09 Juli 2019

Demokratische Tragödie in Sachsen

Es hat Elemente eines Déjà-vu. Gerade einmal ein gutes Jahr ist es her, dass der sächsische Verfassungsgerichtshof sich mit der innerparteilichen Kandidatenaufstellung der AfD und ihren Auswirkungen auf die Zusammensetzung des sächsischen Landtags beschäftigen musste und dabei dem Landeswahlausschuss ein verheerendes Zeugnis ausstellte. Bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren hatte dieser eine Landesliste der AfD zur Wahl zugelassen, obwohl bei der Kandidatenaufstellung die Grundsätze innerparteilicher Demokratie eklatant verletzt worden waren. Nur mit großem juristischen Begründungsaufwand konnte es das Gericht vermeiden, die sofortige Neuwahl des Landtags anzuordnen. 

Vielleicht wollte der Ausschuss aus diesem Debakel lernen, als er vor wenigen Tagen nun überraschend die Liste der AfD für die Landtagswahl am 1. September teilweise zurückwies: Nur eine Teilliste mit 18 Kandidaten wurde zur Wahl zugelassen. Eine zweite Teilliste mit weiteren 43 Kandidaten schloss das Gremium hingegen vom weiteren Wahlverfahren aus. Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind gravierend: Erzielt die AfD bei der Wahl ein Zweitstimmenergebnis, nach dem ihr mehr als 18 Sitze zustehen, bleiben die weiteren ihr nach dem Zweitstimmenanteil zustehenden Mandate unbesetzt. Der eigentlich 120 Sitze zählende Landtag würde sich dementsprechend verkleinern, die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse würden sich verschieben, falls die AfD nicht einen Großteil der sächsischen Direktmandate erringen sollte. Weitere Verzerrungen könnten sich durch Überhang- und Ausgleichsmandate ergeben. Glaubt man den aktuellen Umfragen, könnte der Effekt der Entscheidung des Lamdeswahlausschusses jedenfalls erheblich sein. Mit einem derzeit prognostizierten Zweitstimmenergebnis von 26 Prozent würde die AfD regulär etwa 32 Mandate erringen. Fielen 14 davon ersatzlos weg, würde sich die AfD-Fraktion auf fast die Hälfte der Größe reduzieren, die ihr bei proportionaler Mandatsverteilung zustünde. Auch für die anderen Parteien würde diese Verschiebung relevant, weil für die Regierungsmehrheit in diesem Fall nur noch 54 und nicht 61 Mandate gebraucht würden. 

Eine Entscheidung mit derart schwerwiegenden Konsequenzen für den Parteienwettbewerb kann nur mit sehr validen rechtlichen Gründen getroffen werden. Umso mehr muss überraschen, wie schmallippig die Argumente tatsächlich ausfallen, mit denen die Zurückweisung des zweiten Teils der AfD-Liste nun öffentlich begründet wird. Für die Mitglieder des Wahlausschusses habe nicht sicher festgestanden, so die Landeswahlleiterin, dass es sich bei den Nominierungsparteitagen der AfD, die jeweils im Februar und März die beiden Teillisten beschlossen hatten, um eine einheitliche Versammlung gehandelt habe. Die entsprechenden Zweifel begründet sie vor allem damit, dass die beiden Parteitage von unterschiedlichen Versammlungsleitern geleitet wurden.

Für den Laien mag diese Erklärung wie eine typische  juristische Formalie klingen, eine förmliche Hürde, die für den Außenstehenden vielleicht nicht unbedingt verständlich ist, aber trotzdem nun einmal aus rechtlichen Gründen eingehalten werden muss. Tatsächlich lässt sich ein entsprechendes Verbot, eine Landesliste sukzessive auf zwei getrennten Parteitagen aufzustellen, dem geltenden Recht aber gar nicht entnehmen. Der einzige Anhaltspunkt dafür ist eine Regelung im sächsischen Wahlgesetz, die den Versammlungsleiter bei Einreichung des Vorschlags für den Wahlkreiskandidaten verpflichtet, gegenüber der Wahlbehörde an Eides statt zu versichern, dass bei der Kandidatenaufstellung die gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden. Auf die Einreichung von Landeslisten ist diese Vorschrift entsprechend anwendbar. Nun ist es schon juristisch nicht zwingend, aus dieser Formulierung schließen zu wollen, dass der Versammlungsleiter hier tatsächlich nur eine einzige Person sein kann und die Anforderungen nicht auch durch Einreichung von Erklärungen zweier Versammlungsleiter erfüllt werden können. Vor allem ist die Vorschrift, die von dem Versammlungsleiter spricht, eben auf die Aufstellung von Einzelbewerbern in Wahlkreisen zugeschnitten und damit auf Versammlungen, die schon aus praktischen Gründen nicht in mehrere Sitzungen aufgeteilt werden können, weil nur über eine Person zu entscheiden ist. Auf die Aufstellung von Landeslisten ist diese Vorschrift deshalb auch nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar, das heißt unter Berücksichtigung der Besonderheiten der andersartigen Kandidatenaufstellung bei einer Liste mit vielen Plätzen. Das praktische Bedürfnis, eine solche Versammlung auch in mehreren zeitlichen Abschnitten durchzuführen, gehört aber zweifellos zu diesen Besonderheiten.

Es ist auch schlicht kein sachlicher Grund erkennbar, warum die Zulassung des zweiten Teils der AfD-Landesliste allein von der spitzfindigen Frage abhängen sollte, ob der Parteitag unterbrochen und fünf Wochen später fortgesetzt oder abgeschlossen und fünf Wochen später die Listenaufstellung auf einem neuen Parteitag wiederaufgenommen wurde. Der wesentliche erkennbare Unterschied zwischen beiden Szenarien besteht nämlich tatsächlich nur in der Neuwahl eines Versammlungsleiters für die zweite Versammlung. Warum aber sollte allein die Wahl eines neuen Versammlungsleiters zur Ungültigkeit der restlichen Listenaufstellung führen? Und müsste dies dann nach der Ansicht des Landeswahlausschusses etwa auch gelten, wenn der Versammlungsleiter aus gesundheitlichen Gründen oder bei sonstiger Verhinderung im Lauf der Sitzung ausgetauscht werden muss? Es ist schwer vorstellbar, was für eine solche Argumentation sprechen sollte. 

Zweimal hintereinander hat der Landeswahlausschuss in Sachsen also in Bezug auf die AfD Regeln erdacht, die dem geltenden Wahlrecht fremd sind – im ersten Fall zugunsten der AfD, im zweiten Fall nun zu ihren Lasten. Anlass für Häme gegenüber der AfD oder den Gedanken ausgleichender Gerechtigkeit bietet dieses Verhalten gleichwohl nicht. Denn die Zurückweisung des zweiten Teils der AfD-Liste beschädigt grundlegende demokratische Standards.

Zum einen gibt die Entscheidung des Landeswahlausschusses all den Verschwörungstheorien Nahrung, welche die AfD ohnehin über die sogenannten „Systemparteien“ und vermeintlich korrumpierte staatliche Institutionen verbreitet. Wer für derartige Propaganda anfällig ist, wird sich nun allzu sehr bestätigt fühlen.

Zum anderen droht aber auch eine ernsthafte Destabilisierung der Institution des Landtags in Sachsen. Denn gegen die Entscheidung des Landeswahlausschusses sind vor der Wahl alle rechtlichen Schritte ausgeschlossen. Die einzige Kontrollmöglichkeit ist die Wahlprüfungsbeschwerde, die erst nach der Wahl eingereicht werden kann und auch zunächst nicht bei Gericht, sondern beim Landtag erhoben wird. Schon im Fall der AfD-Listenaufstellung bei der letzten Wahl hat der Landtag dieses Verfahren fast drei Jahre lang verschleppt, so dass die nachfolgende Kontrolle durch den sächsischen Verfassungsgerichtshof erst abgeschlossen werden konnte, als die Wahlperiode schon fast vorbei war. Das Gericht stellte dann zwar fest, dass ein schwerwiegender Fehler im Wahlprozess vorgelegen hatte. Es ordnete aber keine Neuwahl an, weil der Fehler nur ein einzelnes Mandat und nicht die politischen Mehrheitsverhältnisse im Landtag berührt hatte und es die Stabilität des Landtags höher gewichtete als die Korrektur des Rechtsverstoßes. 

Eine solche jedenfalls auch politisch motivierte Lösung stünde dem Verfassungsgerichtshof bei der in dieser Sache zu erwartenden Entscheidung nicht zur Verfügung. Er müsste vielmehr entweder den Rechtsverstoß des Landeswahlausschusses bagatellisieren, um das Ergebnis der Landtagswahl aufrecht erhalten zu können, oder aber tatsächlich eine Neuwahl des Landtags anordnen und damit in gewisser Weise allen zuvor getroffenen Entscheidungen nachträglich die Legitimität entziehen. Der Schaden für die Demokratie wird in beiden Fällen beträchtlich sein. Die nicht nachvollziehbare Entscheidung des Landeswahlausschusses bedient den Opfermythos der AfD und spielt denjenigen in dieser Partei in die Hände, die die demokratischen Institutionen ohnehin verachten. 

Nachtrag:

Ebenso wenig leuchtet im Übrigen ein, dass der Landeswahlausschuss seine Entscheidung offenbar auch darauf gestützt hat, dass der zweite Parteitag die Kandidaten ab Listenplatz 31 aus Zeitgründen durch Blockwahl nominiert hat. Soweit dies unzulässig gewesen wäre, hätte der Ausschuss ohnehin jedenfalls die ersten 30 Plätze zulassen müssen. Tatsächlich sind aber auch gegen den Übergang zur Blockwahl keine rechtlichen Einwände ersichtlich. Die Blockwahl ist als solche durchaus zulässig. Dass der Wechsel von der Einzelwahl zur Blockwahl hier die Chancengleichheit der Bewerber vermindert hätte, ist nicht erkennbar und ergibt sich jedenfalls nicht einfach schon aus der bloßen Tatsache des Wechsels des Wahlverfahrens für die hinteren Listenplätze. Nicht jede tatsächliche Ungleichheit im Wahlverlauf stellt auch eine Verletzung der Chancengleichheit dar. Sonst könnte man etwa mit gleicher Argumentation behaupten, dass auch der jeweilige Wahlgang zu einer für die Aufmerksamkeit der Delegierten günstigeren oder ungünstigeren Uhrzeit die Rechte der Kandidaten verletze.

Der letzte Absatz fehlte in einer früheren Version des Beitrags. Er wurde nachträglich ergänzt (die Redaktion, 09.07.2019 23:22 Uhr).


SUGGESTED CITATION  Schönberger, Sophie; Schönberger, Christoph: Demokratische Tragödie in Sachsen, VerfBlog, 2019/7/09, https://verfassungsblog.de/demokratische-tragoedie-in-sachsen/, DOI: 10.17176/20190709-134715-0.

381 Comments

  1. stefanolix Di 9 Jul 2019 at 13:33 - Reply

    Ich hätte dazu noch eine Frage: Als weiteren (hier nicht erwähnten) Fehler der AfD wurde ein Wechsel des Wahlverfahrens genannt. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Landeswahlausschusses:

    »Der Landesparteitag im Februar 2019 beschloss für die Listenplätze 1 bis 61, also für alle Listenplätze,die Kandidaten im Einzelwahlverfahren zu wählen.Der Landesparteitag im März 2019 befasste sich erneut mit dem Wahlverfahren und änderte den Beschluss vom Februar ab, sodass ab der Listenposition 31 das Blockwahlverfahren zur Anwendung kam.Die notwendige Chancengleichheit aller Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren der Kandidatenaufstellung war nach Ansicht des Landeswahlausschusses damit nicht gegeben.«

    Ist das denn keine Begründung, darf man das Verfahren einfach so zwischendurch ändern?

    Quelle: https://wahlen.sachsen.de/download/Medieninformation/LWL-17-2019.pdf

    • Wilko Zicht Di 9 Jul 2019 at 14:03 - Reply

      Grundsätzlich ist es nicht völlig ungewöhnlich, dass die Aufstellungsversammlung einer Partei erst während des Verfahrens erkennt, dass man zeitlich nicht wie geplant hinkommt, und daraufhin das ursprünglich beschlossene Wahlverfahren ändert. Dabei muss man sicherlich auf manche Dinge achten (z. B. darf man nicht die Vorstellungszeit reduzieren, wenn bei den späteren Wahlgängen auch Personen antreten, die zuvor eine längere Vorstellungsrede halten durften), aber per se unzulässig ist das nicht. Jedenfalls müsste konkret begründet werden, inwiefern die Chancengleichheit nicht gegeben gewesen sein soll. Dass die Landeswahlleiterin es auch vier Tage nach der Entscheidung nicht für nötig hält, eine solche Begründung zu liefern, lässt Schlimmes befürchten.

    • Erich Heidkamp Di 9 Jul 2019 at 14:50 - Reply

      Das geänderte und als solches nicht beschlossene Wahlverfahren scheint mir das ernsthafteste Argument zu sein und es wundert schon, dass die Landeswahlleiterin da nicht nachgehakt.
      Zu dem anderen Versammlungsleiter: müssen wir in Zukunft immer Stellvertreter beim Auftakt der Wahlen bestellen?

  2. Dr. Sybille Rompe Di 9 Jul 2019 at 13:36 - Reply

    Auseinandersetzung mit 21 SächsWahlG, der von *einer* Wahlversammlung zur Aufstellung der Kandidaten spricht, fehlt leider. Es ist bereits andernorts darauf hingewiesen, dass die Forderung nach einer Einheitlichkeit der Versammlung die Gleichbehandlung der Parteimitglieder und damit die innerparteiliche Demokratie schützt. Ohne demokratisch aufgestellte Kandidaten keine demokratische Wahl

    • Tullius Di 9 Jul 2019 at 14:00 - Reply

      Wie ich aus Presseberichten entnommen habe (MDR) war ursprünglich auch nur eine Wahlversammlung geplant. Aufgrund des komplizierten Aufstellungsverfahren dauerte die erste Versammlung jedoch sehr lange, so dass man sich darauf einigte, an einem anderen Tag die Versammlung mit den noch offenen Listenplätzen (ab Platz 19) fortzusetzen. Die AfD hat zunächst über jeden Listenplatz einzeln abstimmen lassen, so dass sich unterlegene Bewerber auch für einen niederrangigen Listenplatz zur Wahl stellen konnten. Also wer z.B. Listenplatz 4 haben wollte, aber in der Abstimmung einem Konkurrenten unterlag, konnte jetzt wieder für den Listenplatz 5 kandidieren. Das Beispiel ist übrigens fiktiv um das Prinzip zu zeigen. Diese gesamte Prozedur war jedoch sehr zeitintensiv und möglicherweise deshalb später nicht mehr angewandt. Das gesamte Verfahren soll aber von beiden Versammlungen durch Beschlüsse gedeckt sein, weil am Ende jeder Versammlung sog. „Heilungsbeschlüsse“ gefasst worden sein sollen.

      Interessant ist aber, dass die eigentlichen formalen Gründe der Ablehnung eigentlich nie direkt kommuniziert worden sind. Es ist fast immer nur zu lesen, dass die AfD gegen formale Bestimmungen verstoßen hat. Zudem ist die Aufhebung der ersten Wahl möglichweise auch nicht unbedingt im Sinne der AfD gewesen, da sie bei einer Neuwahl Frauke Petry losgeworden wäre und möglicherweise noch mehr Sitze hätte erhalten können.

    • Wilko Zicht Di 9 Jul 2019 at 14:28 - Reply

      Weder der Wortlaut noch der Sinnzusammenhang lassen darauf schließen, dass „einer“ hier ausnahmsweise nicht als unbestimmter Artikel, sondern als Zahlwort zu verstehen ist.

      Eine Liste von 60 Personen, bei der auf fast jedem Platz mehrere konkurrierende Kandidaten antreten, die allesamt ca. fünf Minuten Vorstellungsrede beanspruchen und überdies noch Fragen beantworten müssen, lässt sich nun einmal nicht an einem Tag aufstellen. Mehrtägige Aufstellungsversammlungen, auch an unterschiedlichen Wochenenden, waren beispielsweise bei den Grünen durchaus üblich, bis man dort irgendwann auf elektronische Wahlverfahren umgestiegen ist (die ihrerseits ja nicht unproblematisch sind).

      Dass die fehlende Personenidentität der im Wahlgesetz vorgesehenen maßgeblichen Personen (u. a. Versammlungsleiter sowie Personen, die eine eidesstattliche Versicherung abzugeben haben) Indizwirkung für eine Einordnung als zwei getrennte Versammlungen haben soll, halte ich für absurd. Die naheliegende Begründung für die fehlende Personenidentität wäre doch wohl, dass die betroffenen Personen beim zweiten Termin einfach nicht mehr dabei waren, weil sie z. B. keine Zeit hatten.

      Nebulös weist die Landeswahlleiterin ansonsten noch darauf hin, dass im Landeswahlausschuss „Formalien wie etwa Angaben zu den Einladungen, zu den Tagesordnungen, den Teilnehmerzahlen und insbesondere zum Ablauf des Bewerberaufstellungsverfahrens erörtert“ worden seien. Hierüber würde man gerne mehr erfahren.

      Und wenn es sich tatsächlich um zwei getrennte, aber jeweils für sich formal korrekte Aufstellungsversammlungen gehandelt hätte, dann hätten dem Landeswahlausschuss ja zwei konkurrierende Landeslisten der AfD vorgelegen, so dass erklärungsbedürftig wäre, warum wegen des Verbots der Doppelkandidatur nicht beide Landeslisten für unzulässig erklärt wurden. Siehe dieses Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs:

      http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/sid/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE316150303&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint

    • Pascal Di 9 Jul 2019 at 16:01 - Reply

      Nach Meinung von Schönberger/Schönberger soll es also völlig unschädlich sein, dass eine Liste in mehreren Teilen von zwei unterschiedlichen Parteitagen unter völlig unterschiedlichen Voraussetzungen gewählt werden? Das überzeugt mich nicht.

      Das Sächsische Wahlgesetz spricht im entsprechend anwendbaren § 21 schon recht eindeutig von einer Versammlung (Singular), mit einem Versammlungsleiter (Singular) und zwei von der Versammlung gewählten Personen, die den Ablauf (Ort, Art und Zeit der Versammlung, Form der Einladung (singular), Zahl (Singular) der erschienenen Mitglieder und Ergebnis der Wahlen) versichern sollen.

      Bei der AfD gab es nun offenbar zwei völlig getrennte Parteitage über nur eine Liste, wobei es keinerlei Zusammenhang der beiden Versammlungen mehr gab. Es gab zwei Einladungen, es gab eine längere Zeitspanne von über einem Monat zwischen den zwei Parteitagen,es gab zwei Versammlungsleiter, es gab zweimal zwei gewählte „Zeugen“, der zweite Parteitag hat das vom ersten Parteitag festgelegte Wahlverfahren zwischenzeitlich geändert und schlussendlich waren die Parteitage auch personell unterschiedlich zusammengesetzt.

      Diese Situation ist mit Fällen von mehrtätigen Parteitagen (mit demselben Leiter und Vertrauenspersonen) oder ggf. einem während des Parteitags erkrankten Versammlungsleiter kaum vergleichbar. Es macht wohl auch einen Unterschied, ob ein Parteitag von vorneherein beschließt, das Verfahren für die hinteren Plätze anders (z.B. Blockwahl) zu gestalten oder ob ein zweiter Parteitag in vollig anderer Zusammensetzung die Spielregeln ändert.

      Denn so ist hinsichtlich der Bewerber*innen keine Chancengleichheit mehr gegeben.

      • Jörn Erbguth Di 9 Jul 2019 at 18:38 - Reply

        Was soll eine Partei machen, die mit der Wahl nicht fertig wird?
        Der zweite Teil des Parteitags muss organisiert werden und die Einladungen dazu rechtzeitig vorher verschickt werden. Die Aufstellung wäre unwirksam gewesen, wenn der zweite Teil kurz danach stattgefunden hätte.
        Wäre es rechtens gewesen, den ersten Teil der Liste zu verwerfen und nochmal am Anfang zu beginnen?

      • ich Di 9 Jul 2019 at 20:53 - Reply

        § 21 Abs. 1 S. 1: Als Bewerber einer Partei kann in einem Kreiswahlvorschlag nur benannt werden, wer in einer Mitgliederversammlung zur Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversammlung hierzu gewählt worden ist.

        Der Wortlaut spricht gerade nicht von einer „einzigen“ Mitgliederversammlung. Und im Gesamtkontext kann man nur ein Regelungsgehalt dahingehend erkennen, welches Organ über die Kandidatenliste entscheiden darf, zumal die organisatorische Durchführung der Partei überlassen bleibt (vgl. Abs. 4 letzter HS: … „sowie über das Verfahren für die Wahl der Bewerber regeln die Parteien durch ihre Satzungen.“).

        • T. Herder Mi 10 Jul 2019 at 01:18 - Reply

          Hier geht es nicht um Wahlkreisbewerber, sondern um Listenbewerber. Die Vorschriften sind hier nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anzuwenden. Das dürfen Sie nicht einfach ausklammern.

          • ich Mi 10 Jul 2019 at 11:00

            Der § 21 SächsWahlG wird – unmittelbar, ohne Analogie und weitere Nennung eines Absatzes, geschweige eines Satzes – von dem von dem Landeswahlausschuss in ihrer Presseerklärung vom 8.7.2019 angeführt [https://wahlen.sachsen.de/download/Medieninformation/LWL-17-2019.pdf]. Auf die Fragestellung, ob § 21 unmittelbar Anwendung findet oder ob die Aufstellung von Landeslisten so wesentlich ist, dass sie eine spezialrechtlichen Regelung bedarf und sich damit etwa eine analoge Anwendung des § 21 SächsWahlG verbietet, wollte ich weder eingehen noch wollte ich mich diesbezüglich festlegen. Meine Erwiderung ging auf die Auffassung von Pascal ein, § 21 SächsWahlG spräche von einer einzigen Versammlung. Nur in diesem Kontext ist meine Erwiderung zu lesen.

            Analog oder nicht – das ganze kann auch dahingestellt bleiben. Wenn das Gesetz in seiner unmittelbaren Anwendung mehrere Versammlungen zulässt, dann sind auch analog mehrere Versammlungen zulässig.

          • Pedroleum Do 11 Jul 2019 at 15:36

            Zitat: „Hier geht es nicht um Wahlkreisbewerber, sondern um Listenbewerber. Die Vorschriften sind hier nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anzuwenden“

            Doch, §27 Abs. 5 SächsWahlG (zu Landeslisten) verweist explizit auf §21 (Aufstellung von Parteibewerbern).

    • Roger Göppel (Pseudonym) Di 9 Jul 2019 at 18:56 - Reply

      Als Schweizer musste ich beim letzten Satz lachen.

      Repräsentative Demokratie ist wie gepanschter Wein.

      In einer echten Demokratie kann man jeden Mitbürger wählen der alt genug ist.

      • jansalterego Fr 12 Jul 2019 at 10:28 - Reply

        Die Schweiz ist also erst seit 1990 „echte Demokratie“ in Ihrem Sinne?

    • M Schopp So 14 Jul 2019 at 10:24 - Reply

      21 SächsWahlG betrifft die Aufstellung von Einzelbewerbern in Wahlkreisen

  3. Dr. Matthias Fahrner Di 9 Jul 2019 at 14:06 - Reply

    Die Stellungnahme wirkt leider etwas „opferanwaltlich“, weil sie sich z.B. nicht mit Fragen wie etwa dem unverzüglichen Mängelschreiben des Landeswahlausschusses und wohl nicht erfolgten Reaktion der AfD belastet (vgl. https://www.wahlen.sachsen.de/download/Medieninformation/LWL-17-2019.pdf).

    Andererseits aber schwerer wiegt, dass auf den materiellen Gehalt nicht vertieft oder positionsübegreifend eingegangen scheint, soweit vor allem die Funktion des einheitlichen Parteitags als kommunikativ-deliberative Plattform einer (vereins- und öffentlichrechtlich) _einheitlichen_ (Vor-)Wahlentscheidung und manipulationsfreien Gesamtmeinungsbildung über die Liste, und anderseits den formalen Anforderungen zu dessen Absicherung als Wahlvorfeld, namentlich in der Rspr. des BVerfG (man denke nur bspw. an BVerfGE 89, 243) nicht vertieft eingegangen wird. So bleibt ein etwas unbefriedigendes und „unvollkommenes“ Bild beim Betrachter, das so jedenfalls einige Rückfragen hervorrufen kann. Insofern könnte sich auch die Frage stellen, auf welcher Seite der Begriff der „Bagatellisierung“ in den Raum zu führen wäre, der sicher abr richtigerweise hier gänzlich zu vermeiden ist – nicht zuletzt im hinblick auf die bereits genannte Entscheidung des BVerfG, deren Begründung und Facetten höchst lesenswert bleiben.

    • Wilko Zicht Di 9 Jul 2019 at 14:35 - Reply

      „Wohl nicht erfolgte Reaktion“? In dem verlinkten Dokument steht doch ausdrücklich, dass am 25.6. und 27.6. Unterlagen nachgereicht wurden.

      Außerdem wird dort erwähnt, dass die AfD zunächst mehr als zwei Vertrauenspersonen benannt hatte. Dies wäre in der Tat ein fataler Formfehler. Da er im Rahmen der Entscheidung des Landeswahlausschusses aber nicht mehr erwähnt wird, kann man wohl davon ausgehen, dass dieser Fehler von der AfD fristgerecht geheilt wurde. Auch dies spricht dagegen, dass es seitens der AfD „wohl keine Reaktion“ auf das Mängelschreiben der Landeswahlleiterin gegeben habe.

      • der spacken Fr 12 Jul 2019 at 22:07 - Reply

        ernsthaft? erst werden vier personen als vertrauenspersonen genannt (und haben wohl auch unterschrieben) – und dann, auf einmal, als „heilung“, gibt es doch wieder nur zwei vertrauenspersonen?

        diese vertrauenspersonen werden von einer versammlung gewählt! die kann man nicht einfach nur mal benennen oder „nachschieben“. wer also von den vier vertrauenspersonen hat eine falsche, eidesstattliche versicherung abgegeben. mein tipp: keine von ihnen. sie wurden jeweils auf den parteitagen gewählt. upps, seit wann gibt es mehr als zwei vertrauenspersonen, die die korrektheit der aufstellung bezeugen müssen? bisher nicht. nur in der afd welt. folge: zwei parteitage mit zwei komplett verschiedenen listen. welche ist nun die korrekte? war nett vom landeswahlausschuss, eine für zu rechtens zu erklären…

    • T. Herder Mi 10 Jul 2019 at 01:21 - Reply

      Die ursprüngliche Behauptung der Landeswahlleiterin, sie habe ein Mängelschreiben an die AfD versendet und dann bis zum Ende der Einreichungsfrist nichts mehr von der AfD gehört, hat sie zwischenzeitlich selbst als Lüge eingeräumt. In der SPD-eigenen LVZ gibt sie inzwischen zu, dass „in Folgeterminen am 25. Juni 2019 und am 27. Juni 2019 von der Partei zahlreiche weitere Unterlagen eingereicht wurden. Teile der Mängel wurden durch diese nachgereichten Unterlagen behoben. In allen Terminen fanden umfassende Erörterungen zur Sach- und Rechtslage zwischen den Vertretern der Partei und dem Büro der Landeswahlleitung statt.“ Das ist ja wohl doch das Gegenteil von „nichts gehört“.

  4. Michael Schmelich Di 9 Jul 2019 at 14:10 - Reply

    Wenn in diesem Blog, der durchaus juristische Wertschätzung erfährt, das entscheidende Argument des Landeswahlausschusses, die Veränderung des Wahlverfahrens in der 2. Versammlung, die einen Eingriff in die zwingend geforderte Gleichbehandlung der Kandidaten darstellt, keine Würdigung ferfährt, so muss man dem Beitrag ein Maß an Oberflächlichkeit bescheinigen, die der Qualifikation der Autorin nicht würdig erscheint.

  5. P. Zill Di 9 Jul 2019 at 14:51 - Reply

    Eher als die Personenidentität der Versammlungsleitung erscheint mir letztlich von Bedeutung, dass die Teilnehmer der ersten Versammlung beschlossen haben, alle Listenplätze im Einzelwahlverfahren zu bestimmen, auf der zweiten Versammlung dann aber beschlossen wurde, ab Platz 31 das Blockwahlverfahren einzusetzen. Zugleich sind in der Zwischenzeit fünf Wochen vergangen, in denen sich die Zusammensetzung der wahlberechtigten Mitglieder durchaus erheblich hätte ändern können.

    Es ist bekannt, dass die Blockwahl das Wahlrecht einschränkt, weil die Möglichkeit wegfällt, jeden einzelnen Kandidaten zu wählen bzw. nicht zu wählen (siehe zum Vereinsrecht etwa BayObLG FGPrax 2001, 82; KG Rpfleger 2012, 550). Dass das Verfahren bei der Aufstellung von Landeslisten akzeptiert wird, ist eine Sache. Aber die Teilnehmer der 1. Versammlung haben die Plätze 1-18 in der Annahme besetzt, dass sie die weiteren Plätze ebenfalls einzeln besetzen können. Beispiel: Kandidat X hätte aus der Sicht eines Teilnehmers der 1. Versammlung ja möglicherweise Chancen gehabt, einzeln auf einen der hinteren Plätze gewählt zu werden, weswegen er auf den vordersten Plätzen noch nicht zum Zuge kam. Die von der 1. Versammlung möglicherweise erheblich abweichende 2. Versammlung hätte die Chancen von X dann aber zunichte machen können, indem sie über ihn als Teil eines Blocks mit dem umstrittenen Kandidaten Y entscheidet. Dies war für die Teilnehmer der 1. Versammlung nicht absehbar (sie hätten X dann möglicherweise auf Position 18 plaziert) und auch nicht abwendbar, weil sie bei der Abstimmung über die Änderung des Wahlverfahrens auf der 2. Versammlung möglicherweise nicht mehr über denselben Einfluss verfügten.

    Welche Folge man daraus ableitet, sei mal dahingestellt.

    • Wilko Zicht Di 9 Jul 2019 at 15:09 - Reply

      Die hier beschriebene Ausprägung des Blockwahlverfahrens, bei der man nicht die Möglichkeit hat, für oder gegen einzelne Kandidaten zu stimmen, wäre schon für sich genommen sehr bedenklich. Der Schreiber hält sie für unzulässig (Rdnr. 21b zu § 27). Seitens der Landeswahlleiterin gibt es aber bisher keinerlei Andeutungen, dass die AfD ein solches Verfahren angewandt hätte.

      In der Wahlordnung der AfD ist unter § 6 Absatz 3 ein Blockwahlverfahren beschrieben, für das diese Bedenken nicht gelten:

      https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2018/09/AfD-Wahlordnung-Stand-vom-1.-Juli-2018.pdf

      Ich kann auch nicht erkennen, welche gravierenden Gleichheitsprobleme sich auftun sollen, wenn erst während der Versammlung auf ein solches Verfahren umgestellt wird.

      Erneut ist zu konstatieren, dass wir uns im Bereich der Spekulation bewegen müssen, weil die Landeswahlleiterin noch immer wesentliche Informationen der Öffentlichkeit vorenthält.

      • KurtBehemoth Di 9 Jul 2019 at 16:16 - Reply

        § 6 Abs. 3 S. 1: „Vor dem Beginn der Wahl beschließt die Versammlung, ob und ggf. welche Positonen in einem oder mehreren Blöcken gewählt werden.“

        Damit ist die Blockwahl auch hinsichtlich einzelner Positionen (etwa Listenplätze 19-61) ausdrücklich zugelassen, allerdings nur vor Beginn der Wahl.

        Woher nimmt der Wahlausschuss aber die Kompetenz, Satzung und Wahlordnung von Parteien und deren Einhaltung zu überprüfen (über „das Nähere“ im Sinne von § 21 Abs. 4 Wahlgesetz hinaus)?

        „Ereignen sich hingegen bei der Kandidatenaufstellung der Parteien Verstöße gegen Regeln, die nach diesem Maßstab [Kernbestandes an Verfahrensgrundsätzen eines demokratischen Wahlvorgangs] nicht elementar sind, so berührt dies die Voraussetzung einer „Wahl“ im Sinne des § 21 Abs. 1 BWahlG nicht und scheidet daher von vornherein als Wahlfehler aus.“ (BVerfG 2 BvC 2/91).

    • Schorsch Di 16 Jul 2019 at 18:19 - Reply

      Zum einen scheint Ihnen das Gruppenwahlverfahren nicht bekannt zu sein. Demnach entscheidet die auf die einzelnen Kandidaten entfallende Stimmenzahl über die Reihenfolge und Wahl bzw. Nichtwahl der Kandidaten. In Ihrem Beispiel hätte also sehr wohl auch in der Gruppenwahl Kandidat X anstatt Y gewählt werden können. Zum anderen hätte nach Ihrer Ansicht die 2. Versammlung nicht darüber entscheiden dürfen, das Wahlverfahren auf Gruppenwahl umzustellen. Einmal angenommen, ein solcher Antrag wäre auf der 2. Versammlung gestellt worden und der Versammlungsleiter hätte den Antrag mit dieser Begründung gar nicht zur Abstimmung gestellt. Meinen Sie, der Landeswahlausschuss hätte darin keine Verletzung der demokratischen Wahlgrundsätze gesehen?

  6. Dietrich Herrmann Di 9 Jul 2019 at 16:07 - Reply

    Sind den Autor*innen die first-hand-accounts über die beiden AfD-Aufstellungsversammlungen durch den Korrespondenten Kai Kollenberg (Freie Presse Chemnitz; Herr Kollenberg war fast die ganze Zeit in Markneukirchen anwesend) bekannt?

    https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/interner-streit-um-landesliste-bestimmt-parteitag-der-afd-artikel10442603

    https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/afd-waehlt-stunde-um-stunde-tag-um-tag-artikel10470899

    https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/die-afd-und-das-wahl-chaos-von-markneukirchen-artikel10557246

    Da entstehen doch auch materiellrechtliche Fragen – es geht beileibe nicht „nur“ ums „Formale“.

    Angesichts fehlender Aktenkenntnis hätte man sich mindestens eine Auseinandersetzung mit den Feststellungen in der Pressemitteilung der Landeswahlleiterin gewünscht.
    https://wahlen.sachsen.de/download/Medieninformation/LWL-17-2019.pdf

    Die Bewertungen der Vorgänge durch die Autor*innen scheinen mir gerade vor dem Hintergrund fehlender Aktenkenntnis mindestens vorschnell.

    Schade!

  7. Ulf Buermeyer Di 9 Jul 2019 at 16:17 - Reply

    Mir scheint, dass der Beitrag die Bedeutung der verkürzten Landesliste überschätzt: Die Plätze auf der Landesliste kommen ja erst zum Zuge, nachdem alle Direktmandate vergeben sind. Wenn die AfD nach Zweitstimmen – wie oben angenommen – tatsächlich 32 Mandate erringen sollte, dann reichen die 18 Personen auf der Landesliste aus, um alle Mandate zu besetzen, sofern die AfD nur 14 der insgesamt 60 Direktmandate – also nicht mal ein Viertel – erringen kann. Da dafür wie im Bund die relative Mehrheit im Wahlkreis ausreicht, ist dies mehr als wahrscheinlich, um nicht zu sagen quasi sicher, denn die AfD dürfte je nach Umfrage stärkste oder zweitstärkste Fraktion werden und demnach auch eine erhebliche Anzahl Erststimmen auf sich vereinigen.

    Zum Wahlrecht Sachsens vgl.

    https://www.landtag.sachsen.de/de/mitgestalten/wahlen/wahlverfahren-147.cshtml

    Es liegt angesichts der Umfrageergebnisse sogar nicht fern anzunehmen, dass die AfD mehr als die Hälfte der Direktmandate erringen könnte. Dann entstünden Überhangmandate, und die kurze Liste würde sich überhaupt nicht auswirken.

    Der Beitrag der Eheleute Schönberger geht daher m.E. bei der doch arg dramatisierenden politischen Bewertung der Entscheidung von falschen Prämissen aus.

    • P.Klarmann Di 9 Jul 2019 at 16:48 - Reply

      Das Problem dürfte sein, dass die Teilnehmer der ersten Plätze der Landesliste auch zum Teil Direktkandidaten sind.

    • Wilko Zicht Di 9 Jul 2019 at 17:43 - Reply

      Wenn die AfD knapp die Hälfte die Wahlkreise direkt gewinnen würde, hielte sich ihr Schaden tatsächlich in Grenzen. Aber: Bis zur Wahl wird sich in den wackligen AfD-Wahlkreisen herumsprechen, dass eine Direktstimmen-Niederlage der AfD zu einem Mandatsverlust der AfD führen würde. Das ist eine völlig andere Situation als sonst, wo bei einem AfD-Wahlkreissieg lediglich ein AfD-Listenkandidat durch einen AfD-Wahlkreiskandidaten ausgetauscht wird. Von daher ist überhaupt noch nicht absehbar, in welchem Maße diese Situation zu taktischem Wahlverhalten bei der Direktstimme (im Bund „Erststimme“ genannt) führen wird. Es könnte jedenfalls durchaus die Konsequenz haben, dass die AfD deutlich weniger Wahlkreise als bisher erwartet gewinnt und die 18 Listenkandidaten (abzgl. der gleichzeitigen Wahlkreissieger) bei weitem nicht ausreichen, um alle AfD-Sitze zu besetzen.

      Gegen den Erfolg einer solchen Strategie spricht eigentlich nur, dass die Anti-AfD-Wähler in den meisten betroffenen Wahlkreisen ihre Direktstimme der CDU geben müssten, was wiederum zu Überhangmandaten der CDU führen würde. Und Sachsen gehört zu den wenigen Ländern, in denen Überhangmandate nicht vollständig durch Ausgleichsmandate ausgeglichen werden, so dass die CDU ganz erheblich von dieser Taktik profitieren würde.

    • Karsten Maltinger Di 9 Jul 2019 at 17:53 - Reply

      Leider werden die anderen Parteien es verstehen, nach „Görlitzer Art“ erfolgreiche Blaue Direktkandidaten zu verhindern. Das Projekt „Stärkste Kraft“ ist damit gestorben.
      Jüngste Erhebungen sehen die AfD bei 28 und die CDU nur noch bei 24 Prozent ! Jezt erst recht !

      • jansalterego Fr 12 Jul 2019 at 10:37 - Reply

        Joa, mir ist eigentlich extrem Wumpe, wie Faschisten in den Parlamenten verhindert werden. Das Verhindern ist die Hauptsache. Das bürgerliche Aufjaulen über die dafür verwendeten Mittel ist da nicht mehr als eine Demonstration des weißen, bürgerlichen Privilegs, nicht (oder zumindest nicht als erstes) Opfer von Faschisten an der Macht zu werden.

  8. Tullius Di 9 Jul 2019 at 16:26 - Reply

    Hier mal eine Zusammenfassung des MDR, der auch etwas mehr Licht in die Abläufe der Aufstellungsversammlungen bringt:

    https://www.mdr.de/nachrichten/politik/regional/kuerzung-afd-landesliste-sachsen-100.html

    Das Problem, das ich mit der Entscheidung des Landeswahlausschusses habe, ist, dass er keine umfassenden Sachverhalt darstellt, auf dessen Grundlage man sich ein eigenes Urteil bilden kann. Auch die Kommentare zeigen, dass wir uns derzeit vor allem im Bereich von Vermutungen bewegen.

    Im Hinblick auf die große Bedeutung von Wahlen in einer Demokratie und der Folgen der Entscheidung erwarte ich eigentlich eine ausführliche Begründung mit einer umfassenden Sachverhaltsdarstellung und rechtlichen Bewertung.

    • Thomas Dudzak Di 9 Jul 2019 at 21:31 - Reply

      Die Landeswahlleiterin hat gestern eine umfassende Information herausgegeben, in der auch noch mal auf die Mängel eingegangen wird: