Vierzehnjähriger soll wegen Knutschfleck als Sexualtäter in die DNA-Datei
Ist ein Vierzehnjähriger, der einer Dreizehnjährigen einen Knutschfleck macht, ein Sexualstraftäter?
Mit dieser Frage hat sich das Bundesverfassungsgericht auseinanderzusetzen: Das Amtsgericht Arnstadt hatte einen Jungen wegen einer solchen Tat wegen sexuellen Missbrauchs verwarnt und zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Außerdem ordnete das Amtsgericht Erfurt an, ihm Körperzellen zu entnehmen und die DNA zu analysieren und das Ergebnis in die DNA-Analysedatei einzustellen (§ 81 StPO).
Die Entnahme der Körperzellenprobe hat die 3. Kammer des Zweiten Senats jetzt per Einstweiliger gestoppt.
Eine solche einstweilige Anordnung heißt erst mal nur, dass es schlimmer wäre, wenn die Körperzellen entnommen werden und sich das dann im Hauptsacheverfahren als verfassungswidrig herausstellt, als der umgekehrte Fall. Aber hier wäre ich schon sehr überrascht, wenn etwas anderes dabei herauskäme als eine krachende Aufhebung der Beschlüsse der Thüringer Justiz.
Karlsruhe verlangt bei § 81g StPO eine
Darlegung positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe, dass wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftaten, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Hier gab es nichts dergleichen. In den Beschlüssen steht offenbar nicht einmal etwas dazu drin, dass der Junge 14 war und seiner Behauptung nach die Knutscherei „auf gegenseitiger Zuneigung“ beruhte.
Strafjustiz, mir graut wieder mal vor Dir.
Tja, so ist das, wenn sich die staatlichen Gewalten nicht an die Rechtsbefehle des Grundgesetzes 1) halten und dazu kein Straftatbestand des Amtsmissbrauchs existiert. Weiterhin gibt es zu denken, dass die einzige Strafvorschrift für die Nichtbefolgung bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen – § 42 BVerfGG – mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 05.08.1964 im dortigen § 28 Abs. 1 Ziff. 1 ersatzlos aufgehoben worden ist. Angst zu haben nutzt da auch nichts, da geht nur Öffentlichkeitsarbeit und das kompromisslose Einfordern der Grundrechte gegenüber der staatlichen Gewalt.
Im Übrigen ist es auch merkwürdig, dass Ihr Beitrag zwar mit dem Tag »Grundrechtliches« markiert wurde, die Grundrechte zu o.a. Fall von Ihnen jedoch nicht einmal erwähnt wurden.
Irgendjemand muss den Jungen ja angezeigt haben, der vermutlich von Verhältnismäßigkeit keine Ahnung hat…
Wer bringt sowas vor Gericht? Die Eltern der „mehrmals am bedeckten Geschlechtsteil“ begrappschten?
@Susanne Stetter: Sie pöbeln doch hier normalerweise immer gegen Herrn Brüderle. Wieso beschweren Sie sich jetzt, wenn der Staat gegen einen überführten (!) Sexualstraftäter vorgeht?
Das Opfer ist 13 Jahre alt. #aufschrei
Naja, wenn der 14. Geburtstag seiner Freundin nicht gerade unmittelbar bevorsteht, ist wohl tatsächlich zu befürchten, dass es da zu weiteren Fällen von „Kindesmissbrauch“ kommen wird. Und der gilt ja gemeinhin als „Straftat von erheblicher Bedeutung“.
Das Hauptproblem in diesem Fall sehe ich schlicht und einfach in völlig lebensfremden Strafrechtsregelungen – Was ist denn bitte schlimm an einvernehmlichen sexuelle Handlungen zwischen 13- und 14-Jährigen? Diese Regelung war vielleicht zu Kaisers Zeiten sinnvoll, als Jugendliche durchschnittlich mit etwa 15 Jahren körperlich geschlechtsreif wurden. Heutige Jugendliche werden aber wesentlich früher geschlechtsreif, so etwa mit 11 bis 12. Insofern passt diese Altersgrenze einfach nicht mehr zur Lebenswirklichkeit heutiger Jugendlicher.
Neben dieser ohnehin schon fragwürdigen Kriminalisierung gibt es noch das Problem, dass Sexualstraftaten oft pauschal als besonders gefährlich und verachtenswert hingestellt werden – deshalb die Einstufung dieses Jungen als schlimmen Gefährder. Natürlich *gibt* es sehr schwere Sexualstraftaten (etwa Vergewaltigungen, insbesondere von Kindern). Aber ebenso gibt es eben auch Sexualdelikte, bei denen es sich bestenfalls um Bagatellen handelt.
@Aufmerksamerer: Sehr origineller Nick. Aber zur Sache: Das Bundesverfassungsgericht hat das Problem ganz ausdrücklich nicht in dem von Ihnen als „Hauptproblem“ bezeichneten Umstand gesehen. Ob in Deutschland sexuelle Handlungen an unter 14 jährigen Kindern strafbar sind oder nicht, entscheidet der Bundestag. Und zwar nicht so, wie Sie sich das anscheinend wünschen. Sondern im Sinne von: Strafbarkeit.
Es handelt sich also völlig eindeutig um einen verurteilten Straftäter.
Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf …
@ Aufmerksamer Leser: Gern geschehen 😉
Wenn eine Regelung erst einmal vom Bundestag ordnungsgemäß beschlossen (oder beibehalten) worden ist, lehnen Sie also anscheinend jegliche Diskussion darüber ab, ob diese Regelung überhaupt richtig ist. Da stellt sich dann schon die Frage, wie nach Ihrer Ansicht jemals Gesetze geändert werden sollten.
Jedenfalls müssten Sie nach dieser Logik dann ja auch sagen: Wann Daten von Straftätern erhoben und gespeichert werden können, entscheidet der Bundestag. Der hat das unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Wie ich oben schon dargelegt habe, sind die Voraussetzungen in diesem Fall wohl erfüllt. Ist das für Sie nun das Ende der Diskussion über den Fall?
@aufmerksamerer: Ich erkläre es einfacher: Das Bundesverfassungsgericht erlässt keine eA, weil jemand als Straftäter verurteilt wird. Ok? Das Gericht entscheidet nämlich nicht über die Zweckmäßigkeit von Strafrecht, also über den Punkt, der Ihnen anscheinend am Herzen liegt.
Wenn Sie den Schutz für unter 14 jährige Kinder aufheben wollen, was Sie ja anscheinend für fortschrittlich halten, brauchen Sie Mehrheiten im Bundestag. Kein Gericht. In Betracht kommen für Ihre Zwecke wohl nur die Grünen.
also…wenn ein vierzehnjähriger wegen eines knutschflecks ein überführter sexualstraftäter ist, haben wir ja bald bigotte amerikanische verhältnisse.
da haben ich und meine altersgenossenInnen ja vor 35 jahren mächtig schwein gehabt, dass knutschfleckanfertigung und fummeln überm t-shirt in der elterlichen kellerbar niemanden interessiert hat. eine verurteilung als sexualstraftäter und zwei jahre später noch das mofa frisiert…puuh. das wäre der beginn einer kriminellen einbahnstrasse gewesen.
@yogameister: Die Annahme ist korrekt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verurteilung selbstverständlich nicht aufgehoben. Verteidigen Sie doch lieber Hernn Brüderle. Soweit ich weiß, hatte die rasende Reporterin keinen Knutschfleck.
Sexuelle Handlungen werden nicht allein deshalb einvernehmlich, weil die übergriffige Partei das behauptet …
Sicherlich ist es denkbar, dass prüde Eltern mit einer knallharten Justiz zusammentreffen, die eine einverständliche Knutscherei mit marginalem „Petting“ – wenn man Berührungen durch die Kleidung überhaupt so benennen kann – bei einem gerade erst strafmündigen Jugendlichen nicht mit der zu erwartenden Einstellung ohne Auflagen, sondern mit einer jugendrichterlichen Sanktin ahnden.
Ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts erscheint es allerdings zunächst wahrscheinlicher, dass es mit dem Einverständnis nicht allzuweit her war. Und wenn ein 14jähriger eine 13jährige gegen ihren Willen massiv sexuell bedrängt, sie begrapscht und besaugt, dann liegt allerdings eine Wiederholungsgefahr dieser und anderer, dem altersgemäßen Fortschritt entsprechend gravierenderer Sexualdelikte nicht sehr fern.
(Besonders fasziniert mich aber immer die Eindeutigkeit der Beurteilug bei offensichtlich noch völlig ungeklärter Sachlage. Der Unterschied, ob die Handlungen einverständlich waren oder nicht, ist nämlich tatsächlich ein ganz gravierender, von dem die Beurteilung entscheidend abhängt.)
Völlig unverhältnismäßig wie hier vorgegangen wurde. Da waren vermutlich paranoide Eltern am Werk, dazu Ermittlungsbehörden, die nicht nur an den Paragrafen kleben, sondern auch jeglichen Verstand an der Bürotür abgeben.
Selbst wenn man akzeptiert, dass Unter-14-Jährige mit 14-Jährigen und älteren keinerlei sexuellen Kontakt haben dürften (wie steht das dann eigentlich, wenn beide unter 14 sind?) – was Schülern der 8. oder 9. Klasse völlig konstruierte Probleme bereiten dürfte – ist doch auf keinen Fall von einer Straftat erheblichen Ausmaßes auszugehen, wenn zwei Gleichaltige, im gegenseitigen Einvernehmen Küsse oder Knutschflecke austauschen. Damit wäre die Anordnung Genmaterial des „Straftäters“ zu entnehmen selbst illegal (sofern man Amtsmissbrauch ahnden würde).
Die Stigmatisierung durch Verfolgung und Verurteilung des „Täters“ dagegen ist ein Schaden für den ihn keiner entschädigen kann und wird.
Mal abgesehen davon: dies ist nicht der erste Fall bei dem ein Minderjähriger belangt wurde, weil er mit einer Minderjährigen angebandelt hat. Ist jemals ein Fall aufgetaucht, bei dem ein Mädchen belangt wurde, weil sie eine Romanze mit einem Unter-14-Jähringen begonnen hatte? Oder sind nur Jungs in dem Alter offensichtliche Sexualstraftäter?
Spielt die Einvernehmlichkeit überhaupt eine Rolle? Kinder sind doch per se einwilligungsunfähig, laut Gesetzgeber und daher sind die Handlungen auch per se gegen das Einverständis des Opfers.
@-thh
„Ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts erscheint es allerdings zunächst wahrscheinlicher,”
Und worauf basiert diese Einschätzung?
Hier wird leider unterschlagen, dass es nicht nur um einen Knutschfleck, sondern auch um das Berühren des Geschlechtsteils ging.
Journalismus, mir graut vor dir.
@thh: Sie liegen völlig richtig, nur nicht mit Ihrem Klammerzusatz.
Der „Witz“ bei unter 14 Jährigen ist gerade, dass die Kinder nicht über ihren eigenen Schutz disponieren können. Die Rechtsordnung schützt Kinder vielmehr vollständig. Insofern ist es für die Verurteilung unerheblich, ob das missbrauchte Kind sein „Einvernehmen“ erklärt hat oder nicht (das ist anders als bei Brüderle, die rasende Reporterin war ja schon „groß“).
Fragen der „Einwilligung“ durch Einwilligungsunfähige spielen nur für die Strafzumessung eine Rolle, aber darum kümmert sich das BVerfG wirklich nicht, schon gar nicht mit einer eA.
Könnte man nicht einfach mla wieder statt Gerichten,einfach GMV (Gesunden Menschen Verstand) walten lassen.
Bei jedem nicht-juristen führt so ein verfahren doch zwangsläufig zu einer Gehirnerschütterung bedingt durch *face-palming* bzw. *Kopf-Tisch* Handlungen.
Juristen ….. m(
http://www.jurablogs.com/de/anordnung-dna-analyse-14-jaehrigen-knutschflecks
ich lese hier nichts davon, dass die dreizehnjährige fast vergewaltigt worden ist, es scheint schlicht nicht einmal interessiert zu haben.
dem recht entsprechend, wurde hier also wohl darauf verzichtet, den einzelfall zu untersuchen. fazit also: U14 ist man per se hirnamputiert, weil: steht ja so im gesetz.
entschuldigung, mir wird da ganz flau im magen. damit sind hunderttausende jugendlicher potentielle sexualstraftäter, und die legislative will nur „deren bestes“.
ich als rechtlicher laie finde es abenteuerlich, gesetze, nur weil sie da sind, als unfehlbar hinzustellen. in diesem fall ist der sinn des gesetzes, kinder vor übergriffen erwachsener zu schützen, anscheinend deutlichst überinterpretiert worden.
[…] Quelle: verfassungsblog.de […]
@yogameister: Wenn Sie die Kommentare hier alle sorgfältig lesen, müssten Sie es eigentlich verstehen können. Wenn nicht, grämen Sie sich nicht. Ist leider nicht alles so einfach, dass man es in einem Satz erklären kann.
U14 ist natürlich niemand „gehirnamputiert“, aber in seiner Entwicklung noch nicht soweit wie man als „Einwilligungsfähiger“ sein muss. Das hat den Vorteil, dass sie sich nicht mit jedem Kinderschänder darüber unterhalten müsse