende Freihandelsabkommen nicht ohne selbstständige Beteiligung der Mitgliedstaaten als Vertragspartei abschließen kann. Dieses Ergebnis, das vielerorts kurzsichtig als Stärkung der mitgliedsstaatlichen Parlamente verstanden wurde, ist in Wahrheit jedoch zweitrangig. Der Mehrwert des Gutachtens besteht vielmehr darin, die umstrittenen Kompetenzverläufe zwischen Union und Mitgliedstaaten markiert zu haben. In bester Tradition des EuGH wurden ausschließliche Unionskompetenzen äußerst weit interpretiert: Die ausschließliche Unionskompetenz zur gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV wird nun so weit verstanden, dass auch eigentlich handelsfremde Bereiche wie Arbeits- und Umweltschutz durch eine Kontextualisierung mit dem Handel erfasst sind. Zudem muss sich der Umfang ausschließlicher impliziter Außenkompetenzen der Union gem. Art. 3 Abs. 2 AEUV nicht mehr vollständig danach richten, in welchem Umfang die Union intern ermächtigt ist, sondern kann darüber hinausgehen. Auch offenkundige Übergriffe der Union in die mitgliedstaatliche Kompetenz sind vom EuGH legitimiert, wenn sie nur begrenzte Wirkungen entfalten (detaillierter hier nachzulesen). Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wird damit an seine Grenze, teilweise sogar darüber hinaus geführt.
Als nicht ausschließliche Unionszuständigkeiten blieben nur noch Portfolioinvestitionen und die private Schiedsgerichtsbarkeit. Dabei handelt es sich nicht aber um ausschließliche Kompetenzen der Mitgliedstaaten, sondern um solche, die zwischen ihnen und der Union nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 AEUV geteilt sind.
In dieser Kompetenzabgrenzung sieht die Kommission nun eine Schablone, die sie an zukünftige Handelsverträge anlegen kann. Die Bereiche, die die Union nicht ohne die mitgliedstaatlichen Parlamente regeln kann, werden ausgeschnitten und in ein separates Abkommen verlagert. Übrig bleibt ein umfassendes Abkommen, dass die nationalen Ratifikationsprozesse nicht mehr durchlaufen muss. Gemischte Abkommen, wie wir sie bisher kannten, werden damit historisiert. Es wird sich eine Praxis dieser kupierten Freihandelsabkommen entwickeln.
Aus Diplomatenkreisen wurde vorab bekannt (hier, unter „Schneller handeln“), dass Juncker diese Aufteilung als neue Kommissionsstrategie ausgeben wird. Er tat dies jedoch nicht ausdrücklich, sondern versteckt, indem er betont, dass Handelsabkommen zukünftig zügig geschlossen werden können.
Zudem erklärte er, dass das Europäische Parlament bei allen Handelsabkommen das letzte Wort habe. Diese Rolle hatten vorher die nationalen Parlamente inne: Indem sie die Ratifikation verweigerten, hatten sie als letzte Instanz die Entscheidungsmacht darüber, ob ein Abkommen zustande kommt oder nicht. Die Mitgliedstaaten werden von der Union im Freihandel mediatisiert. Als Kompensation für das Verdrängtwerden sieht Juncker Ministerrat und Kommission in der Pflicht, die nationalen und regionalen Parlamente umfassend zu informieren. Damit nehmen diese aber nur noch eine nachvollziehende Funktion wahr. Nach gegenwärtiger Rechtslage haben weder Bundestag noch Bundesrat eine Handhabe, den deutschen Vertreter im Ministerrat der Union zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu verpflichten. Auch wenn dies so wäre: In der Regel kann der Ministerrat über Freihandelsabkommen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, sodass die deutsche Stimme übertönt werden könnte. Das schwächt neben der parlamentarischen Gestaltungsmacht auch die Möglichkeiten des gesellschaftlichen Protests gegen umfassende Freihandelsabkommen, indem er sich nun nicht mehr an die nationalen Volksvertreter, sondern ausschließlich an die EU-Parlamentarier und Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten richten muss.
Die Sogwirkung ausschließlicher Kompetenzen
Auch ist es nicht gesichert, ob es überhaupt zu den gemischten Rumpfverträgen kommen wird. Wie bereits erwähnt, befinden sich private Schiedsgerichtsbarkeit und Portfolioinvestitionen im geteilten Zuständigkeitsbereich. Der EuGH nimmt zwar an, dass diese Kompetenzlage einen gemischten Abschluss erforderlich macht. Dieses Verständnis geteilter Kompetenzen wirkt jedoch befremdlich: Bisher gab es in Rechtsprechung und Wissenschaft die klare Linie, dass geteilte Kompetenzen aus dem Katalog der Mitgliedstaaten herausgelöst werden können, in dem die Union auf diesem Feld tätig wird. Wird die Union tätig, verlieren die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit. Warum die Union ein solches Abkommen nicht alleine schließen darf, wird vom EuGH nicht näher begründet. Die Kommission ließ in einem Strategiepapier (S. 11) jedenfalls schon früh erkennen, dass geteilte Kompetenzen für sie nicht notwendig bedeuten würden, dass ein Abkommen als gemischtes abzuschließen sei.
Es macht skeptisch, dass der EuGH seinen anderslautenden Befund überhaupt nicht begründet. Im Grundsätzlichen hat sich der EuGH nie dagegen gewandt, dass die Kommission die Kompetenzordnung als Verfügungsmasse begriff und Kompetenzgrenzen zu seinen Gunsten immer weiter ausdehnte (im Einzelnen Nettesheim, JZ 2014, S. 585 ff.). Vor diesem Hintergrund scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Bisher waren gemischte Abkommen mehr als die Summe ihrer Teile, mehr als das Nebeneinander von Regelungen in unterschiedlichen Verbandskompetenzen. Sie waren nämlich ein umfassendes Regelwerk. Was aber passiert, wenn sich nun ein Mitgliedstaat dazu entschließt, die Schiedsgerichtsbarkeit im separaten Abkommen nicht zu akzeptieren und die Ratifikation verweigert? Kann man Materien in einem Vertrag regeln, ohne zu wissen, ob der Durchsetzungsmechanismus aus einem anderen Abkommen überhaupt implementiert wird? Wird dann nicht eher nach alternativen Streitbeilegungsmechanismen gesucht, die in den Freihandelsvertrag selbst aufgenommen werden können, für die also die Union zuständig ist? Damit ausgedrückt sei die Sorge vor einer Sogwirkung, einem typisches Phänomen föderaler Systeme: Im Laufe der Zeit sammeln sich immer mehr Befugnisse auf der zentralen Ebene.
Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Portfolioinvestitionen bald in den Kompetenzbereich der Union wandern, hat sich die Kompetenzausstattung der Union bisher doch immer im Gleichklang mit den Anforderungen des modernen Freihandels entwickelt (so war es beispielsweise mit der Zuständigkeit für Handelsaspekte des geistigen Eigentums, Dienstleistungen und Direktinvestitionen, die mit dem Vertrag von Lissabon in die Unionskompetenz nach Art. 207 Abs. 1 AEUV überführt wurden). Die Aussage, dass es ein kleineres gemischtes Abkommen geben wird, wenn Brüssel die Schere am Gesamtvertrag ansetzt, wirkt wie eine Mogelpackung.
Die Notwendigkeit einer neuen Kompetenzdebatte in den Außenbeziehungen
Über den bisherigen Modus gemischter Abkommen hatten die Mitgliedstaaten noch die Möglichkeit, Kompetenzausweitungen zumindest materiell durch ihr Veto im nationalen Ratifikationsprozess zu blockieren. Gemischte Abkommen waren für sie ein Vehikel zur Selbstbehauptung als Völkerrechtssubjekt, gewissermaßen ihre Lebensversicherung. Nun, da Blockade des nationalen Ratifikationsprozesses durch die neue Gestaltung von Handelsverträgen nicht mehr möglich sein wird, verflüchtigt sich ihre Rechtssubjektivität.
Im Schatten gemischter Abkommen hat sich ein weites Verständnis der gemeinsamen Handelspolitik Bahn gebrochen, das im Singapur-Gutachten auf die Spitze getrieben wurde. Implizite Kompetenzen hatte der EuGH zunächst in die Unionsrechtsordnung hineingelesen, ehe seine Rechtsprechung im Vertrag von Lissabon kodifiziert wurde. Dass der EuGH in seiner Rolle als Motor der Integration nicht davon absehen würde, implizite Kompetenzen in noch größerem Umfang fortzuschreiben, wenn sie erst einmal kodifiziert sind, überrascht nicht.
Das Problem ist grundsätzlich nicht die Aufteilung umfassender Freihandelsabkommen in gemischte und ausschließliche Teile der Union. Das Problem ist, diese Teilung auf Grundlage der Kompetenzeinordnung durch das Singapur-Gutachten vorzunehmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Möglichkeit, im CETA-Hauptverfahren eine Kurskorrektur anzustoßen. Man hätte sich aus souveränitätsbewusster Sicht jedoch gewünscht, dass bereits die Entscheidung im Eilverfahren schärfer formuliert worden wäre, zumindest aber potentielle Argumentationspfade des EuGH antizipiert hätte. Beispielsweise befasste sich das Verfassungsgericht nicht mit dem Umfang impliziter Kompetenzen, sondern fokussierte sich nur auf die Frage, ob alle Bereiche des Abkommens der gemeinsamen Handelspolitik unterfallen. Der EuGH subsumierte verkehrsbezogene Regelungen nicht aber unter die gemeinsame Handelspolitik, sondern nahm eine implizite Kompetenz an.
Eine umfassendere, argumentativ belastbarere Auseinandersetzung des Bundesverfassungsgerichts mit der Kompetenzlage hätte zumindest den Rechtfertigungsdruck auf Seiten des EuGH in seinem Singapur-Gutachten erhöht. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es sich nur um eine vorläufige Prüfung handelte. Die Entwicklung klarer Maßstäbe im CETA-Hauptverfahren ist allerdings dringend angezeigt. Das Singapur-Gutachten des EuGH selbst wirft in Dogmatik und Argumentation einige Fragen auf (Einzelheiten im Gutachten von Nettesheim, S. 67 f.) und stößt damit auf verfassungsrechtliche Bedenken. Dieses Unterfangen ist politisch jedoch äußerst heikel: Würde CETA, das nun vorläufig angewendet werden, der ultra-vires-Kontrolle oder Identitätskontrolle des Bundesverfassungsgerichts nicht standhalten und damit im deutschen Rechtsraum keine Geltung für sich beanspruchen können, würden die fragilen Grundfeste der Union noch weiter erschüttert.
Mitgliedstaaten vor Verlust ihrer Rechtssubjektivität
Die Entwicklungen hin zu kupierten Freihandelsabkommen sind zu lesen vor der Folie, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Lissabon-Entscheidung entwickelt hat. Hier stellte es noch optimistisch fest, dass ein Zurücktreten der Mitgliedstaaten in den auswärtigen Beziehungen zu Gunsten einer immer deutlicher staatsanalog auftretenden Union nicht abzusehen sei (BVerfG, 2 BvE 2/08, Rn. 376). Eine solche Entwicklung sei auch nicht durch den Vertrag von Lissabon legitimiert. Betrachtet man nun die Wende in der Freihandelspo