Rechtsreferendarin mit Kopftuch: Rosa Parks im Zuschauerraum des Gerichts
Um die richterliche Perspektive einnehmen zu können, sitzen Referendare und Referendarinnen während ihrer Ausbildung für gewöhnlich am Richtertisch. Dies gilt indes nicht für alle; manche Referendarinnen werden während der Verhandlungen in den Zuschauerbereich des Gerichtssaals verbannt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis am 27. Juni 2017 durch Beschluss einstweilig geduldet. Gestützt auf § 45 Hessisches Beamtengesetz und konkretisiert per Erlass vom 28. Juni 2007 untersagte das Hessische Ministerium der Justiz Referendarinnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, während der Ausbildung im Gerichtssaal auf der Richterbank zu sitzen, Sitzungsleitungen oder Beweisaufnahmen durchzuführen, Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft zu übernehmen oder in der Verwaltungsstation einen Anhörungsausschuss zu leiten. Von all diesen, in der Öffentlichkeit stattfindenden Schritten der juristischen Ausbildung sind muslimische Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch ausgeschlossen.
Zur vollumfänglichen Ausbildung einer Rechtsreferendarin mit Kopftuch
Die Entscheidung erfolgte im Wege einer Abwägung im einstweiligen Rechtsschutz; das Bundesverfassungsgericht hält die Verfassungsbeschwerde demnach weder für von vornherein unzulässig, noch für offensichtlich unbegründet (Rn. 34). Ob eine Rechtsreferendarin mit Kopftuch vollumfänglich ausgebildet werden muss, wird in der Hauptsacheentscheidung zu klären sein. Das Gericht geht davon aus, dass die Belange des Landes Hessen derzeit überwiegen. Das sind zum einen dessen Verständnis von weltanschaulich-religiöser Neutralität des Staates und zum anderen die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Prozessbeteiligten. Dabei ist besonders, dass das Bundesverfassungsgericht den Neutralitätsbegriff modifiziert („unbedingte Neutralität“ (1.)) und damit erhöhte Hürden für den Grundrechtsschutz der Rechtsreferendarin aufstellt. Hervorzuheben ist die versuchte Konstruktion der „mutmaßlichen Grundrechtsverletzung“, die hier die möglicherweise betroffene negative Religionsfreiheit der Prozessbeteiligten aufwertet. So wird die negative Religionsfreiheit auch nicht abgestimmt mit der Kopftuch-Entscheidung des Ersten Senats aus dem Jahre 2015. Danach wird selbst Schulkindern zugetraut, die muslimische Grundrechtsträgerin als Individuum vom Staat zu unterscheiden. Eine Erklärung, warum die Schule anders als die Justiz gesehen werden sollte, bleibt das Bundesverfassungsgericht schuldig. Zum anderen bleibt in dieser Sache zu kritisieren, dass nicht zwischen den unterschiedlichen Funktionen von Rechtsreferendarinnen einerseits und Richterinnen und Staatsanwältinnen andererseits unterschieden wird. Kritikwürdig ist zudem, dass in Folge des Beschlusses eine Juristenausbildung erster und zweiter Klasse anerkannt wird (2.). Der Beschluss relativiert somit die positive Religionsfreiheit und marginalisiert die Berufsfreiheit.
Erinnerungswürdig: Auch Angestellte im öffentlichen Dienst können sich auf Religionsfreiheit berufen
Immerhin tritt das Bundesverfassungsgericht mit grundlegenden Feststellungen in Bezug auf den Schutzbereich der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG aktuellen Relativierungsversuchen entgegen. So sind auf Seiten der Referendarin zusätzlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG (persönliche Identität) und Art. 12 Abs. 2 Satz 2 GG (Berufsfreiheit) betroffen (Rn. 40). Auf all diese Grundrechte können sich Angestellte im öffentlichen Dienst auch im Dienst berufen (Rn. 38, st. Rspr.). Besonders hervorzuheben ist, dass das Bundesverfassungsgericht das Verständnis der religiös-weltanschaulichen Neutralität als offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung „insbesondere auch für den vom Staat garantierten und gewährleisteten Bereich der Justiz“ überträgt (Rn. 48). Darin ist eine genuin neue Feststellung zu sehen: Für die Justiz kann grundsätzlich kein anderes religiös-weltanschauliches Neutralitätsverständnis gelten als für die anderen Bereiche staatlichen Handelns.
Die Pflicht, bestimmte Tätigkeiten ohne Kopftuch wahrzunehmen, ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Glaubensfreiheit, denn „[s]ie stellt den Betroffenen vor die Wahl, entweder die angestrebte Tätigkeit auszuüben oder dem von ihm als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsverbot Folge zu leisten“ (Rn. 37). Dann allerdings überrascht das Bundesverfassungsgericht: Da der Eingriff zeitlich und örtlich begrenzt sei und „nur“ für repräsentative Tätigkeiten gelte, sei er weniger gewichtig. Die übrigen, weit überwiegenden nicht praktischen Ausbildungsinhalte können unproblematisch wahrgenommen werden (Rn. 41). Wird hiermit nicht die Bedeutung der Grundrechte der Glaubensfreiheit ad absurdum geführt, wenn in diese zeitlich und örtlich eingegriffen werden kann und damit staatliche Eingriffe entgrenzt werden? Das Bundesverfassungsgericht ermöglicht dadurch, dass zumindest dieses vorbehaltslos gewährleistete Grundrechte durch punktuelle Eingriffe ausgehöhlt werden kann und verkennt, dass bei einem „nachvollziehbar als imperativ verstandenen Glaubensgebot“, wie es das Tragen eines muslimischen Kopftuchs nach ständiger Rechtsprechung ja ist, auch die zeitliche und örtliche Begrenztheit nichts an der hohen Eingriffsintensität zu ändern vermag.
1. Verabsolutierung einer neuverstandenen „unbedingten Neutralität“ und das potentielle Empfinden von Prozessbeteiligten
Für die richterliche Tätigkeit verlangt das Bundesverfassungsgericht „unbedingte Neutralität“ (Rn. 49). Der Zusatz „unbedingt“ erhöht auf den ersten Blick die Hürden für den Grundrechtsschutz im Bereich der Justiz. Auf den zweiten Blick wird jedoch erkennbar, dass diese Steigerung nicht für das Konzept religiös-weltanschaulicher Neutralität gilt, sondern speziell auf die richterliche Unabhängigkeit bezogen ist. Bis dato reichen die Regelungen zur Befangenheit, wenn Verfahrensbeteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass haben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dieses neue Begriffspaar erinnert an die bereits vom baden-württembergischen Gesetzgeber im „Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften“ eingeforderte „absolute Neutralität“ und „strikte Neutralität“. Wenn schon der „Anschein der Neutralität“ geschützt werden soll, wird ein neues Verfassungsgut geschaffen, um die grundsätzlich vorbehaltslos gewährleistete Glaubensfreiheit in ihrem Kern auszuhöhlen, wie hier schon treffend kommentiert wurde. Problematisch bei diesen neu geschaffenen Verfassungsgütern ist, dass sie dem Zweck dienen, dem gefühlten Empfinden einer Mehrheit entgegenzukommen, um die Grundrechte von Minderheiten erleichtert einzuschränken.
Die für die Richterschaft geforderte „unbedingte Neutralität“ wird sodann unbesehen auf die Rechtsreferendarin übertragen und durch die Feststellung verabsolutiert, dass Rechtsreferendarinnen „als Repräsentanten staatlicher Gewalt auftreten“ und deshalb „das staatliche Neutralitätsgebot“ zu beachten haben (Rn. 50). Diese kurze Feststellung ist verfassungsrechtliches Neuland und bleibt ohne weitere Begründung. Es erfolgt keine weitere Auseinandersetzung mit der nicht vergleichbaren Funktion von Referendarinnen und Richterinnen, kein Wort dazu, dass Art. 92, 97 und Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, aus denen das Bundesverfassungsgericht die „unbedingte Neutralität“ ja herleitet, für die Referendarin weder analog noch direkt gelten. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich hier über den Wortlaut und Sinn der Normen hinweg: Art. 97 und 101 Abs. 1 S. 2 GG gelten nur für „Richter“ im Sinne von Art. 92 GG (also Berufs- aber auch Laienrichter und Schöffen). Sie gelten nicht für weisungsgebundene, eben nicht unabhängige und nur punktuell richterlich tätige Referendarinnen. Dadurch wird das Verständnis der offenen religiös-weltanschaulichen Neutralität, die religiöse Bezüge in der Öffentlichkeit ja gerade zulässt, vermengt mit einer „unbedingten Neutralität“, die für die Spruchrichtertätigkeit gilt.
Bekanntlich gilt Art. 97 Abs. 1 GG auch nicht für Staatsanwältinnen, denn diese sind nicht unabhängig, sondern gegenüber den Justizministerien weisungsgebunden. Im Übrigen gelten auch die Befangenheitsregeln nicht für Staatsanwältinnen. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet also auch nicht zwischen den einzelnen Ausbildungsstationen und nimmt die „unbedingte Neutralität“ auch dort an, wo sie verfassungsrechtlich gar nicht gefordert wird. Dies mindert (nicht nur) die Verallgemeinerungswürdigkeit des Beschlusses.
Begründet wird die geforderte Neutralität mit der „unausweichlichen Situation“ für die Verfahrensbeteiligten, die sich dem „Einfluss eines bestimmten Glaubens“ im Gerichtssaal nicht entziehen könnten. Damit bewertet das Bundesverfassungsgericht die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Prozessbeteiligten aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG nicht nur über, sondern verlässt seine eigenen Pfade: galt doch in ständiger Rechtsprechung, dass nicht jede Konfrontation mit religiösen Symbolen zugleich eine Verletzung der negativen Glaubensfreiheit darstellt, solange der Einzelne damit nicht in religiöse Zwangslagen gebracht wird. Die negative Dimension der Glaubensfreiheit dient der Freiheitssicherung in Lebensbereichen, die vom Staat in Vorsorge genommen worden sind und schützt den Einzelnen davor, zur Teilnahme an religiösen Übungen gezwungen zu werden. Ein solcher Zwang wurde bisher zu Recht weder in der Gemeinschaftsschule mit christlichem Charakter, noch bei der Unterrichtung durch eine kopftuchtragende Lehrperson und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch nicht beim Schulgebet erkannt. Auch bei der Frage nach der Religionszugehörigkeit im Rahmen der Aufnahme in ein Krankenhaus und selbst dann nicht, wenn man der seelsorgerischen Betreuung anderer Patient_innen beiwohnen muss (BVerfGE 46, 266), wurde Zwang, und damit eine Grundrechtsverletzung bisher angenommen.
Soll nun für erwachsene, gelegentlich auch anwaltlich vertretene Prozessbeteiligte anderes gelten? Zwar erkennt auch diesmal die Kammer, dass die negative Glaubensfreiheit nicht vor der bloßen visuellen Konfrontation mit fremden Glaubensbekundungen schützt (Rn. 52). Allerdings legt sie dann unzutreffend und in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung nahe, dass durch die Referendarin mit Kopftuch eine Lage geschaffen würde, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen dieser sich manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt sei.
Es muss weiterhin, wie in den Schulfällen, unterschieden werden, ob die religiöse Bekundung dem Staat zurechenbar ist (wie das Kreuz an der Wand) oder Ausdruck der individuellen Freiheit einer einzelnen Amtsträgerin ist (Kopftuch). Auch bei der Rechtsreferendarin muss gelten, dass der Staat ihre mit dem Tragen eines Kopftuchs verbundene religiöse Aussage nur hinnimmt und sie sich nicht zu eigen zu machen, sich diese folglich auch nicht zurechnen lassen muss. Auf diese entscheidende Differenzierung geht die Kammer in der Folgenabwägung nicht ein, stattdessen geht sie im justiziellen Bereich pauschal von einer „unausweichlichen Situation“ für die Prozessbeteiligten aus, denen zugemutet wird, „einen Rechtsstreit unter der Beteiligung von Repräsentanten des Staates zu führen, die ihre religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen erkennbar nach außen tragen“ (Rn. 53). Damit mutmaßt das Bundesverfassungsericht mit unbegründeten Grundrechtsverletzungen.
Besonders kritikwürdig ist damit auch, dass das Bundesverfassungsgericht mögliche negative Projektionen auf das Kopftuch der Grundrechtsträgerin zur Last legt , weil sie diese Fremddeutungen nicht nur provoziere, sondern auch noch billigend in Kauf nehme. Zwar stellt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Verpflichtung, ein Kopftuch zu tragen, auf das Selbstverständnis der Grundrechtsträgerin ab. Für die Frage nach der mutmaßlichen Bedeutung des Kopftuches kommt es dann aber vorrangig auf die negativen Zuschreibungen durch Dritte, nämlich andere Verfahrensbeteiligte, an (Rn 51).
Doch selbst wenn auf solche Deutungen Dritter abgestellt wird: ist die Information, dass eine Frau praktizierende Muslimin ist, gleichzusetzen damit, dass sie das geltende Recht und Gesetz unbeachtet lässt? Das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit vielen impliziten und folglich auch gänzlich unbelegten Annahmen. Diese stärken bedauerlicherweise die weitverbreiteten Vorurteile gegenüber Frauen mit Kopftuch.
2. Staatliche Juristenausbildung erster und zweiter Klasse
Das juristische Referendariat ist ein staatlich monopolisierter Ausbildungsgang, den alle Juristinnen und Juristen durchlaufen müssen, um das zweite Staatexamen absolvieren und damit die Voraussetzung für viele juristische Tätigkeiten erfüllen zu können. Durch die Untersagung ist die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG deshalb maßgeblich berührt, welche aber im Beschluss wenig Beachtung findet. Der durch das Verbot bewirkte Eingriff in die Ausbildungsfreiheit wird stattdessen sogleich minimiert, da auf Sitzungsleitung und Verfahrenshandlungen für Referendarinnen und Referendare kein Anspruch bestehe. Bei Sitzungsvertretungen handele es sich indes nicht um „Regelleistungen im engeren Sinne“ (Rn. 43); deren Nichtvornahme schlage sich nicht (mehr!) nachteilig im Stationszeugnis nieder (Rn. 45).
Muslimischen Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch wird jedoch ohne die Vornahme dieser nach außen sichtbaren Ausbildungstätigkeiten keine gleichwertige juristische Ausbildung ermöglicht. Eine Ausbildung, in der Verfahrensschritte nur von hinten und nur von weitem wahrgenommen werden können, ist lückenhaft. Kopftuchtragende Referendarinnen werden von diesen grundlegenden Lernerfahrungen eigenverantwortlicher und selbstständiger Ausbildungsschritte ausgeschlossen, die im Übrigen für alle späteren juristischen Berufstätigkeiten von Relevanz sind. Dass die Bedeutung der Sitzungsvertretung signifikant ist, zeigt sich daran, dass sie noch bis zur kürzlich geänderten Erlasslage in die Notenvergabe miteinfloss.
Damit wird das juristische Referendariat in eine Ausbildung erster und zweiter Klasse unterteilt. Statt standardisierter Ausbildungseinheiten für alle wird unterschieden und diskriminiert. Ob intendiert oder nicht – eine Stigmatisierung der Referendarinnen mit Kopftuch ist die Folge.
Die praktischen Arbeiten in der juristischen Ausbildung sollen laut § 28 Abs. 1 Satz 2 JAG Hessen die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Referendarinnen und Referendare stärken. Dies wird gerade auch durch die Wahrnehmung von hoheitlichen Tätigkeiten mit Außenwirkung erreicht. Doch gerade von diesen schliessen staatliche Verbote Referendarinnen mit Kopftuch aus. Dadurch wird ihre Fähigkeit zur neutralen Rechtsanwendung in der Justiz in Frage gestellt, ohne dass sie sich konkrete Verhaltensweisen oder Äußerungen zu Schulden haben kommen lassen. Dies alles ohne jegliche, wie im schulrechtlichen Bereich geforderte, hinreichend konkrete Gefahr. So sieht Stigmatisierung aus.
Auch in der Justiz muss gelten: Recht auf Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit
Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates ist ein wichtiges Gut zur Herstellung von Rechtsstaatlichkeit. Nur stellen wir Neutralität nicht her, indem wir „Andere“ von entscheidenden Positionen im Justizwesen ausschließen. Die bloße Sichtbarkeit eines Merkmals nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG (Geschlecht, Religion, Rasse, u.a.) darf nicht zum Ausschluss von der Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit führen – auch und gerade nicht von Positionen in der Justiz!
Liegt da nicht die Parallele zur Afroamerikanerin Rosa Parks nahe, der es 1955 in Montgomery Alabama, USA verwehrt wurde, vorne auf den für Weiße reservierten Sitzen im Bus Platz zu nehmen und die stattdessen auf die hinteren Plätze verwiesen wurde? Rosa Parks und die muslimische Rechtsreferendarin mit Kopftuch in Hessen haben eines gemeinsam: Die Verweisung auf die hinteren Reihen erfolgt wegen ihrer Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. Bei der einen, weil sie schwarz ist, bei der anderen, weil sie als muslimische Frau erkennbar ist. Es geht in diesem Fall also um nichts geringeres als das Grundrecht auf öffentliche Sichtbarkeit, das in diesem Fall durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG (persönliche Identität, vgl. Rn. 22, 40) und Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet sein muss.
Die Fälle sind nicht gleichzusetzen.
Rosa Parks war Fahrgast; es ging um die Frage, wo sie im Fahrgastraum sitzen durfte.
Die Beschwerdeführerin ist Referendarin; es geht um die Frage, ob sie vorübergehend Richterfunktion ausüben bzw. auf der Richterbank sitzen darf.
Dieser Unterschied heißt für sich nicht, dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliegt oder zulässig ist. Aber Umgekehrt trägt das Argument “Aber Rosa Parks!” auch nicht die Forderung, dass der Beschwerdeführerin erlaubt werden müsse, mit Kopftuch die o. g. Funktionen einzunehmen.
Ein etwas schwierigerer Unterschied liegt noch darin, dass eine Frau muslimischen Glaubens ihr Kopftuch abnehmen kann, eine Frau mit schwarzer Haut ihre Haut aber nicht. Auch das ist kein Argument für eine Ungleichbehandlung, verbietet aber die Gleichsetzung beider Fälle.
“Liegt da nicht die Parallele zur Afroamerikanerin Rosa Parks nahe, der es 1955 in Montgomery Alabama, USA verwehrt wurde, vorne auf den für Weiße reservierten Sitzen im Bus Platz zu nehmen und die stattdessen auf die hinteren Plätze verwiesen wurde?”
Nein und nochmals nein. Dieser nur vermeintlich sachliche Vergleich ist bodenlos. Er ist bezeichnend für eine Diskussionskultur, in der ohne sachlichen Grund anstatt auf der Sachebene auf eine behauptete und üble Gesinnung derer abgestellt wird, die anderer Meinung sind: Die Verfassungsrichter als verkappte Rassisten. Na dann Prost! Damit ist jede Diskussionsebene verloren.
Der Vergleich zu Rosa Parks ist geradezu am Kopftuch herbeigezogen und obendrein noch in einer Weise falsch wiedergegeben, die die herbeifabulierte Opferrolle der Referendarin stützt.
Parks saß auf einem für Schwarze vorgesehenen Platz und wurde, nachdem der Bereich für Weiße nicht mehr ausreichte, aufgefordert diesen für Weiße zu räumen und weiter nach hinten zu gehen. Es handelte sich damit um ein doppelte Diskriminierung, bei der einem selbst die Diskriminierungsregel nicht vor weitergehender Diskriminierung schützt.
Was von der Referendarin verlangt wird ist das schlichte Einhalten einer für alle gleich geltenden Regel innerhalb einer staatlichen Institution und in einem Beruf für den sie sich selbst entschieden hat und zu dem es Alternativen gibt.
Gerade das Erlauben des Kopftuchs würde zu der befürchteten Zweiklassen-Ausbildung führen.
Herr Beichel-Benedetti, es geht hier bestimmt nicht um einen direkten Vergleich, sondern darum, darauf aufmerksam zu machen, dass aufgrund nach außen erkennbarer Merkmale (Religion, Rasse o.ä. iSv Art. 3 III GG) bestimmten Personen die sichtbare Ausübung der eigentlich für alle vorgesehenen Tätigkeiten untersagt wird. Und das bei gleicher Qualifikation. Es wird aber definitiv kein Rassismusvorwurf erhoben, denn die Richter haben sich das Verbot nicht ausgedacht. Gut möglich, dass es aus der erhabenen Perspektive von uns Durchschnitts-Deutschen einfach nur aussieht, wie der Vollzug einer wie auch immer gearteten Neutralitätsnorm. Aber versetzen Sie sich doch mal in die Betroffene: Für sie ist die Verweisung in die “Hinterbänke”, weil sie als Muslimin erkennbar ist, eine klare Ansage. Entweder Du passt Dich an, oder Du verziehst Dich auf die vorgesehenen Plätze hinten. Der Richtertisch ist für vermeintlich “Normale” reserviert. Um nicht zu sagen: whites only.
Wenn schon auf den Eindruck der Beteiligten abgestellt wird, kann man sich vielleicht auch mal kurz in die Position der Referendarin versetzen.
WeForTheEU, ich glaube Sie haben nicht verstanden, dass die Referendarin nicht “mehr” verlangt, sondern einfach nur Gleichbehandlung in der Ausbildung. Darum geht es ja gerade.
Nahed Samour: “Liegt da nicht die Parallele zur Afroamerikanerin Rosa Parks nahe …”
Natürlich nicht, weil die Hautfarbe keine Religion/Weltanschauung ist.
Niemand darf auf der Richterbank seine Weltanschauung oder Religion zur Schau tragen. Dies für die Muslima zu erlauben, wäre ein Sonderrecht.
Der Ku Kux Klan ist in Deutschland nicht verboten. Hätte ein Richter das Recht vor Gericht in weißer Kapuze zu erscheinen? Sicher nicht, obwohl er dann doch die Gemeinsamkeit mit Rosa Parks und der Muslima hätte: “Die Verweisung auf die hinteren Reihen erfolgt wegen ihrer Sichtbarkeit im öffentlichen Raum.”
Der Vergleich mit Rosa Parks setzt also die Hautfarbe mit einer Weltanschauung gleich.
Religionen/Weltanschauungen können gegen Menschenrecht verstoßen, Hautfarben offensichtlich nicht. Wer diesen Unterschied (über den Vergleich) wegfallen lässt, ist ein Rassist.
Nicht das Verbot der Sonderregelung ist rassistisch, sondern die Forderung derselben.
Herr Wasmund, Ihr Vergleich ist bodenlos und zeigt, dass sie nichts verstanden haben. Das grenzt an latenten Rassismus und zeigt, wie Treffend die Paralle von Frau Samour ist. Und werfen Sie mal einen Blick in Art. 3 III GG, vielleicht geht Ihnen dann ja ein Lichtchen auf.
@Marius Schellinghaus, Fr 7 Jul 2017 / 18:08
Ich konnte in Ihrem Beitrag leider kein Argument ausmachen. Versuchen Sie es doch mal auf der Sachebene. Wenn ich einen – anscheinend für Sie so offensichtlichen – Fehler begangen habe, werden Sie doch sicher in der Lage sein, diesen auch argumentativ(!) auszuführen.
Auch in der Debatte zu diesem Beirag fällt es einigen Kommentatoren offenbar sehr schwer nachzuvollziehen, dass das Grundgesetz mit Art. 4 und Art 33 III die Glaubens- und Religionsfreiheit unter einen speziellen grundrechtlichen Schutz gestellt hat.
Der Rosa-Parks-Vergleich kommt einem Nazi-Vergleich an Infamität schon recht nahe. Jedenfalls sollte er sich genauso verbieten wie dieser.
Wie steht es eigentlich in Hinblick auf die “Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters” und Nudelsiebe um „die religiöse Fundierung der Bekleidungswahl nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung“ (Rn. 39 des Beschlusses)?
Gläubige Menschen anderer Konfessionen haben offenbar kein Problem mit dem Kopftuch. Ich finde, das ist ein völlig unsinniger und unnötiger Streit, der einfach nur wieder manchen Leuten als Ventil gegen Muslime gelegen kommt.:
“Wer ein Kopftuch trägt, dem wird pauschal unterstellt, nicht die notwendige Neutralität für hoheitliche Aufgaben zu haben. Dieser Sichtweise liegt ein Missverständnis über staatliche Neutralität zugrunde: Menschen sind nie neutral, auch Beamte nicht. Sie können sich neutral verhalten oder nicht – ob sie Kreuz, Kippa, Kopftuch tragen oder nicht. Sie können auf der Basis der allgemein gültigen Gesetze ihre hoheitliche Funktion ausüben oder nicht. Daran sind sie zu messen – und nicht an ihren Glaubensvollzügen.
Das ermöglicht auch religiösen Minderheiten die Teilhabe an der Gesellschaft und am demokratischen Gemeinwesen. Religionsfreiheit ist eben nicht nur die Möglichkeit, unbehelligt und im Privaten zu glauben – sondern auch die Möglichkeit, den Glauben in der Öffentlichkeit leben und bekennen zu können.”
http://www.katholisch.de/aktuelles/standpunkt/menschen-sind-nie-neutral
Ein sehr guter Beitrag! Die Ausführungen zu den kritischen Stellen des Beschlusses sind sehr detailliert dargestellt! Jedoch möchte auch ich ein wenig anmerken.
Zunächst stimmt es, dass das BVerfG von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht. Als Angestellte im öffentlichen Dienst kann man sich auf Art 4 I und II GG berufen. Dort wird nicht von vornherein in Frage gestellt, ob das Tragen eines Kopftuches das Handeln beeinflusst.
Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Fällen. Die Funktion als Angestellte im Öffentlichen Dienst ist weisungsabhängig. Als Richterin ist man, wie vom BVerfG zutreffend festgestellt, gem. Art 97 I allein dem Gesetz unterworfen. Somit verbietet sich eine Weltanschauliche Kundgabe in jeglicher Form. Insbesondere vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 II GG und der Trennung von Staat und Kirche übernommen aus der WRV, wäre es für die Prozessbeteiligten unzumutbar mit jeglicher Form der Religion im Gerichtssaal konfrontiert zu werden. Sei es nun mit einem Kopftuch oder einem goldenen Kreuz über der Richterrobe. Ich gehe dabei davon aus, dass das Kopftuch in der Form als Glaubensbekundung deutlich für jedermann erkennbar ist. Dass der Institution „Richter(in)“ besondere Bedeutung zu kommt, im Gegensatz zu „einfachen“ Staatsbediensteten, erkennt man auch an den vielfachen Diskussionen um Personen wie Thomas Fischer, für die eine Mäßigung ihrer Meinungskundgabe auch außerhalb ihrer Position als Richter gefordert wird. Soviel zu den Richtern.
Bei Referendaren handelt es sich ja nicht um Richter in dem Sinne. Trotzdem ist es aus der Sicht eines Prozessbeteiligten gleichwertig ob die Beweisaufnahme von einer Berufsrichterin oder Rechtsreferendarin geführt wird. Aus der subjektiven Sphäre der Partei wird die Rechtsreferendarin der Institution der Richterin zugeordnet und gleichgesetzt. Da wir auch Gerichte haben vor denen kein Anwaltszwang herrscht, darf das überlegene Wissen des Anwalts der Prozesspartei nicht uneingeschränkt zugeordnet werden. Mithin ist es konsequent sowohl den Berufsrichtern als auch den Referendaren die Zuschautragung von religiösen Symbolen zu untersagen.
Was ich aber durch die Verfasserin zutreffend festgestellt finde ist, dass die Berufsfreiheit maßgeblich eingeschränkt wird. Als staatliches Ausbildungsmonopol muss man gewährleisten, dass eine Ausbildung auch möglich ist ohne in persönliche Zwänge zu geraten. Dann sollte folglich auch eine Zulassung als Anwalt anders erreicht werden können, ohne im Referendardienst die Richterbank „drücken“ zu müssen.
Der Vergleich mit Rosa Parks ist aber trotzdem unangebracht und der Qualität des davorstehenden nicht würdig.
Alles in Allem aber ein überaus gelungener Artikel und eine sehr gute Diskussionsgrundlage!!
Es geht hier zwar „nur“ um eine Rechtsreferendarin. Die Grundrechtsfrage stellt sich aber auch bei einer Bundesverfassungsrichterin. Sehen wir demnächst Bilder vom Einzug in den Sitzungssaal mit Kopftuch unter dem roten „Hütchen“?
Und zur transnationalen Perspektive: Im Vereinigten Königreich mit seinen Richterperücken stellt sich das noch einmal anders dar: Richterperücke über oder unter dem Kopftuch?
Und wann gibt es hier endlich einen Thread zu den Grundrechten der Pastafaris von der “Kirche des fliegenden Spaghettimonsters”? Muss der Grundrechtsadressat der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters und ihren Mitgliedern nicht grundsätzlich die gleichen Rechte zur freien Religionsausübung zugestehen? Also auch Nudelsiebe auf der Richterbank?
” ich glaube Sie haben nicht verstanden, dass die Referendarin nicht “mehr” verlangt, sondern einfach nur Gleichbehandlung in der Ausbildung.”
Es geht hier nicht um Gleichbehandlung, sondern ein Sonderrecht – und das haben Sie nicht verstanden.
Ganz offensichtlich ist der Referendarin das Kundtun ihrer Religiösen Überzeugung gerade auch im Zweifelsfall wichtiger, als das Neutralitätsgebot.
Damit hält Sie zumindest diese Regel ihrer Religion für wichtiger als deutsches Recht. Das ist eine Einstellung, die bei Muslimen nachweisbar sehr häufig anzutreffen ist.
Da das Kopftuch in keiner Weise darauf schließen lässt, dass die Trägerin nicht neutral ist – also sich nicht an Recht und Gesetz halten würde, vgl.Art. 20 III, 97 GG -, gibt es auch für Dritte keinen objektiv nachvollziehbaren bzw. rechtlich anzuerkennenden Grund, an der Neutralität der Richterin mit Kopftuch zu zweifeln. Dementsprechend gibt es auch kein verfassungsrechtliches Neutralitätsgebot, das das Tragen eines Kopftuchs untersagen würde, womit es auch kein Verfassungsgebot gibt, das eine Richterin mit Kopftuch zugunsten ihrer Religion ignorieren würde. Das sollte doch eigentlich nachzuvollziehen sein.
Die vielen Hinweise auf das Spaghettimonster sind übrigens sehr originell und so noch von niemanden vorgebracht worden. Ich denke wir müssen den Irrtum einsehen: Die in Art. 4 GG normierte Glaubens- und Religionsfreiheit kann in Deutschland nicht länger Anwendung finden.
Ich persönlich sehe auch immer noch nicht den inhaltlichen Mehrwert, den Kommentare, wie derjenige direkt über dem meinigen, für die Diskussion schaffen: Derartige Kommentare gehen in keiner Weise auf die differenzierte Argumentation des jeweiligen Ausgangsbeitrags ein, sondern führen die Diskussion stets nur wieder an ihren Ausgangspunkt zurück. Es scheint, als ob erst seit gestern und nicht seit fast fünfzehn Jahre über das Kopftuch im Öffentlichen Dienst diskutiert würde.
Besonders schön sind derartige Kommentare dann, wenn sie auch noch wie hier mit pauschalisierenden und diffamierenden, um nicht sagen verhetzenden, Behauptungen verbunden werden, oder – wie vom gleichen Autor in dem Parallelbeitrag zu sehen – noch mit Untergangs- und kaum verhehlten Gewaltphantasien angereichert werden, wonach der politische Gegner doch nun endlich das erleiden möge, was man ihm schon immer als Resultat seiner Politik vorausgesagt hat.
Es mag Orte geben, an denen kontroverse Diskussion mit Personen, die solche Äußerungen tätigen und einen derartigen Diskussionsstil pflegen, dennoch sinnvoll sind. Der Kommentarbereich eines Blogs, in dem rechtswissenschaftlich fundierte Beiträge veröffentlicht werden, die mit einigem Aufwand erstellt wurden, scheint mir persönlich jedoch kaum der richtige Ort dafür zu sein. Ich empfinde es ehrlich gesagt auch als unfair gegenüber den AutorInnen, dass deren Beiträge als Pinnwand für derart platte Parolen herhalten müssen.
Benjamin Rusteberg, So 9 Jul 2017 / 15:54: “Es mag Orte geben… […] Ich empfinde es ehrlich gesagt auch als unfair gegenüber den AutorInnen, dass deren Beiträge als Pinnwand für derart platte Parolen herhalten müssen.”
Sie plädieren also für Zensur. Damit hat sich der Mehrwert des von Ihnen kritisierten Kommentars doch schon ergeben. Er detektiert diejenigen, die nicht in der Lage oder Willens sind, in der Sache zu widerlegen, sondern für Betragslöschungen eintreten. Er legt also antidemokratische Haltungen offen.
Lieber Herr Wasmund,ihr Beitrag ist natürlich noch viel origineller als das Spaghettimonster. Da es ja eigentlich klar war, dass diese Bemerkung kommen würde, hätte ich es wohl in den ersten Kommentar gleich mit aufnehmen sollen.Da Sie, wie eine kurze Google-Recherche ergibt, ja nicht erst seit gestern im Internet unterwegs sind, haben Sie doch bestimmt schon einmal diesen Comic gesehen: https://xkcd.com/1357/. Der fasst das meiste, was es dazu zu sagen gibt, eigentlich ganz gut zusammen.
Ergänzen möchte ich allerdings noch, dass es mir gar nicht um die jeweiligen Positionen geht, sondern vielmehr – wie ich im Kommentar auch schrieb -, um die Art und Weise der Diskussion. Es würde idealiter darum gehen, anhand und aufgrund des und ggf. auch gegen den jeweiligen Beitrag zu argumentieren [man möge sich das letzte Wort in beliebiger Weise hervorgehoben vorstellen]. Als Argument in diesem Sinne gilt aber weder die bloße Verneinung und Behauptung des Gegenteils – nach dem Motto: Der Beitrag, auf den ich mich beziehe hat zwar lang und breit erklärt, warum es ein entsprechendes Neutralitätsgebot nicht gibt, ich behaupte aber jetzt einfach mal in zwei Sätzen, dass das eben doch der Fall ist – noch die haltlose Diffamierung von einzelnen Personen oder Bevölkerungsgruppen. Der Gipfel ist natürlich sowas in eine differenziert geführte Diskussion – damit meine ich nicht (nur) die Kommentare, sondern in erster Linie die Beiträge – hereinzurotzen und dann den Diskutierenden vorzuwerfen, sie seien nicht Willens, dies zu widerlegen. Wer möchte es ihnen verdenken…
Freilich sollte ich meinen eigenen Rat besser beherzigen, insofern gilt: https://xkcd.com/386/.
@Benjamin Rusteberg „Die vielen Hinweise auf das Spaghettimonster sind übrigens sehr originell und so noch von niemanden vorgebracht worden. Ich denke wir müssen den Irrtum einsehen: Die in Art. 4 GG normierte Glaubens- und Religionsfreiheit kann in Deutschland nicht länger Anwendung finden.“
Endlich mal so etwas wie Anerkennung. Aktuell befasst sich das OLG Brandenburg mit der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters. Auf die Entscheidungsgründe freue ich mich schon jetzt. Urteile über Pornographie, Kunst und Religion sind meines Erachtens in besonderer Weise geeignet auch eine breitere Leserschaft zu ergötzen.
@Benjamin Rusteberg, So 9 Jul 2017 / 17:28:
Benjamin Rusteberg: “Lieber Herr Wasmund,ihr Beitrag ist natürlich noch viel origineller als das Spaghettimonster.”
Da müsste ich Sie korrigieren. Meine Beiträge haben nicht den Anspruch originell zu sein, sondern richtig. Was dann in der Sache natürlich zu prüfen ist, in einem Forum für Diskussionen um die Sache.
Benjamin Rusteberg: “haben Sie doch bestimmt schon einmal diesen Comic gesehen”
Falls Sie sich (als Rechtswissenschaftler, soweit ich sehe) aus dem Sumpf der Beleidigungen (bullshit; ob nun mir gegenüber weiß ich nicht und nicht im strafrechtlichen Sinn) herauszuheben vermögen, könnte ein Diskussion sinnvoll sein. “bullshit” und “haltlose Diffamierung von einzelnen Personen oder Bevölkerungsgruppen” begründungslos hervorgebracht, sind nun ebenfalls nichts anderes als reine zu dem persönlich abwertende Behauptungen. Sie verbleiben daher leider auf dem Niveau, dass Sie (ob nun zu Recht oder Unrecht) kritisieren.
Da Sie mit “hereinzurotzen” und “dann den Diskutierenden vorzuwerfen, sie seien nicht Willens” offenbar mich meinen, fahren Sie leider mit Ihren unsachlichen Abwertungen fort, die ich dann leider nur als Hilflosigkeit in der Sache werten kann. Sagen Sie mir bitte, ob meine Vermutung des Rechtswissenschaftlers falsch war. Das Erweitert dann jedenfalls mein Verständnis für Ihr Vorgehen.
Wenn in einem Beitrag das Argument fehlt, muss das noch kein “bullshit” sein. Die einzig richtige Reaktion darauf ist also der Hinweis: Hier fehlt das Argument. Das hat natürlich den entscheidenden Nachteil, dass die Auslassung nachgeholt werden könnte und man sich dann in der Sache auseinandersetzten muss. Was wohl die größte Befürchtung der Bullshit-Rufer ist.
Lieber Herr Wasmund, ein allerletztes Mal, damit soll es von meiner Seite aus dann auch wirklich sein Bewenden haben.
Ich sehe, dass es mir in keiner Weise gelungen ist, Ihnen verständlich zu machen, worum es mir geht. Bei einem der Punkte muss ich die Schuld dafür freilich bei mir suchen, als ich nicht berücksichtigt und mich insofern missverständlich ausgedrückt habe, dass es sich bei dem Autor des hineingerotzten Beitrags und dem Zensur-Rufer, also Ihnen, um zwei unterschiedliche Personen handelt.
Dessen ungeachtet wird deutlich, dass wir offenbar gänzlich verschiedene Ansichten davon haben, wie eine sinnvolle Diskussion in diesem Kommentarbereich aussehen könnte (für andere Diskussionsplattformen und erst Recht für andere, nicht-internetbasierte Diskussionsformen mag ganz anderes gelten). Das mag Sie verwundern. Anders als das offenbar bei Ihnen der Fall ist, bin ich jedoch nach wie vor nicht der Überzeugung, dass es bei einer Diskussion, die (nicht nur) in der juristischen Fachwelt seit ungefähr fünfzehn Jahre geführt wird, einen sinnvollen Diskussionsbeitrag darstellt, wie oben beschriebenen, derartig argumentlos Standpunkte hineinzurufen. Ein solches Vorgehen macht natürlich die eigene Position klar. Das mag aus einer politischen Perspektive natürlich als sinnvolle Strategie erscheinen. Es bringt aber die Diskussion nicht voran und ist den Zielen dieses Blogs, jedenfalls so wie ich sie verstanden habe, nicht förderlich.
Nun ist der hier von mir verwendete Diskussionsbegriff natürlich ein sehr abstrakter, da er sich nicht auf die ca. zwanzig unmittelbar unter dem jeweiligen Beitrag stehenden Kommentare bezieht, auch nicht allein auf den jeweils Anlass gebenden Beitrag, sondern – wie gesagt – auf die juristische Fachdiskussion, die sich dem jeweiligen Thema widmet. Aus dieser gehen die jeweiligen Beiträge auf diesem Blog hervor und auf diese beziehen sie sich, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in erster Linie. Denn natürlich würden auf diesem Blog keine Beiträge veröffentlicht werden, die lediglich aus einer „Argumentation“ bestünden, die der folgenden vergleichbar ist: „Das BVerfG hat entschieden, dass das Kopftuch die staatliche Neutralität beeinträchtigt. Dabei übt die Richterin doch nur ihre grundrechtlich geschützte Freiheit aus. Die Entscheidung ist also falsch.“ Dies würde schon deshalb nicht als Argument für einen Diskussionsbeitrag ausreichen, weil dieses Argument in der Diskussion eben schon verarbeitet ist: Schaut man sich die Urteilsbegründung an, sieht man, dass das BVerfG den Grundrechtsschutz sieht, aber dennoch zu einem anderen Ergebnis kommt. Man muss der Diskussion also offenbar neue Argumente hinzufügen, wenn man sie weiterbringen will.
Damit möchte ich natürlich nicht sagen, dass hier nunmehr nur noch JuristInnen oder besser noch RechtswissenschaftlerInnen auf diesem Blog diskutieren sollen. Dies stünde mir nicht nur nicht zu, da ich weiß, dass der Anspruch des Blogbetreibers dezidiert ein anderer ist. Ich würde dies auch selbst keineswegs wollen. Natürlich können auch Personen, die vielleicht erst durch den jeweiligen Beitrag auf eine bestimmte Diskussion aufmerksam werden, zu dieser etwas beitragen, etwa weil sie eine bestimmte neue Perspektive mit einbringen oder weil sie auf eine in sich nicht schlüssige Argumentation hinweisen. Und erst Recht kann natürlich jedermann Fragen stellen, wenn ihm oder ihr eine Sache unklar geblieben ist. Was aber nicht geht und m.E. sinnvollerweise auch auf dem Verfassungsblog nicht gehen sollte, ist das oben beschriebene Verhalten, alles vorher Gesagte zu ignorieren, sich hinzustellen als habe man soeben das Rad neu erfunden, ein bis zwei Sätze in den Kommentarbereich hineinzurufen, und nun von allen anderen zu erwarten, dass Sie doch bitte ihre Diskussion noch einmal von neuem beginnen sollen bzw. dem Kommentator zunächst noch einmal den gesamten Stand der Diskussion erläutern sollen, andernfalls sie ja die Diskussion verweigern würden. Richtigerweise ist es natürlich andersherum: Nicht diejenigen sind die Diskussionsverweigerer, die nicht ein jedes Mal erneut das alles wiederholen wollen, was als aktueller Stand der Diskussion vorausgesetzt werden kann, sondern diejenigen, die sich weigern, sich diesen Stand anzueignen und auf diesen Bezug zu nehmen und stattdessen eine Bringschuld bei allen anderen verorten.
Insofern ließe sich natürlich einwerfen, dass man solche Beiträge auch einfach ignorieren kann. Der Klügere gibt bekanntlich nach und man kann nun einmal nicht jeden bekehren, der im Internet Unsinn schreibt. Ich hielte dies aber für schädlich, weil durch derartige – nicht selten auch provokant gemeinte – Einzeiler leicht das Diskussionsklima vergiftet werden kann. Zudem kann nach außen leicht ein falscher Eindruck entstehen, was die Validität des jeweiligen Beitrags angeht. Sinnvolle Kommentare verschwinden zudem, da diese Einzeiler ja auch kein Einzelphänomen darstellen, sondern von einer eigentlich überschaubaren Anzahl an Personen gleich im Dutzend abgesondert werden. Statt die Diskussion gefördert zu haben, kann man als Autor schließlich das Gefühl bekommen, dass es eh alles sinnlos ist, weil die Diskussion immer wieder von vorne beginnt. Und schließlich würde zumindest ich meinen Beitrag eben auch nur ungern als virtuelle Pinnwand für derartig argumentlose Selbstdarstellung verwendet sehen, erst Recht, wenn diese eben auch noch, wie so häufig, mit zum Teil menschenverachtenden Inhalten verbunden wird.
Dies betrifft Sie freilich alles insoweit nicht, als Sie selbst im vorliegenden Fall gar keine inhaltliche Position bezogen haben. Sie bringen aber genau jenes hier kritisierte Verständnis zum Ausdruck, indem Sie jeden, der nicht gewillt ist, die Diskussion wieder und wieder von vorne zu beginnen, zeihen, er habe keine sachlichen Argumente.
Und dies betrifft Sie natürlich auch insofern, als Sie meinen, hier den Zensurvorwurf hinter dem Sofa hervorkramen zu müssen. Meinen Vorwurf mangelnder Originalität können Sie mit dem Hinweis auf die Richtigkeit Ihres Arguments schon deshalb nicht entkräften, weil er sich eben darauf bezieht, dass dieses Argument schon so oft widerlegt worden ist, dass es sogar schon ein eigenes Mem dafür gibt. Nun mag Ihnen dieses dennoch unbekannt sein, geschenkt. Wir könnten hier natürlich trotzdem gerne miteinander diskutieren. Dies bringt mich aber zu meinem letzten Punkt: Wie man in den Wald hinein ruft, so schalt es heraus.
Ich gebe gerne zu, dass meine Kommentare in den letzten Tagen von zunehmender Ungeduld geprägt waren. Aber es ist im Gegenzug doch erstaunlich, dass gerade diejenigen, die das von mir beschriebene Diskussionsverhalten an den Tag legen, zwar (in der Regel) nicht von Haus aus in den juristischen Fachdiskurs involviert sind, aber dennoch in der Form, wie sie ihre Kommentare formulieren, nicht auch nur den geringsten Zweifel an der von ihnen vertretenen Position zulassen. Dies sagt mir doch – über meine Profession hätten Sie sich übrigens ebenfalls sehr leicht selbst informieren können –, dass die Kommentatoren all dieses Ringen der Fachwelt um richtige Antworten für bloßes Geschwätz halten, das man getrost ignorieren kann. Schließlich verfügen die Kommentatoren doch selbst über den gesunden Menschenverstand(TM), der sie das richtige Ergebnis automatisch erkennen lässt, ohne dass man eine Gegenposition irgendwie einbeziehen oder gar würdigen müsste. Es kommt ihnen niemals in den Sinn, dass das Argument, das ihnen gerade eben eingefallen ist, evtl. in der Diskussion schon längst berücksichtigt wurde. Und jede kontextlos zitierte Passage aus einem beliebigen Urteil, das zum als richtig erkannten Ergebnis führt, wird selbstverständlich von allen anderen nur aus bloßer Unkenntnis ignoriert. Auch hier: Das heißt alles nicht, dass Sie sich nicht äußern sollen, wenn Sie kein studierter Jurist sind. Aber wie wäre es, die Diskussion nicht von vorneherein in einem Ton zu führen, mit dem Sie all denjenigen – die sich z.T. schon seit Jahren mit den entsprechenden Problemen auseinandersetzen und ihnen hier, nur ganz nebenbei, kostenlosen Lesestoff bereitstellen – implizit unterstellen, dass sie offenbar keinerlei Ahnung von dem haben, über das sie da reden und zu ihrem Beruf gemacht haben.
Schließlich noch: Wenn Sie tatsächlich nicht in der Lage sein sollten, in dem Beitrag, den ich im Ausgangspunkt in Bezug genommen hatte, die „haltlose Diffamierung einzelner Bevölkerungsgruppen“ zu erkennen, dann befürchte ich, hat unsere Diskussion von vornherein keinen Sinn gehabt.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Anfänglich hatte ich noch im Sinne der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Freiburg die vage Hoffnung, dass Rustenberg ein Pseudonym darstellt. Offenbar hoffte ich vergeblich.
Es wäre nun trotzdem schön, noch das eine oder ander Argument zu liefern, welches über “Ich weiß es besser und das schon lange!” hinausgeht …
Im übrigen sind durch Studien nachgewiesene Ergebnisse, keine “haltlose Diffarmierungen”, sondern Fakten an die man sein Weltbild von Zeit zu Zeit anpassen muss, so man seinen Realitätssinn nicht gänzlich verlieren will.
Den Tiefpunkt der Diskussion hat übrigens die Autorin selbst mit dem unsäglichen Vergleich einer zeitgenössischen, deutschen Arbeitsrechtsproblematik mit den Verhältnissen in den Südstaaten der USA vor über einem halben Jahrhundert gesetzt.
Es ist dieser Vergleich, der diffarmierend ist.
Herr Menschenverstand, sie bestätigen in Ihrem Post fast alles, was Benjamin Rusteberg beschrieben hat.
Und: wie in aller Welt soll dieser Vergleich “diffamierend” sein? Wen diffamiert er denn?
Allerdings fand ich den xkcd-Comic auch „wenig hilfreich“, um es mal in Merkelscher Diktion zu sagen. Er ist zwar inhaltlich völlig korrekt, was den abwegigen „Zensur“-topos angeht, aber warum muss man den politischen Kontrahenten gleich mit Schimpfworten überziehen?
Ich hatte vor längerem einmal angeregt, hier zwei Rubriken einzurichten – eine für die Kommentare, die an den Diskussionsstand anschließen und ihn kontrovers weiterentwickeln, und eine für alle, die einfach mal ihre Meinung loswerden möchten, ohne sich groß für die Debatte zu interessieren. Dann hätten Leserinnen und Leser die faire Auswahl, welcher Art von Meinungsäußerung sie folgen möchten.
Benjamin Rustebergs Beiträge sind in der Tat köstlich amüsant. Bieten sie eindrucksvoll, wie intellektuelle Rabulistik gut funktioniert: inhaltsloses Gelaber ausschweifend vorgetragen. Warum nicht einfach wie von Steffen Wasmund vorgeschlagen auf der Sachebene den Disput austragen? Fehlen auf der einen Seite die Argumente und dazu der Anstand die Argumentationslosigkeit zuzugeben?
Lieber Christian,
bei aller Liebe, da hast Du natürlich vollkommen Recht: Dass einige Kommentatoren diesen Blog und die dort erscheinenden Artikel dazu nutzen, “gegen eine religiöse Gruppe zum Hass aufzustacheln”, und hier ihre – gegen den “politischen Kontrahenten” gerichteten – rassistisch motivierten Gewaltphantasien an den Leser bringen, da kann man getrost schweigen.
Wenn aber jemand auf einen Standardvorwurf, die im Internet verbreitete Standantwort verlinkt, in der diese Beiträge als”bullshit” – also “Schwachsinn” – bezeichnet werden, und dabei ganz vielleicht mittelbar auch zu erkennen gibt, was er von einem Autor hält, der derartige Beiträge verfasst, da muss man schon einmal seine Stimme erheben.
Nichts für ungut,
Benjamin
Lieber Benjamin, das Grundproblem ist ja, dass schon die Diskussion, die wir führen, wieder vom eigentlichen Artikelthema wegführt. Das Problem begleitet den Verfassungsblog ja schon seit langem: er will ein Forum für eine inklusivere Diskussion sein, als sie der “etablierte” rechtswissenschaftliche Diskurs bietet, hat aber Schwierigkeiten diejenigen, die sich keinen Deut um die Regeln dieses Diskurses scheren, nach objektiv nachvollziehbaren Regeln des Hauses zu verweisen. Und oftmals verwechselt man auch Leute, die gar nicht trollen, sondern ohne oder geringer Kenntnis des juristischen Sachstandes ihr Unbehagen formulieren möchten (und dabei regelmäßig zu aggressiv rüberkommen) mit Trollen (also solche, die gar nicht diskutieren, sondern nur stänkern möchten), und alles kocht hoch, am Ende ist niemand schlauer und alle sauer. Ich weiß auch keine Lösung (außer vielleicht der vorgeschlagenen, die das ganze technisch entzerrt). Und vielleicht eine Meta-Kolumne zur Diskussion des Themas.
P.S. Lese gerade Ino Augsbergs kritische Analyse zur Frage, in wie weit Blogs im Allgemeinen und der VB im Besonderen”Affektmedien” sind (in Funke/Lachmayer, Formate der RW). Wäre ein gutes Thema für die Meta-Diskussion…
Benjamin Rusteberg hat vollkommen Recht. Er spricht das aus, was offen zu sagen ist: Wenn in einer verfassungsrechtlichen Diskussion, in der es um ein sensibles Grundrecht für eine ohnehin schon sehr marginalisierte Minderheit geht, dann sind jegliche Nazi-Vergleiche (St. Ivo, Fr 7 Jul 2017 / 19:09) oder gar Vergleiche mit “white supremacist”-Terroristen aus dem mörderischen Ku-Klux-Klan (Steffen Wasmund, Fr 7 Jul 2017 / 17:55) nicht nur “bullshit”, sondern inakzeptabler Zynismus, dem jeder Anständige widersprechen muss! Danke dafür, Herr Rusteberg!
Lieber Christian,
vielen Dank für Deine sehr sachliche Antwort nach meinem provokativen Kommentar. Ich weiß natürlich, dass die Kommentarpolitik für den Blog ein Dauerthema ist, oder jedenfalls immer dann wieder aktuell wird, wenn Artikel erscheinen, die ein bestimmtes Klientel anziehen. Natürlich hast Du auch Recht damit, dass die Diskussion, wie sie sich hier entwickelt hat, ein Stück weit von dem anlassgebenden Artikel weg führt. Andererseits besteht da natürlich auch enger zusammenhang. Denn der Hass auf oder jedenfalls das Misstrauen gegenüber Bevölkerungsgruppen, die irgendwie anders sind als diejenige, der man sich selbst zurechnet, liegt den hier kritisierten Kommentaren eben gleichermaßen zu Grunde wie der unsäglichen Kopftuchdebatte, deswegen regen sie mich ja u.a. auch so auf.
Ich denke übrigens nicht, dass es hier um Troll oder nicht Troll geht. Der Begriff ist durch seine inflationäre Verwendung m.E. eh verbrannt. Mir wäre es ehrlich gesagt auch egal, ob jemand, der etwa das folgende schreibt, das nun als bloße Trollerei versteht oder damit “zu einer Diskussion anregen möchte”:
“Aber das Symbol einer unaufgeklärten Religion, die ausgewiesen intolerant, frauenfeindlich und gewalttätig ist, und damit massiv im Widerspruch zum Grundgesetz steht, das ist natürlich kein Problem im Gerichtssaal.
Ach, wie wäre es zu begrüßen, dass nur jene, die sich dieses “Neue Deutschland” so sehnlich wünschen, in den exklusiven Genuss der absehbaren Folgen kommen würden.
Leider wird für dieses absurde Sozialexperiment der Rest des Landes mit in Geiselhaft genommen.”
Ich denke, es gibt eben Dinge, die sollte man eigentlich nicht unkommentiert stehen lassen, jedenfalls nicht auf einer Plattform, die sich ja nun nicht einfach als neutral versteht, sondern selbst Position beziehen will. Und da es aus Zeitgründen sowie aus Gründen der geistigen Gesundheit eben niemanden zuzumuten ist, auf so etwas ständig zu antworten – Max hat das ja auch eine kurze Zeitlang probiert -, sollte man solche Beiträge aus dem hier, an dieser Stelle, in diesem Blog geführten Diskurs m.E. einfach ausschließen.
Ich sähe auch überhaupt keinen Mehrwert darin, wie von Dir angeregt, derartigen Äußerungen noch einen extra Platz auf diesem Blog einzuräumen. Ich kann dies natürlich nicht fordern oder gar bestimmen, sondern das wäre einfach mein Beitrag zu der angesprochenen Meta-Diskussion. Eine ausführliche Begründung und die aus meiner Sicht sinnvollen Kriterien für die notwendige Bewertung habe ich oben ja bereits dargestellt.
Da dieser Vorwurf mit Sicherheit auch wieder von irgendwoher kommt: Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch Meinungen, wie diejenige, die ich oben angesprochene habe, und die darin enthaltenen Behauptungen in einer demokratischen Gesellschaft nicht irgendwo diskutiert werden könnten und müssten. Auch diejenigen, die derartige Auffassungen selbstverständlich ablehnen, müsse dies letztlich in einem demokratischen Diskurs begründen können. Dies gilt jedenfall spätestens dann, wenn sie daraus rechtliche Konsequenzen ableiten. Aber es besteht keinerlei Verfplichtung, diese Begründung überall und jeder Zeit auf bloßen Zuruf hin zu leisten. Dies führt am Ende nur dazu, dass durch die letztlich nie anhaltende Einforderung immer derselben am Anfang eines sinnvollen Diskurses stehenden Begründungsleistung, alle anderen Diskurse letztlich unmöglich werden.Ich denke, man darf manchem politischen Lagern durchaus unterstellen, dass sie auch ganz bewusst auf diesen Effekt abzielen, wenn sie im Internet entsprechend auftreten.
Ich denke, die hier notwendige Basisarbeit, kann der Verfassungsblog, schon allein aufgrund der Art der hier veröffentlichten Beiträge, nicht leisten und auch gar nicht leisten wollen. Zumal man m.E. mit guten Gründen bezweifeln kann, ob sich derartige Diskussionen, bei denen die Diskutanden soweit auseinander sind, überhaupt sinnvoll im Internet führen lassen.
Lieber Benjamin,
herzlichen Dank für die ausführliche Antwort – ich stimme Dir in den meisten Dingen zu, und man könnte viel dazu sagen, was aber an anderer Stelle geschehen soll. Die Frage, “ob sich derartige Diskussionen, bei denen die Diskutanden soweit auseinander sind, überhaupt sinnvoll im Internet führen lassen” ist dabei tatsächlich zentral. Aber was folgt daraus? Tatsächlich muss es ja möglich sein, vollkommen konträre Ansichten (mit Ausnahme von strafrechtlich relevanten) nach bestimmten Anstands- und Respektregeln zu diskutieren. Wie immer macht dabei der Ton die Musik. Das von Dir genannte Beispiel enthält keine Argumente, sondern besteht aus einem Mix aus Verallgemeinerungen, Ressentiments und Behauptungen, in einem Tonfall, der deutlich macht, dass der Autor nicht daran interessiert ist, auf Gegenargumente einzugehen. Einen Mehrwert für die Diskussion hat das (zumindest der zitierte Teil) tatsächlich nicht. Eine Verpflichtung, alles zu veröffentlichen, was man in die Kommentarspalte geknallt bekommt, besteht nicht. Wie geht man jetzt damit um? Ignorieren, dagegenhalten, mit Verweis auf Forenregeln zurückgeben, kommentarlos löschen? In diesem Fall, in jedem Fall? Ich finde, es ist wert, sich darüber einmal genauere Gedanken zu machen.
Bei den folgenden Sätzen bekomme ich Zahnschmerzen, weil ich damit doofe Nazis verteidige oder deren Verhalten relativiere, aber…:
Dieser Artikel wie der parallele Post setzen das BVerfG mit dem rassentrennenden System der USA der 1960er-Jahre gleich, m. a. W. beschimpfen das BVerfG sowie jene, die die dortige Meinung teile, als Rassisten.
Das kann man gerne so sagen.
Aber man muss auch sagen, dass wenn man eine Diskussion so beginnt, man sich auch nicht beschweren sollte, wenn es auch etwas Gegenwind gibt.
—
Die Erregtheit der Gemüter über diese Thematik ist etwas, das m. E. als Fakt selbst nicht ausreichend in die Debatte einfließt.
Wenn eine Seite Kopftücher im Gerichtssaal vehement ablehnt (und der Gegenseite die Ausrottung der deutschen Kultur in den Grenzen von 1939 vorwirft), die andere aber vehement befürwortet (und der Gegenseite mit der Rassismuskeule zu Leibe rückt), sollten sich beide fragen, ob diese Zerstrittenheit vielleicht etwas bedeutet.
Und ulkigerweise tut sie das hier m. E., und das ausgerechnet zugunsten der “Nazis”: Wenn ein signifikanter Anteil der Bevölkerung durch Kopftücher im Gerichtssaal die Neutralität des Gerichts gefährdet sieht, ist der Anschein der Neutralität ganz objektiv, rein tatsächlich gefährdet.
Ein Vergleich mit dem außerrechtlichen Bereich: Wenn 10% der durch eine Werbung angesprochenen Empfänger die Werbung belediigend finden, ist es eine schlechte Werbung. Dabei ist nicht relevant, ob diese 10% Recht haben oder nicht, ob die 90% vielleicht bessere Menschen sind oder nicht, ob es eigentlich okay ist, sich von einer Werbung beleidigt zu fühlen usw. usf. Rein tatsächlich hat sie 10% der Kundschaft vergräzt. Falls diese 10% dann auch noch deckungsgleich sind mit einer Kundengruppe, die ohnehin immer kurz vor dem Produktwechsel steht, kann die Werbung existenzbedrohende Wirkung entfalten.
Und dieselbe Gefahr besteht hier: Vielleicht (!) ist es eine Minderheit an Menschen, die Kopftücher auf Richterköpfen nicht mag. Vielleicht sind es die Rassisten, die Vorurteilsbehafteten oder – man stelle sich das vor – sogar die Bildungsfernen, die Armen, die Unterdrückten.
Aber auch die sind schützenswert. Gerade die.
Beiträge wie der obige wirken jedenfalls auf mich so unglaublich naiv. Denn bessere Wahlwerbung für die AfD kann man kaum machen.
Wer war der beste Förderer der Waffenindustrie? Obama. Denn die Drohnung mit einem Verbot hat die Absätze gefördert wie nichts anderes. Mit seiner Meinung mag er Recht gehabt haben – aber die Art, sie zu transportieren, war kontraproduktiv. Nichtstun wäre besser gewesen.
Und was entwickelt sich nun hier? Der Ruf nach Abschottung. Denn von außerhalb von Akademia kommen Stimmen herein, die anderer Meinung sind, und mir gar nicht gehorchen, obwohl ich doch akademisch viel toller bin. Also ab zurück in die Filterbubble, wo ich Recht habe, weil ich mich nur mit Freund(inn)en umgebe, die alle einer Meinung sind. Alle anderen sind eh nur Rassisten, deren Meinungen nichts gelten, auch das BVerfG, diese alte Rassistenbude. Lalala, wir gehen nicht unter.
Das, bei allem Respekt, ist schädlich für das Land, für Muslime und die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft.
Insofern noch einmal Respekt an Herrn Steinbeiß, hier einerseits sehr unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen und dann auch noch für die gerechte Sache, Wissensvermittlung usw. einzutreten. Diskurs statt Abschottung. Vermittlung statt Extrempositionen. Rücksicht nehmen auch auf Meinungen, die man nicht teilt, um nicht den Grundkonsens zu verlieren.
Noch einmal ein Vergleich mit den USA: Natürlich war Clinton die moralisch bessere Wahl. Natürlich hätte sie gewinnen sollen. Aber hat sie nicht. Weil die “Guten” die Meinung der “Schlechten” ignoriert haben. Das Volk wollte nun mal entweder eine Mauer und hat Trump gewählt oder keinen Bock auf Wählen und Clinton nicht gewählt.
Was haben wir? Einen CDU-SPD-Einheitsbrei, der nicht einmal mehr die Kernwählerschaften begeistert, und Spontanergebnisse wie FDP auf Bundesebene (erst ->18%, dann < 5%), Piraten, Grün in BW, AfD in den östlichen Bundesländern. Seit Jahren suchen die Wähler offenbar eine Alternative oder Protestpartei. Lasst uns zum fliegenden Spaghettimonster beten, dass sich da nicht eines Tages die falsche anbietet, oder die Volksparteien wieder Profil finden und Wähler begeistern können.
Wenn wir in Deutschland die Asylablehner, Kopftuchkritiker und Multikultimuffel überbügeln, immer extremere Freiheiten gewähren, dann besteht die Gefahr, dass diese sich auch immer weiter radikalisieren. Das Erfolgsmodell Konsensgesellschaft geht dann verloren. Denn ja, leider haben manchmal auch die Nazis Recht, oder man muss ihnen zumindest Recht geben zu Gunsten des großen Ganzen.
Und jetzt gehe ich Seife suchen, um mir den Mund auszuwaschen.
—
Disclaimer: Ich bin gegen Kopftücher, Kreuze, Ganesha-Statuen, Hakenkreuze* und Nudelsiebe in Gerichtssälen und Klassenzimmern.
*Hakenkreuze? Wieso wird das hier erwähnt? Weil's auch ein religiöses Symbol ist. Und warten wir auf den Tag, wo wir diskutieren dürfen, ob dieser Richter Buddhist ist oder nicht.
Zum Zensurbegriff. Und: Benjamin Rusteberg: “was er von einem Autor hält, der derartige Beiträge verfasst, da muss man schon einmal seine Stimme erheben.”
Was ist Zensur: “a) von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle …” (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache)
Da die staatliche Stelle nur eine Sonderform der zuständigen Stelle ist, kann Zensur auch von nicht-staatlichen Stellen erfolgen. Staatliche (Vor)Zensur ist verboten, nicht-staatliche Zensur ist nicht verboten. Beide Zensurformen haben den Sinn, Meinungen zu unterdrücken. Bei mir liegt also kein fehlerhaftes Verständnis des verfassungsrechtlichen Zensurverbotes vor.
Absolut eindeutig das Duden Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. 3. Aufl. Berlin: Bibliographisches Institut 2015. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung: “I. w. S. erfasst der Begriff Zensur darüber hinaus die Kontrolle jeglicher Form von Meinungsäußerung.” http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/23269/zensur
Der Comic war deshalb kein Gegenargument zu meinem(!) Zensurargument. Dass die Problematik der privatrechtliche Zensur (Facebook/Maas, Foren als zunehmend unverzichtbarer Standardraum zu demokratienotwendiger(!) Meinungsbildung) gesellschaftlich relevant wird, sehen wir gerade.
Benjamin Rusteberg: “Anders als das offenbar bei Ihnen der Fall ist, bin ich jedoch nach wie vor nicht der Überzeugung, dass es bei einer Diskussion, die (nicht nur) in der juristischen Fachwelt seit ungefähr fünfzehn Jahre geführt wird, einen sinnvollen Diskussionsbeitrag darstellt, wie oben beschriebenen, derartig argumentlos Standpunkte hineinzurufen.”
Da ich jetzt nicht erkennen kann, auf welchen Beitrag Sie sich genau beziehen (bitte zitieren Sie immer), greife ich nur die Dauer der Diskussion in der juristischen Fachwelt auf. Dazu sage ich ganz klar. Das ist völlig irrelevant. Was Sie ja, wenn ich Sie richtig verstehen, grundsätzlich ebenso sehen und was sich auch an der Ehe für alle zeigt. Auch die Spaghettimonster-Argumentation ist natürlich sinnvoll, weil wir selbstverständlich auch den Fall berücksichtigen müssen, dass ein anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft (wenn der Fall) lächerliche Kopfbedeckungen für zwingend erachten könnten. Das müssten Sie dann auch zulassen.
Nehmen wir Ihre eigene Argumentation; Benjamin Rusteberg, So 9 Jul 2017 / 15:54: “Da das Kopftuch in keiner Weise darauf schließen lässt, dass die Trägerin nicht neutral ist – also sich nicht an Recht und Gesetz halten würde, vgl.Art. 20 III, 97 GG -, gibt es auch für Dritte keinen objektiv nachvollziehbaren bzw. rechtlich anzuerkennenden Grund, an der Neutralität der Richterin mit Kopftuch zu zweifeln. Dementsprechend gibt es auch kein verfassungsrechtliches Neutralitätsgebot, das das Tragen eines Kopftuchs untersagen würde, womit es auch kein Verfassungsgebot gibt, das eine Richterin mit Kopftuch zugunsten ihrer Religion ignorieren würde. Das sollte doch eigentlich nachzuvollziehen sein.”
Das geht ja nun ebenfalls nicht auf die Entscheidenden Argumente des BVerfGs ein (unbedingte Neutralität, Religionsfreiheit des Prozessbeteiligten). Das sagt nur das BVerfG hat Unrecht.
Das Gesetz schreibt für Richter die Amtstracht für alle gleich als ausschließliche Bekleidung vor. Dies, um die ausschließliche(!) Funktion als Richter zu demonstrieren (“unbedingte Neutralität”).
Dürfte der Katholik ein großes Kreuz vor sich aufbauen und hinter diesem hervor sein Urteil über(!) den Bürger sprechen? Dürfte der anerkannte atheistische Weltanschauungsinhaber ein Schild (Nudelsieb auf dem Kopf) vor der Richterrobe tragen: Mitglied in Weltanschauungsgemeinschaft xy? Wenn nein, warum nicht? Offensichtlich hätte beides die Funktion zu demonstrieren(!) nicht ausschließlich als Richter zu sprechen. Die staatliche Machtausübung würde allein durch dieses Bild gemeinsam mit richterfremden Inhalten wahrgenommen und konnotiert werden. Das ist assoziativ gesetzmäßig unvermeidbar.
Das Kopftuch ist eine demonstrative richterfremde, weltanschauliche, also der freien Entscheidung des einzelnen unterliegende Botschaft an andere. Welche ist irrelevant. Richterfremde Botschaften beeinträchtigen die richterliche Neutralität. Denn der Sinn des Richteramtes soll es ja sein, ausschließlich(!) richterliche Botschaften zu übermitteln. Wenn mit der richterlichen Botschaft automatisch(!) eine richterfremde zudem weltanschauliche Botschaft übermittelt wird, ist die richterliche Botschaft offensichtlich nicht mehr unabhängig von der nicht-richterlichen Botschaft. Es geht (zunächst) nicht um die innere Unabhängigkeit der Muslima, sondern darum, was nach außen abhängig vermittelt wird. Wenn die Muslima (nun weiterhin) im Richteramt nicht-richterliche Botschaften übermitteln will(!), ist sie auch nicht ausschließlich richterlich tätig und somit auch nicht innerlich unabhängig.
Benjamin Rusteberg, So 9 Jul 2017 / 15:54: “Die in Art. 4 GG normierte Glaubens- und Religionsfreiheit kann in Deutschland nicht länger Anwendung finden.”
Ich nehme an, Sie setzen hier die Einschränkung der Religionsfreiheit mit der Abschaffung derselben gleich. (Sie argumentieren ja nicht.) Der Muslima ist es im Lehrerberuf erlaubt, Kopftuch zu tragen. Es ist ihr aber verboten, zu missionieren (1 BvR 471/10 Rn. 116). Die Erlaubnis (auch verbal) zu missionieren ist nun aber grundsätzlich Bestandteil der Religionsfreiheit. Die Muslima im Lehrberuf muss also auch hier eine Einschränkung ihrer Religionsfreiheit hinnehmen, selbst wenn sie es als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Religion deklarieren würde.
Die Religionsfreiheit des Prozessbeteiligten lassen Sie ganz aus.
Das Bekundungsverbot im Richteramt gilt für alle, deshalb wäre es für die Muslima ein Sonderrecht. Das scheint mir eindeutig zu sein.
In einem hat Rusteberg durchaus Recht: die Diskussion ist so überflüssig wie ein Kropf. Bejaht man einen säkularen Staat mit Neutralitätspflicht, so hat der Staat auf religiöse Bekenntnisse zu verzichten. Da der Staat auch durch seine für ihn arbeitenden Angestellten und Beamten repräsentiert wird, überträgt sich diese Pflicht auch auf diese, sofern diese mit Aussenwirkung tätig sind. Wer hier Grundrechte höher ansiedeln will, als diese offensichtliche Selbstverständlichkeit, argumentiert unredlich und will sicherlich vieles aber keinen säkular agierenden Staat – hier dann wohl einen islamischen Staat.
Sehen Sie, Herr Fein – Ihr Beitrag ist ein gutes Beispiel für einen Nicht-Beitrag zur Debatte: wenn Sie möchten, dass jemand Ihre Meinung ernst nimmt, müssen Sie aufhören, Ihrem Gegner Dummheit und sinistre Ziele zu unterstellen und ihre Meinung für die einzig richtige zu halten, statt sie sachlich argumentativ zu unterfüttern. Herr Wasmund unternimmt dies oben gerade, sie könnten das ja auch mal probieren.
“Bejaht man einen säkularen Staat mit Neutralitätspflicht, so hat der Staat auf religiöse Bekenntnisse zu verzichten. Da der Staat auch durch seine für ihn arbeitenden Angestellten und Beamten repräsentiert wird, überträgt sich diese Pflicht auch auf diese, sofern diese mit Aussenwirkung tätig sind. ”
Das ist doch eine Argumentationslinie. Die mag Ihnen nicht passen, aber dem Gegenüber quasi Äußerungsrecht oder guten Willen abzusprechen ist, bei allem Respekt, vielmehr selbst ein Beispiel für üble Diskussionskultur.
“Selber, selber!”
@Leser: Es fällt mir in der Tat schwer, bei einer Äußerung “guten Willen” zu erkennen, nach der alle, die nicht einer bestimmten Interpretation staatlicher Neutralität folgen, einen “islamischen Staat” anstreben. Mit Verlaub, ich kann mich bei dieser Einstellung nicht dazu aufraffen, hier in eine inhaltliche Debatte einzusteigen. Zum “Äußerungsrecht” habe ich mich nicht geäußert.
@Christian Boulanger
Sehen Sie Herr Boulanger, eine Lüge, wie ich hätte jemandem Dummheit unterstellt, diskreditiert den Lügner und nicht mich. Es bestätigt dazu noch meine Theorie der Unredlichkeit – auch weil meinem Beitrag nur aufgrund der ein wenig polemisch formulierten Spitze als ganzes als “Nicht-Beitrag” disqualifiziert werden soll. Angesichts der mehr als unsachlichen Argumentationen sowohl im Artikel als auch in der darauffolgenden Diskussion, ist eine solche Reaktion für mich verwunderlich. 😉
Zurück zum Thema: m.E. ist das Verbot von religiösen Bekenntnissen des Staates durch seine Bediensteten während des Staatsdienstes auch ein Minderheitenschutz. Man stelle sich vor, alle Bediensteten würde von einem fiktiven Recht zu religiösen Bekenntnissen während des Staatsdienstes Gebrauch machen. Eine religiöse Minderheit könnte dann nicht zu Unrecht das Gefühl bekommen, diskriminiert zu werden.
Herr Fein, wer mit Worten wie “Lügner” um sich wirft, kann wirklich nicht erwarten, dass man sich weiter mit seinen feinsinnigen polemischen Spitzen beschäftigt. Ich wünsche aber trotzdem noch eine angenehme Debatte!
“… nach der alle, die nicht einer bestimmten Interpretation staatlicher Neutralität folgen, …”
… Rassisten sind.
1:1
@Christian Boulanger
Wer Lügen verbreitet, ist ein Lügner. Das wurde mir zumindest als Kind mal so beigebracht. Herr Boulanger, wie bezeichnen Sie jemanden, der offensichtliche Unwahrheiten zwecks Diffamierung eines Anderen verbreitet?
Allerdings vermisse ich die sachbezogenen Gegenargumente zum Thema.
“@Leser: Es fällt mir in der Tat schwer, bei einer Äußerung “guten Willen” zu erkennen,”
Filterbubble. Bloß keinen anderen Meinungen aussetzen, könnte weh tun.
“nach der alle, die nicht einer bestimmten Interpretation staatlicher Neutralität folgen, einen “islamischen Staat” anstreben.”
Die Überspitzung am Ende des Beitrags nimmt ihm nicht – wie Sie behauptet hatten – jedweden Inhalt.
“Mit Verlaub, ich kann mich bei dieser Einstellung nicht dazu aufraffen, hier in eine inhaltliche Debatte einzusteigen.”
Filterbubble. Lieber zurückziehen, als für die eigene Meinung eintreten. Mein Spiegel stimmt mir immer zu.
“Zum “Äußerungsrecht” habe ich mich nicht geäußert.”
… außer bspw. hier:
“Einen Mehrwert für die Diskussion hat das (zumindest der zitierte Teil) tatsächlich nicht. Eine Verpflichtung, alles zu veröffentlichen, was man in die Kommentarspalte geknallt bekommt, besteht nicht. Wie geht man jetzt damit um? Ignorieren, dagegenhalten, mit Verweis auf Forenregeln zurückgeben, kommentarlos löschen? In diesem Fall, in jedem Fall? Ich finde, es ist wert, sich darüber einmal genauere Gedanken zu machen.”
Und bitte bringen Sie jetzt nicht das billige Argument, das ja nur als Frage formuliert zu haben, oder ähnlichen Unsinn. Der Reflex, andere Meinungen lieber nicht hören zu müssen, war da, wenn Sie mal Ihren eigenen Worte kritisch lesen mögen. Entschuldigung: Natürlich nur schlecht oder nicht begründete andere Meinungen, die nur rein zufällig immer die anderen Meinungen sind.
Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie hier persönlich angreife, aber leider is das m. E. symptomatisch für den Diskurs der letzten Jahre. Politik, Justiz, Wissenschaft werden zunehmend als abgehoben betrachtet – und liefern leider auch jeden Grund dafür. So’n schnöseliger, arroganter Spruch, dass sich doch bitte zukünftig nur noch das Fachpublikum in Ihrem persönlichen Dunstkreis äußern möge, ist dafür ein gutes Beispiel.
Lieber Leser, danke für die engagierte Rückmeldung. Ich gebe Ihnen recht, dass “schnöselige Sprüche” kontraproduktiv sind und ich mich hier entgegen meiner ursprünglichen Absicht zu einigen habe hinreißen lassen. Das mit dem “Nicht-Beitrag” nehme ich auch zurück, es war meinem Ärger über den Kommentar geschuldet. Mit “Filterbubble” hat das meiner Ansicht aber wenig zu tun. Ich glaube, da schmeißen Sie in ihrer Empörung doch einiges zusammen, insofern fühle ich mich auch gar nicht angegriffen. Sie wissen doch gar nicht, was ich zur Kenntnis nehme, und was nicht. Wenn Sie meine Kommentare oben lesen, bin ich dafür, dass hier auch kontroversesten Ansichten geäußert werden sollen können, und dass ich nicht mit Positionen übereinstimme, die meinen, dass man bestimmten Meinungen kein Forum bieten darf. Aber die minimalen Anforderungen an einen respektvollen und informierten Diskurs darf man einfordern (ja, und das gilt auch für mich selbst). Und ich wiederhole gerne noch einmal mein (“billiges”) Argument, dass man sich Gedanken darüber machen muss, nach welchen Kriterien Kommentare publiziert werden sollen und denke weiterhin, dass keine Verpflichtung besteht, alles “abzudrucken”, was reinkommt. Ich stimme Ihrer Diagnose zu, dass es diese Entfremdung gibt, die gab es aber auch schon früher, da war sie nur nicht (so) sichtbar. Benjamin Rusteberg hat die berechtigte Frage aufgeworfen, ob der VB der Ort ist, wo an dieser Entfremdung (oder an den Filterbubblen) gearbeitet werden kann und soll.
Reine Scheindebatte
In der Debatte um das Kopftuch in bestimmten Positionen steht bei allen “Argumentierenden” schon das Ergebnis fest.
Die Argumente dienen nur der Hinführung.
Daher hat sich die “Debatte” auch zu einem logokratischen Diskurs entwickelt, bei dem lediglich argumentationsersetzende Schlagwörter umhergeworfen werden, die letztlich nur das von Anfang an weltanschaulich feststehende Ergebnis erzeugen sollen.
Wenn ein muslimischer Mann vor einer deutschen Richterin ohne Kopftuch steht, ist diese nach der “Neutralitätsargumentation” dem Anschein nach nicht neutral.
Wenn ein Ausländer vor einem “biodeutschen” Richter steht, ist dieser nach der “Neutralitätsargumentation” dem Anschein nach auch nicht neutral.
Und wenn ein dunkelhäutiger Mensch vor einem hellhäutigen Richter steht, ist dieser nach der “Neutralitätsargumentation” dem Anschein nach ebenfalls nicht neutral.
Die behauptete Neutralität gibt es nicht.
Sie ist unbewusster Ausfluss der kollektiven Überzeugung der Mehrheitsgesellschaft.
@ Christian Boulanger
Die Debatte um den richtigen Ort kann man führen. Mein Vorschlag: immer und überall, jedenfalls in öffentlichen Foren.
@ Hans Kelker
Dass man es in dieser Thematik stark mit vorgefassten Meinungen zu tun hat, ist sicherlich richtig. Aber m. E. nicht nur. Ich persönlich hätte vor drei Jahren ganz bestimmt für das Kopftuch gestimmt, weil eben das Kreuz auch erlaubt wird.
Danach habe ich persönlich meine geändert und bin nun vorrangig immer noch für völlige Abwesenheit religiöser Symbole, zweitens aber notfalls auch für eine harte Verteidigung gegen jedes neue Symbol, notfalls auch bis an die Grenze der Ungleichbehandlung. Denn die vergangenen Jahre haben m. E. gezeigt, dass wir in einer Welt, wo alle oder jedenfalls alle eine Richterin mit Kopftuch akzeptieren können, noch nicht sind. Und leider hat sich auch gezeigt, dass leider nicht alle religiösen Menschen schon da sind, wo sie vielleicht sein sollten.
Insofern kann ich sagen: Jedenfalls ich, und wenn ich nur einer bin, habe meine Meinung zu dieser Thematik durchaus schon geändert. Einen entschlossenen AfD-Wähler habe ich zumindest für die (einzig relevante) Zweitstimme zur CDU bewegen können. Meinungen sind nicht immer unverrückbar. Es ist nur sehr anstrengend, sich darum zu bemühen.
@ Sache
Es wäre schön, wenn wir in einer Welt leben würden, in der das alles kein Problem wäre. Aber eine Nichtigkeit wie die Einführung der “schwulen Ehe” erregt die Gemüter noch sehr, dass man sich offen eingestehen muss, dass signifikante Teile der Bevölkerung – einschließlich bspw. unserer Kanzlerin und der größten Partei im Bundestag – nicht so weit sind wie die “ethische Avantgarde”. Und wie es so ist mit der Vorhut: Vorangehen ist gut, Voranpreschen aber nicht. Der Kontakt zum Hauptteil der Truppe darf nicht verloren gehen. Mit Kopftüchern auf der Richterbank wird die Justiz meiner Einschätzung nach ihre Marke weiter schädigen. Die möglichen Folgen beinhalten u. a. Staatsverdrossenheit, Nichtwahl, Protestwahl, Selbst- und Paralleljustiz.
@Hans Kelker
Es ist doch mehr oder minder selbstverständlich, schon vorher eine Meinung zu einem Thema zu haben und auch die Gründe dafür zu kennen, weshalb man dieser Meinung ist. In einem sachlichen Disput kann man seine eigene Meinung und Argumente überprüfen und gegebenenfalls den neuen Erkenntnissen anpassen.
Zur Sache: Das Grundgesetz Art. 4 und Art 33 (3) beinhalten nicht nur Glaubens- und Religionsfreiheit sondern auch die Freiheit der Weltanschauung. Insofern ist z.B. der Hinweis auf die satirische Komponente der Pastafari nichtig, da es sich bei den Pastafari um eine Religionen ablehnende Weltanschauung handelt, welche vom GG nicht schlechter als die Glaubens- und Religionsfreiheit gestellt ist. Die Parteizugehörigkeit ist ebenfalls Teil der Weltanschauung…
Die gesamte Diskussion wird m.E. einseitig aus der Sicht des einzelnen Grundrechtsträgers geführt und ein Grundrecht – eines von vielen, um die es in diesem Kontext gehen muss – verabsolutiert. Das zeigen die folgenden Ausführungen m.E. plastisch:
“Die Pflicht, bestimmte Tätigkeiten ohne Kopftuch wahrzunehmen, ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Glaubensfreiheit, denn „[s]ie stellt den Betroffenen vor die Wahl, entweder die angestrebte Tätigkeit auszuüben oder dem von ihm als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsverbot Folge zu leisten“ (Rn. 37). Dann allerdings überrascht das Bundesverfassungsgericht: Da der Eingriff zeitlich und örtlich begrenzt sei und „nur“ für repräsentative Tätigkeiten gelte, sei er weniger gewichtig. Die übrigen, weit überwiegenden nicht praktischen Ausbildungsinhalte können unproblematisch wahrgenommen werden (Rn. 41). Wird hiermit nicht die Bedeutung der Grundrechte der Glaubensfreiheit ad absurdum geführt, wenn in diese zeitlich und örtlich eingegriffen werden kann und damit staatliche Eingriffe entgrenzt werden? Das Bundesverfassungsgericht ermöglicht dadurch, dass zumindest dieses vorbehaltslos gewährleistete Grundrechte durch punktuelle Eingriffe ausgehöhlt werden kann und verkennt, dass bei einem „nachvollziehbar als imperativ verstandenen Glaubensgebot“, wie es das Tragen eines muslimischen Kopftuchs nach ständiger Rechtsprechung ja ist, auch die zeitliche und örtliche Begrenztheit nichts an der hohen Eingriffsintensität zu ändern vermag.”
Ein Eingriff in ein Grundrecht ist noch keine Grundrechtsverletzung. Und Grundrechte – auch Art. 4 GG – werden nicht im sozialfreien Raum sondern im Grundrechtsraum aller ausgeübt und hierdurch ggf. auch legitimer Weise begrenzt. Ad absurdum wird ein Grundrecht nicht schon durch einen Eingriff oder eine Beschränkung geführt. Die Argumentation verabsolutiert eine Grundrechtsposition. Deren technische Vorbehaltlosigkeit entbindet nicht von vermittelbaren Argumenten der unangreifbaren Wichtigkeit des Grundrechts gerade in Bezug auf den Eingriff.
Ein vereinfachendes religiöses Beispiel: Wenn der an X glaubende Chirurg der Glaubensauffassung ist, an Tag Z kein Skalpell benutzen zu dürfen, muss der Patient T dann daran glauben? Oder würden wir nicht fordern, dass X dann in Gottes Namen an diesem Tag nicht im OP steht? Das lässt sich dann munter weiterspinnen: Muss jede Klinik nun jedes religiöse Gebot als heilig beachten, ohne Wenn und Aber? Wo beginnt die Rücksichtnahmepflicht der Gläubigen? Habe ich als Agnostiker nicht die gleich gewichtige Stellung im sozialen System?
Daneben erscheint mir diese starke Fokussierung auf unhinterfragbare religiöse Positionen bei gleichzeitiger konsequenter Ausblendung des kollektiven Charakters des Religiösen einigermaßen unehrlich. Hier werden, so scheint mir, zuweilen Machtpositionen in Gestalt von Einzelfällen vorgeschoben und eine Unterdrückung so konstruiert, wo es doch zuweilen eher um die Durchsetzung von religiösen Gruppeninteressen geht (sorry, ich erlaube mir diesen Gedanken, wer mich steinigen will, bitte. Wer unter euch ohne Schuld ist usw…).
Besser auf den Punkt gebracht, als ich es könnte – schließe mich dem an.
Hans Kelker, Di 11 Jul 2017 / 11:55: “Wenn ein muslimischer Mann vor einer deutschen Richterin ohne Kopftuch steht, ist diese nach der “Neutralitätsargumentation” dem Anschein nach nicht neutral.” Und die anderen beiden Beispiele.
Das ist falsch. Die verfassungrechtliche-richterliche Neutralität bedeutet nicht, keine Abweichungen von der Religion/Weltanschauung oder gar Hautfarbe des Prozessbeteiligten aufzuweisen, sondern das Fehlen einer Abweichung von Verfassungsmaßstäben (oberster Maßstab). Das, was Sie formulieren, ist das Gegenteil davon.
Die verfassungrechtliche-richterliche Neutralität ist weiterhin nicht identisch mit der logischen Neutralität, denn die gibt es tatsächlich (im Verhältnis von Menschen zueinander) nicht.
Wenn man die verfassungrechtliche-richterliche Neutralität als Diskussionsvoraussetzung setzt, ist es daher auch keine Scheindebatte mehr. Die Scheindebatte entsteht erst, wenn der Begriff der Neutralität von der definierten verfassungrechtlich-richterlichen Neutralität abweicht, indem man ihren Inhalt von Diskussionsteilnehmer zu Diskussionsteilnehmer der freien Verfügung, einschließlich etwas nicht Vorhandenem überlässt. Gegenüber einem Maßstab, der nicht existiert kann es natürlich auch keine Wertung geben.
Die Frage kann also nur sein, was ist die verfassungrechtliche-richterliche Neutralität und erfüllt die kopftuchtragende Richterin (auch im Verhältnis zu den anderen Richtern) diesen(!) Maßstab.
@ Benjamin Rusteberg :„Die vielen Hinweise auf das Spaghettimonster sind übrigens sehr originell und so noch von niemanden vorgebracht worden. Ich denke wir müssen den Irrtum einsehen: Die in Art. 4 GG normierte Glaubens- und Religionsfreiheit kann in Deutschland nicht länger Anwendung finden.“
Dass die in Art. 4 GG normierte Glaubens- und Religionsfreiheit in Deutschland nicht länger Anwendung finden sollte, sehe ich nicht so. Ein Begriff der Glaubens- und Religionsgemeinschaft, der lediglich an tradierte Institutionen anknüpft, ist aber meines Erachtens überholt. Die Ehe für alle hat sich von einer solch phimotischen Bestimmung gelöst, ohne dass eine Änderung des GG erforderlich war. Möglicherweise ist in der Potentialität des Ehebegriffs bereits Polygynie, Polyandrie und Polygynandrie inkludiert. Und vielleicht umfassen die religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse, deren Freiheit Art. 4 GG gewährleisten soll, auch das Bekenntnis zum Spaghettimonster.
@Stephan Beichel-Benedetti, Di 11 Jul 2017 / 17:04
Stephan Beichel-Benedetti: “Die Argumentation verabsolutiert eine Grundrechtsposition.”
Wie kann eine Grundrechtsposition verabsolutiert werden, in die eingegriffen wird?
@Wasmund. Ich verstehe die Frage nicht. Bitte präzisieren.
Die Argumentation verabsolutiert. Der Eingriff hat damit nichts zu tun. Wer behauptet, es gebe eine in jeder Lage ein unbedingtes religiöses Recht verabsolutiert. Kein Grundrecht erlaubt alles. Dass das bei solchen, die primär in der Definitionsmacht des Grundrechtsträgers liegen, zu Problemen führen kann, ist evident.
Stephan Beichel-Benedetti, Di 11 Jul 2017 / 20:01: “Der Eingriff hat damit nichts zu tun. Wer behauptet, es gebe eine in jeder Lage ein unbedingtes religiöses Recht verabsolutiert. Kein Grundrecht erlaubt alles.”
Unverständlich. Nicht erlauben ist(!) der Eingriff. Wenn das Kopftuch nicht erlaubt wird, wird eingegriffen und somit (allein deshalb schon) auch nicht verabsolutiert.
Sie verstehen es nicht. Die Autorin des hier behandelten Themas verabsolutiert das Recht der Religionsfreiheit wenn sie behauptet, alleine aus dem unbedingten religiösen Befehl zum Tragen des Kopftuchs folge, dass der Staat dann in jedem Fall zurücktreten und dies zulassen müsse. Das ist dogmatisch unzutreffend und mit dieser einseitigen Interpretation würde jede religiöse Praxis sich stets durchsetzen. Das ist mit Blick auf die Gesamtsituation in der auch andere Rechte haben schlicht zu einfach argumentiert. Wie wollte man bei dieser These die Richterin mit Nikab verhindern (bitte jetzt keine Empörung über die Zuspitzung, generelle juristische Argumentationen müssen auch diese Fragen aushalten).
Stephan Beichel-Benedetti, Di 11 Jul 2017 / 20:18: “Die Autorin…”
Ok. Mein Fehler.
“Wie wollte man bei dieser These die Richterin mit Nikab verhindern ”
Pah, das geht überspitzter:
Den Richter mit Hakenkreuz-Anhänger würde man auch nicht verhindern. Der gibt halt an, Buddhist zu sein.
Das Kopftuch ist das dünne Ende des Keils. Das dicke Ende kann hässliche Formen annehmen.
Leser, Di 11 Jul 2017 / 20:52: “Den Richter mit Hakenkreuz-Anhänger würde man auch nicht verhindern. Der gibt halt an, Buddhist zu sein.”
Das müsste man wahrscheinlich tatsächlich diskutieren denn:
“Seit 1973 dürfen Hakenkreuze abgebildet werden, die objektiv den Nationalsozialismus nicht befürworten:
…
zur Religionsausübung der Falun Gong in Deutschland
…” (https://de.wikipedia.org/wiki/Swastika#Rechtslage)
@Weichtier
“Und vielleicht umfassen die religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse, deren Freiheit Art. 4 GG gewährleisten soll, auch das Bekenntnis zum Spaghettimonster.”
Das ist heute schon so, da die Pastafari schlicht eine atheistische bzw. agnostische Weltanschauung darstellen, welche selbst auch unter die Glaubens- und Religionsfreiheit fällt. Wer das Nudelsieb als Kopfbedeckung für Richter verneint, müsste dies zwangsläufig für das Kopftuch ebenfalls tun.
@wasmund
“Die Frage kann also nur sein, was ist die verfassungrechtliche-richterliche Neutralität und erfüllt die kopftuchtragende Richterin (auch im Verhältnis zu den anderen Richtern) diesen(!) Maßstab.”
Und, was ist die?
Wo steht die konkret?
Erfüllt die Richterin ohne Kopftuch sie?
Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie als Antwort – verpackt in andere Begriffe – das Erscheinungsbild der Mehrheitsgesellschaft als Maßstab ansetzen.
Witzig daran ist, dass dies “obejektiverweise” in jedem Land so getan wird.
Daher ist es und bleibt es eine Scheindebatte.
Der Debatte liegt daneben ohnehin eine wesentliche Fehlannahme zugrunde:
Das Fehlen von Zeichen bedeutet nicht das Fehlen einer Ideologie.
Auch das Nicht-tragen eines Kopftuchs ist Ausdruck einer Weltanschauung/Religion/Ideologie.
Was ist der Normalzustand? Mit Kopftuch oder ohne? Mit Kleidung oder ohne? Wer bewertet das? Und was ist dabei der obj., dh universelle Maßstab?
In der Regel ist das “normal” und damit “unproblematisch”, was der Mehrheitsgesellschaft entspricht. Alles andere wird als diskussionsbedürftige Abweichung diskutiert. Allein das ist schon “schein-objektiv”. Daher nochmal: Es handelt sich um eine Scheindebatte.
Das man eine Richterin mit Kopftuch für potentiell befangen hält, sagt mehr über die eigenen Vorurteile, als über eine etwaige fehlende Neutralität aus…
HK
@ Hans Kelker
Wie stehen Sie zum Hakenkreuz an der Halskette eines Richters? Ist das für Sie dann auch okay? Oder der Richter ohne Hakenkreuz zu Lasten von Buddhisten und Neonazis voreingenommen?
@Leser
Vergleichen sie gerade die verbotenen Symbole des Nationalsozialismus mit den erlaubten Zeichen von Weltreligionen?
Der Beitrag bringt die Diskussion keinen Centimeter weiter.
Kelker hat insofern Recht, dass das Neutralitätsgebot Ausdruck unserer Normalität eines säkularen Staates ist. In islamischen Staaten gibt es eine andere Normalität. Deshalb ist es aber noch keine Scheindebatte.
Bedenklich finde ich, dass es hier Positionen gibt, die das Nudelsieb ablehnen jedoch das Kopftuch befürworten. Das ist inkonsistent. Sowohl Nudelsieb als auch Kopftuch sind Ausdruck der Glaubens- und Religionszugehörigkeit. Da gibt es rechtlich keinen einzigen Unterschied. Deshalb stellt sich die Frage, warum das Kopftuch gegenüber dem Nudelsieb bevorzugt werden sollte. Auf die Argumentation bin ich gespannt. 🙂
@Fein
“Deshalb ist es aber noch keine Scheindebatte.”
Doch, weil man versucht, mit bestimmten Schlagwörtern wie “Neutralität” dem ganzen einen objektiven und rationalen Charakter zu verleihen.
Man sollte wenigstens so methodenehrlich sein, einzugestehen, dass die “Argumente” eigentlich nur Ausfluss höchst subjektiver Anschauungen der Mehrheitsgesellschaft sind.
Laut dem Duden steht der Begriff “neutral” u.a. für Folgendes:
“keiner der gegnerischen Parteien angehörend, nicht an eine Partei, Interessengruppe gebunden; unparteiisch”
Von dieser Begriffsdefinition ausgehend, ist die “Neutralitätsargumentation” aus den besagten Gründen selbst nicht neutral.
Die Debatte ist einfach ein Musterbeispiel für einen logokratischen Diskurs. Die Mehrheit der Menschen möchte sich das nur nicht eingestehen, weil dann insbesondere die Argumente der “Neutralitätsbefürworter” sowohl vollständig an Überzeugungskraft als auch vollständig an Legitimität einbüßen würden. Die wahren Beweggründe kämen nämlich zum Vorschein.
Dies würde aber wiederum an der eigenen moralischen Überlegenheit nagen, von der man überzeugt ist…
Die Frage, die hier ehrlicherweise diskutiert werden sollte ist daher nicht, ob etwas neutral ist, sondern, ob wir als Mehrheitsgesellschaft bestimmte andere Anschauungen zulassen oder nicht. Der Maßstab ist dabei ein vollkommen willkürlicher. Das ist er in Wahrheit aber schon die ganze Zeit. Nur verkauft wird er nicht als solcher…
Daher handelt es sich um eine Scheindebatte.
@ Hans Kelker
“Vergleichen sie gerade die verbotenen Symbole des Nationalsozialismus mit den erlaubten Zeichen von Weltreligionen?”
Lesen bildet:
https://de.wikipedia.org/wiki/Swastika
Genau das ist das Problem: Das Kopftuch wird als “nicht so schlimm” verteidigt, ohne dabei zu erkennen, für was wir die Tür damit aufstoßen.
@ Fein
… indem nicht anerkannt wird, dass Pastafari wirklich religiös seien, ohne dafür irgendein rechtliches oder tatsächliches Argument vorzubringen außer “finde ich halt so”.
Ist ungefähr so, wie man Menschenrechte einfach negieren kann, indem man einige Leute zu Nicht-Menschen definiert, wenn wir schon bei Nazi-Vergleichen sind.
Aber die Frage ist im Zweifelsfalle egal: Es gibt genügend ältere = etablierte Religionen, die für den Punkt ausreichen. Ich bin demnächst transsexuelle Wicca und trete vor Gericht nur noch nackt auf, weil Mutter Erde uns ohne Kleidung erschaffen hat. Exhibitionismus? Missachtung des Gerichts? Nein, freie Religionsausübung!
Da man Religionen bekanntermaßen auch wechseln kann, bin ich übermorgen dann transsexuelle Muslima in Vollverschleierung. Und übermorgen habe ich durch den Buddhismus wieder Einklang mit meinem natürlichen Geschlecht gefunden.
Was kümmert da noch das Nudelsieb…
@Leser
Der Ursprung des Zeichens ist egal, wenn es offiziell verboten ist. Wenn wir anfangen uns in der Diskussion von den gesetzlichen Grundlagen zu lösen, argumentieren wir bald im luftleeren Raum.
Das Kopftuch ist ein Kleidungsstück. Und das Tragen ist nicht nur legal, sondern grundrechtlich geschützt.
Der Verweis auf Hakenkreuze ist für die Diskussion nicht konstruktiv. Zudem fehlt der Zusammenhang.
Lesen bildet:
https://de.wikipedia.org/wiki/Swastika#Rechtslage
@Leser
Für die rechtliche Einordnung ist es völlig unwesentlich, ob man dem Pastafari zugesteht, einer Religion anzugehören. Religionsfreiheit schließt auch die Freiheit von Religion ein. Insofern wäre das Nudelsieb das Bekenntnis, nicht an eine der weit verbreiteten Religionen zu glauben.
Jedes rechtliche Prinzip kann durch die Konstruktion von ins Extrem gesteigerten Fiktiv-Beispielen angegriffen werden. Das Recht ist meiner Ansicht nach aber mit der konkreten sozialen Wirklichkeit befasst und muss diese bearbeiten, und keine Luftnummern. Sollten sich die Nudelsieb-Religion oder hakenkreuztragende Buddhisten eines Tages unter Rechtsreferendaren ausbreiten und ebenso sozial glaubhaft sein wie der Islam, können wir gerne darauf zurückkommen.
Gleichermaßen unplausibel finde ich die Analogie zum Chirurgen, der aufgrund seines Glaubens einen Patienten sterben lässt. Damit verstößt er gegen Gesetze und gegen seine Standesethik. Eine Rechtsreferendarin und potentielle Richterin, die das Recht nach den Regeln der Kunst anwendet (und damit den Gesetzen, den Erwartungen an sie und ihrer Professionsethik folgt) hat damit wenig zu tun. Diesen Punkt hat Katharina Mangoldt in ihrem Beitrag sehr gut herausgearbeitet.
Interessanter erscheint mir die konsequentialistische Argumentation vom @Leser, der Beschädigung der Justiz durch mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung befürchtet. Dies ist ein beachtenswertes (wenn auch rechtlich schwieriges) Argument, auch weil es empirischer Überprüfung zugänglich ist. Man kann diese Befürchtung hegen, aber mit ebensogroßer Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sich nach einer Zwischenperiode mit Irritationen sich alle daran gewöhnt haben und sich gar nicht mehr vorstellen können, das das mal ein Problem war (siehe Legalisierung der Homosexualität, Abschaffung der Todesstrafe, Gleichstellung von Mann und Frau, und diverse andere Dinge, die gegen erhebliche Widerstände eingeführt wurden). Insofern müsste man mal in andere Länder schauen…
@Boulanger
Pastafarianismus ist kein Extrembeispiel. Brandenburger Pastafari streiten derzeit um ihr Nudelmesse-Hinweisschild vor Gericht. Weiterhin geht bei den Darlegungen hier nicht um den Islam sondern um recht universelle Grundrechte der Glaubens- und Religionsfreiheit und der Persönlichkeitsrechte. Da bietet es sich gerade zu an, das Nudelsieb als Gegenstand des Disputs zu verwenden. Damit würde der Disput entpolitisiert und auf seine juristische Essenz beschränkt. Es hat jedoch den Anschein, dass die rein juristische Diskussion gar nicht gewollt ist. Dann funktionieren nämlich die moralinsauren Diffamierungen nicht mehr.
“Gleichermaßen unplausibel finde ich die Analogie zum Chirurgen, der aufgrund seines Glaubens einen Patienten sterben lässt. Damit verstößt er gegen Gesetze und gegen seine Standesethik.”
Diese Argumentation ist dürftig. Die Referendarin verstößt danach nicht weniger gegen das Gesetz (Kopftuchverbot bei gerichtlicher Tätigkeit) und Standesregeln.
Darum geht es aber nicht, sondern um die Frage, ob und in welchen Fällen das Grundrecht Grenzen kennt, die der Gesetzgeber ziehen darf.
Zum Nikab kommt von dieser Seite nie etwas, weil dann die Argumentation schwierig wird…
Wenn Ihnen Hakenkreuze, Nudelsiebe und Nudisten zu weit entfernt sind: Wie stehen Sie denn zur Vollverschleierung? Ist die auch okay? Falls nicht, was ist der Unterschied? Ist die Sichtbarkeit des Gesichts ein höheres Schutzgut als der Anschein von Neutralität des Staates? Ist abzuwägen zwischen Neutralität und dem Ausmaß, der Extremität, der Beliebtheit einer Religion und ihrer Ausdrucksformen? Ohne diese Erwägungen würde man eine unausgegorene Entscheidung treffen.
—
Natürlich kann es sein, dass man die Sache durchdrücken kann und sich in 20 Jahren keiner mehr darüber aufregt. Zu Demokratie unseren Verständnis gehört gelegentlich auch, die Interessen einer Minderheit gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen, so paradox das scheint. Aber so ganz glücklich sind diese Fälle dann m. E. auch nicht.
Mir fehlt zu folgendem wirklich die Kenntnis: Wie waren die Mehrheitsverhältnisse bzgl. Legalisierung der Homosexualität, Abschaffung der Todesstrafe, Gleichstellung von Mann und Frau usw.? Und wie stark war der Widerstand (nicht quantiativ, sondern qualitativ)? Und hat die Änderung der Rechtslage etwaige Widerstände eher angeheizt oder beruhigt? Wie stark ist der Widerstand gegenwärtig nach Quantität (“Wie viele sind dagegen?” und Qualität (“Wie viele würden bei einer entsprechenden Änderung auswandern / das Rathaus stürmen / AfD wählen?”)? Das wären m. E. mal interessante Untersuchungsgegenstände.
Falls es so sein sollte, dass entweder
– bereits jetzt die Ablehnung von Kopftüchern auf der Richterbank weniger stark ist, als ich befürchte, oder
– aufgrund ähnlicher Vorgänge in der Vergangenheit zu erwarten ist, dass die Furcht vor Änderung wesentlich größer ist als die tatsächliche Unzufriedenheit nach der Änderung,
wäre das jedenfalls für mich Anlass für eine Neubewertung.
Was den Niqab angeht, vermute ich, dass die Schnittmenge zwischen Frauen, die Niqab tragen, und Jurastudentinnen, die Richterin werden wollen, gleich null ist, und dass es für diese Korrelation auch einen Grund gibt. Aber das ist eine empirische Frage und wird Sie auch nicht befriedigen. Ob man das gut findet oder nicht, das heutige Verfassungsrecht wird durch Abwägungen bestimmt, d.h. es finden keine rein begrifflichen Ableitungen mehr statt, sondern das Verfassungsgericht schaut ziemlich genau hin, was die soziale Wirklichkeit hinter den Fällen ist. Und da lässt sich vermutlich relativ gut zwischen Kopftuch und Niqab unterscheiden. Aber andere können das kompetenter beurteilen als ich.
@Leser, alles total spannende Fragen. Ich habe mich selbst nur mit der Todesstrafe auseinandergesetzt, da ist es eindeutig: als sie 1949 abgeschafft wurde, war eine solide Mehrheit der Deutschen für ihre Beibehaltung. Heute ist es genau umgekehrt, und nur von ganz rechts ertönt manchmal die Forderung nach Wiedereinführung. Insofern kann es (menschenrechtlich gesprochen) Lerneffekte geben. Ich will das jetzt nicht gleichsetzen, sondern auf die soziologischen Mechanismen hinweisen, die bei solchen v.a. symbolisch hochumstrittenen Themen auftreten.
Im Übrigen finde ich bedenklich, dass hier (zumindest dem Anschein der Pseudonyme/Namen nach) mal wieder nur Männer diskutieren. Das Thema kann zwar theoretisch auch Männer betreffen (den Nudelsiebträger ebenso den katholischen Priester in Nebenamt mit Balkenkruzifix vor der Brust), aber tatsächlich und konkret geht es ja um Frauen und deren Lebenschancen. Es wäre schön, von diesen zu hören.
Hans Kelker, Mi 12 Jul 2017 / 00:28: “Und, was ist die?” und Hans Kelker, Mi 12 Jul 2017 / 11:55: Laut dem Duden steht der Begriff “neutral” u.a. für Folgendes
“5. Weitere objektiv-rechtliche Gehalte
Das Grundgesetz konstituiert in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung; im Blick auf die Religions- und Weltanschauungsfreiheit sind daraus das Prinzip staatlicher Neutralität und der Paritätsgrundsatz sowie eine Ausstrahlungswirkung auf das einfache Recht abzuleiten.
a) Prinzip staatlicher Neutralität
Das Bundesverfassungsgericht hat im »Kruzifix-Beschluss« – insoweit zutreffend382 – bekräftigt, dass das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit eine der normativen Grundlagen für das Prinzip staatlicher Neutralität in religiöser bzw. weltanschaulicher Hinsicht darstellt:
»Aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG folgt … der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen. Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt. Er darf daher den religiösen Frieden in einer Gesellschaft nicht von sich aus gefährden. Dieses Gebot findet seine Grundlage nicht nur in Art. 4 Abs. 1 GG, sondern auch in Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 1 sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV. Sie verwehren die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagen die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Auf die zahlenmäßige Stärke oder die soziale Relevanz kommt es dabei nicht an. Der Staat hat vielmehr auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Auch dort, wo er mit ihnen zusammenarbeitet oder sie fördert, darf dies nicht zu einer Identifikation mit bestimmten Religionsgemeinschaften führen.«
b) Paritätsgrundsatz
Eine Konsequenz des Prinzips der staatlichen Neutralität und seine Ergänzung bedeutet der Grundsatz der Parität.384 Diesem zufolge muss der Staat alle Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihre Angehörigen rechtlich (nicht faktisch-nivellierend) gleichbehandeln.385 Neben Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV, Art. 3 Abs. 3 GG sowie Art. 33 Abs. 3 GG beruht der Paritätsgrundsatz nicht zuletzt auch auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.386”
Wie ich Ihnen also schon unter Steffen Wasmund, Di 11 Jul 2017 / 17:25 sagte gilt hier nicht logische Dudendefinition, sondern die rechtliche (staatliche Neutralität.
Hans Kelker: “Wo steht die konkret?”
Stern / Becker: Grundrechte-Kommentar, 2. Auflage 2016 Art. 4 Rn. 175. Den dort zitierten Ausschnitt des BVerfGs-Beschlusses finden sie hier http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1995/05/rs19950516_1bvr108791.html#abs35
Hans Kelker: “Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie als Antwort – verpackt in andere Begriffe – das Erscheinungsbild der Mehrheitsgesellschaft als Maßstab ansetzen.”
Wenn Sie mit “Erscheinungsbild der Mehrheitsgesellschaft” die Maßstäbe der Verfassung meinen, dann haben Sie Recht und das ist richtig so.
Hans Kelker: “Daher ist es und bleibt es eine Scheindebatte.”
Nein, weil dann das “Erscheinungsbild der Mehrheitsgesellschaft” weder ein nicht existenter noch ein beliebiger Maßstab ist.
Hans Kelker: “Auch das Nicht-tragen eines Kopftuchs ist Ausdruck einer Weltanschauung/Religion/Ideologie.”
Nein. Nicht, wenn alle Religions- und Weltanschauungsinhaber kein Kopftuch tragen.
Hans Kelker: “Was ist der Normalzustand?”
Vor Gericht allein die Amtstracht.
@Ronald Fein, Di 11 Jul 2017 / 23:07: “Das ist heute schon so, da die Pastafari schlicht eine atheistische bzw. agnostische Weltanschauung darstellen
Hier mal zur Sicherheit (nochmals) der Nachweis: “In Deutschland wurde der Verein Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters e.V. mit Sitz in Templin 2012 als Weltanschauungsgemeinschaft anerkannt.” https://de.wikipedia.org/wiki/Fliegendes_Spaghettimonster
Zur Gleichberechtigung von Relgion und Weltanschauung bzgl. Ausübungsfreiheit: “Die Abgrenzung zwischen Glaube und Weltanschauung mag auf einer abstrakten Ebene mgölich sein. Praktisch ist sie sehr schwierig und im Kontext des Art. 4 unnötig, weil beides geschütz ist und weil die Freiheit, den eigenen Überzeugungen gemäß zu handel, die Abs. 2 aus traditionellen Gründen für die Religionsausübung ausdrücklich benennt auch für weltanschauliches Handeln gilt.” (Gröpl/Windthorst/von Coelln Art. 4 Rn. 9)
Das stünden (jedenfall in diesem Zusammenhang) im Widerspruch zu Benjamin Rusteberg, Fr 7 Jul 2017 / 18:37 und Benjamin Rusteberg, So 9 Jul 2017 / 15:54
Die Diskussion muss sich also auf Nudelsieb, Hakenkreuz der Falun Gong (Steffen Wasmund, Di 11 Jul 2017 / 21:01) und Niqab erstrecken. Wer das nicht beantworten will, weicht der Problematik aus.
@WeForTheEU, Mi 12 Jul 2017 / 16:05
Das ist nur wieder die Argumentation der konkreten äußeren Zuschreibung bzgl. des Kopftuches. Da die Argumentation allgemeingültig für alle religiös/weltanschaulichen Symbole gelten muss, ist sie schon deshalb unzulässig. Die (konkrete) Muslima muss nicht glauben, der böse verdorbene Mann will mich nur als Sexobjekt sehen, oder wenn ich mich zeige, verführe ich den dem Grunde nach verbrecherischen, sich selbst nicht unter Kontrolle habenden Mann zu einer Vergewaltigung, was mich selbst versündigt. Die Muslima könnte auch lediglich denken, “Gott” schreibt das Kopftuch vor. Ende. Ohne Begründung. (etwa unzulässiges Überspitzungsargument? Christian Boulanger, Mi 12 Jul 2017 / 13:00) Was machen Sie dann?
Einzig relevant scheint mir die automatisch gekoppelte (richterfremde: Steffen Wasmund, Mo 10 Jul 2017 / 17:36) Information zu sein, die wir bei der Lehrerin tolerieren weil: “Solange die Lehrkräfte, die nur ein solches äußeres Erscheinungsbild an den Tag legen, nicht verbal für ihre Position oder für ihren Glauben werben und die Schülerinnen und Schüler über ihr Auftreten hinausgehend zu beeinflussen versuchen, wird deren negative Glaubensfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Die Schülerinnen und Schüler werden lediglich mit der ausgeübten positiven Glaubensfreiheit der Lehrkräfte in Form einer glaubensgemäßen Bekleidung konfrontiert, was im Übrigen durch das Auftreten anderer Lehrkräfte mit anderem Glauben oder anderer Weltanschauung in aller Regel relativiert und ausgeglichen wird. Insofern spiegelt sich in der bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die religiös-pluralistische Gesellschaft wider.” (1 BvR 471/10 Rn. 105 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/01/rs20150127_1bvr047110.html#abs105)
Das BVerfG räumt also erstens ein, dass durch das Kopftuch eine (irgendeine) Beeinflussung stattfindet. Weiterhin findet eine Relativierung dieser Beeinflussung durch die anderen Lehrkräfte statt, die ebenfalls religiöse Symbole tragen dürfen. Eine Relativierung von irgendwas kann nur existieren, wenn das zu Relativierende existiert. Das zu Relativierende ist (im Richteramt) in jedem Falle richterfremde Information an den Prozessbeteiligten. Das Richteramt ist damit nicht mehr unabhängig von Richterfremden. Die reine richterliche Neutralität ist aufgehoben.
Und nun ist m. E. die Frage, ob wir der richterlichen Neutralität einen höheren Wert beimessen als der Lehrerneutralität. Es ergäbe sich hier also eine stärkere Trennung von Religion/Weltanschauung und Staat. Wenn auch keine absolute. Denn Mitglied in einer Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft darf man weiter bleiben.
Diese Argumentation bezieht sich ausschließlich auf objektive Vorgänge, die dann allerdings eine (neue) Bestimmung der gewollten(!) richterlichen Neutralität erzwingt. Diese muss dann allerdings wieder für alle objektiv gleich gelten.
Zu welchen Einschränkungen führt das Tragen von Kippas rechtlich gesehen im Rechsreferendariat?
Der Vergleich zwischen Jüd_innen und Muslimen in dieser Frage dürfte noch näher liegen, als der zwischen Schwarzen Menschen und Braunen Muslimen, da beide Gruppen (auch) über Religion rassialisiert werden. Wem der angebliche Nazi-Vergleich schmerzt, könnte evtl. sozial- und kulturwissenschaftliche Strukturanalysen heranziehen, um zu verstehen, dass Rasse und Ethnizität Strukurprinzipien in stratifizierten nationalstaatlichen Gefügen bilden. Die Ausformung dieser Stratifizierungen ist geschichtlich gewachsen. Rasse ist somit kein Konstrukt aus der Vergangenheit oder einem “dunklen” Kapitel der Geschichte des Kolonialismus oder Nationalsozialismus, sondern andauernde Realität, denen permanent entgegengewirkt werden muss in demokratisch organisierten Gesellschaften. Vielen Dank für den bereichernden juristischen Beitrag an Nahed Samour.
Über die “Islamexpertise” in Kommentarspalten könnte man viel sagen… aber versuchen wir es einmal mit folgenden rechtspolitischen Thesen:
1. Keiner leugnet, dass es Formen von religiösen Auffassungen gibt, die sich als “Islam” bezeichnen und mit dem GG nicht vereinbar sind. Weiterhin besteht kein Zweifel, dass in Deutschland Menschen leben, die diesen Auffassungen anhängen (z.B. Salafisten).
2. Auch diese Form des Islam ist grundsätzlich von der Religionsfreiheit geschützt, sofern keine anderen Schutzgüter entgegenstehen. Insbesondere muss der Rechtsstaat nicht alle Formen der Ausübung der Religion tolerieren (z.B. “Sharia-Police”).
3. Vom Tragen des Kopftuchs kann nicht auf eine dieser religiösen Auffassungen geschlossen werden (Dieser Punkt ist schwer widerlegbar).
4. Auch wenn Religionsfreiheit herrscht, hat der liberale Rechtsstaat ein legitimes Interesse daran, dass Formen grundgesetzwidriger Glaubensformen ersetzt werden durch solche, die mit dem GG vereinbar sind. (Der Punkt ist streitig, radikal-liberale würden ihn verneinen)
5. Die Personengruppe, um die es geht, hat die rechtsstaatlichen Prinzipien des Grundgesetzes im Studium erlernt und durch zwei (schwere) Prüfungen und Referendariate verinnerlichen müssen. Sie befindet sich in einer sozialen Situation, die gerade nicht dem patriarchalen Modell des konservativen Islam entspricht und kann insofern auch anderen als Vorbild dienen.
6. Der Ausschluss dieser Personengruppe schadet dem Ziel aus 4. Er bedeutet in der Konsequenz, dass ein Mensch, der kein Kopftuch trägt, aber grundgesetzwidrige Auffassungen verfolgt (Rechtsradikaler, Salafist, …) Richter werden kann während die Muslima, die grundgesetzkonform denkt und handelt, es nicht darf.
Christian Boulanger, Mi 12 Jul 2017 / 17:33
Wenn Punkt 3 gilt kann nicht gleichzeitig Punkt 5 und damit Punkt 6 gelten. 5 ist eine äußere Zuschreibung, nur eben ein Positive.
@Steffen Wasmund
Die Thesen sind argumentativ sicher noch nicht ausgereift, aber Ihren Einwand finde ich nicht schlagend: 3) ist ein empirisches Argument, keine Zuschreibung. Theoretisch mag es überzeugte (sagen wir mal) Salafistinnen geben, die während Studium und Referendariat Gesetzes- und Verfassungstreue heucheln, um danach den Rechtsstaat demontieren zu wollen, aber die Wahrscheinlichkeit geht gegen null. Zuschreibung ist es, wenn man die Rechnung “Kopftuch = Salafistin” aufmacht. Und das ist empirisch extrem leicht zu widerlegen.
Christian Boulanger, Mi 12 Jul 2017 / 18:28 : “aber die Wahrscheinlichkeit geht gegen null”
Woher wollen Sie das denn wissen. Haben Sie schon lange Erfahrungen mit Richterinnen mit Kopftuch. Genauso könnten Sie die Empirie auf die häufigsten Ausübungen und damit menschenrechtswidrigenden Ausübungen des Islam weltweit beziehen, oder auf die Statistik, dass ca. die Hälfte der Muslime in Deutschland Gott über die Verfassung stellen. https://www.welt.de/politik/deutschland/article156269271/Islam-Gebote-stehen-ueber-dem-Gesetz-findet-fast-die-Haelfte.html
Und schon sind Sie mit ihren äußeren Zuschreibungen über Wahrscheinlichkeiten am Ende.
Da sich die Frage nach dem Religionsausübungsverbot vor Gericht für alle Religionen und Weltanschauungen gleichermaßen stellt, also auch für solche, die sich möglicherweise eine in jeder Hinsicht verfassungskonforme Wertordnung vorschreiben, wäre die Frage nach der Verfassungsrelation dieser Werteordnungen ohnehin hinfällig.
Sie müssen Verbot oder Erlaubnis also unabhängig von jeder äußeren Zuschreibung rechtfertigen. Wenn Ball falsch ist, erfüllen sie die Bedingung nicht, wenn Sie den blauen Ball gegen einen roten austauschen.
Nehmen Sie also den Fall an, die muslimische Richterin verfasst 100% verfassungskonforme, wegeweisende, umjubelte Urteile und das seit Jahren. Welche Relevanz hätte das? Keine. Es geht nicht um den Inhalt des Urteils genauso wenig wie es bei der kopftuchtragenden Lehrerin um deren mathematische Kenntnisse geht. Es geht um richterfremde/lehrinhaltsfremde Information, die über Religions- oder Weltanschauungssymbole unweigerlich(!) mit übertragen wird. Nicht bezüglich ihrer konkreten (möglichen) Inhalte, sondern ausschließlich bzgl. ihrer Fremdheit (richterfremd/lehrinhaltsfremd). Die Fremdheit ist die Negation der Nichtfremdheit. Die Frage ist also (für das Richteramt) inwieweit wollen wir die Negation der vermittelten richterlichen Information im Gericht zulassen. Die Vermittlung der Information Geschlecht/Hautfarbe ist unvermeidbar, die der Weltanschauung/Religion mit bewusst gesetzten Werten(!), die niemals verfassungsidentisch sein können, weil die Religion und die Weltanschauung nicht der Staat sind, nicht.
Die Frage die sich m.M.n stellt hatte ich hier schon formuliert Steffen Wasmund, Mi 12 Jul 2017 / 17:08
Das öffentliche Tragen eines Religions- oder Weltanschauungsymbols unterliegt dem freien Willen(!). Das würde also bereits ein Symbol der Willkür in den willkürfreien Rechtsablauf einbringen. Weiterhin zeigt der symboltragende Richter, ich will(!) dir ausdrücklich zeigen, dass ich auch als Inhaber meiner Religion/Weltanschauung über dich richte. Was bedeutet das bei möglicherweise als extrem negativ empfundenen Urteilen durch den Betroffen. Eine aufgeteilte Verantwortungszuschreibung auch auf die Religion/Weltanschauung wäre meiner Ansicht nach unvermeidbar und das zu Recht. Der Staat würde die Verantwortungsaufteilung (Abwälzung von sich auf Religion und Weltanschauung) befördern. Kann das zugelassen werden?
@Wasmund/@WeForTheEu
Danke für Ihre Einwände, aber ich glaube, wir können es jetzt dabei bewenden lassen – wir gehen jeweils von völlig unterschiedlichen Prämissen aus, die inkompatibel sind und daher einen argumentativen Diskurs scheitern lassen (Deswegen glaube ich ja, dass Max Weber mit seiner Annahme zur Unvereinbarkeit von Weltsichten eher recht hat als Habermas mit seiner Vorstellung kommunikativer Vernunft). Sie versuchen, mit abstrakten (meiner Meinung nach auch teilweise faktisch inkorrekten) Argumenten zu einem Ergebnis zu kommen, dass Ihren Werten und Ansichten entspricht. Ich habe selbst für das Kopftuch oder manch andere religiöse Praktiken wirklich nichts übrig (zum Vergleich: wie seltsam und brutal muss ein ans Kreuz genagelter Mensch-Gott auf andere wirken), glaube aber, dass es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besser und rechtlich möglich ist, Menschen mit Kopftuch und anderen religiösen Symbolen, die für unseren Rechtsstaat eintreten, auch an sichtbaren Stellen des Rechtsstaats einzusetzen. Eventuell müsste man es auch einfach mal probieren – dafür gibt es ja den Föderalismus. In diesem Sinne: over and out.
Das Christentum hat, wie alle andere Religionen auch, seine bizarren Ecken. Blut und Fleisch des Propheten zu verzehren, und wenn nur symbolisch, ist nicht gerade im Rahmen dessen, was wir als normal bezeichnen würden, wenn wir diesen Ritus nicht gewohnt wären.
Frage ist nur: Rechtfertigt die Bizarrität der einen Religion, die Bizarritäten der anderen Religion in den Gerichtssaal zu tragen?
Dazu kann man berechtigterweise unterschiedlicher Meinung sein. Man kann darauf setzen, dass die Toleranz aller schon gegeben ist oder sich halt entwickelt (danke bzgl. des Hinweises auf die Todesstrafe). Oder man kann pessimistischer sein.
Ich persönlich bin bei diesem Thema leider auf der pessimistischen Seite.
Schade finde ich auch, dass die Diskukantenschaft mindestens überwiegend männlich ist – auch und gerade weil ich persönlich von den Frauen, mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe, an Gewalttätigkeit grenzende Ablehnung einer Zulassung von Kopftüchern mitgenommen habe. Wir können ja bspw. Alice Schwarzer dazu fragen. 😉
Christian Boulanger, Do 13 Jul 2017 / 08:38: “…glaube aber, dass es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besser und rechtlich möglich ist, Menschen mit Kopftuch und anderen religiösen Symbolen, die für unseren Rechtsstaat eintreten, auch an sichtbaren Stellen des Rechtsstaats einzusetzen. Eventuell müsste man es auch einfach mal probieren”
Gut. Wenn Sie – auch vor sich selbst – auf der Ebene von “glauben” verbleiben können, wiese dies zu meiner Position tatsächlich einen Widerspruch auf. Derartige Widersprüche ausfindig zu machen und aufzuzeigen ist aber auch schon mal eine Erkenntnis.
“Schon der Herrenchiemseer Konvent hatte als bedeutsame Neuerung des Beginns des Grundrechtskatalogs in Art. 1 die »Menschenwürde« eingeführt. Im Parlamentarischen Rat bestand jenseits aller politischen und konfessionellen Standorte Einigkeit, die Menschenwürde in die Verfassung aufzunehmen, und zwar an die Spitze der Grundrechte.2 Ein Bezug auf Gott wurde an dieser Stelle im Gegensatz zu Satz 1 der Präambel nach kontroverser Diskussion nicht aufgenommen. Man entschloss sich zu einer kurzen alle weltanschaulichen Festlegungen aussparenden Formulierung der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Satz 1 GG) und deren Achtung und Schutz als Verpflichtung aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG). Gleichzeitig verankerte man das »Bekenntnis des Deutschen Volkes »zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt« (Art. 1 Abs. 2). Menschenwürde und Menschenrechtsbekenntnis bilden so das Fundament der Grundrechte (und der Verfassungsordnung insgesamt). Carlo Schmid sprach davon, dass Art. 1 GG »der eigentliche Schlüssel für das Ganze« sei.3 Mit Blick auf die fürchterliche Missachtung der Grundrechte zwischen 1933 und 1945 und auch noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit war mit Art. 1 ein höchstes wertsetzendes Verfassungsprinzip, ein »oberstes Konstitutionsprinzip« gefunden, das für die Auslegung der Verfassung und der Grundrechte von nachhaltiger Bedeutung ist.” (Stern / Becker: Grundrechte-Kommentar, 2.
Auflage 2016, Metajuristische und historische Grundlagen Rn. 2)
Diese “objektive Wertordnung” des GG prüft (zu Recht) nicht, ob Religion oder Weltanschauung in irgendeiner Art und Weise richtig oder falsch sind. Religion und Weltanschauung fehlt also auch der Prüfmaßstab Menschenwürde. Und nun müssen wir uns – gerade als Deutsche – die Frage vorlegen, ob wir auch im Namen von Werteordnungen Recht sprechen wollen, die den Prüfmaßstab Menschenwürde nicht besitzen.
Ich denke, wir sollten das nicht “einfach mal probieren”.
Ansonsten gern wieder bei anderer Gelegenheit.
So, der erste natürlich “gut integrierte” muslimische Polizist hat bei seiner Beförderung den Handschlag einer weiblichen Kollegin verweigert.
Das sage noch einer der Islam stehe im Widerspruch zum Grundgesetz! Dringend Bedarf es des Kopftuches auf dem Richterinnenkopf um die islamtreue der Justiz nach außen hin sichtbar zu machen!
“Es ist mir übrigens völlig egal, seit wann in islamischen Ländern gesteinigt wird. Es zählt nur, dass es heute gemacht wird, in Anwesenheit von Menschen, die mit einem Bein in der Barbarei und mit dem anderen in der Moderne stehen und die Steinigungen mit ihren Handys filmen. Ich verweigere jede Art von Verständnis für diese Art von Kultur. Ich will sie auch nicht importieren. Ich will keine Debatten führen über Kopftücher im öffentlichen Dienst, über Schwimmunterricht für Mädchen, über Männer, die Frauen keine Hand geben wollen, über Schweinefleisch in Kantinen und “kultursensible Pflege” in Krankenhäusern. Und auch nicht darüber, wie viel Islam im Islamismus steckt. Ich will auch nicht genötigt werden, mich mit dem Koran zu beschäftigen, weder von weiß gewandeten Salafisten in der Wilmersdorfer Straße noch von Ihnen. Bleiben Sie bei Ihrer Wertschätzung für das “klassische islamische Recht”, das offenbar von den Kolonialherren versaut wurde. Und sobald Sie den Islam gefunden haben, der mit Demokratie kompatibel ist, sagen Sie mir bitte Bescheid.” – Henrik M. Broder
Personen die nicht zwischen Märchen und Realität unterscheiden können haben in öffentlichen Ämtern nichts zu suchen, egal ob sie ein Kreuz, Kopftuch oder sonstwas tragen. Das tragen Religiöser Symbole am Arbeitsplatz zeigt, dass man nicht bereit ist über sein religiöses Hobby hinweg, in jeder hinsicht objektive Entscheidungen zu fällen, wie sie zu einem säkularen Staat gehören.