Das Ende der „Schattenfinanzierung“ parteinaher Stiftungen
Eine Einordnung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftungsfinanzierung
Mit Urteil vom 22.02.2023 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die bisherige staatliche Mittelvergabe an die parteinahen Stiftungen unter Aussparung der Desiderius-Erasmus-Stiftung die AfD in ihrer politischen Chancengleichheit verletzt.
Was nach einem Sieg auf ganzer Linie für die AfD klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Pyrrhussieg – Geld für den gerügten Zeitraum vor 2021 wird die Desiderius-Erasmus-Stiftung (kurz: DES) wohl nicht bekommen und auch für die Zeit danach hängt vieles von der neuen gesetzlichen Regelung ab. Grund für die Entscheidung war dann auch nicht eine Beanstandung der bisherigen Verteilungskriterien und eine daraus folgende Nichtberücksichtigung der DES, sondern lediglich die fehlende formalgesetzliche Grundlage. Neben der Entscheidung in der Sache hat das Gericht auch noch einige bemerkenswerte Fingerzeige für eine gesetzliche Ausgestaltung gegeben, die sich zu beleuchten lohnen.
Verhältnis Partei zur Stiftung: Kein Mut zur Rechtsprechungsänderung
Bei der zentralen Frage, wie Stiftung und Partei rechtlich zueinanderstehen, hat das Gericht am umstrittenen Stiftungsurteil aus E 73, 1 festgehalten. Es bekräftigt, unter knapper Darstellung der Kritik aus der Literatur: Partei und Stiftung seien eng verbunden, aber rechtlich und organisatorisch unabhängig, womit auch die Stiftungsfinanzierung keine Parteienfinanzierung darstelle. Wegen der dann aber doch bestehenden besonderen Nähebeziehung nimmt das Gericht durch die Finanzierung des parteinahen Dritten eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Partei an.
Während hier die Verteidigung des Stiftungsurteils im Vordergrund steht, sind doch einige frische Akzente zu erkennen: Die Vorteile der Partei werden immerhin nicht länger relativiert: Während man in E 73, 1 noch davon sprach, dass die Arbeit der Stiftungen „in gewissem Maße“ der Partei zugutekomme, so stellt das Gericht nun unter gründlicher Auswertung der Tätigkeiten der Stiftungen fest, dass die Parteien „in erheblichem Umfang profitieren“ (Rn. 216) bzw. „relevante Vorteile“ (Rn. 214) genießen und es „realitätsfern [sei], anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfaltete.“ Bei insgesamt gut 660 Millionen Euro im Jahr 2019 wäre alles andere auch durchaus schwer erklärbar gewesen.
Hinsichtlich der Anforderungen an die gebotene Distanz zwischen Partei und Stiftung verschließt das Gericht aber weiterhin die Augen vor den tatsächlichen Verhältnissen und preist diese nicht ausreichend in seine Bewertung mit ein: Letztendlich begnügt man sich mit der Feststellung, dass es für Verstöße gegen § 11 Abs. 2 Satz 3 PartG, wonach Vorsitzender und Schatzmeister einer Partei nicht in einer der Partei nahestehenden politischen Stiftung vergleichbare Funktionen ausüben dürfen, und gegen die Spendenannahmeverbote nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 PartG keine Hinweise gebe. Den angehörten Sachverständigen lägen auch keine Hinweise auf unmittelbare Einflussnahmen der Parteien auf die Stiftungen vor, auch die Arbeitsplanung und -durchführung erfolge eigenständig.
Offene Fragen zum Verhältnis verbleiben
Es erscheint ein wenig, als machte das Gericht hier einen Bogen um das eigentliche Problem: Bei der Frage, ob Parteien und Stiftungen wirklich rechtlich und organisatorisch unabhängig sind, wird auf die engen personellen und finanziellen Verflechtungen nicht eingegangen, es genügt dem Gericht, dass keine Hinweise auf Einflussnahmen vorliegen (Rn. 195 ff.). Erst bei der Begründung der besonderen Nähebeziehung zwischen Stiftung und Partei wird umfassender zu den Verflechtungen personeller Natur eingegangen (Rn. 206 ff.). Diese Trennung der Begründung leuchtet nicht ein, denn das Ergebnis – organisatorische Unabhängigkeit – wird so überhaupt nicht substantiell in Frage gestellt, sondern bleibt Ausgangspunkt.
Es gibt allerdings verschiedenste Begründungsansätze, die aus der engen personellen und finanziellen Verflechtung zwischen Stiftung und Partei die Folgerung zulassen, bei den Stiftungen handele es sich zwar um rechtlich selbständige Vereine, die aber aufgrund der engen Nähebeziehung Teil der Partei sind. Bei der Bestimmung der Reichweite des Parteibegriffs hat man sich schon vor langer Zeit von der Vorstellung verabschiedet, dass Parteiorganisationen lediglich aufgrund rechtlicher Einordnung in die Parteistruktur zu bestimmen sind, da dies leicht zu umgehen ist. In der Stiftungsfrage fällt das Gericht aber diesbezüglich zurück und klebt an der unflexiblen rechtlichen Selbständigkeit als Kriterium für Unabhängigkeit.
Zu berücksichtigen sind vielmehr weitere Zurechnungskriterien, insbesondere ein Beherrschungsverhältnis im Sinne finanzieller und personeller Abhängigkeit: Überleben kann die Stiftung nur durch die staatlichen Mittelzuwendungen, welche die Parteivertreter bisher im Haushaltsausschuss für sie verhandelt haben. Partei und Stiftung bilden eine ganz besondere Schicksalsgemeinschaft, derer sich beide Seiten auch im Rahmen ihres Selbstverständnisses bewusst sind: Schlechte Wahlergebnisse bedeuten weniger Stiftungsgeld.
Personell sind alle Leitungspositionen in Stiftungen mit Parteimitgliedern besetzt, besonders häufig mit ehemaligen herausgehobenen Repräsentanten der Partei. Faktisch werden die Leitungspositionen auch aus den Parteien heraus besetzt. Aber auch eine Betrachtung der Mitgliedschaft der Vereine – alle Stiftungen bis auf die FNF sind e.V. – ist aufschlussreich: Auch hier ist die Parteimitgliederquote extrem hoch. Mitglied werden kann man in der Regel nur auf Vorschlag der Partei werden, die Stiftungen sind also closed shops ohne externe Einflussmöglichkeit. Bei der Heinrich-Böll-Stiftung ist etwa in der Satzung niedergelegt, wer Mitglieder vorschlagen kann (§ 4 Nr. 3): Die Grünen-Bundestagsfraktion, die Bundespartei oder der Verein „Freundinnen und Freunden der Heinrich-Böll-Stiftung“. Das Verfahren dürfte – wenngleich nicht so transparent niedergelegt – bei allen Stiftungen ähnlich sein.
Der Widerspruch, einerseits parteinah zu sein, damit die Stiftung zur förderungswürdigen Grundströmung gehört, andererseits parteifern zu sein, damit die Stiftung organisatorisch und rechtlich unabhängig ist, bleibt weiterhin unaufgelöst. Die Stiftungen bleiben damit weiterhin eine Art „Schrödingers Katze“ im Parteiumfeld: gleichzeitig parteinah und parteifern.
Das zeigt sich plastisch bei der Gemeinnützigkeit, welche den parteinahen Stiftungen zuteilwird: Wenn das Gericht nun davon ausgeht, die Arbeit der Stiftungen unterstütze die Partei so erheblich, dass die Mittelbereitstellung eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Chancengleichheit ist, wie passt das mit der Gemeinnützigkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 AO zusammen, wonach die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft „weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien“ verwendet werden dürfen.
Im Übrigen widerspricht der organisatorischen und rechtlichen Trennung, dass allein die Partei hinsichtlich einer möglichen Berücksichtigung der Stiftung antragsbefugt ist: Auch im vorliegenden Verfahren hat die Partei eine Verletzung von Art. 21 GG durch die Nichtberücksichtigung ihrer Stiftung gerügt, das Gericht hat der Partei die notwendige Antragsbefugnis attestiert (Rn. 143 ff.). Die Partei ist also notwendigerweise eine Art gesetzlicher Prozessstandschafter für die Stiftung, anders kann diese gegen die Mittelvergabe überhaupt nicht erfolgreich vorgehen. Wie aber in einer derartigen Abhängigkeitssituation von einer rechtlichen und organisatorischen Unabhängigkeit gesprochen werden kann, leuchtet nicht ein.
Ohne formelles Gesetz keine Stiftungsfinanzierung
Nach der Bejahung einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Partei lässt das Gericht die bisherige Finanzierung der parteinahen Stiftungen an der fehlenden gesetzlichen Grundlage scheitern. Das ist ohne weiteres richtig und in der Literatur schon seit E 73, 1 vehement gefordert worden. Seinerzeit hatte das BVerfG die materiellen Kriterien der Verteilung der Gelder geprüft und die Frage offengelassen, ob ein formelles Gesetz erforderlich ist. Im Nachhinein ein schweres Versäumnis, den das Gericht nun richtigerweise korrigiert und so nun Licht in den bisher dunklen, intransparenten Bereich der Stiftungsfinanzierung bringt.
Dabei stellt es richtigerweise fest, dass es auf die zwischen den Stiftungen verabredete Verteilung und auf etwaige Anmerkungen im Haushaltsplan nicht ankommt. Erforderlich ist wegen des Vorbehalts des Gesetzes vielmehr ein formelles Gesetz, welches die Kriterien der Mittelvergabe darlegt. Bei einer so wesentlichen Frage – Verteilung von 660 Mio. Euro –, die nach Ansicht des Gerichts eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit darstellt, ist dieses Ergebnis offenkundig richtig.
Komplexer Weg zu einem Partei-Stiftungsgesetz
Die bisherigen materiellen Verteilungskriterien, u.a. mindestens zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten, greift das Gericht in seiner Entscheidung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an, billigt sie aber in einer Art von obiter dictum dem Grunde nach, deutet darüber hinaus auch an, dass der genannte Zeitraum wohl in Ordnung ist, um nur Grundströmungen mit einem gewissen Gewicht zu fördern (Rn. 244).
Außerdem gibt das Gericht zu erkennen, dass Differenzierungen zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung möglich sind. Einer gesetzlichen Regelung, die eine Stiftungsfinanzierung an eine Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder ähnlicher Aspekte koppelt, ist damit der Weg höchstrichterlich geebnet.
Welche Auswirkungen eine solche inhaltliche Begrenzung für die DES haben wird, ist unklar. Die Maßstäbe, die hierfür aktuell in der Diskussion sind, etwa eine Anknüpfung an die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sind so hoch gegriffen, dass sie faktisch wirkungslos sind. Insoweit ist der Gesetzgeber hier gut beraten, sich insbesondere der Kodifikation einer (idealerweise wechselseitigen) Zurechnung zwischen Partei- und Stiftungshandeln zu widmen: Nur so kann für die gesamte politische Grundströmung sinnvoll erfasst werden, ob sie verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Eine solche Zurechnung von Parteizielen zur Bestimmung der Stiftungsziele hat die Rechtsprechung auch ohne gesetzliche Regelung bereits teilweise vorgenommen (OVG NRW, 25 A 2431/94, Rn. 74; BVerwGE 106, 177, Rn. 34).
Daneben dürften die inhaltlichen Anforderungen an einen Ausschluss von der Finanzierung sinnvollerweise unter denen des Art. 21 Abs. 3 GG, gegebenenfalls nahe denen von § 3 VereinsG liegen, da die Chancengleichheit – wenn man mit dem Gericht die Stiftungen nicht als Teil der Partei sieht – hier weit weniger stark tangiert ist als bei der unmittelbaren Parteienfinanzierung. Für die AfD bedeutet der Sieg in diesem Verfahren also möglicherweise, dass die DES – bei einem neuen Regelungssystem mit inhaltlichen Förderkriterien – sogar für die Zukunft leer ausgeht.
Gleichzeitig muss man die Frage in den Raum stellen, welche Materien sich in diesem Zusammenhang noch sinnvollerweise regeln lassen. Zu denken wäre etwa an erhöhte Anforderungen an die Transparenz, denn hier besteht noch immer eine nicht unerhebliche Diskrepanz, die zu einer Umleitung von Spenden einlädt. Daneben ist fraglich, ob der Bundestagspräsident, der im Rahmen der Parteienfinanzierung die nötige Agilität eher vermissen ließ, hier die richtige Adresse für die Mittelfestsetzung ist.
Viel Arbeit für den Gesetzgeber
Einfach hat es der Gesetzgeber bei der nun anstehenden Regelung nicht unbedingt. Hält das Gericht an seiner neueren Rechtsprechung zur Prozeduralisierung fest, ist durchaus fraglich, wie hoch der Aufwand im Gesetzgebungsverfahren sein wird, die Finanzierung der Stiftungen in Höhe von 660 Millionen Euro diesen Begründungserfordernissen entsprechend darzulegen. Diesen Betrag der Höhe nach plausibel zu begründen, kommt einer Herkulesaufgabe gleich.
Es bleibt also einiges zu tun: Mit der Neuregelung der Parteienfinanzierung und derjenigen der Stiftungsfinanzen hat der Gesetzgeber zwei umfangreiche Aufgaben vor sich. Er sollte also zeitnah beginnen, idealerweise – soweit es geht – parteiübergreifend und mit sachverständiger Hilfe, um ein verfassungskonformes Stiftungsgesetz vorzulegen.
Ich frage mich, inwieweit das Parteienprivileg hier eine Rolle spielt. Gerade angesichts der Ausführungen zu der engen personellen Verknüpfung von Stiftung und Partei erscheint es nicht fernliegend, auch mit Blick auf etwaige Fördervoraussetzungen für Stiftungen einen Maßstab unterhalb Art. 21 III GG für verfassungswidrig zu halten. Das BVerfG führt ja auch aus, dass die Arbeit der Stiftungen die jeweils nahestehende Partei begünstigt wird. Vor dem Hintergrund des enormen Fördervolumens wiegt der Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien umso schwerer.
Die Regierungsfraktionen werden wohl nicht umhin kommen, in einen sauren Apfel zu beißen: 1. Die Eramus-Stiftung ebenfalls fördern oder 2. die Parteinähe der Stiftungen auflösen und striktere Förderbedingungen formulieren als dies angesichts der Verknüpfung von Partei und Stiftung möglich wäre.
Letztere Lösung ist wohl kaum mehrheitsfähig.
Interessante Analyse, der ich im Ergebnis und in den Ausführungen zum (unausgegorenen) Verhältnis von Parteinähe und -distanz zustimme.
Dennoch zwei kritische Anmerkungen:
1.) Wenn ich die Begründung (und bereits die Leitsätze) richtig verstehe, ergibt sich die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung aus den Eingriffen in die Chancengleichheit der Parteien. Würde also die DES gleich behandelt wie die anderen Stiftungen, ginge das auch ohne gesetzliche Regelung. (Das war aber eben bisher nicht der Fall, und ist auch, nach allem was man weiß, derzeit nicht gewollt …) Insofern hängen “Nichtberücksichtigung der DES” und das Verlangen einer gesetzlichen Grundlage zusammen (und man kann nicht sagen, wie der Autor hier, das eine sei der Grund gewesen, das andere nicht …)
2.) Dass das BVerfG die “bisherigen materiellen Verteilungskriterien, u.a. mindestens zwei Legislaturperioden im Bundestag vertreten” nun “in einer Art von obiter dictum dem Grunde nach” gebilligt habe, halte ich für eine gewagte These (m.a.W.: für falsch). Gerade in der vom Autor angeführten Rz. 244 äußert das Gericht große Zweifel an der (sachgerechten) Übertragbarkeit der 5%-Klausel (gleichbedeutend mit der Vertretung als Fraktion im Bundestag). Dieses Kriterium dürfte in Zukunft kaum noch haltbar sein, vielmehr muss wohl eine niedrigere Schwelle gewählt werden, und es spricht – nach den weiteren Andeutungen des BVerfG in dieser Randziffer – viel dafür, dass eben auch Erfolge bei anderen Wahlen einzubeziehen sind. Dass es sich tatsächlich um ein obiter dictum handelt – geschenkt. Aber der Inhalt ist (m.E. eindeutig) ein anderer.
Abgesehen davon wird es darum nun jedenfalls in Sachen DES nicht mehr gehen können; denn es ist kaum vorstellbar, dass der von ihr verkörperten politischen Strömung heute noch die Dauerhaftigkeit abgesprochen werden kann, nach welchen Kriterien auch immer. Viel wichtiger ist daher, was der Autor eher beiläufig bemerkt, dass das BVerfG (ebenfalls in einem obiter dictum, sogar in einem Vorgriff auf die noch ausstehende Entscheidung in dem insoweit abgetrennten Verfahren) erkennen lässt, dass ein Ausschluss zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung denkbar ist (Rz. 246). In diesem Lichte zeigt sich auch der Grund der Abtrennung: Hätte das BVerfG diesen Punkt nun nicht abgetrennt, sondern der Bundesregierung und dem Bundestag noch die insoweit nötigen Schriftsatzfristen (und der AfD wiederum Gelegenheit zur Erwiderung gewährt), wäre die Entscheidung voraussichtlich um Monate hinausgezögert worden, womöglich wäre sie nicht einmal mehr in 2023 ergangen. Damit wäre der ohnehin für verfassungswidrig gehaltene Zustand – Nichtberücksichtigung der DES ohne gesetzliche Regelung – weiterhin perpetuiert worden. Das wollte das Gericht offenbar nicht hinnehmen. Mit den obiter dicta in Rz. 244 und 246 hat das BVerfG aber schon jetzt eine Segelanweisung gegeben.
Hinsichtlich 1): Ohne Beeinträchtigung der Chancengleichheit käme das Gericht natürlich auch überhaupt nicht zur Frage der Rechtfertigung. Gemeint war mit dem wohl kritisierten Eingangssatz, dass das Gericht nicht die materiellen Verteilungskriterien überprüft und angewendet hat, sondern in der Rechtfertigung bereits vorher beim Vorbehalt des Gesetzes ausgestiegen ist, ohne auf die Ausgestaltung von “Gleichheit” in diesem Kontext eingehen zu müssen.
Eine Beeinträchtigung würde nur dann bereits gar nicht vorliegen, wenn eine bestehende Förderung “gleichheitsgerecht” ist (Rn. 178): Auch im Falle einer bereits bestehenden Förderung der DES hätte dieser Antrag also zu einer Prüfung der chancengleichen Mittelverteilung geführt.
Zu 2) mag die Aussage zur “Billigung” etwas verkürzt wirken: Gemeint war hiermit vor allem der zeitliche Ansatzpunkt mehr als einer Legislaturperiode und generell die Anknüpfung an die Ergebnisse von Wahlen. Das sind ja Kriterien, die in der Literatur (jedenfalls in Anbetracht des Trennungsprinzips des BVerfG) Kritik erfahren haben. Hieran stört sich das Gericht nicht, warnt aber sehr vorsichtig (“könnte entgegenstehen”) vor einer “schlichten Übertragung” der 5 %-Hürde und stellt daneben eine Berücksichtigung sonstiger Wahlen in den Raum. Bereits jetzt ist in der Gemeinsamen Erklärung der parteinahen Stiftungen aber das Erfordernis des zweimaligen Einzugs in Fraktionsstärke nicht zwingend vorgesehen, sondern nur ein einmalige und auch hier mit dem Hinweis, es könnte auch zwischen Fraktions- und Gruppenstärke unterschieden werden. Im Ergebnis geht es dem Gericht hier m.E. vor allem um die genaue Betrachtung des Rechtfertigungsgrundes: Die Funktionsfähigkeit des Parlaments passt hier natürlich nicht, sodass eine “blinde” Übertragung ohne entsprechende Begründungsansätze nicht klappt. Dass man trotzdem – wenn man hier Wahlergebnisse nehmen möchte – an gewisse Zahlenwerte anknüpfen kann oder muss, ob eine politische Grundströmung hinreichend dauerhaft ins Gewicht fällt, steht auf einem anderen Blatt.
Die Idee einer wechselseitigen Zurechnung von Partei- und Stiftungshandeln erscheint doch sehr bedenklich. Wenn man mit dem BVerfG von einer organisatorischen und rechtlichen Trennung ausgeht, dürfte es für eine solche Zurechnung keine Grundlage geben. Möchte man hingegen (was mit der Rspr des BVerfG kaum zu vereinbaren sein dürfte) Partei und Stiftung als eine Einheit betrachten, so müsste konsequenterweise auch das Parteienprivileg auf die Stiftung erstreckt werden – mit der Folge, dass ein Ausschluss von der Finanzierung nur unter den materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des Art 21 III, IV GG möglich wäre.
Nun, in der Pauschalität kann man die Idee einer Zurechnung nicht angreifen: Obwohl wir in Deutschland nach dem Schuldprinzip nur individuelle Schuld kennen, rechnen wir auch im Rahmen von § 25 Abs. 2 StGB munter Tatbeiträge wechselseitig zu. Zurechnung als Rechtstechnik ist also nicht unbekannt und durchzieht alle Rechtsbereiche, die Beispiele sind zahlreich.
Für eine solche Zurechnung im Parteienrecht gibt es bereits jetzt Beispiele. Prominent ist etwa die Zurechnung des Anhängerverhaltens im Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG. Denn auch hier kann das Verhalten Dritter der Partei zum Verhängnis werden: Es müssen nicht (nur) Parteimitglieder sein, die sich entsprechend verhalten, Betrachtungsgegenstand sind die “Anhänger” einer Partei. Das Grundgesetz betrachtet bei dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung – um die es hier ja auch geht – nicht jede organisatorische Einheit einzeln, sondern betrachtet die Partei im Zentrum und auch das Parteiumfeld in ihrer Gesamtheit. Wenn man im Rahmen eines Parteiverbotsverfahrens Handlungen der parteinahen Stiftung zurechnen kann, warum nicht bei einer “verfassungsfeindlichen Stiftung” auch umgekehrt der Stiftung Handlungen der Partei?
Ihre Beispiele zeigen, dass eine Zurechnung nicht ohne Weiteres möglich ist. Für § 25 II StGB muss die zuzurechnende Tathandlung vom Vorsatz umfasst sein. Auch die Zurechnung im Parteiverbotsverfahren ist nach der Rspr des BVerfG einzuschränken: Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder ist eine Zurechnung nur möglich, wenn diese in einem politischen Kontext stehen und die Partei sie gebilligt oder geduldet hat. Bei Anhängern, die nicht der Partei angehören, ist grundsätzlich eine Beeinflussung oder Billigung ihres Verhaltens durch die Partei notwendige Bedingung für die Zurechenbarkeit (BVerfGE 144, 20, Rn 563 f). Letzteres mag auf parteinahe Stiftungen übertragbar sein, wenn man diese wegen ihrer organisatorischen Trennung als eine Art Anhänger der Partei ansieht. Dann dürfte auch eine „umgekehrte“ Zurechnung nur unter diesen restriktiven Voraussetzungen erfolgen. Dies wird regelmäßig die Zurechnung einzelner Positionen und Äußerungen von Parteipolitikern ausschließen, da diese von einer parteinahen Stiftung, die sich aus der Tagespolitik typischerweise heraushält, weder beeinflusst noch gebilligt werden. Anders sieht es womöglich hinsichtlich der Grundprogrammatik der Partei aus, welche auch von der parteinahen Stiftung geteilt werden dürfte.
Einen Moment, jetzt springen Sie gewaltig: In Ihrem ersten Kommentar haben Sie eine Zurechnung generell mit Hinweis auf eine organisatorische und rechtliche Trennung abgelehnt. Das ist in der Pauschalität in meinen Augen nicht haltbar, weil die rechtliche Selbständigkeit ja gerade die Grundkonstellation einer (Fremd-)Zurechnung ist – daher das Beispiel zur Mittäterschaft: Zurechnung zwischen zwei (rechtlich selbständigen Subjekten) ist etwas völlig Normales im Recht. Natürlich – und da stimme ich dem zweiten Kommentar dem Grunde nach zu – braucht es einer materiellen Begründung für die Zurechnung fremden Verhaltens.
Denkbare Ansätze in diesem Fall sind wahlweise voluntativer Natur, beispielsweise der wechselseitige Wille zur Arbeitsteilung, der Wille der Stiftung (Billigung etc.), das gemeinsame Selbstverständnis, das gemeinsame – bei Dritten ggf. eine Art Rechtsschein auslösende – Auftreten nach außen, aber auch die engen mitgliedschaftlichen und finanziellen Abhängigkeiten und Verknüpfungen. Argumentative Anhaltspunkte gibt es in meinen Augen genug, sie müssen natürlich zur Stiftung selbst zurückreichen: Ohne Einflussmöglichkeit und Verhinderbarkeit ist eine Zurechnung schwerlich möglich, aber auch nicht ausgeschlossen.
Entlang dieser materiellen Gründe ist der Gesetzgeber in meinen Augen frei, eine solche Zurechnung anzuordnen.
Verfassungsrechtlich dürfte gegen eine Zurechnung von Partei zu Stiftung wesentlich weniger sprechen als umgekehrt: Denn die Stiftung unterfällt nicht dem Parteienprivileg und es geht auch nicht um ein Verbot, sondern um eine Finanzierungsfrage. Beides Gründe für den Schluss, dass die hier diskutierte Zurechnung unter (deutlich) geringeren Anforderungen als bei Art. 21 Abs. 2 GG stattfinden kann.
Der Kern der Stiftungstätigkeit ist Politische Bildung, deren Ziel (soweit aus öffentlichen Mitteln förderfähig) insgesamt die Stärkung der Demokratie und Belebung der demokratischen Kultur. Das gilt auch, wenn man den Charakter der parteinahen Stiftungen als „Tendenzbetriebe“ (K.-P. Hufer) berücksichtigt.
Die aktuelle Debatte konzentriert sich, wie auch der vorliegende Beitrag, auf verfassungs-, parteien- und haushaltsrechtliche Grundsatzfragen, denen ein Stiftungsgesetz genügen muss. An politikdidaktischen Problemen zeigt sie sich desinteressiert, und auch das Bundesverfassungsgericht hat sie bislang nicht berücksichtigt.
Spätestens seit diesem Urteil darf die Fachexpertise nicht mehr ausgeblendet bleiben. Die politikwissenschaftliche Fachdidaktik und Bildungsforschung muss in den Gesetzgebungsvorgang dringend einbezogen werden. Denn ein Stiftungsgesetz sollte nicht nur die allgemeine „Verfassungstreue“ betonen, ohne dabei auf den Zweck der Stiftungstätigkeit Rücksicht zu nehmen. Es wird auch regeln müssen, wie die Einhaltung von Mindeststandards demokratischer Politischer Bildung (bspw. Transparenz, Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot, Adressat*innen-Orientierung) bei der Mittelzuweisung berücksichtigt, gewährleistet und kontrolliert werden kann.
Das betrifft grundsätzlich alle parteinahen Stiftungen, wobei die bisherigen Erfahrungen mit AfD-naher Politischer Bildungsarbeit zeigen, dass man in dieser „politischen Grundströmung“ von sich aus kaum an der Entwicklung einer „guten Praxis“ interessiert ist.