08 March 2021

Der Extremismus stirbt zuletzt

Zur „Teaser-Affäre“ der Bundeszentrale für politische Bildung

In der Presse war dieser Tage zu lesen, das Bundesministerium des Innern sei im Wege der Fachaufsicht gegen die ihm unterstehende Bundeszentrale für politische Bildung eingeschritten und habe diese angewiesen, den Teaser eines leicht zugänglichen Dossiers über „Linksextremismus“ inhaltlich abzuändern. Es sollte dort nicht länger in Anlehnung an den Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke davon die Rede sein, dass „Linksextremismus“ mit anderen, irgendwie durchschnittlicheren politischen Auffassungen die eigene Verpflichtung auf Freiheit und Gleichheit gemein habe. Blätter des rechten politischen Spektrums hätten diese Reaktion des Ministeriums durch eine Pressekampagne herausgefordert.

Nun sagt eine solche Kampagne gewiss viel über eine hoch selektive Befürwortung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, ja die geradezu schizophrene Haltung zur „Zensur“ und zum „Canceln“ rechter politischer und publizistischer Akteure aus. Aber was lässt sich aus der fachaufsichtlichen Maßnahme des Innenministeriums in juristischer und politiktheoretischer Hinsicht lernen? Dazu sind im Wesentlichen drei Ebenen zu unterscheiden. Die erste Ebene ist die institutionelle, verwaltungsorganisatorische; die zweite eine verfassungstheoretische, die das Selbstverständnis der Bundesrepublik berührt; und drittens eine Problematik der politischen Zweckmäßigkeit des ministeriellen Vorgehens. Pars pro toto steht die winzige „Affäre“ für ähnliche Verwerfungen einer in die Krise geratenen deutschen „Extremismuskritik“, wie die Wahl Thomas Kemmerichs zum Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD.

Verwaltungsorganisation

Bei der Bundeszentrale für politische Bildung handelt es sich um eine nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die per Organisationserlass des Bundesinnenministers gegründet worden ist. Bei ihrer Entstehung 1952 nannte sie sich noch „Bundeszentrale für Heimatdienst“ – interessant angesichts der jüngeren Namensergänzung des aufsichtsführenden Ministeriums, das nun auch für „Heimat“ zuständig ist.

Einerseits ist sie eine Einrichtung der „wehrhaften“ oder „streitbaren“ Demokratie, die letztlich auf dem Misstrauen der Alliierten und demokratischer Politiker:innen gegenüber der demokratischen Reife der Deutschen nach der Nazidiktatur beruht. Bekanntlich hat sich die Bundesrepublik seinerzeit für eine Wehrhaftigkeit „von oben“ bei weitgehender Kontinuität der NS-Wirtschafts- und Funktionseliten entschieden. Ergebnis dieser ursprünglich etatistischen, tendenziell pluralismusskeptischen Ausrichtung – im schroffen Gegensatz etwa zur liberalen Free Speech-Doktrin der USA – ist auch die Idee, politische Bildung ganz wesentlich über eine hoch angesiedelte und finanziell gut ausgestattete Behörde zu organisieren. Allerdings erlebte diese Behörde politisch-historische Wechsel wohl heftiger als die meisten anderen; Phasen der Verhärtung im antikommunistischen Kampf und Perioden der Öffnung strukturieren ihre Geschichte. Exemplarisch steht dafür etwa das Kölner Ostkolleg der Bundeszentrale, das sich anfangs eher als Kampfplatz des Ost-West-Konflikts und Systemwettbewerbs verstand, später hingegen ganz entscheidend die Entspannungspolitik und die Neugier auf die Staaten des Ostblocks zu befördern suchte. Schon seit längerer Zeit lässt sich am beeindruckenden Bücherangebot der Bundeszentrale eine im besten Sinne liberale Pluralität feststellen, die insbesondere innovative und wegweisende politische Literatur zu fördern weiß. Konferenzen befassen sich nicht zuletzt mit politischem Protest oder Organisationsfragen der Zivilgesellschaft. Man könnte darüber fast vergessen, dass es sich immer noch um eine abhängige Behörde handelt.

Andererseits ist die „bpb“ eben deshalb von nicht nur rechts-, sondern sogar die Zweckmäßigkeit betreffenden fachaufsichtlichen Maßnahmen des verantwortlichen Bundesministeriums betroffen. Diese müssen darauf abzielen, die Wahrung des Rechts, aber vor allem auch die im Organisationserlass formulierten inhaltlichen Grundsätze abzusichern oder zu fördern. Nicht zuletzt zählt dazu eine am Beutelsbacher Konsens offener Pluralität in der politischen Bildung orientierte „Neutralität“. Die bpb soll sich keineswegs politischer Wertungen oder Urteile enthalten, sondern allen relevanten demokratischen Positionen Raum bieten, die sich „auf dem Boden des Grundgesetzes“ bewegen.

Diese Anforderung ist theoretisch so schwer zu bestimmen wie praktisch vergleichsweise leicht umzusetzen. Sie kann sich daran orientieren, was Wissenschaftler:innen im Beirat oder repräsentativ vertretene Politiker:innen im Kuratorium der Anstalt noch für wissenschaftlich begründbar und zugleich für politisch noch relevant erachten. Das daraus erwachsende Spektrum von Forschungsmeinungen ist sehr breit.

Deutlich problematischer wird es, wenn das BMI als Aufsichtsbehörde einschreitet. Das lässt sich in der Teaser-Affäre beispielhaft belegen, weil als deren Ergebnis eine administrative Definition der Sicherheitsbehörden, insbesondere des Bundesamts für Verfassungsschutz, an die Stelle einer wissenschaftlichen Forschungsansicht gesetzt worden ist. Im Kern bleibt das BMI zwar ein großes Haus, aber doch das Ministerium der inneren Sicherheit. Es hat – ethnographisch bewiesen – seine ganz eigene ministerielle Kultur, die von Gefahrenabwehr dominiert ist.

Daher stellt sich die Frage, warum die bpb ausgerechnet dem BMI unterstellt ist. Geistige Offenheit dürfte in anderen Ministerien verbreiteter sein (Bildung und Forschung, Kultur, Integration etc.). Historische Pfadabhängigkeit sollte hier nicht den Blick für neue Lösungen verstellen. Dass die Kultushoheit an sich bei den Ländern liegt, mag einst eine Zuordnung zum BMI nahegelegt haben, weil das BMBF und die Staatsministerin für Kultur noch nicht existierten. Die verwaltungskulturelle Fremdheit von BMI und bpb und die Gefahr der Vermengung wissenschaftlich-bildnerischer mit Sicherheitslogik sprechen nunmehr deutlich gegen diese Ressortierung.

Weiterhin kann man fragen, ob nicht eine stärkere administrative Unabhängigkeit der bpb angezeigt wäre. Gerade die Gremien des Kuratoriums und des Beirats bezeugen, dass Selbstverwaltung möglich wäre, weil sie embryonal bereits vorhanden ist. Die Parallele zu den Universitäten oder dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk liegt nahe. Da allerdings angesichts der klaren und begrenzten Zweckbestimmung der bpb keine „volle“ Autonomie möglich scheint (und das GG es ohnehin so will), wäre ein die Grenzen dieser selbstverwalteten Freiheit umreißendes Gesetz (ähnlich den Landesrundfunkgesetzen/Staatsverträgen) notwendig. Wesentliche Regelungen könnten aus dem geltenden Organisationserlass übernommen werden, etwa zu Auftrag und Gremien. Vergleichbar ist vielleicht die deutsche Nationalbibliothek, eine der Kulturstaatsministerin unterstellte Bundesanstalt. Die bpb müsste dann auch (teil)rechtsfähig werden. Dass das sinnvoll ist, lässt sich schon aus dem Verfahren ablesen, das ein Historiker vor etwa zehn Jahren gegen die Bundesrepublik führte, um eine inhaltliche Distanzierung der bpb von einem seiner Artikel in einer bpb-Zeitschrift als Grundrechtsverletzung zu rügen. Einstehen sollte für derlei Probleme vorzugsweise die bpb selbst, nicht das Bundesministerium. Vor allem sollte die bpb einen eigenen Haushalt und Personalautonomie bekommen. Eine Rechtsaufsicht bleibt zwar unabdingbar, fachliche Fragen hingegen sind bei der bpb stets zuallererst wissenschaftliche oder didaktische, die ein Ministerium kaum aus eigener Kompetenz beantworten kann. Wenn es das doch versucht, kommt es schließlich soweit, dass das Ministerium wie in der Teaser-Affäre eine andere nachgeordnete Behörde, das Bundesamt für Verfassungsschutz, um Rat fragt, selbst wenn dieses entgegen seiner Selbsteinschätzung in der Sache kein Deut beschlagener ist.

Verfassungstheorie

Die eben erwähnte Kammerentscheidung des BVerfG zur bpb enthält merkwürdige Feststellungen, die aus der geschilderten, aus Pfadabhängigkeit resultierenden Exekutivlastigkeit und dem sekuritär-etatistischen Geist ihrer ursprünglichen Gründung und fortgeführten Organisationsstruktur unmittelbar zu folgen scheinen. Noch nachvollziehbar heißt es, die bpb müsse sich um Neutralität und rechtsstaatliche Distanz bemühen; vor allem dürfe sie wie auch immer definierte „extremistische“ Ansichten ausschließen. Skurril ist aber die Verortung der Bundeskompetenz für die Arbeit der bpb bei der „Staatsleitung“. Gewöhnlich ist das die verfassungsrechtliche Grundlage für staatliches Informationshandeln der Regierung – etwa bei gepanschtem Wein oder gefährlichen Jugendsekten. Doch was verbindet diese Art gefahrenabwehrenden Staatshandelns mit politischer Bildungsarbeit, einem kontinuierlich-langfristigen, auf akademische und pädagogische Freiheit angewiesenen, pluralistisch-offenen Prozess? In Wirklichkeit ist es für die bpb nicht ruhmreich, mit dem – aufgrund seiner konstitutiven Geheimhaltung und seiner im V-Leute-Wesen bestehenden Nähe zum Verbrechen – notorisch skandalumwitterten Verfassungsschutz auf eine Ebene gestellt zu werden.

Es ist aber auch verfassungstheoretisch gar nicht zutreffend. Tritt man für einen Moment gedanklich einen Schritt zurück und blendet das Organigramm des BMI aus, verbindet beide Behörden nichts außer einem unterreflektierten, diffusen Präventionsgedanken. Deshalb hat der Teaser-Vorfall auch erst das Potential zur Affäre: Politische Bildung ist das Gegenteil von sicherheitsbehördlichem Staatsschutz – jedenfalls dann, wenn sie mit der die bpb kennzeichnenden geistigen Offenheit, also relativ „unideologisch“ betrieben wird. Sie will zu autonomem Handeln ermuntern, kritisches Denken fördern, neugierige Bürger:innen heranbilden, die gerade von der Exekutive Rechenschaft verlangen. Was verbindet derlei freiheitsförderliches Tun mit der Verfolgung von „Bestrebungen“ gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ (so das BVerfSchG), also dem Schutz einer bestehenden Ordnung vor Gefahren just durch die Betätigung politischer Freiheitsrechte? Hier kollidieren zwei unvereinbare Logiken.

Radikal oder extremistisch?

Wenn das BfV von „Linksextremismus“ spricht, meint es eine Behördendefinition, die der Abwehr vermeintlicher Gefahren dient – Gefahren für einen angeblich vom Grundgesetz geschützten Status quo, den das BVerfG in seiner jüngeren Rechtsprechung erfreulicherweise (implizit gegen das BfV) auf die Kernelemente des demokratischen Rechtsstaates zurückgestutzt hat.

Da daher nach dem Willen des höchsten deutschen Gerichts „Bestrebungen“ gegen eine bestehende Wirtschafts- und Verteilungsordnung keineswegs die Ordnung des Grundgesetzes angreifen, ist es eine interessante Frage, welche linken politischen Praktiken und Ziele überhaupt als „extremistisch“ gelten dürfen. Eine Ablehnung des Parlamentarismus und eine Präferenz für Basisdemokratie widersprechen nicht dem demokratischen Prinzip, sondern nur seiner derzeitigen deutschen Ausgestaltung. Antikapitalismus war (im Gegensatz zum Verhältnis zur gemischten Marktwirtschaft per se) unter den Schöpfer:innen des Grundgesetzes nahezu Konsens; das Rütteln an der Wirtschaftsordnung kann nicht verboten sein, da „Eigentum verpflichtet“ und Enteignungen Alltag sind. Damit stehen die Kernpunkte „linksradikaler“ Programme jenseits jedes begründeten Extremismusverdachts. Das Träumen von der Revolution wiederum ist zunächst einmal das: Träumen von mehr Freiheit und Gleichheit, mehr Demokratie, mehr „naturrechtlicher“ Gerechtigkeit. Daher trifft die Aussage des Politologen Jaschke zu, die die bpb als Teaser entfernt hat: Linksradikale sind tatsächlich ideell d´accord mit den Grundwerten der atlantischen Revolutionen; sie wollen sogar mehr davon. Ist das gefährlich? Für besitzende Schichten der Bevölkerung vielleicht, aber nicht für die Verfassung.

Das unterscheidet Linksradikale grundsätzlich von Rechtsextremen. Letztere lehnen ausgesuchte, oft breite Teile des Katalogs der Freiheitsrechte theoretisch, und noch öfter praktisch, ab. Mit dem zentralen Prinzip der gleichen Freiheit können sie gar nichts anfangen. Die Menschenwürde gilt ihnen wenig, wenn es um Nicht-Deutsche, Nicht-Weiße, Nicht-Heterosexuelle, Nicht-Männer usw. geht.

Kurz: Ganz Linke wollen andere Strukturen oder Organisationen und bekämpfen bestehende Herrschaftsformen; ganz Rechte bekämpfen dagegen Menschen, die ihnen nicht passen. Daher bekommen Linksradikale von der Geschichte nach einiger Zeit meist Recht (Demokratie, Wahlrecht, Frauengleichstellung, Sozialrecht, LGBTI-Gleichberechtigung, Mitbestimmung in Unternehmen etc.), Rechtsextreme nicht.

System und Prinzipien

Dieses im Kern zutreffende Muster hat am Rand natürlich Unschärfen. Auch wenn Linksradikale Strukturen, nicht Lebewesen bekämpfen: Menschen können „im Wege“ erscheinen, wenn es gilt, ein anderes politisches System zu errichten. Das ist das Problem des Stalinismus. Oder sie werden aufgrund ihrer beruflich-sozialen Stellung zu Feindbildern. Das ist das Problem der RAF. Zwar mag den linksradikalen Konzepten kein eliminatorischer Kern (wie den rechtsextremen Trugbildern) zu eigen sein, doch die materiellen und auch persönlichen Schäden können beträchtlich sein, wenn man zu schnell zu viel will.

Innerhalb der zeitgenössischen radikalen Linken ist diese Art Reflexionsniveau jedoch weitgehend Standard. Man hat in der Regel die Kritik des linken „Totalitarismus“ verinnerlicht, wie sie Claude Lefort kanonisch ausgearbeitet hat (auch wenn viele den Begriff ablehnen, sind sie in der Sache einverstanden); die Philosophin Bini Adamczak spricht in „Gestern Morgen“ oder „Beziehungsweise Revolution“ von der notwendigen verstehenden Trauerarbeit um die Toten vergangener linker Umstürze. Mit dem Terrorismus als „Strategie“ hat man ohnehin lange schon abgeschlossen (wenn man die RAF überhaupt je für links hielt). Daraus folgt Entscheidendes: Der Stalinismus ist tot. Die RAF ist tot. Die radikale Linke der „Gleichfreiheit“ (Étienne Balibar) lebt.

Der Teaser von Jaschke brachte das auf den Punkt. Ironisch an dessen Beseitigung ist vor allem, dass Jaschke der von den deutschen Sicherheitsbehörden bevorzugten Definition des Extremismus gar nicht so fern steht. In der Politikwissenschaft gehört er zu der winzigen Minderheit, die mit dem Extremismuskonzept überhaupt etwas anfangen kann. Fast alle Fachkolleg:innen lehnen es mit den oben genannten und vielen weiteren guten Argumenten ab, von „Linksextremismus“ zu sprechen. Denn es führt eben keine radikale Linke der Gegenwart zum Stalinismus oder zur RAF zurück; spätestens 1990 hat insofern eine neue Zeitrechnung begonnen. Wenn es heißt, Linke seien dennoch nicht liberal, ist das richtig – so wie Konservative nicht liberal sind. Gleichwohl teilen sie alle, anders als Rechtsextreme, liberale Prinzipien, gewichten aber Eigentum, Kommunikationsfreiheit und Egalisierung unterschiedlich. Der „Verfassungsbogen“ ist äußerst breit und verlangt von den politischen und administrativen Akteur:innen ein Höchstmaß an Toleranz. Wehrhaft müssen sie alle gegen physische Gewalt und Menschenfeindlichkeit sein – das Gewalttabu und der Menschenwürdeschutz, dazu der permanente, wenn auch sehr variierende Bezug auf gleiche Freiheit beschreiben den notwendigen Konsens. Darum geht es der vom BVerfG zuletzt begrenzten, stets missverständlichen Formel von der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ – weniger eine Ordnung als ein System weniger Prinzipien.

Statt die zahlreichen zutreffenden wissenschaftlichen Kritikpunkte gegen das Linksextremismuskonzept zu wiederholen, genügt es daher im Zusammenhang der Teaser-Affäre, schlicht festzuhalten: Staatliche Quasi-Zensur gegen obendrein sehr „moderate“ Formulierungen der politischen Bildungsarbeit widerspricht diesen Prinzipien vermutlich mehr als die meisten der Phänomene, die mit der inkriminierten Definition angesprochen waren.

Politische Zweckmäßigkeit

Zuletzt gilt es, das Bundesinnenministerium vor einem politischen Fehler zu warnen. Wenn das Ministerium darauf dringt, Linksradikale in Material der bpb noch stärker nach den Maßstäben einer normativ-administrativen Extremismusdefinition zu beurteilen, hat das einigermaßen unerwartete, aber unvermeidbare Konsequenzen für das Selbstverständnis der politischen Parteienfamilie, der der amtierende Minister angehört. Zur Extremismuslehre gehört als Kehrseite die Vorstellung von einer nach den Rändern ausfransenden „politischen Mitte“. Die CDU/CSU findet sich in diesem Modell überwiegend auf dem rechten Flügel der „Mitte“. Allerdings ist ihre Trennwand zum Rechtsextremismus porös. Anders als Franz Josef Strauß empfahl, ist man nach dem Extremismusmodell stets gefährdet, von Mitte-rechts nach ganz rechts abzuwandern.

Doch besteht dieses Kontinuum wirklich? Das erscheint der derzeitigen Verfassung der Unionsparteien wenig angemessen. Auch sie haben sich seit 1990 stark gewandelt. Jedenfalls in weiten Teilen bildet nicht ein (heute spukhafter) Antikommunismus das einigende Band, sondern ein sozial-liberaler Konservatismus. Konservatismus bedeutet hier ausschließlich, langsamer zu egalisieren, etwas weniger free-speech-liberal zu sein, aber nicht in eine völlig andere Richtung zu wollen als die linken Parteien. Die Union respektiert einen starken Sozialstaat ebenso wie die „Ehe für alle“. Das ist zwar kein unumstrittener, aber doch wohl der dominierende Kurs der „Mitte-rechts-Parteien“. Daraus folgt, dass sie mit den Rechtsextremist:innen (also Parteien „weiter rechts“, die im Verdacht stehen, es insbesondere mit der Menschenwürde nicht so genau zu nehmen) begrifflich-inhaltlich nichts verbindet. Es gibt nach diesem in den Verfassungsbogen integrierten Konservatismus gleicher Freiheit (ideell) keine Ähnlichkeit rechtsextremer bis faschistischer Positionen mit solchen der CDU/CSU. Für das Gelingen der deutschen Demokratie wäre wohl ganz entscheidend, dass das so bleibt. Dafür müsste das BMI aber den Extremismusbegriff aufgeben. Diese ideologische Absicherung gegen Linksradikalismus richtet sich, wie die Teaser-Affäre zeigt, zuvörderst gegen die Idee eines demokratischen Konservatismus selbst. Das dürfte zumindest die hinter der Kampagne stehenden Kräfte nicht stören.