02 May 2024

Scharfgestellte Staatsräson

Zum Umgang deutscher Sicherheitsbehörden mit dem Berliner „Palästina-Kongress“

Das Vorgehen deutscher Behörden gegen kritische Stimmen in Bezug auf die israelische Kampfführung im Gaza-Krieg sorgt für zunehmende Kritik. Insbesondere international häufen sich Presseberichte und besorgte Äußerungen über Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei zuletzt den Maßnahmen zur Unterbindung des Palästina-Kongresses in Berlin zu, die ebenfalls international stärker als hierzulande auf Kritik (s. etwa hier und hier) gestoßen sind. Unter anderem wurde dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis die Einreise in die Bundesrepublik verweigert, um ihn davon abzuhalten, eine Rede auf dem Kongress zu halten.

Der hochangesehene Rechtswissenschaftler Robert Howse, Professor an der New York University, äußerte hierzu: „The treatment of @yanisvaroufakis by Germany raises the question of whether intl conferences should be held in Germany at all going forward.“ Auch wenn solche Boykottaufrufe aus deutscher Sicht überzogen erscheinen mögen, so wird man doch den damit zum Ausdruck kommenden internationalen Reputationsverlust Deutschlands aufgrund seiner Gaza-/Palästinapolitik nicht einfach ignorieren können, zumal er nun auch die deutsche Wissenschaftslandschaft erreicht hat (zur umstrittenen Absage der Albert Magnus Professur für Nancy Fraser s. die instruktive Diskussion zwischen Detjen und Kaube hier).

In der Sache erscheint das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen den Palästina-Kongress und bestimmte Einzelpersonen als überzogen und unverhältnismäßig. Im Lichte der Kooperation der Veranstalter mit den Sicherheitsbehörden (im Vorfeld und während der Veranstaltung) sowie der äußersten vagen Gefahrenprognose der Berliner Polizei spricht einiges dafür, dass die Auflösung der Veranstaltung (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 VersFG BE)1) rechtswidrig war (s. näher hier), insbesondere weil der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG nur für Versammlungen „unter freiem Himmel“ gilt. Das sollte verwaltungsgerichtlich geklärt werden. Für ein rechtswidriges, vor allem grundrechtswidriges Vorgehen der Sicherheitsbehörden sprechen auch die behördlichen Maßnahmen gegen (aktive und passive) Teilnehmer der Veranstaltung, die auch im Nachgang – trotz Nachfrage – nicht plausibel erklärt worden sind.

Die Begründung der Bescheide zeichnet dabei ein Bild behördlicher Praxis, das die Grundrechtsausübung unter den politischen Vorbehalt deutscher Staatsräson und historischer Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel stellt. Aus Sicht der zuständigen Sicherheitsbehörden scheint scharfe Kritik an israelischer Politik islamistischen Antisemitismus darzustellen, der nicht nur die deutsche öffentliche Sicherheit und Ordnung, sondern sogar (sic!) das Gewaltverbot der UN-Satzung verletzt. Im Folgenden dokumentieren wird die Bescheide auszugsweise, unsere Fragen an die Behörden und deren Antworten darauf. So kann sich jede/r Leser/in selbst ein Bild darüber machen, ob die behördliche Argumentation aus grundrechtlicher Sicht tragfähig ist.

Prominente Betroffene

Hinsichtlich des Einreiseverbots gegen den ehem. griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis hat die Bundespolizei seinem Anwalt mitgeteilt:

„Zu Ihrem Mandanten bestand im Kontext einer möglichen Teilnahme als Redner beim Palästina-Kongress 2024 in Berlin eine Fahndungsausschreibung zur nationalen Einreiseverweigerung gem. § 30 Abs. 5 BPolG i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU, befristet für den Zeitraum der Veranstaltung vom 10. bis zum 14. April 2024. Im Falle einer Feststellung durch die Bundespolizei wäre nach Einzelfallprüfung im Falle einer geplanten Teilnahme am Kongress als aktiver Redner eine Einreiseverweigerung gegen die Person geprüft worden. Die in Rede stehende Ausschreibung wurde, wie oben ersichtlich, zwischenzeitlich gelöscht.”

Das klingt so, also ob Varoufakis die Einreise nicht verweigert worden wäre, das ist aber effektiv geschehen (s. hier). Die Bundespolizei hat erst auf journalistische Nachfrage ein Einreiseverbot eingeräumt, im Übrigen aber auf das Berliner Landesamt für Einwanderung verwiesen (s. hier). Ein Betätigungsverbot wird nach wie vor bestritten (s. hier am Ende), obwohl Varoufakis seine Rede nicht halten konnte (s. nun aber hier).

Betätigungs- und Einreiseverbote gab es ferner gegen zwei weitere prominente Gäste des Kongresses: Ghassan Abu Sitta, Rektor der Universität Glasgow und palästinensischer Arzt, der 2023 43 Tage in Gaza gearbeitet hat, sowie den 86-jährigen Salman Abu Sitta, Onkel von Ghassan Abu Sitta und Direktor der Palestine Land Society in London. Ghassan Abu Sitta wurde mehrere Stunden am Berliner Flughafen festgehalten und schließlich die Einreise verweigert (s. hier, hier und hier). Ihm wurde Sympathie für die Hamas und für die „Popular Front for the Liberation of Palestine“ (PFLP) vorgeworfen, u.a. weil er vor drei Jahren in Beirut auf der Beerdigung des PFLP-Führers Maher Al-Yamami eine Rede gehalten hat (s. hier).2) Salman Abu Sitta sendete eine Videobotschaft, deren Abspielen am 12. April aber schon nach wenige Minuten durch die Polizei unterbrochen wurde (hier, hier). Ihm wird von den Sicherheitsbehörden insbesondere ein Blogpost vorgeworfen, in dem er äußerte, er hätte „einer von denen sein können, die am 7. Oktober die Blockade durchbrachen“, wenn er jünger gewesen wäre.

Stellungnahmen des Bundesministeriums des Inneren (BMI): unvollständig, ungenau und unzutreffend

Auf Anfrage des Verfassungsblog vom 13.4.2024, ob und auf welcher Rechtsgrundlage ein Einreiseverbot gegen Yanis Varoufakis verhängt wurde, hat das BMI zwei Tage später mitgeteilt:

„Das konsequente Einschreiten der Berliner Polizei und die erfolgte Auflösung des sogenannten „Palästina-Kongresses“ in Berlin sind aus Sicht des Bundesinnenministeriums richtig und notwendig. Diese versammlungsrechtlichen und polizeilichen Maßnahmen vor Ort liegen in der Zuständigkeit des Landes Berlin.

Wer islamistische Propaganda und Hass gegen Jüdinnen und Juden verbreitet, muss wissen, dass solche Straftaten schnell und konsequent verfolgt werden. Antisemitische und islamistische Straftaten werden nicht geduldet.

Die Terrororganisation Hamas und die Gruppierung Samidoun sind im November 2023 durch Bundesinnenministerin Faeser in Deutschland verboten worden. Das bedeutet: Jedwede Betätigung ist untersagt und eine Straftat, dazu gehören auch Propagandareden für die Hamas. Die Sicherheitsbehörden beobachten sehr aufmerksam, dass die Verbote eingehalten werden. Wir behalten die islamistische Szene eng im Visier.

Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder standen schon im Vorfeld des sogenannten Palästina-Kongresses im engen Austausch und haben notwendige Maßnahmen ergriffen.

Über die Gewährung bzw. die Verhinderung der Einreise wird im Rahmen von Grenzkontrollen nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls unter Einschluss der zum Zeitpunkt der Kontrolle vorliegenden Erkenntnisse nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex), vor Ort entschieden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine Auskunft zu Einzelfällen nicht möglich ist.

Darüber hinaus verweisen wir zu möglichen weiteren Maßnahmen an die Berliner Innenbehörden und das Bundespolizeipräsidium.“ [Herv. K.A.]

In einer denkwürdigen Pressekonferenz des BMI (Auszüge hier) hat sich deren Sprecherin, Dr. Sonja Kock, ähnlich geäußert. Sie hat insbesondere auf „antisemitische Straftaten“ und die „islamistische Szene“ Bezug genommen, die – so auf Nachfrage – im Verfassungsschutzbericht „feststehend“ definiert sei; zu dem Fall Varoufakis wurde keine Auskunft gegeben („weder dementieren noch bestätigen“; „kann zu den einzelnen Fällen nichts Näheres nicht sagen“, „werde mich nicht zu Herrn Varoufakis äußern“).

Das sind unvollständige, ungenaue und auch teilweise unzutreffende Äußerungen.

Das (effektiv ergangene) Einreiseverbot für Varoufakis hätte, da er Unionsbürger ist, nur auf § 6 Abs. 1 Satz 2 FreizüG/EU gestützt werden können. Dabei sind die in Bezug genommenen Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (§ 6 Abs. 1 S. 1 Freizüg/EU) eng und unionsrechtlich (insbesondere im Lichte der Vorgaben aus Art. 27 ff RL 2004/38/EU – Unionsbürger-Richtlinie) auszulegen; es können „nur solche Verhaltensweisen den Verlust des Freizügigkeitsrechts rechtfertigen, die eine tatsächliche und hinreichend schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft darstellen“ und es muss „eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung gewichtiger Rechtsgüter vorliegen“ (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, Nr. 6.1.1.1). Nichts davon wird vom BMI (oder der Bundespolizei) der Öffentlichkeit gegenüber geltend gemacht. Ein Betätigungsverbot kommt bei Unionsbürgern ohnehin nicht in Betracht, denn auf den insoweit (ausländerrechtlich) einschlägigen § 47 AufenthG wird in § 11 FreizügG/EU nicht verwiesen.

Antisemitische Straftaten“ kennt das deutsche Strafrecht nicht (s. auch hier, S. 4). Explizit nimmt das deutsche Strafrecht auf Antisemitismus nur als Strafzumessungsumstand Bezug (§ 46 Abs. 2 S. 2: „antisemitische“ Beweggründe). Ein Vorschlag der CDU/CSU Bundestagsfraktion vom 14. November 2023 (BT-Drs 20/9310), die Leugnung des Existenzrecht des Staates Israel und den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel in den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) aufzunehmen, einschließlich des antisemitischen Handelns als besonders schwerer Fall, ist nicht Gesetz geworden. Im Übrigen wird in den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren auf „antisemitische Beweggründe“ an drei Stellen Bezug genommen.3) Die Begriffsverwendung „antisemitische Straftaten“ ist also zumindest ungenau; tatsächlich geht es um „normale“ Straftaten (insbesondere § 130 StGB, aber auch §§ 185, 223, 303 StGB u.a.), die mit antisemitischem Motiv begangen werden. Solche Straftaten gehören zur „Politisch motivierten Kriminalität“ (PMK), genauer zur „Hasskriminalität“ (vgl. hier S. 11, Tabelle 13 sowie hier, S. 5), und werden vom BKA auf Grundlage von Informationen der Landeskriminalämter (die sie von den zuständigen Polizeibeamten/Staatschutzstellen erhalten) statistisch erfasst. Die Klassifizierung erfolgt also – wenn auch nach einem bundeseinheitlichen „Themenfeldkatalog PMK“ – lediglich polizeilich und ist nicht gerichtlich bestätigt, so dass die üblichen Validitätsprobleme der polizeilichen Kriminalstatistik (genauer: „Tätigkeitsstatistik“) auftreten (vgl. Eisenberg/Kölbel, Kriminologie, 7. Aufl. 2017, § 15 Rn. 14 ff.; speziell zur Erfassung „PMK – rechts“ Habermann/Singelnstein, 2019 ).

Was die „islamistische Szene“ angeht, so ist dieser Begriff, entgegen der Auskunft von Dr. Kock, im aktuellen Verfassungsschutzbericht von 2022 nicht ein einziges Mal erwähnt. Dort finden sich (S. 180 ff.) lediglich Ausführungen zum Islamismus bzw. zu „islamistischen Strömungen“ und Organisationen, die die „Szene“ bilden. Der Begriff selbst findet sich in der Sekundärliteratur, wobei dann Gruppen und Personen, vor allem salafistischer Ausrichtung, erwähnt werden (vgl. etwa bpb und Neumann, 2019, S. 13 ff.). Veranstalter des „Palästina Kongress“ war die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost.4) Sie gehört zu dem Netzwerk  „Europäische Juden für einen gerechten Frieden“, ihre Partnerorganisation in den USA ist die „Jewish Voice for  Peace“. Die Unterstützer und Mitorganisatoren (s. hier) kamen aus dem linken bis linksextremem (deutschem, jüdischem, palästinensischem) Spektrum (von Trotzkisten bis BDS). Gegen diese Gruppen kann man vieles sagen, aber sicher nicht, dass sie zur islamistischen Szene gehörten oder überhaupt radikal/fundamentalistisch religiös seien.

Weitere Kontakt- und Betätigungsverbote

Weniger bekannt ist, dass auch Kontakt- und Betätigungsverbote gegen weitere, in Deutschland aufhältige Personen verhängt wurden, so gegen einen in Syrien geborenen Palästinenser, der seit 2015 in Deutschland lebt und als Facharbeiter tätig ist. Seiner Anwältin wurden am 12. April 2024 um ca. 17 Uhr (also nach Büroschluss) zwei Bescheide des Berliner Landesamts für Einwanderung – mit rückwirkender Geltung ab 10 Uhr des gleichen Tages (Beginn des Palästina-Kongresses) – zugestellt: der erste Bescheid (7 Seiten) ordnete ein Kontaktverbot aufgrund § 56 Abs. 4 AufenthG an, der zweite Bescheid (20 Seiten) ein Betätigungsverbot aufgrund § 47 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Auszugsweise lauten die Bescheide wie folgt (Fettdruck im Original, sonstige Herv. K.A.):

Erster Bescheid

Sie werden verpflichtet, zu den Teilnehmern und Veranstaltern der Veranstaltung/Versammlung „Palästina Kongress“ vom 12.04.2024, 10.00 Uhr, bis zum Abschluss der Veranstaltung am 14.04.2024 in Berlin des Veranstalters „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, diese nicht zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel (hier: E-Mail) und Dienste (hier: Facebook, Instagram, Facetime, WhatsApp, You Tube, X [ehemals Twitter], Telegram, Snapchat) nicht zu nutzen. Hiervon ausgenommen sind Telefonanrufe mittels Festnetz oder Mobiltelefonnetz (ohne Datennetz), SMS-Kurznachrichten sowie Briefpost und Internetnutzung ohne die vorgenannten Dienste und Kommunikationsmittel.

Die Verfügung erfolgt vorliegend, um Bestrebungen die zu Ihrer Ausweisung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG geführt haben, zu unterbinden. Sie verfolgt damit einen legitimen Zweck. Zusammengefasst gehen – nach den tatsachenbasierten Erkenntnissen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport – Ihre „Bestrebungen“ dahin, israelfeindlichen Antisemitismus zu unterstützen und letztlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu verstoßen, indem Sie das friedliche Zusammenleben der Völker in Frage stellen und Gewalt gegen den Staat Israel, den Sie als „Besatzer“ bezeichnen, als ausdrückliches Mittel befürworten.

Durch eine Anhörung könnte eine Entscheidung gem. § 56 Abs. 4 AufenthG nicht mehr rechtzeitig ergehen. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Anhörung liegen mithin vor. Das hier eröffnete Ermessen wird demnach zu Ihren Lasten ausgeübt. Denn nur so kann der hier einschlägigen Gefahr sachgerecht entgegengetreten werden. Ungeachtet dessen, können Sie sich auch nach Erlass dieser Entscheidung zu dieser äußern.

Zweiter Bescheid

    1. Ihnen wird die Teilnahme an der Veranstaltung/Versammlung „Palästina Kongress“ vom 12. April 2024, 10:00 Uhr, bis zum Abschluss der Veranstaltung am 14. April 2024 in – Germaniastraße 18, 12099 Berlin – des Veranstalters „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ – einschließlich der Darbietung eigener Beiträge – insbesondere in Wort und Schrift – untersagt. Die Teilnahme wird auch dann untersagt, sofern die Veranstaltung/Versammlung an einem anderen Ort abgehalten wird.
    2. Ihnen wird die Teilnahme als Interviewpartner vom 12. April 2024 bis zum 14. April 2024 auf der in Ziff. 1 genannten Veranstaltung/Versammlung untersagt. Dies schließt sowohl die persönliche Teilnahme als auch eine solche bei Abwesenheit durch die Verwendung von Telekommunikationsmitteln mit ein. Die Teilnahme wird auch dann untersagt, sofern das Interview an einem anderen Ort durchgeführt wird.

Ihnen wird die Veröffentlichung von Medienbeiträgen untersagt, soweit diese einen Bezug zu der in Ziffer 1 genannten Veranstaltung/Versammlung aufweisen. Dies schließt die schriftliche, visuelle oder akustische Veröffentlichung bspw. mittels Podcast, ein. Das Verbot wird auf den Zeitraum vom 12. April 2024 bis zum 14. April 2024 beschränkt.

    1. Ihnen wird bis zu Ihrem Verlassen der Bundesrepublik Deutschland, längstens aber bis zum 28. April 2024, jegliche Teilnahme an allen Veranstaltungen der „Jüdischen Stimmer für gerechten Frieden“ untersagt soweit diese einen Bezug zu der in Ziffer 1 genannten Veranstaltung/Versammlung aufweisen und/oder zu dem israelisch-palästinensischen Konflikt haben und/oder sich auf Handlungen beziehen, die gegen den Staat Israel einschließlich seines Bestandes, inneren Friedens und seiner Gründungsgrundlage gerichtet sind.
    2. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wird angeordnet.

Hinweis:

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.

Auch wenn Sie nicht auf der Speaker/innen-Liste auf der Webseite des Kongresses stehen, so ist zu befürchten, dass Sie an dem obig genannten „Palästinakongress“ teilnehmen und sich dort äußern werden. Dies schließe ich aus den hier vorliegenden und folgend dargelegten Erkenntnissen. Ferner bestätigen diese Erkenntnisse, dass Sie in der Vergangenheit bereits mit dem Terrorismus unterstützenden und antisemitischen Äußerungen in Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt aufgefallen sind:

Gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 3 AufenthG wird die politische Betätigung eines Ausländers untersagt, soweit sie den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht. Umfasst hiervon sind somit die in völkerrechtlichen Verträgen festgehaltenen Normen, welche von der Bundesrepublik tatsächlich ratifiziert wurden. Einschränkend wird die Norm aber dahingehend verstanden, dass lediglich ein Verstoß gegen eine völkerrechtliche Vertragsnorm, aus der für Einzelpersonen individuelle Rechte und Pflichten herrühren, unter diesen Tatbestand fällt …. Diese Voraussetzungen liegen vor. Ihre Äußerungen verstoßen mittelbar gegen das allgemeine Gewaltverbot des Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen. Danach unterlassen alle Mitglieder in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt. Durch Ihre Befürwortung heißen Sie Gewalttaten ausdrücklich gut und verstoßen gegen das Gewaltverbot.

Durch Ihren geplanten Auftritt ist das friedliche Zusammenleben und die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Bei der Beurteilung der Gefährdung im Sinne von § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AufenthG gelten die Maßstäbe des Polizeirechts. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, die auf eine konkrete Gefährdung der oben bezeichneten Polizeirechtsgüter schließen lassen. Maßgebend für die Beurteilung ist der Sach- und Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung …. Diese Schwelle wird in Ihrem Fall überschritten. Dies gilt gerade auch deswegen, weil die Veranstaltung und damit die Reichweite Ihrer antisemitischen Texte auf Grund der Örtlichkeit einem großen Publikum zugänglich ist. Dies kann – auch aufgrund der zu erwartenden Presserelevanz Ihres Auftritts – nicht hingenommen werden. Bei Ihnen kommt ferner noch ihre Bekanntheit innerhalb der pro-palästinensischen Szene …

Zudem ist nicht auszuschließen, dass es auf Grund des polarisierenden Charakters Ihrer Darbietung und der hohen Emotionalität der ihr zugrundeliegenden Thematik zu spontanen Gegendemonstrationen kommt, die sodann in einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen verschiedenen ausländerrechtlichen Gruppierungen münden könnten.

Daher ist Ihr Auftritt geeignet, das friedliche Zusammenleben zu gefährden. Es steht zu befürchten, dass sowohl jüdische Mitmenschen als auch Menschen mit arabisch/palästinensischem Migrationshintergrund, aber auch Andere in ihrem friedlichen Zusammenleben beeinträchtigt werden. Schwelende politische Konflikte zwischen Juden und Arabern/Palästinensern und jeweils mit den verschiedenen Gruppierungen Sympathisierende könnten belebt und gewaltsam ausgelebt werden. Es könnte der Eindruck entstehen, dass der deutsche Staat seine historische Verantwortung für das Schicksal der europäischen Juden auf Grund des Holocausts nicht ernst nimmt und offenen und gewaltverherrlichenden Antisemitismus demgegenüber sogar noch duldet. Diesem Eindruck ist entschieden entgegenzuwirken.

Zudem stellt Ihre geplante politische Bestätigung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unversehrtheit der geschriebenen Rechtsordnung, insbesondere die verwaltungsrechtlichen Ge- und Verbotsnormen, den Schutz des Staates und die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen sowie die Individualgüter und -rechte wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum. Jeder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursachte Normverstoß im Zusammenhang mit der politischen Betätigung erfüllt somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Von besonderer Bedeutung dürften in diesem Zusammenhang die Straftatbestände der §§ 125 ff. StGB sein. In Betracht kommen aber auch Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, wie z.B. die Teilnahme an einer verbotenen Versammlung (z.B. § 29 Nr. 2 VersG) sowie Verstöße gegen das Vermummungs- und Schutzwaffenverbot bei öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel (z.B. § 2 Abs. 3 VersG, § 17a VersG, § 27 VersG). Gegen das Versammlungsrecht haben Sie bereits, ggf. mehrfach, wie unter I. ausgeführt verstoßen [Anm.: es gibt ein – hier anwendbares – Berliner Versammlungsgesetz, VersFG BE].

Denn es steht konkret zu befürchten, dass Sie die dargestellten antisemitischen und gewaltverherrlichenden Äußerungen einschließlich der verbotenen Parole „From the river to the sea“ im Rahmen des „Palästina Kongresses“ vor einer breiten Öffentlichkeit, insbesondere aufgrund des angekündigten Livestreams weltweit, äußern, zumindest aber die ideologische Zielrichtung der … weiter vertreten. Dies bedingt einen hohen Wirkkreis, der weiter zur Verbreitung antisemitischer und menschenverachtender Meinungen und Handlungen sowie israelfeindlicher Propaganda beitragen würde. Dies kann insbesondere in der Bundesrepublik nicht toleriert werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 15.05.2019 – BT-Drs. 19/10191 – zu verweisen. In dieser stellt der Deutsche Bundestag klar, dass auch der Staat Israel, der als jüdisches Kollektiv verstanden werden kann, Ziel antisemistischer [sic!] Angriffe sein kann. Darunter fällt erst Recht, wenn das Existenzrecht des jüdischen und demokratischen Staates Israel und dessen legitimes Ziel auf Landesverteidigung in Frage gestellt werden. In dem Augenblick, in dem das Existenzrechts [sic!] bestritten wird, ist die Grenze legitimer und von Art. 5 Abs. 1 GG geschützter Kritik am Staat Israel ipso facto überschritten und stellt keine grundsätzlich hinzunehmende überspitzte Meinungsäußerung mehr da [sic!]. Denn eine Kritik am Staat Israel lässt dessen Bestand denklogisch unberührt. Die Bundesrepublik Deutschland ist dem Schutz des Staates Israel auf Grund seiner [!?] Geschichte besonders verpflichtet; dieses Ziel gehört zur deutschen Staatsräson. Die Hinnahme öffentlicher Reden, die das Bestreiten des Existenzrechts Israels oder andere antisemitische Äußerungen zum Gegenstand haben, sind vor diesem Hintergrund geeignet, das außenpolitische Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zum Staat Israel zu beeinträchtigen, sofern diese nicht untersagt werden.

Dies gilt insbesondere auch deswegen, da die Bundesrepublik dem israelischen Staat gegenüber auf Grund seiner Geschichte im besonderen Maße verpflichtet ist.

Offene Fragen und ausweichende Antwort des Berliner Landesamts für Einwanderung

Zu diesen Bescheiden hat der Verfassungsblog auf Bitte des Verfassers am 19.4.2024 folgende Fragen an das Berliner Landesamt für Einwanderung gerichtet:

I. Allgemeine Fragen

  1. Warum konnten die Bescheide nicht früher erlassen und somit eine Anhörung durchgeführt werden?
  2. Hat das Landesamt mit den Veranstaltern, insbesondere der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden“, vor der Veranstaltung Kontakt aufgenommen und war es über die Inhalte der Veranstaltung und ihren Ablauf informiert?
  3. Ist das Landesamt mit der seit 1967 bestehenden Situation im Westjordanland, Gaza und Ost-Jerusalem vertraut?
  4. Hat das Landesamt eine Abwägung mit den Grundrechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 5, 8 GG) vorgenommen? Wenn ja, welche Aspekte wurden konkret bei dem Abwägungsvorgang berücksichtigt?

II. Fragen zum ersten Bescheid (Kontaktverbot)

  1. Was versteht das Landesamt unter „israelfeindlichem Antisemitismus“?
  2. Was versteht das Landesamt unter einem Staat, der als „Besatzer“ bezeichnet wird?

III. Fragen zum zweiten Bescheid (Betätigungsverbot)

  1. Ist das Landesamt der Ansicht, dass ein Einzelner das Gewaltverbot von Art. 2 Abs. 4 UN Charta verletzen kann?
  2. Ist das Landesamt der Ansicht, dass das Gewaltverbot im o.g. Sinne durch bloße Meinungsäußerungen verletzt werden kann?
  3. Welche konkreten „Polizeirechtsgüter“ hätten nach Ansicht des Landesamts von dem Betroffenen konkret gefährdet werden können?
  4. Inwiefern hat das Landesamt etwaige Äußerungen des Betroffenen als „offenen und gewaltverherrlichenden Antisemitismus“ bewertet? Um welche Äußerungen geht es konkret? Inwiefern sind die Äußerungen antisemitisch? Von welcher Antisemitismusdefinition geht das Landesamt aus?
  5. Inwiefern waren Verstöße gegen das Versammlungsrecht im vorliegenden Fall gegeben? Handelte es sich nicht um eine vorher genehmigte Versammlung i.S.v. Art. 8 GG?
  6. Wurde die Parole „From the river to the sea” im vorliegenden Zusammenhang als antisemitisch bewertet? Wenn ja, worauf stützt(e) sich diese Bewertung?
  7. Was versteht das Landesamt unter „israelfeindlicher Propaganda“?
  8. Hält das Landesamt die Entschließung des Bundestags v. 15.5.2019 (BT-Drs 19/10191) für rechtsverbindlich?
  9. Ist nach Ansicht des Landesamts eine völkerrechtlich oder menschenrechtlich begründete Kritik am Staat Israel / seiner Politik zulässig? Bejahendenfalls: Wie ist eine solche Kritik von einer Kritik abzugrenzen, die sich gegen den Staat Israel – „als jüdisches Kollektiv verstanden“ – richtet?
  10. Worauf bezieht sich nach Ansicht des Landesamts das von ihm angeführte „Existenzrecht“ des Staates Israel? Welches Territorium ist bzw. sollte nach Ansicht des Landesamts damit gemeint sein?
  11. Wie ist folgender Satz zu verstehen: „Denn eine Kritik am Staat Israel lässt dessen Bestand denklogisch unberührt“?
  12. Was versteht das Landesamt unter dem Begriff der „Staatsräson“? Wie weit sollte nach Ansicht des Landesamts diese Staatsräson reichen?

Wir erhielten am 22.4.2024 von einem Sprecher des Landesamtes für Einwanderung die folgende Antwort:

„Ich bitte um Verständnis, dass sich das Landesamt zu Anfragen bezüglich einzelner Verwaltungsverfahren und Maßnahmen, die konkrete Personen betreffen, nicht äußert. Dies gilt umso mehr, als Ihnen die entsprechenden Bescheide des Landesamtes für Einwanderung ja vorliegen. Aus hiesiger Sicht sind die Bescheide rechtmäßig, hinreichend und ausführlich begründet und tragen die in den Ihnen vorliegenden Bescheiden genannten Rechtsvorschriften diese. An der Verfassungsmäßigkeit der benannten Rechtsgrundlagen bestehen hier keine Zweifel.“

Diese Antwort ist offensichtlich unzureichend. Zunächst geht es schon nicht um die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen, sondern um die Rechtmäßigkeit, insbesondere Verhältnismäßigkeit, der konkreten Maßnahmen. Aus Platzgründen können die Bescheide hier nicht en detail dekonstruiert werden. Aus meinen Hervorhebungen und Fragen ergeben sich aber ihre rechtlichen Knackpunkte und die zugrundeliegenden problematischen Annahmen des Berliner Landesamts. Im Kern wird auf der Grundlage des weiten Antisemitismusbegriffs der IHRA-Definition (dazu kritisch hier und hier) Kritik an Israel (seiner Regierung/Politik) – den „collective jew“ repräsentierend (Klug, 2003, 120, 136) – mit Antisemitismus gleichgestellt und nicht zwischen (völker)rechtlich begründeter (zulässiger) Israelkritik und (unzulässigem) Antisemitismus differenziert (näher hier, S. 75 ff.). Insbesondere wird auch nicht zwischen Kritik an israelischer Politik und der Infragestellung des Existenzrechts Israels differenziert. Die IHRA-Arbeitsdefinition und der auf ihr beruhende BDS-Beschluss des Bundestags (BT-Drs. 19/10191) werden als rechtsverbindlich behandelt. Das zwischenstaatliche Gewaltverbot i.S.v. Artikel 2 Abs. 4 UN-Satzung wird nicht nur auf Einzelpersonen angewendet (sic!), sondern seine Verletzung durch bloße Äußerungsdelikte dieser Einzelpersonen für möglich gehalten. Tatsachenbehauptungen (Israel als Besatzungsmacht und damit „Besatzer“) werden als unzulässige (antisemitische?) Wertungen behandelt. Ambivalente Äußerungen, insbesondere die Parole „From the river to the sea“ (dazu hier), werden als eindeutig antisemitisch bewertet.

Eine gründliche Abwägung mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit hat bei alldem, soweit ersichtlich, nicht stattgefunden. Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung scheint weder im BMI noch beim Berliner Landesamt für Einwanderung ausreichend zur Kenntnis genommen zu werden. Danach hat der Staat aber:

„grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Die Zulässigkeit von Kritik am System ist Teil des Grundrechtestaats.

Zwar dürfen grundsätzlich … auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen. Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik – unter Umständen auch in scharfer Form – abzuschirmen, die von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit in besonderer Weise gewährleistet werden soll, und der zudem das Recht des Staates gegenübersteht, fehlerhafte Sachdarstellungen oder diskriminierende Werturteile klar und unmissverständlich zurückzuweisen… Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit ist dann besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet.“ (1 BvR 2290/23, Rn. 28 f.).

Dieser Maßstab sollte auch für Israel, verstanden als liberal-demokratischer Rechtsstaat (hier), gelten.

Fazit

Die Ereignisse um den Berliner Palästina-Kongress sind Ausdruck einer besorgniserregenden Diskursverengung, die im Ausland nur Kopfschütteln oder blankes Entsetzen hervorruft. Berlin galt einst als Hort künstlerischer (und sonstiger) Freiheit, doch nun, so die New York Times, wurde dies „durch Debatten darüber, was über Israel und den Krieg gesagt werden darf und was nicht, auf den Kopf gestellt.“ Auch in Deutschland tätige israelische Intellektuelle und Künstler sehen eine „beispiellose Einschränkung“ der Protest- und Meinungsfreiheit. Der irische Independent, ein weiteres Flagschiff republikanischer Meinungsfreiheit, berichtet konsterniert über das polizeiliche Verbot des Singens irischer Lieder in Gälisch auf einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin, weil sie ja antisemitischen Inhalt haben könnten. Selbst hierzulande fragt sogar die – bekanntlich überaus israelfreundliche – „Welt“, ob „es als normal gelten [sollte], dass es inzwischen zum Usus zu werden scheint, Einreiseverbote gegen Personen zu verhängen, weil man ihre Meinungsäußerungen (!) fürchtet?“5)

Der chilling effect dieser neuen Verbotssicherheitspolitik ist allenthalben zu spüren. Studierende und Wissenschaftler laufen mit der Schere im Kopf über Universitätscampusse; Medienschaffende überlegen sehr genau, was sie wie schreiben sollen und/oder dürfen; Anwälte lehnen vorsorglich Mandate und/oder Beratung bei (pro-)palästinensischen Veranstaltungen „wegen der Ereignisse in Berlin“ ab. Ist das der liberale Rechtsstaat, als der sich Deutschland zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes präsentieren will?

Ich danke zahlreichen Kolleginnen und Kollegen für Anmerkungen und weiterführende Hinweise. 

 

References

References
1 Nur nebenbei sei darauf hingewiesen, dass das Berliner Landesamt für Einwanderung das bundesrechtliche VersammlungsG anwendet (s. auch Bescheide im Haupttext), obwohl das VersFG BE seit 23.2.2021 gilt.
2 Abu-Sittas Anwälte erklärten laut der gleichen Quelle (hier am Ende): “… their client had been asked to speak at Al-Yamani’s memorial by his widow and his distress reflected his personal friendship with him. … Abu-Sittah is not a member of the PFLP, does not support Palestinian terrorist organisations or the Hamas attack, and condemns ‘that atrocity and all atrocities against civilians.’”
3 Nr. 15 Abs. 6 (Erstreckung der Ermittlungen auf antisemitische Tatumstände), Nr. 86 Abs. 2 (zur Begründung des öffentlichen Interesses bei Privatklagen) und Nr. 234 (besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung einer antisemitisch motivierten fahrlässigen Körperverletzung).
4 Die Jüdische Stimme repräsentiert formal weniger als 1% der ca. 225.000 in Deutschland lebenden Juden und Jüdinnen; der Zentralrat der Juden repräsentiert fast 50% (über 90.000); s. hier und hier.
5 Anne Schneider schreibt weiter (auf den Reichelt-Beschluss bezugnehmend): „Auch vor den Gedanken und Worten des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis fürchtet man sich offensichtlich so sehr, dass … auch ihm die Einreise untersagt wurde. So sollte antisemitische und israelfeindliche Propaganda bei der Veranstaltung verhindert werden … Man muss gar nichts von den Äußerungen, Einstellungen oder Meinungen Sellners oder Varoufakis halten. Aber es muss in einer liberalen Demokratie möglich sein, dass sie sie – bis zur Grenze des Strafrechts – äußern dürfen.

Wer die Meinungsfreiheit nicht mehr verteidigt, wenn es „die Richtigen“ trifft, hat deren Funktionsweise ganz offensichtlich nicht verstanden.“


SUGGESTED CITATION  Ambos, Kai: Scharfgestellte Staatsräson: Zum Umgang deutscher Sicherheitsbehörden mit dem Berliner „Palästina-Kongress“, VerfBlog, 2024/5/02, https://verfassungsblog.de/scharfgestellte-staatsrason/, DOI: 10.59704/61263c53a27c321d.

One Comment

  1. Gerd Gosman Fri 3 May 2024 at 09:43 - Reply

    Vielen Dank für die Recherche und den Text! Das scheint wirklich ein dicker Hund zu sein. Ich hoffe sehr, dass diese Bescheide vor den Verwaltungsgerichten landen und dort die gebührende Behandlung erfahren.

    That said, überzeugen mich die wiederholten Hinweise auf das Kopfschütteln im Ausland eher weniger. Wechselseitiges regelmäßiges Kopfschütteln hilft niemandem und riskiert Gehirnerschütterungen, in deren Folge man näherliegende Probleme nicht mehr sieht. Oder hat Professor Howse auch schon einmal von den USA als Konferenzort abgeraten, angesichts der jahrzehntelangen Tradition von nicht begründeten Einreiseverboten gegen politisch unliebsame Ausländer:innen dort (willkürlich herausgegriffene Beispiele: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/einreiseverbot-fuer-ilija-trojanow-willkuer-und-freiheit-12599490.html und https://www.boeckler.de/de/magazin-mitbestimmung-2744-einreise-verweigert-5166.htm)?

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