09 January 2024
Die Qual der Wahlprüfung
Es lohnt sich, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Teilwahlwiederholung in Berlin genauer anzuschauen. Nicht nur, weil sie deutliche Absetzbewegungen zur Entscheidung des VerfGH Berlin aufweist, sondern auch weil sie im Hinblick auf Wahlfehler und Mandatsrelevanz einige spannende rechtsdogmatische Fragen aufwirft und in einigen Teilen widersprüchlich und nicht überzeugend ist. Für den Gesetzgeber ergeben sich aus den Urteilsgründen Ansätze für gesetzliche Normierungen von Wahlprüfungsregelungen. Continue reading >>
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01 December 2023
Prämie auf die Macht
Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus möchte, dass die Berliner Regierung eine Volksbefragung zur (Teil-)Bebauung des Tempelhofer Feldes initiiert. Sie soll dazu dienen, entgegen dem Volksentscheid von 2014, in dem sich die BerlinerInnen mehrheitlich für ein Bauverbot ausgesprochen hatten, nunmehr doch eine Bebauung durchzuführen. Für Regierungen ist die Versuchung, nach solchen Volksbefragungen zu greifen, offenbar sehr groß. Sie versuchen es immer wieder. Dennoch: Solche Volksbefragungen sind aus verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen. Continue reading >>08 August 2023
Weil wir dich fürchten
Bei der Fahrkartenkontrolle beleidigen Kontrolleur:innen in Berlin einen Schwarzen Mann rassistisch und verletzen ihn. Das Amtsgericht Berlin (Mitte) erkennt eine rassistische Diskriminierung im Rahmen der Deliktshaftung der BVG an – was zu begrüßen ist! Auf der anderen Seite zeigt der Fall die Schwierigkeiten der engen rechtsgutsbezogenen Prüfung des Deliktsrechts in Diskriminierungsfällen auf. Laut Gericht trägt der Kläger sogar eine Mitverantwortung für die Gesundheitsschädigung, obwohl das Geschehen klar als rassistisch erkannt wird. Mit dem LADG, dessen Anwendbarkeit das Gericht fälschlicherweise verneint, wäre das nicht passiert. Continue reading >>11 July 2023
Kurzer Prozess für Klimaaktivist:innen in Berlin
Um den Aktivist:innen der „Letzten Generation“ mit den Mitteln des Strafrechts zu Leibe zu rücken, schwingt die Generalstaatsanwaltschaft in München die große OK-Keule unter Einsatz des § 129 StGB. Die Staatsanwaltschaft Berlin scheint sich jetzt in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Sie greift in die strafprozessuale Mottenkiste und will das „beschleunigte Verfahren“ (§§ 417 ff. StPO) zum Einsatz bringen, ein zur Aburteilung Kleinkrimineller vorgesehenes Verfahren. Dazu sind Sonderabteilungen beim Amtsgericht Tiergarten geschaffen worden, die zur besonderen Verwendung durch die Staatsanwaltschaft Berlin eingerichtet sind. Das lässt den Eindruck von „Ausnahmegerichten“, eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) und eine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit entstehen. Continue reading >>07 July 2023
Vergesellschaftungsverzögerungsgesetz
Nach dem Ergebnis des Volksentscheids entschied sich die damalige rot-rot-grüne Regierung dazu, eine Kommission mit Expert*innen mit der Erstellung eines Gutachtens über die Verfassungsmäßigkeit der Vergesellschaftung zu beauftragen, das nun vorgelegt wurde. Der regierende Bürgermeister Kai Wegner kündigte entsprechend dem Koalitionsvertrag ein „Vergesellschaftungsrahmengesetz” an, dessen genauer Inhalt bislang noch unbekannt ist, das aber jedenfalls keine unmittelbare Vergesellschaftung bewirken soll. Hinter dem Rahmengesetz steht das Kalkül, eine verfassungsgerichtliche Kontrolle zu erzielen, bevor tatsächliche Vergesellschaftungsmaßnahmen ergriffen werden. Mit diesem Plan begibt sich der Senat sowohl verfassungsrechtlich als auch politisch auf einen Irrweg. Continue reading >>07 July 2023
Eine goldene Brücke zur Vergesellschaftung
In den kommenden Monaten wird sich der CDU-geführte Berliner Senat mit einem transformativen Projekt auseinandersetzen müssen, das ihn an die Grenzen seiner politischen Komfortzone bringen dürfte: Das der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Vergangene Woche veröffentlichten die Kommissionsmitglieder ihren Abschlussbericht, der in Bezug auf Art. 15 GG die wohl bedeutsamste Veröffentlichung der vergangenen 70 Jahre ist. Eine deutliche Mehrheit der Kommissionsmitglieder hält das Vorhaben der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ für verfassungsgemäß. Der Bericht schlägt eine Brücke zwischen bisher unversöhnlichen Rechtsverständnissen des Art. 15 GG – ein innovativer Kompromiss, den auch das Bundesverfassungsgericht wählen könnte. Continue reading >>05 July 2023
Verschleppte Vergesellschaftung
Seit jeher haben die Initiator*innen und Befürworter*innen des Volksentscheides zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen („Deutsche Wohnen & Co enteignen“) die Ansicht vertreten, ihr Vorhaben sei verfassungskonform. Knapp zwei Jahre nach Erfolg des Volksentscheides stimmt dem nun die vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission in ihrem Abschlussbericht zu. Allerdings ist die Einsetzung der Kommission selbst Teil einer Verschleppungstaktik des Berliner Senats, der den Volksentscheid inhaltlich ablehnt. Die Einsetzung der Kommission, der Abschlussbericht und die Reaktionen auf ihn sind jeweils geprägt von einer verbreiteten Art verfassungspolitisch zu argumentieren, einer „Hermeneutik des Verdachts“, die die Verschleppung durch den Senat erst ermöglicht. Diesem Argumentationsmuster sind sämtliche beteiligten Akteure – Vergesellschaftungsbefürworter*innen, -gegner*innen und rechtswissenschaftliche Expert*innen – verfallen. Es birgt aber für sie alle Risiken. Continue reading >>
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14 June 2023
Think globally, act locally im Versammlungsrecht?
In Berlin wurden jüngst zwei pro-palästinensische Versammlungen zum Nakba-Tag präventiv verboten. Während die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügungen konkret zweifelhaft ist, weisen sie doch auf schwierige Rechtsfragen, die bislang ungeklärt sind. Continue reading >>
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30 May 2023
Von Brokdorf nach Neukölln
Die Räume für zivilgesellschaftlichen Protest scheinen sich zunehmend zu verengen. Vor diesem Hintergrund besorgniserregend ist auch das Verbot zweier pro-palästinensischer Versammlungen in Berlin. Die Verbote beruhen nicht nur auf einer Gefahrenprognose, welche die hohen Anforderungen, die Art. 8 GG an ein präventives Versammlungsverbot stellt, grundsätzlich verkennt. Vielmehr stützen die Bescheide diese Gefahrenprognose auch maßgeblich auf rassistische Zuschreibungen. Continue reading >>
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14 March 2023