Verfolgte Grundrechtsträger?
Was passiert im Moment mit und in unserer Polizei?
Das Bild war in allen Nachrichtensendungen präsent, das Video wurde tausendfach angeklickt: Der Polizeibeamte, der in der Stuttgarter Innenstadt massiv angesprungen wurde. Wir sehen Gewalt gegen Polizei, nachdem in den vergangenen Wochen viel über Gewalt durch Polizei diskutiert wurde. Wandelt sich die Perspektive, wechseln Polizeibeamt*innen von der Täter- noch stärker in die Opferrolle? Ist zu befürchten, dass aus verfolgenden nun verfolgte Grundrechtsträger werden? Wohl kaum.
In den vergangenen Wochen und Monaten war viel von Grundrechten die Rede, die Corona-bedingt eingeschränkt wurden. Jetzt, wo wir das Licht am Ende des Corona-Tunnels sehen, überschlagen sich die Ereignisse. Die (ausgerechnet) Stuttgarter Party-Szene sorgt für bundesweite Besorgnis. 19 verletzte Beamte, und sofort erfolgt der Ruf nach konsequentem Durchgreifen und härteren Strafen. Es werden wieder einmal „rechtsfreie Räume“ zitiert, dieses Mal von einem grünen Oberbürgermeister in Stuttgart, der auch die gesamte Härte des Gesetzes fordert und dabei in einem Zug die „liberale und weltoffene“ Stadt und Polizei in Stuttgart betont. Nur am Rande sei angemerkt, dass es im Raum Stuttgart über lange Zeit wohl tatsächlich, aber andere „rechtsfreie Räume“ gab, nämlich dort, wo ein großer Automobilkonzern unter den Augen der grün-schwarzen Landesregierung munter Software fälschen und Kunden betrügen durfte.
Polizeibeamt*innen sind unzweifelhaft Grundrechtsträger – wie jede andere Bürger und jede andere Bürgerin in unserem Land auch. Sie haben die gleichen Rechte, und auch einige mehr, Stichwort Gewaltmonopol. Wer mehr Rechte als andere hat, muss damit aber sorgsam umgehen und muss sich auch gefallen lassen, dass seine Handlungen genau beobachtet und auch kritisiert werden, wenn Grenzen überschritten werden. Kritik an der Polizei grenzt aber, diesen Eindruck kann man manchmal haben, an Majestätsbeleidigung. Wer z.B. anmerkt, dass Pfefferspray gefährlich ist und zu oft von der Polizei unangemessen eingesetzt wird oder wer sich daran stört, wie mit psychisch kranken Menschen umgegangen wird, der wird schon mal als „Hetzer“1) bezeichnet, der sich „mitschuldig an Stuttgart“ mache.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft DPolG HH springt gleich auf den Zug auf, kritisiert die Justiz und fordert mehr oder weniger unverblümt Richter zum Rechtsbruch auf, wenn sie auf Twitter schreibt: „Zum Autoritätsverlust der #Polizei tragen auch Richter bei, die Straftäter immer wieder laufen lassen. Gerade beim Kampf gegen Drogendelikte haben viele Beamte schon lange das Gefühl, nicht mehr Freund & Helfer, sondern Depp der Nation zu sein“ – worauf Rechtsanwalt Hüttl zurecht behauptet, dass damit vermittelt werde, ruhig mal ein paar Angeklagte einzuknasten, auch ohne sichere Feststellung der Schuld. Die Polizei soll „vom Freund und Helfer zum Deppen“ werden, meint in diesem Kontext ein WAZ-Redakteur, und für ihn ist es „auch bezeichnend, dass jetzt der Innenminister in einem Shitstorm steht, weil er eine Kolumnistin der ,taz’ anzeigen will“. Während man von Journalisten (im Gegensatz zu Politikern) durchaus mehr Sorgfalt bei der Recherche erwarten kann, ist der Aufschrei der DPolG erwartbar gewesen. Die kleinste aber lauteste Gewerkschaft fällt immer wieder dadurch auf, dass sie rechtslastige Forderungen erhebt; so hatte die (nicht ganz ernst gemeinte) Forderung von Andreas Hüttl, sie durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, durchaus einen Hintergrund.
Horst Seehofer hätte mit seiner Ankündigung, Strafanzeige gegen die taz-Journalistin zu stellen, nicht deutlicher machen können, dass ihm der Schutz der Polizei wichtiger ist als der Meinungsfreiheit, und damit der Verfassung. Dabei genießt weder die Polizei als Institution noch der einzelne Polizeibeamte einen besonderen, über das für einen Bundesbürger übliche Maß hinausgehenden verfassungsmäßigen Schutz – Journalisten (und übrigen auch Wissenschaftler) sehr wohl. Polizisten können sich auf Gesetze und das Gewaltmonopol berufen, aber sie müssen immer die entsprechenden, durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder die Strafprozeßordnung gesetzten Grenzen einhalten. Tun sie dies nicht, dürfen sie auch nicht geschützt werden. Durch wen auch immer.
Die Polizei ist ein Teil der vollziehenden Gewalt und gemäß Artikel 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Dies bedeutet, dass die Polizei geltende Gesetze beachten muss, und Eingriffe in die Rechte von Bürgern sind nur zulässig, wenn dafür eine gesetzliche Eingriffsbefugnis gegeben ist. Polizist zu sein reicht dafür nicht aus. Dies gilt übrigens sowohl für den Bereich der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als auch für den Bereich der Gefahrenabwehr.
Der Staat der modernen Sicherheitsgesellschaft wird zunehmend nervös, und mit ihm seine Akteure. Man befinde sich in permanenter Alarmbereitschaft und halte ständig nach potentiellen Feinden Ausschau – so Tristan Barczak in einer aktuellen Studie. Nervös zu sein ist kein Vorwurf, nervös zu handeln aber sehr wohl. Und eine solche Nervosität macht sich gegenwärtig auch in deutschen Landen breit. Ausgelöst durch die Diskussion um den Mord (ja, das war es!) an George Floyd in den USA schwappt die Diskussion um Rassismus in der Polizei auch zu uns herüber. Dabei haben wir es spätestens seit mehreren Entscheidungen von (Ober-)Verwaltungsgerichten auch schriftlich (und juristisch abgesichert), dass es Racial Profiling in der Polizei gibt – was zuvor vehement bestritten wurde. Und auch der Stuttgarter OB Kuhn sieht „kein rassistisches Profil“ bei der Polizei. Natürlich hat er Recht: „Die“ Polizei als Institution hat kein rassistisches Profil, einzelne Maßnahmen und einzelne Beamt*innen aber sehr wohl. Dass man dies nicht mit der Theorie vom faulen Apfel, den es in jedem Korb gebe, begründen kann, wissen wir längst. Das strukturelle Problem liegt weniger in der Tatsache, dass einzelne Beamt*innen möglicherweise latent gewaltbereit und/oder rechtsextrem orientiert sind; es liegt in dem Umgang mit solchen Ereignissen und Personen.
Die mangelnde Fehlerkultur, die nicht nur ich oft genug kritisiert habe2), führt dazu, dass man sich fast sicher fühlen kann, wenn man als Beamter etwas falsch macht – auch, weil Kolleg*innen, die ein solches Fehlverhalten bemerken, dies meist weder intern noch extern anzeigen. Auch Georg Floyd hätte nicht sterben müssen, wenn seine anwesenden Kollegen eingeschritten wären. Zeit genug dazu hatten sie. Auch an mich werden immer wieder Fälle herangetragen, bei denen ich mich frage, warum die anderen anwesenden Beamt*innen nicht interveniert haben. Jeder kann einmal die Nerven verlieren und überreagieren; solange aber anständige (sic!) Kolleg*innen dabei sind und einschreiten, ist dies zwar noch immer verwerflich, im Ergebnis dürfte das Fehlverhalten dann aber meist deutlich weniger dramatische Auswirkungen für die Betroffenen haben, als wenn die Kolleg*innen wegschauen.
Exzessives polizeiliches Gewalthandeln ist seit Jahren bekannt und spätestens seit der Untersuchung von Tobias Singelnstein aus dem vergangenen Jahr auch empirisch belegt. Als „Lagebedingtes Systemversagen“ bezeichnete die taz die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod von Aristeidis L., der an Händen und Füßen gefesselt erstickte, während ihn vier Einsatzkräfte auf dem Bauch fixieren. Kein Einzelfall, denn der sog. „lagebedingte Erstickungstod“ ist seit langem auch in der Polizei bekannt und dort in die Ausbildung integriert3). Es ist auch bekannt, dass er bei psychisch angeschlagenen Menschen oder solchen unter Drogeneinfluss eher auftritt. Zumindest kann dies bekannt sein, wenn man sich informiert, was man von den Beamten, vor allem aber von ihren Vorgesetzten erwarten kann und muss.
Dennoch werden Ermittlungen in Fällen von Polizeigewalt in den allermeisten Fällen, schätzungsweise 95%, eingestellt (so auch im Fall Aristeidis L.), wobei die Gründe bekannt sind. Ein langjährig tätiger Strafverteidiger hat dazu von seinen Erfahrungen berichtet, von Bürgern, die die „Autorität“ der Polizisten durch aufsässiges, aber nicht beleidigendes oder gewalttätiges Verhalten herausgefordert haben. Sie werden anlasslos oder unverhältnismäßig Opfer von Polizeigewalt. Eisenberg schreibt weiter: „Die uniformierten Schläger generieren durch abgesprochene und verlogene Aussagen einen rechtfertigenden Anlass für die Misshandlung, nämlich eine Widerstandshandlung des Opfers. Die Justiz verfolgt die Opfer, sie haben ihre liebe Not, das Lügen- und Aussagekomplott zu decouvrieren. Gelingt es, wird es zum bedauerlichen Einzelfall verniedlicht. In den zahllosen Fällen, in denen es nicht gelingt, etwa weil Richter eine Art Fraternisierung mit ihren ,Beamtenbrüdern’, den Polizeibeamten praktizieren, bleiben die Zusammengeschlagenen ratlos und mit Kriminalstrafe zurück“. Was der Praktiker hier mit drastischen Worten schildert, ist dem Wissenschaftler und Juristen leider nur zu gut bekannt. Diejenigen, die Grundrechte schützen sollen, verletzten sie auch – und zwar häufig. Viele (die meisten?) der Grundrechtsverletzungen dürften gerechtfertigt und dem Gewaltmonopol des Staates geschuldet sein, das von der Polizei ausgeübt wird, werden darf und werden muss, aber eben nicht alle. Sind Polizeibeamte daher „verfolgte Grundrechtsträger“? Sicherlich nicht, es sei denn, man betrachtet alle, gegen die wegen einer Straftat ermittelt wird, als Verfolgte.
Sicherlich ist die Gefahr, dass jemand, der das Gewaltmonopol ausübt, in Situationen kommt, wo man die Schwelle der angemessenen und verhältnismäßigen Gewalt überschreiten kann, größer als in anderen Berufen. Polizeibeamte müssen oft an den sozialen Rändern der Gesellschaft tätig werden und sind mit den Schattenseiten unseres Wohlstandes konfrontiert. Sie arbeiten (auch) dort, wo es brutal, laut, beleidigend, optisch und odeur-mäßig unschön zugeht. Aber dies ist nun mal ihr Beruf. Ein Stahlwerker, der am Hochofen steht, beklagt sich auch nicht über die Hitze dort. Aber er darf mit gutem Recht erwarten, dass sein Arbeitgeber alles tut, um seine Arbeit zu erleichtern. Dazu gehören für die Polizeibeamt*innen aber nicht härtere Gesetze und mehr Eingriffsbefugnisse. Dazu gehört als allererstes Beratung, soziale und psychologische Unterstützung und eine empathische Polizeiführung, die sich nicht versteckt, wenn Probleme intern bekannt werden. Eine Führung, die nicht bestraft, sondern hilft, gerne auch mit externer Unterstützung. Verfolgte brauchen unsere Hilfe. Egal, ob es Flüchtlinge oder Polizeibeamte sind. Nur müssen sie diese Hilfe auch annehmen und nicht die Schuld permanent auf andere schieben.
References
↑1 | So zuletzt der Autor durch ein Mitglied des Bundes deutscher Kriminalbeamter auf Twitter, s. Screenshot. |
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↑2 | Thomas Feltes (2012): Polizeiliches Fehlverhalten und Disziplinarverfahren – ein ungeliebtes Thema. Überlegungen zu einem alternativen Ansatz. In: Die Polizei 2012, S. 285-292 und S. 309-314. |
↑3 | Z.B. in Baden-Württemberg als Bestandteils des Einsatztrainings, s. hier, S. 30. |
Sie hätten den Themenaufhänger auch einfach weglassen können, herausgekommen wäre derselbe Artikel. Sie beginnen vielversprechend und der geneigte Leser könnte meinen, Erhellendes über Gewalt gegen Polizisten und den allgemeinen Akzeptanz- und Autoritätsverlust der Polizei in Deutschland zu lesen – stattdessen geht es weiter mit „Was ich schon immer mal sagen wollte“. Dass Sie die Ereignisse in Stuttgart für den Zweck Ihres Artikels darauf kaprizieren, dass es sich quasi nur um Angriffe auf Grundrechtsträger (in ihrer Funktion als Polizeibeamte) gehandelt habe (das suggerieren Sie), ist derart „unterkomplex“, dass ich zu Ihren Gunsten annehmen möchte, dass Sie es nur taten, um spiegelbildlich den ganzen weiteren Text von Angriffen ebenjener Grundrechtsträger in Uniform gegen andere Grundrechtsträger handeln zu können. Man bleibt ein wenig ratlos zurück.
Hallo Herr “Castorp”,
die Vrogänge in Stuttgart sind durch nichts zu entschldigen. Aber weder stellen diese eine neue Dimension der Gewalt dar, noch repräsentieren sie aus meiner Meinung einen gestiegenen Autoritätsverlust der Polizei.
Solche Vorkommnisse gab es zwischen 1873 (Frankfurt – 20 Tote), München (1962 – fünftägige Straßenschlachten), Köln (2014 – HoGeSa) und den Hygienedemos in Ostdeutschland vor nicht einmal vier Wochen immer wieder (um nur ein paar zu nennen). Die Gemeinsamkeit bei all diesen “Aufständen” sind übrigens junge, alkoholisierte Männer.
Was jedoch leider sehr selten aufgearbeitet wird ist die ungerechtgertigte Anwendung von Polizeigewalt und deren Relativierungen durch die Politik. Genau darauf macht Herr Feltes durch seinen, aus meiner Sicht wichtigen, Debattenbeitrag aufmerksam.
Denn genau wie Herr Feltes sagt: natürlich ist der Job eines Polizisten fordernd und manchmal sicherlich auch zermürbend. Aber Grenzüberschreitungen weniger fauler Äpfel (grenzüberschreitender Polisten) dürfen nicht von den “sauberen” Äpfeln überdeckt werden. Sie gehören offen und transparent aufgearbeitet, so dass am Ende des Aufarbeitungsprozesses ein Ergebniss steht, dass sowohl dem betroffenen Polizisten, aber auch dem von der Grenzüberschreitung betroffenen Bürger hilft.
Aus meiner Sicht ist das ein viel besser geeignetes Mittel das Vertrauen in die Polizei zu stärken, als noch restriktiver vorzugehen oder weiter Gesetze zu verschärfen.
Mich lässt eher Ihre Reaktion ziemlich ratlos zurück. Dieser Beitrag leistet doch gerade viel an “Erhellendes über Gewalt gegen Polizisten und den allgemeinen Akzeptanz- und Autoritätsverlust der Polizei in Deutschland”. Überhaupt kann man bei Ihrem Einwurf ohne Fakten nur VERMUTEN, dass bezüglich Akzeptanz und Autorität immer nur die anderen Schuld sein sollen. Doch eine Umkehr von Schuldzuweisungen hilft auch keinen Polizisten weiter. Es sollte wissenschaftlich um Ursachenforschung und Problemlösung gehen.
[gelöscht, da ad personam, so etwas bitte unterlassen! d.Red.]
Nur: Durch ständiges Wiederholen werden seine einseitigen Schuldzuweisungen in Richtung Polizei nicht besser.
Besonders zweifelhaft wird es, wenn er suggeriert, die vermeintliche Gewaltbereitschaft innerhalb der Polizei sei wissenschaftlich bewiesen. („Exzessives polizeiliches Gewalthandeln ist seit Jahren bekannt und spätestens seit der Untersuchung von Tobias Singelnstein aus dem vergangenen Jahr auch empirisch belegt.“)
Diese “Untersuchung” ist bislang lediglich ein Zwischenbericht, der viele handwerkliche Fehler beinhaltet, die mit einer seriösen wissenschaftliche Arbeit nichts zu tun haben. Die “Forscher” geben ja auch zu, dass man einen Fragebogen gezielt nur in einer ganz kleinen Gruppe der Bevölkerung verteilt hat, und zwar zum Beispiel bei Hooligans, “People of Color”, Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen, Wohnungslosen, Geflüchteten sowie Sinti und Roma. In dem Online-Fragebogen sollte die maßgebliche Bewertung der Erfahrungen mit der Polizei von den Betroffenen selbst vorgenommen werden. Auf den Wahrheitsgehalt überprüft wurden die Angaben nicht. Die Teilnehmer blieben anonym. Ob also ein “Polizei-Hasser” der AntiFa den Online-Fragebogen von verschwenden Computern aus zwanzig Mal ausgefüllt hat, weiß niemand.
Immerhin heisst es in dem Zwischenbericht ehrlicherweise: “Das so entstandene Sample ist nicht bevölkerungsrepräsentativ. Die gefundenen Ergebnisse können daher nicht einfach verallgemeinert, also auf die Gesellschaft insgesamt übertragen werden. (… ) Ein repräsentatives Sample wäre allein durch eine Zufallsauswahl der zu Befragenden aus der Gesamtbevölkerung zu erreichen gewesen.”
Heisst also: Ein repräsentatives Ergebnis war nie das Ziel. Es keimt der Verdacht auf, dass das Ziel der Untersuchung schon vorher feststand. Und damit man Das Ziel auch erreicht, befragt man anonym nur den kleinen Teil der Bevölkerung, von dem man sich negative Antworten erhofft.
Und das ist Wissenschaft?
„Sie [die Polizisten] arbeiten (auch) dort, wo es brutal, laut, beleidigend, optisch und odeurmäßig unschön zugeht. Aber dies ist nun mal ihr Beruf. Ein Stahlwerker, der am Hochofen steht, beklagt sich auch nicht über die Hitze dort. Aber er darf mit gutem Recht erwarten, dass sein Arbeitgeber alles tut, um seine Arbeit zu erleichtern.“
Arbeitnehmer oder Beamte haben sich nicht über ihre Arbeitsbedingungen zu beklagen, schließlich „beklagt sich der Stahlwerker nicht über die Hitze am Stahlofen“. Ich kenne keine Stahlwerker. Vielleicht hat Professor Feltes auch hier größere Kenntnisse. Aber es würde meiner Lebenserfahrung widersprechen, wenn Stahlwerker nicht über ihre Arbeitsbedingungen klagen würden, schließlich tun dies auch Steuerberater, Professoren und andere auch. Auch ohne genaue Kenntnisse der Arbeitsverhältnisse am Hochofen würde ich vermuten, dass sich in den letzten 50 Jahren diese Arbeitsverhältnisse ganz erheblich geändert haben (Produktionsmethoden, Schutzkleidung, Pausen etc.). Und dies nicht etwa, weil der Stahlwerker „mit gutem Recht erwarten darf, dass sein Arbeitgeber alles tut, um seine Arbeit zu erleichtern.“ Sondern weil Stahlwerker sich beklagt haben und ihre Interessenvereinigung entsprechende Verbesserungen durchgesetzt hat (und auch weil zu den Bedingungen vor 50 Jahren kaum ein Stahlwerker mehr am Hochofen stehen würde).
Nicht klagen, sondern auf den Arbeitgeber/Dienstherren bauen? Da dürfte sich nicht nur der DBB ins 19. Jahrhundert versetzt fühlen.
Man kann die Feststellungen des Autors nur unterschreiben und nicht oft genug wiederholen. Polizeiarbeit ist eine sog. “gefahrgeneigte Arbeit”. Und weil beim Polizeieinsatz die Gefahr der rechtwidrigen Verletzung der Grundrechte von Bürgern besteht, ist es besonders wichtig:
a) die Poizei speziell im Hinblick auf die Vermeidung dieser Gefahr auszubilden (positive Einwirkung) und
b) ein effizientes Kontrollsystem zu schaffen, das möglichst jedes Fehlverhalten aufspürt und sanktioniert (negative Einwirkung). Damit wird die altbekannte Erkenntnis der Kriminologie umgesetzt, dass vor allem die Gefahr vor Entdeckung den potentiellen Täter von der Tat abhält.
Mit Recht verlangen die Grünen schon seit vielen Jahren insoweit den Polizeiombudsmann, der in einigen Bundesländern ohne CDU-Regierungsbeteiligung schon seit einigen Jahren existiert.
Ein effizientes Kontrollsystem sollte in einer Demokratie ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein, da sie ein Regierungssystem ist, das darauf angelegt ist, die Ausübung von Macht nur dort zuzulassen, wo dies funktional unvermeidlich ist, und es immer mit einem Kontrollsystem zu versehen.
Bei aller Zustimmung zu den Feststellungen des Autors ist an einem Punkt doch Kritik angebracht:
Unpassend ist der Vergleich der rechtsfreien Räume im Bereich der Durchsetzung von law und order im öffentlichen Raum und im Bereich der Dieselbetrügereien durch die baden-würtembergische Autoindustrie. Hier sollte man den relativ scharf konturierten Begriff des rechtsfreien Raumes nicht verwässern. Er zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass die zuständigen Organe der inneren Sicherheit und Strafverfolgung aufgrund einer bewussten Entscheidung in einem bestimmten Gebiet ihrer Pflicht zum Einschreiten nicht nachkommen. Dieses Kriterium trifft auf die heimlichen Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen nicht zu. Als der Betrug aufflog, wurde die Strafverfolgungsmaschinerie unverzüglich in Gang gesetzt.
Ergänzend: Beamte die Missstände in der Polizei aufklären möchten werden teilweise von den Landeskriminalämtern als gefährdete Personen eingestuft und erhalten nebst Familienmitgliedern Personenschutz – warum?
Weil sie und ihre Familie mutmaßlich von anderen Polizisten mit ihrem Leben bedroht werden; hierzu u.a. ein hörenswertes Feature:
https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/taeter-in-uniform-swr2-feature-2020-06-03-100.html
Gleichfalls sei darauf hingewiesen, dass es seit Jahren auch (neben vielfältig anderer rechtswidriger/unverhältnismäßiger Gewaltdelikte) zu massiver Gewalt gegenüber Journalisten kommt – man findet nahezu zu jeder (!) Demo/Großereignis entsprechende Berichte, so man denn überhaupt ˋfinden´ möchte. Und zwar beginnend mit den 2000ern, also nicht erst gerade seit ˋgestern´..
Exemplarisch und ergänzend zu den Quellenangaben von Herrn Feltes:
https://mmm.verdi.de/beruf/meter%E2%80%8Aweit-ueber-steinboden-geschleift-66961
/
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/demonstration-in-berlin-polizist-soll-journalistin-geschlagen-haben-16754465.html
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https://beobachternews.de/2020/05/12/ich-kenne-sie-ich-weiss-wer-sie-sind/
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https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/475/behoerden-als-pressefeinde-6716.html
Usw., etc…
Des Weiteren lesenswert/ergänzend: der Tod im Polizeigewahrsam – allein seit den 1990ern zählt KOP rund 160 Todesfälle die allein PoC in Deutschland betreffen; gerade im ˋSchutzraum´ der Polizei, also der Wache/Dienststelle, ist die Gefahr überaus groß (bis hin zum Tod) misshandelt zu werden:
https://taz.de/Tod-im-Gewahrsam/!5630024/
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