Die Herrschaft des Rechts an der EU-Außengrenze?
An der griechisch-türkischen Grenze scheint der Ausnahmezustand zu herrschen: Geflüchtete werden beschossen, mit Tränengas und Schlagstöcken an der Einreise nach Griechenland gehindert. In der Ägäis hindern Beamt*innen der griechischen Küstenwache mit massiver Gewalt Flüchtlingsboote an der Weiterfahrt, am Montag ertrinkt ein Kind von einem kenternden Boot auf dem Weg nach Lesbos. Maskierte Bürgerwehren auf den griechischen Inseln beteiligen sich an der Migrationsabwehr und greifen Journalist*innen und Mitarbeiter*innen von NGOs an. Nachdem die türkische Regierung die Grenzschließung aufgehoben hat, und zahlreiche Menschen regelrecht zur Ausreise zwingen will, sitzen Tausende Geflüchtete zwischen zwei Ländern im Niemandsland, ohne Unterkunft und Versorgung, fest.
Diejenigen Menschen, die die Grenze trotz der vehementen Abschottung passieren, werden von den griechischen Behörden inhaftiert. Am vergangenen Sonntag schließlich setzte die griechische Regierung das Asylrecht aus und will keine Asylanträge mehr annehmen. Die Regierungen der anderen europäischen Länder unterstützen die griechische Regierung in ihrem Vorgehen, die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat zusätzliches Personal in die Region entsandt, um die Behörden vor Ort bei der Grenzsicherung zu unterstützen.
Herrscht an der griechisch-türkischen Grenze ein rechtlicher Ausnahmezustand, der Menschenrechte und rechtsstaatliche Gewährleistungen außer Kraft setzen kann? Die Antwort ist klar: Nein. Die Zustände an der griechisch-türkischen Grenze und auf den Inseln in der nordöstlichen Ägäis sind keine humanitäre Katastrophe, die vom Himmel gefallen ist. Gewalt, pushbacks, Internierungen und elende Zustände in völlig überfüllten Lagern sind menschen- und staatsgemachte Verletzungen fundamentaler Rechte, die durch nichts gerechtfertigt sind.
Aussetzung des Asylrechts
Die Aussetzung des Asylrechts durch die griechische Regierung bedeutet konkret, dass eingereiste Personen von der Grenze aus ohne eine Registrierung direkt in die Türkei abgeschoben werden sollen. Laut der Begründung im griechischen Gesetzesblatt wird diese zunächst für einen Monat befristete Maßnahme mit „besonderen und unvorhergesehenen Ereignissen“ gerechtfertigt, die die Sicherheit des Landes gefährdeten. Das ist schon rein zahlenmäßig eine Dramatisierung, als dass sich nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks derzeit gerade einmal 13.000 Menschen im Grenzgebiet befinden.
Vor allem ist eine Aussetzung rechtlich nicht zulässig: Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) in Art. 33 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Art. 3 formulieren nach einhelliger und unumstrittener Lesart ein Zurückweisungsverbot, soweit eine politische Verfolgung oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. Diese sogenannten refoulement-Verbote beinhalten ein implizites Verfahrensrecht, um den Schutzbedarf prüfen zu können, verbunden mit dem Recht, bis zu einer Entscheidung im Land verbleiben zu können. Entsprechendes gilt nach Art. 4 und Art. 18 der EU-Grundrechtecharta.
Diese Rechte werden im Unionsrecht konkretisiert durch die Asylverfahrensrichtlinie: Diese Richtlinie gilt für alle Personen, die explizit oder implizit im Hoheitsgebiet eines Staates einschließlich der Grenze und der Hoheitsgewässer (Art. 3 Abs. 1) einen Schutzantrag stellen, und sie verlangt ein ordentliches Verfahren mitsamt einer umfassenden Anhörung zu den Schutzgründen.
Für den örtlichen Anwendungsbereich des refoulements-Verbotes aus der EMRK hat der EGMR überdies in der Hirsi-Entscheidung von 2012 entschieden, dass dieses auch außerhalb des Territoriums gilt, wenn staatliche Behörden eine effektive Kontrolle, also unmittelbare staatliche Gewalt anwenden.
Ausnahmen von der Durchführung eines ordentlichen Prüfverfahrens sind nicht vorgesehen: Die Asylverfahrensrichtlinie sieht allein ein beschleunigtes Verfahren bei Verfahren an der Grenze und bei einer Ankunft einer erheblichen Zahl von Asylantragsteller*innen vor (Art. 43). Diese Fallgestaltungen sehen jedoch nicht die vollständige Außerkraftsetzung des Asylverfahrens vor. Auch können Art. 33 GFK und Art. 3 EMRK nicht per se ausgesetzt werden. Insbesondere gilt die Notstandsklausel nach Art. 15 EMRK gem. Abs. 2 nicht für Art. 3 EMRK, und damit auch nicht für das darin enthaltene refoulement-Verbot.
Ebenfalls nicht einschlägig ist Art. 78 Abs. 3 AEUV: Diese Bestimmung, die von der griechischen Regierung im Zuge der Aussetzung des Asylrechts angeführt worden war, sieht für den Fall eines „plötzlichen Zustroms in einer Notlage“ vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten vor. Die Anwendbarkeit der Norm kann allerdings nicht von der griechischen Regierung ausgelöst, sondern sie muss vom Rat beschlossen werden. Zudem kann auch diese Norm das Asylverfahren nicht in Gänze aussetzen.
Auch kann die Aussetzung des Asylverfahrens auch nicht unter Verweis auf die Türkei als sicherem Drittstaat erfolgen: Die Türkei ist, wie es die Art. 38 und 39 der Asylverfahrensrichtlinie vorsehen, zum einen weder im nationalen Recht noch auf europäischer Ebene als sicherer Drittstaat kategorisiert. Dies wäre zum anderen auch rechtlich nicht möglich, da die GFK in der Türkei für Flüchtlinge aus außereuropäischen Staat rein rechtlich nicht gilt, und außerdem tatsächlich Schutzsuchende in der Türkei kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und keine Rechte haben, die den Vorgaben der GFK entsprechen, sowie nachweislich Kettenabschiebungen unter anderem nach Syrien und Afghanistan stattfinden.
Implikationen des push-back-Urteils des EGMR
Weder die pushbacks durch unmittelbare staatliche Gewalt an der Landgrenze und in den Gewässern noch die rechtliche Aussetzung des Asylrechts können sich auf die jüngste Entscheidung des EGMR im Verfahren N.D. und N.T gegen Spanien berufen. Mit diesem Hinweis hatte unter anderem der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, das Vorgehen der griechischen Behörden zu rechtfertigen versucht.
Ein Verweis auf diese Entscheidung, in der es um die Rückschiebung von zwei Personen aus Mali und der Elfenbeinküste aus der spanischen Exklave Melilla nach Marokko ging, verbietet sich aus drei Gründen: Erstens hat sich die Entscheidung allein mit dem Verbot der Kollektivausweisung aus Art. 4 des 4. Zusatzprotokolls der EMRK beschäftigt und eine Verletzung dieser Bestimmung verneint, hingegen die Geltung des refoulement-Verbotes aus Art. 3 EMRK ausdrücklich bestätigt. Zwar ist die Entscheidung insofern widersprüchlich, als dass unklar bleibt, wie im Fall einer unmittelbaren Zurückweisung ohne Verfahren festgestellt werden kann, ob ein Schutzbedarf nach Art. 3 EMRK besteht. Jedenfalls aber kann die Entscheidung keinesfalls für Zurückweisungen für Schutzsuchende aus Syrien und angesichts der prekären Situation für Geflüchtete in der Türkei für die Praxis der griechischen Behörden herangezogen werden. Zweitens hat der EGMR in der Entscheidung N.D. und N.T. das Verbot der Kollektivausweisung mit der Möglichkeit einer legalen Einreisalternative gerechtfertigt – dies war bereits im Fall der Einreise nach Spanien für die beiden Beschwerdeführer zweifelhaft; kein Zweifel besteht indes, dass für diejenigen Geflüchteten, die sich derzeit an der griechisch-türkischen Grenze befinden, keine andere Möglichkeit einer legalen Einreise und Asylantragstellung – an einem regulären Grenzübergang oder in einer Botschaft – existiert.
Drittens: Der EGMR hat sich naturgemäß allein zur EMRK, nicht hingegen zur Genfer Flüchtlingskonvention geäußert – derweil der UNHCR als maßgebende Instanz für die Interpretation der GFK jüngst und anlässlich der aktuellen Praxis der griechischen Behörden nochmal bestätigt hat, dass die Konvention ausnahmslos gilt und eine Aussetzung und unmittelbare Rückschiebungen ohne jedwedes Verfahren verbietet. Schließlich kann der EGMR ebenso wenig bindende Aussagen über die Einschränkbarkeit der Asylverfahrensrichtlinie treffen.
Der Verweis auf die pushback-Entscheidung besitzt damit zwar kein rechtliches Fundament, er hat aber, wie sogleich zu befürchten war, eine immense Überzeugungskraft im politischen Diskurs zugunsten einer Politik der Abschottung.
Schließlich ist auch die nunmehr massenhaft praktizierte unmittelbare Inhaftierung von Schutzsuchenden unter Verweis auf eine illegale Einreise durch die griechischen Behörden nicht vom geltenden Recht gedeckt: Art. 26 der Asylverfahrensrichtlinie verbietet eine Inhaftierung von Schutzsuchenden infolge der Antragstellung, und Art. 31 GFK untersagt eine Bestrafung von Flüchtlingen wegen einer unrechtmäßigen Einreise.
Wiederherstellung von Recht und Ordnung?
Die derzeit viel beschworene und geforderte Wiederherstellung von Recht und Ordnung ist menschenrechtlich mindestens ebenso problematisch. Insbesondere ist der durch die türkische Regierung nun faktisch aufgekündigte Deal zwischen der Türkei und der EU rechtsstaatlich und menschenrechtlich keinesfalls einwandfrei. Der rechtlich zunächst unverbindliche Deal beruht im Wesentlichen auf zwei Grundgedanken für das Asylverfahren in Griechenland: erstens die zwar nicht rechtlich ausdrückliche, aber faktisch praktizierte Klassifikation der Türkei als sicherem Drittstaat; und darauf beruhend ein beschleunigtes und im Grundsatz auf eine reine Zulässigkeitsprüfung beschränktes Verfahren ohne inhaltliche Prüfung des Schutzgesuchs – was im Ergebnis eine rechtsstaatswidrige Verkürzung des Asylverfahren bedeutet. Zweitens: der grundsätzliche Verbleib der Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln, was vorhersehbar zu überfüllten Lagern und elenden und unmenschlichen Bedingungen geführt hat. Hinzu kommt, dass das griechische Asylsystem ebenso vorhersehbar mit der Bewältigung der Asylverfahren heillos überfordert war und weiterhin ist.
Es ist offensichtlich, dass diejenigen politischen Kräfte, die nun neue Verhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel einer Neuauflage des Abkommens fordern, an diesen Grundgedanken festhalten wollen. Ein Abkommen mit der Türkei ist aus Sicht der EU in der gegenwärtigen Formation nur dann zielführend, wenn es die Externalisierung des Flüchtlingsschutzes zum Gegenstand hat.
Schließung der deutschen Grenze
Vorauseilend wird mit Blick auf eine mögliche Weiterwanderung von Geflüchteten nach Deutschland daneben einmal mehr eine Schließung der deutschen Grenze gegenüber Schutzsuchenden gefordert. Auch diese Forderung mag politisch populär sein, eine Abweisung an der deutschen, innereuropäischen Grenze ohne ein Verfahren ist und bleibt allerdings rechtswidrig und verstößt gegen europäisches Recht:
Wird eine schutzsuchende Person aufgegriffen und hat also explizit oder implizit einen Asylantrag gegenüber deutschen Behörden gestellt, unterliegt das durchzuführende Verfahren der Dublin III-VO. Dies bedeutet, dass eine Befragung stattfinden und in einem ordentlichen Verfahren mitsamt einer Rechtschutzmöglichkeit der für das Asylverfahren zuständige Mitgliedstaat ermittelt werden muss. Diese Regelungen können entsprechend des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht umgangen werden. Allein eine ausnahmsweise Durchführung von Grenzkontrollen ist nach den Art. 25 ff. des Schengener Grenzkodex‘ möglich. Diese Regelungen ermöglichen aber ebenso wenig eine Nichtannahme eines Asylgesuchs.
Aufnahme von Schutzsuchenden durch andere europäische Staaten
Andererseits existieren verschiedene rechtliche Instrumente, die eine Übernahme von Schutzsuchenden durch andere europäische Staaten ermöglichen könnten. Das Selbsteintrittsrecht der Dublin III-VO, welches bereits 2015 als Grundlage für die Aufnahme von Geflüchteten vor allem über Ungarn kommend diente, bietet die Möglichkeit, die übliche Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates, in diesem Fall Griechenlands als Ersteinreisestaat, zu umgehen. Diese Möglichkeit eines sog. relocation kann von jedem Mitgliedstaat im Alleingang und ohne Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten praktiziert werden.
Ebenfalls ohne eine europäische Koordination können Geflüchtete im Wege von humanitären Aufnahmeprogrammen auf der Grundlage von § 23 Abs. 2 AufenthG aufgenommen werden. Dadurch kann an die Aufnahmebereitschaft zahlreicher Kommunen angeknüpft werden, die allein durch das Bundesinnenministerium bislang blockiert wird.
Eine europäische Lösung bietet daneben die sogenannte Massenzustromrichtlinie. Hinter diesem hässlich geframten Regularium, das 2001 noch unter dem Eindruck der Balkankriege verabschiedet wurde, verbirgt sich die Möglichkeit, in einem vergleichsweise unbürokratischen Verfahren Menschen in größerer Anzahl auf die Mitgliedstaaten zu verteilen und ihnen, ohne Asylverfahren, ein befristete Aufenthaltsrecht zu erteilen. Das Verfahren hat freilich große Tücken, die gegenwärtig an die Grenzen der Realität stoßen dürften: Der sog. „Massenzustrom“ muss durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit festgestellt werden, und die Mitgliedstaaten müssen im Zuge des Beschlusses freiwillig erklären, wie viele Personen sie aufnehmen wollen.
Rechtsbruch 2020
Die – vielfach widerlegte – These vom Rechtsbruch durch die angebliche Grenzöffnung 2015 war und ist das zentrale Narrativ der politischen Rechten. Die Analyse der gegenwärtigen Praxis an den Außengrenzen einerseits und der Instrumentarien zur Aufnahme von Geflüchteten andererseits verdeutlichen hingegen: Die Abschottung an den Außengrenzen und die Politik der Migrationsabwehr bewegt sich selbst in einem rechtsfreien Raum. Die hegemoniale Forderung nach einer Herstellung von Recht und Ordnung ist tatsächlich die Forderung, den Rechtsstaat aufzuheben und die Menschenrechte vollends zu missachten. Auf der anderen Seite kann und darf eine emanzipatorische Politik zugunsten von Geflüchteten nicht allein auf humanitäre Grundprinzipien verweisen, sondern sie muss selbst mit der starken Kraft des Rechts argumentieren. Recht und Ordnung muss vor allem heißen: den Rechtsstaat an den Außengrenzen gewährleisten und Menschenrechte schützen.
Wer zusätzlich zur Coronavirus-Krise noch eine Flüchtlingskrise will, kann die Macht gleich an die Rechtspopulisten abgeben. Die werden dann auch gleich abschaffen, was vom Asylrecht noch übrig bleibt.
Ja super, sonst nichts zu sagen? Eventuell wie der Text nachwirkend auf den Denkapparat und das Gefühl davon insgesammt so wirkt?Ist das alles was man sagen kann? Nur 2bis 3 knappe pessimistisch eilige „Leckt mich doch alle am Ar.. Sch Saetzchen? Es darf nicht sein was da passiert und verdammt das ist übelst fies so etwas zu erleben geschweige denn auszuhalten, zumindest bin ich mir da ganz sicher auch ohne es mit meinen Augen oder Sinnen erlebt zu haben. Aber was will man von deutschen verwöhnten Generationen auch noch anderes erwarten als wie Likes zum konsumierten Feierabend Bierchen…
Ich werde den Text auf jeden Fall gut verwahren.. Um möglichst viele daran zu erinnern wie das ganze Drama in seinen Details aus einer guten Perspektive ausschaut.. Bekommen Sie dafür Geld das Sie den Text verfasst haben? Wenn nicht kann ich ja nur sagen „HUT AB“ das sich jemand die Mühe macht und seine Zeit dafür investiert..
Sorry @ Sepp war zuerst angesprochen.. Hatte ich versauemt vor lauter affektiven Gefuehlsausbruechen
@Böse
„Es darf nicht sein was da passiert..“
Es passiert aber schon lange. Der Grund, warum nicht jedes Jahr Millionen Flüchtlinge nach Europa gelangen, ist weil die Türkei und nordafrikanische Staaten Flüchtlinge aktiv am Grenzübertritt hindern und von Europa dafür belohnt werden. Diesen Ländern gehen Menschenrechte bekanntlich am Allerwertesten vorbei. Es gab ja auch mal das Botschaftsasyl. Damit mussten Schutzbedürftige nicht den gefährlichen und teuren Weg nach Europa antreten um Asyl zu beantragen. Das Botschaftsasyl wurde bekanntlich von allen europäischen Staaten schon lange abgeschafft. Dadurch, dass Griechenland jetzt die Drecksarbeit macht, ändert sich also überhaupt nichts.
Was aber zweifelsohne ein politisches Disaster wäre, ist wenn sich zusätzlich zur Coronavirus-Krise dieser Jahr noch eine Flüchtlingskrise wie 2015 gesellt. Soviel Gespür für die Angst des wohlstandsverwöhnten Europäers sollte man schon haben.
Eine zutreffende und sehr gute Analyse. Wichtig scheint mir auch, dass Sie zu Recht hervorheben – aktuell im Hinblick auf das EGMR-Urteil N.D. und N.T gegen Spanien – dass Regelungen der EMRK nicht die Gewährleistungen des EU-Asylrechts, insb. der Asylverfahrensrichtlinie, relativieren oder aushebeln können.
Leider zeichnet sich der Beitrag durch eine erhebliche Einseitigkeit und durch apodiktische Aussagen aus, die so in der Rechtspraxis noch nicht bestätigt worden sind, sondern einer sehr subjektiven und kaum belegten Einschätzung des Autors entspringen. Inwieweit etwa Zurückweisungen an der deutschen Grenze etwa gestützt auf Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO vorgenommen werden können, ist mitnichten geklärt, zumal es eine Vielzahl von Stimmen gibt, die dies rechtlich für möglich halten. Von diesen Punkten einmal abgesehen, wäre es vielleicht auch mal angebracht, dass sich der Autor den aktuellen Sachverhalt und die Realität vor Augen hält. In der überwiegenden Mehrheit handelt es sich bei den Personen, die vor der griechischen Grenze Einlass begehren nicht um Flüchtlinge, die gerade aus einem Kriegsgebiet wie bspw. Idlib kommen, sondern um Personen, die bereits seit mehreren Jahren Aufenthalt und ggf. Schutz in der Türkei gefunden haben und momentan vom türkischen Präsidenten als Druckmittel missbraucht werden. Nur von einem gewünschten Ergebnis her zu argumentieren, fördert keineswegs die juristische Überzeugungskraft.
Gratuliere zu diesem Kommentar!
Nun kann schon die Dublin-VO hier nicht das vorrangige Problem sein, weil sie 1. das Asylrecht nicht beseitigen soll, 2. in einer Situation, wo GL z.B. mit 20.000 statt 2.000 (Lesbos) Asylsuchenden es wohl am wenigsten um Zurückweisungen (statt z.B. gerechter Verteilung) gehen kann. Was ich auch nicht verstehe: Warum sollen gerade im türkischen Machtbereich die Flüchtlinge Schutz gefunden haben? Wichtiger scheint mir da die Verteidigung von rechtlichen Basics. Das Asylrecht zu verteidigen ist für mich wahrlich nicht einseitig.
Nach derzeitiger Erkenntnisse handelt es sich zu einem großen Teil um Geflüchtete aus Afghanistan – einem Bürgerkriegsland, bei dem mit guten Gründen Schutzbedarf generell oder individuell möglich ist. Überdies leben afghanische Staatsangehörige in der Türkei nachweislich unter sehr prekären Zuständen, vgl. https://www.zeit.de/gesellschaft/2020-01/afghanische-fluechtlinge-tuerkei-migration-eu-asylpolitik-aegaeis-flucht.
Zu Zurueckweidungen nach Dublin an der dt Grenze konnte ich in dem Artikel nichts finden, der Vorwurf geht also fehl,zumal das weder das Thema des Artikels noch ein aktuelles Problem ist (noch nicht). Ob Einreisende aus der Tuerkei unter die GFK fallen entscheiden in Rechtsstaaten die zust. Armter und Gerichte, aber dazu muss man eben erst einmal ein Verfahren eroeffnen.
Vielen Dank für den Beitrag! Eine Frage stellt sich mir nach der Lektüre allerdings noch: Wie verhält sich die Asylverfahrensrichtlinie denn zu Dublin III und wie kommt es, dass es bei Griechenland einzig auf Erstere ankommen soll, bei dem Szenario einer deutschen Grenzschließung aber auf Letztere? Da wäre ich für Aufklärung dankbar!
Es kommt meines Wissens nach bei beiden Sachverhalten auf beide Rechtsakte an. Auch Deutschland muss nach der AsylverfahrensRL erstmal den Zugang zum Verfahren ermöglichen, deshalb ist es auch nicht möglich, die deutsche Grenze einfach dicht zu machen und Antragsteller damit de facto pauschal nach Österreich zurück zu schicken. Innerhalb dieses Verfahrens findet dann als erster Schritt eine Prüfung der Zuständigkeit nach der Dublin III VO statt. Genauso müssen die Griechen ein Verfahren nach der Dublin III VO durchführen, davor kommt aber erstmal der Zugang zum Verfahren aus der VerfahrensRL. Das Dublinverfahren ist dann quasi vorgelagerter Bestandteil des gesamten Asylverfahrens. Die AsylverfahrensRL umklammert quasi die Dublin III VO.
(Offenbar ist meine Antwort gestern nicht gesendet worden oder hängen geblieben, daher jetzt nochmal, sorry für die Verzögerung). Die Dublin VO und die AsylVfRL sind verschränkt anwendbar. Zunächst richtet sich die Möglichkeit der Antragstellung ganz allgemein und überall nach der AsylVfRL. Sodann ist, bei entsprechenden Anhaltspunkten, dass eine Zuständigkeit eines anderen Staates gegeben sein könnte, die Dublin III-VO zu beachten. Das ist bei einer Einreise nach Deutschland immer der Fall, bei einer Einreise von der Türkei nach Griechenland nur bei einem entsprechenden Vortrag, dass zB Familienangehörige in einem anderen MS leben. Wenn die Dublin III-VO also angewendet wird, richtet sich auch die Entscheidung, ob und nach welchem Verfahren eine Zurückweisung möglich ist oder nicht, nach ihr (mitsamt einzelner Verweise aus der Dublin III-VO auf die AsylVfRL zu den formalen Verfahrensvorgaben). Erst wenn die Zuständigkeit geklärt ist, und die Person nicht zurückgewiesen/überstellt wird, findet ein normales Asylverfahren, wiederum nach den Maßgaben der AsylVfRL statt.
Ich habe hier auf diesem Blog im September 2015 mit Dana Schmalz über die damalige Situation diskutiert und abschließend formuliert: „Ohne einen funktionierenden Staat und eine intakte Gesellschaft gibt es überhaupt kein Asylrecht für niemanden.“ (https://verfassungsblog.de/radikaler-kosmopolitismus-im-kanzleramt-eine-replik/)
Die Meinungen mögen auseinandergehen darüber, ob der deutsche Staat seitdem funktioniert (hat) oder die deutsche Gesellschaft (noch) intakt ist. Die historischen Vergleiche, drastischen Analysen und dunklen Zukunftsprognosen für Deutschland und die EU, die man so landauf landab antrifft, teile ich im Ergebnis nicht.
Aber niemand kann bezweifeln, dass sich doch so einiges verändert hat seit 2015. Nicht zuletzt meine ich das bedauerliche, dennoch leider schon damals voraussehbare Erstarken einer Partei rechts der Union.
Mittlerweile hat wohl selbst Angela Merkel, hinter verschlossenen Türen, im Wesentlichen nichts mehr gegen die Maßnahmen der griechischen Regierung. Und Ursula von der Leyen schaut sich das Geschehen – wohlwollend – aus dem Helikopter an…und verspricht mehr Frontex. In 2015/2016 herrschte noch ein anderer diskursiver Wind, der sich unüberseh- bzw. unüberhörbar gedreht hat.
Das aktuelle Vorgehen der griechischen Regierung, unterstützt beinahe unisono von den anderen Mitgliedsstaaten, mag man für illegal halten. Aber ist dem Asylrecht mit einem radikal-kosmopolitischen Ansatz, der die Interessen der partikularen Staaten und Gesellschaften, nicht zuletzt auch der EU insgesamt, einem verabsolutierten Recht auf Asyl/Einwanderung unterordnet, wirklich gedient? Hat nicht gerade auch die mangelnde Unterscheidung zwischen Asyl/Flüchtlingsschutz einerseits und Migration andererseits in diese Sackgasse geführt?
Bei allem Verständnis für die Verteidigung eines uneingeschränkten Asylrechts und Flüchtlingsschutzes – wir sollten die Grundlagen berücksichtigen, die Asyl und Flüchtlingsschutz erst ermöglichen.
Das klingt arg dramatisch. Aktuell ist eine erhebliche Mehrheit der Deutschen dafür, Flüchtlinge aufzunehmen, gedreht hat sich da in der Meinung der Öffentlichkeit nicht viel.
Abgesehen davon steht Recht nun einmal nicht unter dem Vorbehalt populärer Zustimmung. Wenn wir es verwehren, aus der Angst heraus, mit der Gewährung ggf. den Faschismus zu stärken, hat der Faschismus schon gewonnen, er wird dann halt bloß stellvertretend praktiziert.
Menschenrechte unter den Vorbehalt realpolitischer convenience zu stellen ist bereits das untere Ende der slippery slope…
Die Annahme, es handle sich bei den Migranten an der griechischen Grenze um Flüchtlinge im Sinne der GFK, ist falsch. Denn diese Menschen kommen weder direkt aus einem Kriegsgebiet noch werden sie individuell verfolgt. Das war 2015 und 2016 übrigens auch schon so.
Stattdessen wurden sie in klimatisierten Bussen aus Istanbul oder Ismir zum Zwecke der moralischen Erpressung angekarrt.
Weiterhin stammen viele von ihnen überhaupt nicht aus Kriegsgebieten und schon gar nicht aus Syrien. Es handelt sich häufig um Tritbrettfahrer, die sich aus durchaus nachvollziehbarern Gründen ein besseres Leben erhoffen und von den Regierungen in der Türkei und der EU für ihre jeweiligen Zwecke eingespannt werden: Die Türkei will ihren illegalen Angriffskrieg gegen Syrien weiterführen und die EU will funktionsfähige Nationalstaaten durch illegale Masseneinwanderung unter dem Deckmantel des Asylrechts schleifen und durch dysfunktionale Multikulti-Gebilde ersetzen.
Ein Recht auf ein gutes Leben gibt es nicht und kann es auch nicht geben, für manchen Juristen ist das offenbar schwer verständlich, stimmen tut es trotzdem.
Haben Sie auch ein juristisches Argument oder argumentieren Sie rein ideologisch und emotional?
Ob jmd ein Schutzbedürfnis hat, wird in einem Rechtsstaat nicht durch Kommentatoren von der Couch aus festgestellt sondern durch dafür vorgesehene Behörden und wenn nötig durch Gerichte überprüft. Ob die Menschen dafür in klimatisierten (es sehr kalt in Istanbul aktuell, also bezweifle ich das) Reisebusse „herangekarrt“ werden ist dafür völlig irrelevant.
Sehr geehrter Herr Lehnert,
bei den Personen welche hier in den letzten Tagen illegal die griechische Grenze überquerten oder zu überqueren versuchten handelt es sich zum allergrößten Teil gerade eben nicht um Flüchtlinge im Sinne der GFK. Und damit läuft ihre gesamte Argumentation im Prinzip völlig ins Leere.
Ein Refoulment Verbot greift daher hier ebenso wenig wie das von Ihnen hier angeführte Verbot einer Bestrafung der illegalen Einreise gemäß der GFK oder die Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie.
Fakt ist: die griechische Grenze zur Türkei ist eine EU Außengrenze und unterliegt damit dem Schengener Abkommen. An jedem Punkt der Schengen-Außengrenze ist gemäß diesem gültigen Abkomme die Einreise zu verweigern, wenn kein Schengen-Visum vorhanden ist oder aus anderen Gründen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit eines Schengen-Staates festgestellt wird. Beides ist hier der Fall.
Ich kann Ihnen nur dahin gehend zustimmen, dass natürlich bei Stellung eines Schutzantrags überhaupt erst einmal festgestellt werden muss, ob es sich nicht ausnahmsweise (!) doch um einen Flüchtling handeln könnte, da die entsprechenden Rechte ja Individualrechte sind. Eine pauschale Aussetzung dieser Rechte halte ich daher ebenfalls für nicht rechtskonform.
Die Lösung wäre aber höchst einfach: Bis zur Feststellung der Identität und einer Entscheidung über den Antrag in einem Schnellverfahren welches innerhalb eines Tages durchführbar ist, kann die Antragstellende Person durchaus festgehalten werden. Nach Ablehnung ihres Antrages ist sie im weiteren gesichert eben kein Flüchtling und wird für den illegalen Grenzübertritt der EU Außengrenze inhaftiert und mit Gefängnisstrafe ohne Bewährung bestraft. Der Gefängnisstrafe folgend dann abgeschoben und/oder in Abschiebehaft gehalten.
Würde man konsequent so verfahren, würde sich die ganze sogenannte „Flüchtlings“problematik recht schnell von selbst erledigen, denn dann würde die ökonommische Rechnung welche in Wahrheit über 90% der hier nach Griechenland strömenden antreibt nicht mehr aufgehen.
Ich war selbst mehrfach in Griechenland und dort auch in mehreren Flüchtlingslagern. Die absolute Mehrheit der Personen dort sind keine Flüchtlinge, das ist einfach Fakt, das ist die Realität. Da stehen dann ein Mann aus Ghana, ein Tadschike und ein im Iran geborener Afghane nebeneinander und erklären freudestrahlend dass sie in Deutschland studieren wollen. Das sind keine schlechten Menschen, ganz im Gegenteil handelt es sich überwiegend um höchstanständige junge Männer welche etwas aus ihrem Leben machen wollen.
Der Fehler liegt also allein bei uns selbst und unseren immer mehr ins Absurde abgleitenden Auffassungen über die Realität, oder genauer noch gesagt unserer Totalverweigerung der Realität. Wir sind die Schuldigen und schaden dabei nicht nur uns selbst, sondern durch die weitere Aufrechterhaltung dieser Illusionen auch und gerade eben diesen jungen Einwanderern und vor allem anderen auch den wenigen echten Flüchtlingen unter diesen.
Es gibt aber nun einmal kein Menschenrecht auf eine illegale Einwanderung und kein Menschenrecht auf die illegale Überquerung der EU Außengrenze. Das Schengener Abkommen stellt ganz eindeutig fest, dass die EU Außengrenze ohne Visum nicht überquert werden darf und dass die Überquerung bei Feststellung einer sich daraus ergebenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit in jedem Fall zu verweigern ist.
Personen die keine Flüchtlinge sind unterliegen nicht der GFK und damit greift Ihre ganze Argumentation nicht. Es verbleibt also beschließend einfach nur noch in einem Rechts-Verfahren so kurz und so effizient wie möglich festzustellen, dass sie keine Flüchtlinge sind. Das wäre problemlos möglich und es ist bedauerlich dass dies in Griechenland nicht geschieht. Während dieses Verfahrens kann man sie dann sehr wohl festhalten. Und dann kann man sie inhaftieren und abschieben, wie es sowohl erforderlich als auch geboten ist.
Hochachtungsvoll
Diese Feststellung, ob es sich um Flüchtlinge iSd GFK handelt, obliegt erstens nicht Ihnen und ist zweitens für die obigen Fragen irrelevant, weswegen Ihr ganzer Text leider für die Katz ist…
Noch ist es den Bürgern in D nicht verwährt, aufgrund von Beobachtungen Feststellungen zu treffen. Wenn Migranten in großer Zahl fließend Türkisch sprechen ist auszuschließen, dass diese direkt aus einem Kriegsgebiet stammen in dem sie individueller Verfolgung ausgesetzt sind.
Weiterhin handeln viele äußerst gewalttätig und stehen damit eher im Verdacht selbst eine Bedrohung darzustellen, als einer Bedrohung ausgesetzt zu sein.
Diese Beobachtungen und Feststellungen sind für die obigen Fragen durchaus von hoher Relevanz, auch wenn das dem einen oder anderen nicht in den Kram passt.
Rechtspopulismus ist ein Kategorienfehler. Richtig: Antidemokraten Nazi-nostalgisch.
Ich bin zwar kein Jurist, vermute jedoch, dass der Artikel vom Standpunkt des juristischen Purismus in Ordnung geht. Man sollte jedoch auch berücksichtigen, dass Rechte und Gesetze nicht in einem Vakuum entstehen, sondern von internationalen Verträgen und von nationalen Gesetzgebern geschaffen werden. Thomas Jefferson sprach von ‚inalienable rights‘. Eh klar. Aber man möge daran denken, wie ‚inalienable‘ diese ‚rights‘ im Laufe der ersten 250 Jahre der USA in Wirklichkeit waren.
Wenn der Buchstabe des Gesetzes nicht mehr den Bedürfnissen der Realität entspricht, dann gibt es zumindest 2 Möglichkeiten: (a) das Gesetz wird der Realität angepasst oder (b) Gesetzesverletzungen werden überwältigend und nicht mehr kontrollierbar. Der Rechtsstaat wankt.
Seit 2010 leben die Griechen in einer wirtschaftlichen Depression. Kein anderes Land der entwickelten Welt hat seit den 1930er Jahren eine solche Depression erleben müssen: mehr als 25% Wirtschaftseinbruch, Arbeitslosigkeit zeitweise bis zu 30% (Jugendarbeitslosigkeit bis zu 50%), unvorstellbare Einkommenseinbußen, niedrigste Gehälter heutzutage, etc. Und trotzdem hat die Bevölkerung seit 2015, vor allem die Inselbevölkerung in der Nähe zur Türkei, vorbildlichen Dienst an Menschen geleistet. Nur – irgendwann einmal bricht der Krug, der zum Brunnen geht.
Dieser Krug brach nicht erst in den letzten Tagen. Jeder, der es sehen hätte wollen, hätte es seit mindestens 6 Monaten sehen können: Dorfbevölkerungen am Festland, die morgens erfuhren, dass nächstens Migranten in leerstehende Hotels der Umgebung einquartiert wurden; dass diese Migranten dort besser umsorgt und versorgt wurden, als die Dorfbevölkerung; dass die medizinische Versorgung von Migranten überbeansprucht wurde; etc. Griechische TV Sender berichteten von früh bis spät über solche Vorfälle. Gleichzeitig merkten die Griechen, dass dieses ‚europäische Problem‘ von der EU ignoriert und dass Griechenland alleine gelassen wurde: während halb Europe sich Sorgen um ein paar Dutzend Migranten auf einem Schiff in Italien machte, landeten jeden Tag 300-400 Migranten (und mehr) auf den griechischen Inseln.
Der Jurist mag ob der gegenwärtigen Vorgangsweise Griechenlands entsetzt sein. Der Realist muss den Griechen die Frage stellen: „Warum habt Ihr denn solange gewartet?“ Jetzt zu sagen, dass es eh nur um 13.000 Migranten geht, ist eine totale und mißbräuchliche Verzerrung der Realität. Die Griechen haben sich seit 2015 um mehr als 1 Million Migranten gekümmert. Wenngleich der Großteil davon nur auf ‚Durchreise‘ war, war dies dennoch ein riesiger Aufwand und ein großartiger Einsatz der Bevölkerung. Und mehr als 100.000 sind derzeit noch im Land und werden täglich mehr. Und dann sollen die Griechen auch noch Verständnis haben, wenn ein von Erdogan aufgehetzter Mob auf ihre Grenzen stürmt?
Lieber Autor des Artikels, kommen Sie bitte auf den Boden der Realität. Auch der Rechtsstaat hat Schwachstellen. In Griechenland kann man derzeit seine Schwachstellen beobachten. Nichts höhlt den Rechtsstaat mehr aus, als wenn man permanent an seinen Schwachstellen rüttelt.
Hallo
Auch ich bin keine Juristin. Und frage Sie: Was ist eine „humanitäre Katastrophe“?
Sehr geehrter Herr Reinhardt,
ohne die Lage vollständig zu überblicken, habe ich doch Zweifel an Ihrer These, es läge bei der überwiegenden Mehrzahl der Betroffenen keine Schutzbedürftigkeit vor. Jedenfalls in 2015/16 ging es doch hauptsächlich um Personen aus Syrien. Diese Menschen habe hier alle internationalen Schutz zumindest in Form des subsidiären Schutzes erhalten, sind also nach Ansicht auch des BAMF gerade nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet. Ein Widerruf dieser Entscheidungen (wegen veränderter Lage in Syrien) hat sich bislang noch nicht abgezeichnet.
MfG
Markus Rau
„Jedenfalls in 2015/16 ging es doch hauptsächlich um Personen aus Syrien.“
Nicht ganz, es ging hauptsächlich um Personen die behaupteten sie wären aus Syrien. Das BAMF hat sich in der Mehrzahl der Fälle und in Ermangelung von Ausweisdokumenten, die statt vorgelegt zu werden teilweise die Toiletten in den Aufnahmelagern verstopften, auf Selbstauskünfte verlassen. Oftmal genügte die unbesehene Einreichung eines Auskunftszettels. Eine auch nur ansatzweise regelkonforme Prüfung der Angaben war aufgrund der Kapazitätssituation völlig unmöglich.
Vor dem Hintergrund des bei Anne Will von Agela Merkel ausgesprochenen Ziels „möglichst viele Menschen in Deutschland“ ist das nur konsequent.
Zwei Wochen nach der Grenzöffnung hat der Chef des BAMFs übrigens gekündigt.
Sie wissen aber auch, dass inzwischen für alle positiven Asylbescheide aus 2015, also auch insbesondere die im schriftlichen Verfahren, die Prüfung der Einleitung von Widerrufsverfahren durchgeführt wurde und im Ergebnis über 99% eben KEIN Verfahren eingeleitet wurde?
Sehr geehrter Herr Rau,
ich beziehe mich ausschließlich auf die Situation hier und heute an der griechischen Grenze und keineswegs auf 2015, wie es leider auch Herr Lehnert nicht unterlassen kann diese beiden Ereignisse in seinem Text miteinander zu verbinden und beschließend einmal mehr von einem politischen Narrativ der Rechten (wer auch immer diese sein sollen) zu sprechen.
Nun, ich bin Rechts. Und dennoch der festen Überzeugung dass 2015 kein Rechtsbruch war und es auch nicht zu einer Öffnung von Grenzen kam (da diese ja bereits offen waren) etc. Die Situation 2015 und die Situation hier und heute an der griechischen Grenze bzw. in Griechenland sind aber gerade eben verschieden.
Hier und heute missbraucht die Türkei Menschen zur Durchsetzung ihrer Politik, werden Afghanen, Pakistanis und Afrikaner mit türkischen Bussen an die Grenze gefahren, werden teilweise Gasmasken von der türkischen Polizei an diese „Flüchtlinge“ ausgegeben. Auch in den Lagern auf Lesbos in welchen ich persönlich mehrfach war sind echte Syrer hier und heute in der Minderzahl.
Teilweise unterstützen die türkischen Sicherheitskräfte diese „Flüchtlinge“ aktiv beim Versuch in die EU zu gelangen. Anscheinend in einem Einzelfall kam es sogar zu Beschuss griechischer Sicherheitskräfte mit Tränengasgranaten durch die türkische Polizei.
Diese türkische Agression und dieser unfassbare verbrecherische Missbrauch von Menschen durch die türkische Regierung muss durch die EU entschieden abgewehrt und zunichte gemacht werden. Nicht zuletzt auch für die echten Flüchtlinge, welche zuvordert vor allen anderen die wahren Leidtragenden dieser zynischen verbrecherischen türkischen Politik sind.
Umgekehrt muss man natürlich feststellen, dass die Türkei zunehmende wirtschaftliche Probleme hat und mit der Versorgung der Flüchtlinge von der EU weitgehend alleine gelassen wurde. Die wenigen Milliarden Euro die hier als Ausfluss unserer ebenso perfiden Heuchelei und Doppelgesichtigkeit gezahlt wurden reichen ja nicht mal im Ansatz im Vergleich zu den Kosten welche die Türkei durch die Aufnahme von insgesamt eher an die 4 Millionen Flüchtlingen und Einwanderern hatte.
Noch so zynische, menschenverachtende und heuchlerische