29 September 2025
Ein Gesetz aus der Gesellschaft
Am vergangenen Freitag stellte „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ bei einer Pressekonferenz ihren Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz in Berlin vor, der Bestände von großen Wohnungsunternehmen entprivatisieren und in einem Gesetzesvolksentscheid zur Wahl stellen soll. Die Initiative lädt nun dazu ein, Stellungnahmen und Feedback zum Gesetz abzugeben. Die so ermöglichte offene und demokratische Diskussion über die Wirtschafts- und Eigentumsordnung entspricht dem Grundgesetz und ruft die Öffentlichkeit – insbesondere die Rechtswissenschaft – zur aktiven Teilhabe auf. Continue reading >>
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25 July 2025
Weg frei für „Berlin autofrei“
Nach dem Erfolg von „Deutsche Wohnen enteignen“ dürfte Berlin bald über das nächste Volksbegehren abstimmen, das die Stadt lebenswerter machen soll: „Berlin autofrei“ will den individuellen Kfz-Verkehr innerhalb des S-Bahn-Rings weitgehend verbieten. Nachdem die Senatsverwaltung das Volksbegehren zunächst gestoppt hatte, hält der VerfGH Berlin es nun für vollumfänglich zulässig. Der Gerichtshof erkennt an, dass es zwar kein „Grundrecht auf Autofahren“ gibt, doch besondere Mobilitätsbedürfnisse durchaus grundrechtlichen Schutz genießen. Dies hätte er allerdings bruchloser argumentieren können, wenn er die Eingriffsqualität anerkannt hätte. Continue reading >>
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13 June 2025
Parlamentarische Frage vs. Schutz vor Rassismus
Parlamentarische Anfragen nach den Vornamen deutscher Tatverdächtiger haben eine unrühmliche Geschichte. 2024 verweigerte der Berliner Senat erstmals die Auskunft, weil er das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sah. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat diese Argumentation nun zurückgewiesen und die Antwortverweigerung als Verstoß gegen Abgeordnetenrechte gewertet – ohne dabei den Rassismus solcher Anfragen zu thematisieren. Dagegen weist das Minderheitenvotum zu Recht darauf hin, dass Diskriminierungsverbote eine verfassungsimmanente Grenze parlamentarischer Informationsrechte bilden. Continue reading >>05 February 2025
Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer
Während die Unionsparteien mit Stimmen von AfD und FDP mutmaßlich rechtswidrige Migrationsanträge im Bundestag verabschieden lassen und die Brandmauer zur extremen Rechten abtragen, wird in Deutschland (vorerst) weiter über Asylanträge entschieden. In zwei bemerkenswerten Urteilen hat das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt, dass russischen Kriegsdienstverweigerern aufgrund des drohenden Einsatzes in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg subsidiärer Schutz zustehe. Es wendet sich damit nicht nur gegen die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sondern auch gegen das eigene Oberverwaltungsgericht. Continue reading >>09 January 2024
Die Qual der Wahlprüfung
Es lohnt sich, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Teilwahlwiederholung in Berlin genauer anzuschauen. Nicht nur, weil sie deutliche Absetzbewegungen zur Entscheidung des VerfGH Berlin aufweist, sondern auch weil sie im Hinblick auf Wahlfehler und Mandatsrelevanz einige spannende rechtsdogmatische Fragen aufwirft und in einigen Teilen widersprüchlich und nicht überzeugend ist. Für den Gesetzgeber ergeben sich aus den Urteilsgründen Ansätze für gesetzliche Normierungen von Wahlprüfungsregelungen. Continue reading >>
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01 December 2023
Prämie auf die Macht
Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus möchte, dass die Berliner Regierung eine Volksbefragung zur (Teil-)Bebauung des Tempelhofer Feldes initiiert. Sie soll dazu dienen, entgegen dem Volksentscheid von 2014, in dem sich die BerlinerInnen mehrheitlich für ein Bauverbot ausgesprochen hatten, nunmehr doch eine Bebauung durchzuführen. Für Regierungen ist die Versuchung, nach solchen Volksbefragungen zu greifen, offenbar sehr groß. Sie versuchen es immer wieder. Dennoch: Solche Volksbefragungen sind aus verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Continue reading >>08 August 2023
Weil wir dich fürchten
Bei der Fahrkartenkontrolle beleidigen Kontrolleur:innen in Berlin einen Schwarzen Mann rassistisch und verletzen ihn. Das Amtsgericht Berlin (Mitte) erkennt eine rassistische Diskriminierung im Rahmen der Deliktshaftung der BVG an – was zu begrüßen ist! Auf der anderen Seite zeigt der Fall die Schwierigkeiten der engen rechtsgutsbezogenen Prüfung des Deliktsrechts in Diskriminierungsfällen auf. Laut Gericht trägt der Kläger sogar eine Mitverantwortung für die Gesundheitsschädigung, obwohl das Geschehen klar als rassistisch erkannt wird. Mit dem LADG, dessen Anwendbarkeit das Gericht fälschlicherweise verneint, wäre das nicht passiert. Continue reading >>11 July 2023
Kurzer Prozess für Klimaaktivist:innen in Berlin
Um den Aktivist:innen der „Letzten Generation“ mit den Mitteln des Strafrechts zu Leibe zu rücken, schwingt die Generalstaatsanwaltschaft in München die große OK-Keule unter Einsatz des § 129 StGB. Die Staatsanwaltschaft Berlin scheint sich jetzt in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Sie greift in die strafprozessuale Mottenkiste und will das „beschleunigte Verfahren“ (§§ 417 ff. StPO) zum Einsatz bringen, ein zur Aburteilung Kleinkrimineller vorgesehenes Verfahren. Dazu sind Sonderabteilungen beim Amtsgericht Tiergarten geschaffen worden, die zur besonderen Verwendung durch die Staatsanwaltschaft Berlin eingerichtet sind. Das lässt den Eindruck von „Ausnahmegerichten“, eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) und eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit entstehen. Continue reading >>07 July 2023
Vergesellschaftungsverzögerungsgesetz
Nach dem Ergebnis des Volksentscheids entschied sich die damalige rot-rot-grüne Regierung dazu, eine Kommission mit Expert*innen mit der Erstellung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit der Vergesellschaftung zu beauftragen, das nun vorgelegt wurde. Der regierende Bürgermeister Kai Wegner kündigte entsprechend dem Koalitionsvertrag ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz” an, dessen genauer Inhalt bislang noch unbekannt ist, das aber jedenfalls keine unmittelbare Vergesellschaftung bewirken soll. Hinter dem Rahmengesetz steht das Kalkül, eine verfassungsgerichtliche Kontrolle zu erzielen, bevor tatsächliche Vergesellschaftungsmaßnahmen ergriffen werden. Mit diesem Plan begibt sich der Senat sowohl verfassungsrechtlich als auch politisch auf einen Irrweg. Continue reading >>07 July 2023