US Supreme Court zementiert Grundrecht auf Waffenbesitz
Die konservative Richtermehrheit im US Supreme Court hat wieder zugeschlagen: In einem spektakulären Urteil haben die fünf Herren um Chief Justice Roberts das Recht der Amerikaner, Waffen zu besitzen, weitgehend gegen jede staatliche Kontrolle immunisiert.
Die Verfassung der USA garantiert im Second Amendment das Recht des Volkes “to keep and bear arms”. Der Passus stammt aus dem Jahr 1791. Da hatte es in einem Staat, der sich eben erst auf revolutionäre Weise gebildet hatte, etwas für sich, dem Volk das Recht zu geben, sich gegen Tyrannen zu bewaffnen.
Heute geht es eher um das Recht, sich gegen Kriminelle zu bewaffnen, was bekanntlich die unschöne Kehrseite mit sich bringt, dass die Kriminellen sich dann ebenfalls ganz einfach bewaffnen können. Und das macht es um so nötiger, dass sich der law-abiding citizen bewaffnen kann, und so weiter und so fort.
2008 hat der Supreme Court in dem Jahrhundert-Urteil District of Columbia vs. Heller geurteilt, dass das Second Amendment privaten Waffenbesitz gegen bundesstaatliche Regulierungsversuche schützt. Dabei war offen geblieben, ob das auch für Waffenverbote durch die Bundesstaaten gilt.
Die Frage, inwieweit die US-Verfassung die Bundesstaaten bindet, ist kompliziert. Das 14. Amendment sieht vor, dass kein Staat seine Bürger um Leben, Freiheit oder Eigentum bringen darf ohne “due process of the law”. Diese Due-Process-Klausel ist die Brücke zwischen Bundesverfassung und Staaten. Sie umfasst aber nicht jedes Recht, das die US-Verfassung gewährt, sondern nur besonders hervorgehobene, etwa Free Speech. Ob das Recht auf Waffenbesitz dazu gehört, das war bislang ungeklärt.
Heute hat der Supreme Court mit 5:4 Stimmen geurteilt, dass die Due-Process-Klausel auch das 2. Amendment umfasst – also die Staaten durch Heller gebunden sind (McDonald vs. Chicago).
Update: Außerdem schlachtet der Supreme Court gerade die Software-Patente! Das verdient einen eigenen Blog-Post; später hoffentlich mehr.
Update: Alles zurück. Offenbar doch keine Softwarepatente-Schlachtung. Das Urteil im Fall Bilski scheint mir eng gefasst zu sein. Die Nichtgewährung des beantragten Patents im konkreten Fall wird zwar gebilligt, aber das Votum von Justice Kennedy unternimmt keine neue Abgrenzung von patentierbaren Prozessen und nicht patentierbaren Ideen.
Update: Ausführliche Analyse zum McDonald-Urteil hier.
Jack Balkin schreibt Interessantes zur Strategie von Justice Alito und seiner konservativen Mitstreiter, selektiv die Civil-Rights-Rechtsprechung der 60er Jahre zur Bindung der Staaten an die Grundrechte der Verfassung für ihr Upgrade des Rechts auf Waffenbesitz zu instrumentalisieren.
Zu Bilski eine knappe und treffende Parodie hier.
Man muss gar nicht zu den phösen Konservativen gehören, um der Meinung zu sein, dass ein Staatssystem das seine Existenz einer Revolutionären Kraft gewissermaßen “von Unten” verdankt (bei den USA war es ja nur unter anderen von Unten, nicht ausschließlich) auch viel selbstbewusster darin ist, sein Volk zu bewaffnen. Hat ja offenbar schon einmal zu etwas Gutem geführt…
Gut, ich persönlich bin mit einem schärferen Waffengesetz auch ganz zufrieden, allerdings finde ich es ärgerlich, dass ein Faktor bei diesen Diskussionen immer übersehen wird: Das Recht der Bevölkerung auf Waffe diente nicht dazu, Kriminalität einzudämmen, als solches ist es in der Tat entweder ineffizient (diverse Beispiele aus den USA zeigen das) und/oder ein zweischneidiges Schwert, weil die Kriminellen sich auch bessere Waffen besorgen können (was sie aber auf Illegalen Weg auch tun können…), oder aber es gibt noch andere Faktoren (Beispiel Schweiz mit geringer Kriminalität und Liberalen Waffengesetzen), sondern diente auch dem Widerstandsrecht. Dem Volk sollte über die Miliz die Möglichkeit gegeben werden, eine tyrannische Regierung auch wieder beseitigen zu können. So überwacht in den USA der Bund, die Staaten und die Staaten den Bund darauf, dass sie republikanisch bleiben, sich also nicht eine “Tyrannei”, ein neuer König oder heute eben ein Diktator etabliert.
Man darf nicht vergessen, dass soetwas wie ein “stehendes Heer” in der englischen Rechtsgeschichte höchst problematisch war (der König war immer an die Zustimmung des Parlaments gebunden!) und diesen Geist atmet auch die US-Verfassung.
“Ein stehendes Heer, das von der Regierung bezahlt wird? Der Weg in die Tyrannei!”, so die Überlegung damals. Denn das stehende Heer, das sich nicht aus dem Volk ergibt, könnte im Zweifelsfall auch gegen das eigene Volk eingesetzt werden (wie im Englischen Bürgerkrieg erlebt), ein Bürgerheer aber nicht.
Dass der vornehme Deutsche sich also über das US-Waffenrecht lustig macht oder empört, fällt insofern auf ihn selbst zurück, da wir in Deutschland ebenfalls eine ähnliche Regelung haben: Die Wehrpflicht. Sie dient rechtshistorisch/-telologisch genauso dazu, ein stehendes Heer, das sich auch gegen die eigene Bevölkerung weden kann zugunsten eines Heeres, das sich aus den Volk rekrutiert zu verhindern.
Ich hoffe, dass dieser Kommentar nicht zu kontrovers ist und wünsche allen Lesern einen schönen Tag!
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[…] Ausführliche Analyse zum McDonald-Urteil hier. Herzlichen Dank an das Verfassungsblog für die […]