23 Mai 2023

Es steht ein Pferd auf dem Flur

Warum der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz das Abstammungsrecht für queere Familien schlimmer macht

Der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz ist da und befindet sich derzeit in der Verbände-Diskussion. Das Gesetz soll die personenstandsrechtliche Geschlechts- und Vornamensänderung erleichtern. Es will „entbürokratisieren“ und einen „schnellen, transparenten und leicht zugänglichen“ Weg zur geschlechtlichen Selbstbestimmung eröffnen (S. 25). Der Entwurf sieht auch Änderungen des Abstammungsrechts vor, die ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich eine „Interimslösung“ sein sollen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die „Interimslösung“ jedoch als vorweggenommene Teilreform des Abstammungsrechts, mit der die Eltern-Kind-Zuordnung für queere Personen zukünftig nicht leichter, sondern schwerer, komplizierter und teurer werden würde. Es steht ein Pferd auf dem Flur – und es ist möglicherweise ein trojanisches.

Queere Elternschaft im aktuellen Recht

Das materielle Familienrecht sieht bislang zwei Elternstellen für ein Kind vor, die binär-zweigeschlechtlich konstruiert sind. Demnach soll ein Kind jeweils nur eine „Mutter“ und einen „Vater“ haben können, so jedenfalls auf Grundlage des deutschen Abstammungsrechts. Über Art. 19 Abs. 1 EGBGB ist es allerdings auch jetzt schon möglich, unter Anwendung ausländischer Rechtsordnungen queere Elternschaften in Deutschland zu begründen. Nach § 1591 BGB wird die erste Elternstelle („Mutter“) auf Grund der Geburt zugeordnet: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Die zweite Elternstelle („Vater“) wird gemäß § 1592 BGB entweder an den Ehemann der Mutter (Nr. 1) oder, wenn die Mutter nicht verheiratet ist, an den Mann vergeben, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2). Liegt weder eine Ehe noch eine Vaterschaftsanerkennung vor, bleibt die zweite Elternstelle unbesetzt. Eine Vaterschaft kann dann auch im Nachhinein jederzeit mit Zustimmung der Mutter durch Anerkennungserklärung eines (quasi x-beliebigen) Mannes begründet werden. Als nachrangige Zuordnungsmöglichkeit sieht § 1592 Nr. 3 BGB schließlich vor, dass die Vaterschaft in einem gerichtlichen Verfahren festgestellt wird. Nur für diese nachrangige Zuordnung werden die genetischen Abstammungsverhältnisse zwischen dem zweiten Elternteil und dem Kind ermittelt. In allen anderen Fällen erfolgt die Zuordnung als Behördenakt beim Standesamt, ohne dass überprüft wird, ob eine biologische, genetische oder soziale Verbindung zwischen Elternteil und Kind besteht. Das Recht begnügt sich insoweit mit „Vermutungen“.

Für trans, inter, nicht-binäre, diverse oder geschlechtslose Eltern ist die abstammungsrechtliche Situation derzeit uneinheitlich. Als letzte Abbruchstellen der Gesetzesruine Transsexuellengesetz (TSG) sieht § 11 TSG immer noch vor, dass für die Eltern-Kind-Zuordnung das „alte“ Geschlecht maßgeblich ist; § 5 Abs. 3 TSG schreibt fest, dass im Geburtenregister die „alten“ Vornamen einzutragen sind, legitimiert also die diskriminierende Praxis des „Deadnamings“. Das heißt konkret: Bringt ein trans Mann ein Kind zur Welt, wird er im Geburtenregister und in der Geburtsurkunde seines Kindes derzeit als „Mutter“, mit weiblichem Vornamen und weiblichem Geschlecht eingetragen. Das Kind erlebt in dem Fall tagtäglich seine vielleicht engste Bezugsperson als Mann und Vater. Offiziell und laut Geburtsurkunde hat es aber eine Frau mit weiblichen Vornamen als Mutter, die das Kind nicht nur nicht kennt, sondern die es personenstandsrechtlich und faktisch auch gar nicht mehr gibt. Bei der Anmeldung zur Kita, Schule, Krankenversicherung, bei Reisen ins Ausland und zahlreichen weiteren Gelegenheiten, in denen die rechtliche Elternschaft durch Vorlage der Geburtsurkunde nachgewiesen werden muss, führt das für die betroffenen Familien regelmäßig zu Situationen, die nicht nur Irritations-, sondern echtes Diskriminierungspotential bergen und in denen der trans Elternteil fortwährend zur Offenbarung gezwungen wird. Auch eine trans Frau kann nach bisheriger Rechtslage allenfalls als „Vater“ ihres Kindes eingetragen werden, ebenfalls mit falscher Geschlechts- und Namenszuordnung. Der XII. BGH Zivilsenat (hier und hier) sowie jüngst auch der EGMR fanden das rechtlich zwar unbedenklich. Dennoch ist die Situation für die betroffenen Familien unzumutbar (vgl. Wapler FamRZ 2017, 1861).

Für Personen, die eine Personenstandsänderung nach dem derzeitigen § 45b PStG vorgenommen haben, gilt das TSG nicht. Allerdings enthält die Personenstandsverordnung (PStV) in § 42 Abs. 2 Satz 3 eine Anweisung an das Standesamt, wonach inter, nicht-binären, diversen oder geschlechtslosen Personen die Vaterschaftszuordnung qua Ehe oder auf Grund einer Anerkennungserklärung verwehrt bleiben soll. Das Standesamt soll sie nur dann als „Vater“ zuordnen, wenn ein Gericht ihre „Vaterschaft“ auf Grund eines Abstammungsgutachtens festgestellt hat. Diese Änderung der PStV hatte 2018 der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer angeordnet. Ein förmliches Gesetz gibt es bislang nicht.

Geschlechtsneutrale Elternbezeichnung und Ende des Deadnamings

Zurück zum Pferd auf dem Flur, dessen niedliches Antlitz in puncto Abstammungsrecht zunächst zu Streicheleinheiten verleiten könnte.

Die abstammungsrechtlich wohl wichtigste Änderung im Referentenentwurf ist, dass das TSG außer Kraft tritt, sobald das SBGG in Kraft tritt. Dem bislang durch Gesetz legitimierten Deadnaming von trans Personen in den Geburtsurkunden ihrer Kinder wird damit ein Ende gesetzt.

Zudem sieht der Referentenentwurf eine Ergänzung in § 42 PStV vor, die zukünftig um einen Absatz 2a erweitert eine geschlechtsneutrale Bezeichnung als „Elternteil“ in der Geburtsurkunde des Kindes ermöglichen soll. Allerdings bleibt im Geburtenregister die binär-zweigeschlechtliche Eintragung als „Mutter“ oder „Vater“ zwingend, womit der Referentenentwurf das Abstammungsrecht als heteronormativ und binär-zweigeschlechtlich fortschreibt, statt es dahingehend aufzubrechen. Da die Geburtsurkunde aber das zentrale Beweismittel für die Eltern-Kind-Zuordnung im Rechtsverkehr ist, würde diese Neuregelung sicherlich für viele queere Familien zu einem diskriminierungsärmeren Alltag führen.

Die Abstammungsrechtsreform im Bauch des Selbstbestimmungsgesetzes

Als angekündigte „Interimslösung bis zur Verabschiedung der Abstammungsrechtsreform“ (S. 57) wären die vorgenannten Veränderungen – Abschaffung des TSG und Ergänzung der Personenstandsverordnung – ausreichend und hinnehmbar gewesen. Allerdings enthält der Referentenentwurf weit mehr, als er mit dem Label der „Interimslösung“ suggeriert. In seinem Inneren transportiert er eine eigenständige Teilreform des Abstammungsrechts, die die Eltern-Kind-Zuordnung für queere Personen an keiner Stelle besser, sondern in mancherlei Hinsicht sogar komplizierter machen wird, und mit der die unterstellte „Männlichkeit“ der zweiten Elternstelle für die Zukunft zementiert statt aufgelöst wird.

11 SBGG-E sieht eine neue Sonderregel für das Eltern-Kind-Verhältnis vor. Was der Gesetzgeber mit dem TSG abschafft, kommt also durch die Hintertür doch wieder in das Gesetz hinein. Der neue Regelungsvorschlag lautet:

„Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ist für das nach den §§ 1591 und 1592 Nummer 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern unerheblich. Für das nach § 1592 Nummer 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern ist ihr Geschlechtseintrag im Personenstandsregister zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes maßgeblich.“ (S. 8, Herv. LC)

Diffus, nicht wahr? Für die erste Elternstelle (auch zukünftig: „Mutter“) soll das Geschlecht „unerheblich“ sein. Für die zweite Elternstelle (auch zukünftig: „Vater“) soll es hingegen „maßgeblich“ auf das Geschlecht „zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes“ ankommen, soweit es um die Elternschaft qua Ehe oder Anerkennungserklärung geht. Nur an dieser Stelle soll dem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag also „ein konstitutives Verständnis“ (S. 55) zu Grunde gelegt werden. Für die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB soll es wiederum „unerheblich“ sein, welches Geschlecht der Elternteil hat. Ein und dasselbe Personenstandskriterium (Geschlecht) soll demnach in ein und derselben Regelungsmaterie (Abstammungsrecht) unterschiedliche Rechtswirkung entfalten.

Was bedeutet das nun konkret?

Keine Verbesserung, nirgends

Um es klar zu sagen: § 11 SBGG-E enthält für keine einzige Person eine rechtliche Verbesserung. Dass die Geburtsurkunde zukünftig den zutreffenden Vornamen und die geschlechtsneutrale Bezeichnung als „Elternteil“ enthalten können soll, ergibt sich wie gesagt aus anderen vorgesehenen Regelungen des Referentenentwurfs, nicht aus § 11 SBGG-E.

Gebärende Personen werden schon jetzt und sollen auch zukünftig einheitlich „Mutter“ ihres Kindes werden. Eine selbstbestimmte Elternbezeichnung als gebärender Vater ist im Selbstbestimmungsgesetz nicht vorgesehen.

Auch für trans Männer, die eine Vaterschaft qua Ehe oder Anerkennung begründen wollen, enthält § 11 SBGG-E keine eigenständige rechtliche Verbesserung. Ihre abstammungsrechtliche Situation ist schon jetzt durch eine ermöglichende Grundhaltung mancher Standesämter für „Mutter-Vater-Kind“-Familien begünstigt. Zwar gelten derzeit §§ 5 Abs. 3 und 11 TSG auch für trans Männer. In der Praxis werden trans Männer aber trotzdem (zumeist ohne dass es weiteres Aufsehen erregt) im Geburtenregister ihrer Kinder eingetragen. Auch Gerichte scheinen geneigt, trans Männer als Väter anzuerkennen (vgl. AG Regensburg und OLG Schleswig, a.A. aber  Kammergericht). So oder so: Kommt das Selbstbestimmungsgesetz und entfällt das TSG, stehen trans Männern abstammungsrechtlich keine gesetzlichen Hürden mehr im Weg.

Eine neue Sonderregelung wie § 11 SBGG-E braucht es also nicht für Gebärende, die erster Elternteil und trans Männer, die zweiter Elternteil ihrer Kinder werden wollen.

Die zweite Elternstelle als männliche Bastion

Die Problematik des § 11 SBGG-E offenbart sich im Hinblick auf die zweite Elternstelle und mit Blick auf alle Personen, die nicht männlich sind. Unter dem Deckmantel der geschlechtlichen Selbstbestimmung soll die zweite Elternstelle nämlich zu einer Bastion von Männlichkeit ausgebaut werden.

Während die erste Elternstelle schon weitgehend vom personenstandsrechtlichen Geschlecht entkoppelt wurde (letzter Rest wird nach dem Wegfall des TSG noch die Bezeichnung als „Mutter“ sein), steht eine diesbezügliche Öffnung der zweiten Elternstelle noch aus. Zahlreiche Vorschläge, wie das Abstammungsrecht inklusiver geregelt werden sollte, liegen auf dem Tisch, harren bislang aber ihrer gesetzgeberischen Umsetzung. Unterdessen begehren queere Familien gegen das Recht auf, das sie – um zweiter Elternteil werden zu können – in entwürdigende Verfahren zur Stiefkindadoption zwingt und ihre Kinder rechtlich schutzlos stellt (zu den Problematiken im Einzelnen z.B. hier und hier). Dem Bundesverfassungsgericht liegen aktuell eins, zwei, drei, vier, fünfsechs (!) Verfahren vor. Sie alle betreffen die zweite Elternstelle und verdeutlichen anhand verschiedener Fallkonstellationen, warum es die Grundrechte des Kindes und der Eltern verletzt, wenn diese Zuordnung vom Geschlecht des Elternteils abhängig gemacht wird. Der Gesetzgeber steht dementsprechend unter Druck, dem Bundesverfassungsgericht zuvorzukommen und eine verfassungskonforme Eltern-Kind-Zuordnung für alle Kinder zu ermöglichen. Justizminister Marco Buschmann hat noch im Januar 2022 vollmundig „die größte Familienrechtsreform der letzten Jahrzehnte“ angekündigt. So, wie sich die Dinge seither entwickelt haben, macht es aber den Eindruck, dass eine umfassende Reform des Abstammungsrechts wohl eher noch Jahrzehnte auf sich warten lassen wird.

Umso erstaunlicher, ja empörender ist es, dass nun ausgerechnet der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz mit einer Neuregelung der zweiten Elternstelle um die Ecke kommt, die nicht weniger Geschlecht, sondern mehr Männlichkeit in das Recht der Eltern-Kind-Zuordnung bringen will. Für queere Personen werden die Zuordnungsmöglichkeiten der zweiten Elternstelle auf zwei Typisierungen verengt: die Elternschaft qua männlichem Personenstand und die Elternschaft qua „männlichen Gameten“.

Elterntyp 1: Hauptsache „Mann“

Das Standesamt soll zukünftig nur noch als „Vater“ eintragen können, wer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes personenstandsrechtlich ein Mann ist oder war.

Der Vorschlag irritiert schon in der Grundkonzeption, denn bislang wird die zweite Elternstelle primär qua Ehe oder auf Grund einer (öffentlich beurkundeten) Anerkennungserklärung begründet – beides Kriterien, für die es nicht auf das Geschlecht ankommt. Die Anknüpfung an diese einfach feststellbaren Kriterien dient dem Kindeswohl, denn sie lassen auf Grund der sozialen Beziehung zur Mutter den Schluss zu, dass der so zugeordnete Vater die Elternverantwortung für das Kind tatsächlich übernehmen will und wird. Auf aufwendige Ermittlungen, wie das Kind konkret entstanden ist oder von wem es genetisch wie abstammt, verzichtet das Recht zu Gunsten einer schnellen Rechtsklarheit. Die konkreten Abstammungsverhältnisse sind vielmehr irrelevant, denn der Ehemann oder der Anerkennende wird auch dann rechtlicher Vater, wenn das Kind mit der Samenspende eines Dritten gezeugt wurde. Demgegenüber hat das Kind, das in eine Ehe zweier Frauen hineingeboren wird, bislang nur einen rechtlichen Elternteil. Seit der Einführung der „Ehe für alle“ und der „Dritten Option“ klaffen im geltenden Abstammungsrecht offene Wunden seiner Verfassungswidrigkeit. Statt hier mit einer Reform des Abstammungsrechts endlich Abhilfe zu schaffen, verschraubt der Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz das Abstammungsrecht noch fester als bislang mit biologistischen Männlichkeitsvorstellungen. So gerät der Sinn und Zweck von § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB aus dem Blick.

Die personenstandsrechtliche Männlichkeit des zweiten Elternteils wird im Referentenentwurf zentral gesetzt, dabei jedoch mit größeren Hürden versehen als die beiden anderen bislang konstitutiven Kriterien der Vaterschaft. Nach § 4 SBGG-E ist eine Wartefrist von drei Monaten vorgesehen, bevor die Geschlechtsänderung rechtlich wirksam wird. Das heißt konkret: Um Vater werden zu können, muss der Elternteil spätestens drei Monate vor der Geburt seine Geschlechtsänderung in „männlich“ erklärt haben. Für die Eheschließung oder Anerkennungserklärung ist hingegen keine solche Wartefrist vorgesehen; sie können unmittelbar und quasi noch am Tag vor der Geburt begründet werden. Das ist ein Wertungswiderspruch, denn die Ehe und die Vaterschaftsanerkennung sind in Anbetracht ihrer rechtlichen Folgen sehr viel schwerwiegender als der personenstandsrechtliche Geschlechtseintrag. Von letzterem soll es aber im Zweifel abhängen, ob das Kind queerer Eltern einen zweiten Elternteil erhält oder nicht. Wenn beim Standesamt nicht rechtzeitig ein Termin zu bekommen ist, oder das Kind unerwartet zu früh zur Welt kommt, hat es rechtlich keinen zweiten Elternteil. Die Absicherung des Kindes wird hier von Umständen abhängig gemacht, auf die es keinen Einfluss hat und die für den rechtlichen Schutz von Familie auch irrelevant sind. Wenn man dem Geschlecht schon konstitutive Wirkung für die Abstammung zuschreiben wollte (was abzulehnen ist), dann müsste eine geschlechtliche Personenstandsänderung wie die Eheschließung oder Anerkennungserklärung auch noch unmittelbar am Tag vor der Geburt Wirkung entfalten können. Der personenstandsrechtliche Geschlechtseintrags erweist sich hier jedenfalls in nicht zu rechtfertigender Weise als Gatekeeper für die rechtliche Absicherung eines Kindes.

Hinzukommt: Alle Personen, die keinen männlichen Geschlechtseintrag haben, sollen nach § 11 SBGG-E zukünftig von der primären zweiten Elternschaft ausgeschlossen werden. Das bedeutet insbesondere für trans Frauen, aber auch für inter, nicht-binäre, diverse oder geschlechtslose Personen, die das Kind nicht geboren haben, dass sie unter keinen Umständen mehr direkt bei der Geburtsanmeldung vom Standesamt als Elternteil eingetragen werden könnten. Sie müssten zwingend ein familiengerichtliches Verfahren einleiten. Das belastet die Familien nicht nur mit unnötigen Gerichts- und ggf. Anwaltskosten, die übrigens auch im Fall des Obsiegens nicht erstattet werden. Vor allem lässt es das Kind bis zum Abschluss des Verfahrens in der rechtlichen Unsicherheit, ob es überhaupt einen zweiten Elternteil erhalten wird.

11 SBGG-E ist insofern eine Verschlechterung zum aktuellen TSG, das es für trans Frauen immerhin ermöglicht, qua Ehe oder Anerkennungserklärung „Vater“ zu werden. Der Entwurf ist auch eine Verschlechterung zum derzeitigen § 42 Abs. 2 Satz 3 PStV. Denn die Norm hat bisher durch den Seehofer’schen Erlass nur Verordnungsrang. Mit § 11 SBGG-E würde sie in den Rang eines Parlamentsgesetzes gehoben – wohlgemerkt von einer Ampelkoalition, die einst mit der Losung „Mehr Fortschritt wagen“ angetreten ist und die das Familienrecht doch so viel besser machen wollte. Damit würde eine Tür geschlossen, die derzeit für gerichtliche Einzelfallrechtsprechung noch offensteht. So lange nämlich das Abstammungsrecht nicht reformiert ist, lässt sich argumentieren, dass § 1592 BGB unter anderem durch die Schaffung einer dritten Geschlechtsoption planwidrig lückenhaft geworden ist. Der Gesetzgeber des § 1592 BGB hatte offenkundig nicht bedacht, dass es – auch personenstandsrechtlich – mehr als zwei Geschlechter geben kann. Die Interessenlage der abzusichernden Kinder ist nicht nur vergleichbar, sondern identisch. Insofern ist eine analoge Anwendung von § 1592 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB bislang für Personen aller Geschlechter möglich und verfassungsrechtlich geboten. Dem würde der Referentenentwurf mit § 11 SBGG-E ein Ende setzen, indem er die rigideste aller Anwendungsmöglichkeiten zum Gesetz macht.

Elterntyp 2: Hauptsache „männliche Gameten“

Alle nicht männlichen Personen sollen zukünftig ein gerichtliches Feststellungsverfahren über die „Vaterschaft“ einleiten müssen, um zweiter rechtlicher Elternteil werden zu können. Die bislang nachrangige Zuordnung nach § 1592 Nr. 3 BGB wird dadurch nur für queere Familien zum einzigen Weg (neben der Stiefkindadoption), um überhaupt eine rechtliche Familie zu werden. Das ist nicht nur wegen des gerichtlichen Aufwands problematisch, sondern vor allem auch wegen der damit verbundenen staatlichen Ausforschung der familiären Abstammungsverhältnisse – auf die es wohl gemerkt für alle anderen Familien bislang nicht ankommt!

Dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 SBGG-E zufolge soll das Geschlecht für die Elternschaft qua Feststellungsverfahren „unerheblich“ sein. Das wäre ok, enthielte die Gesetzesbegründung nicht folgende Einschränkung: „§ 1592 Nummer 3 BGB gilt nur, wenn die festzustellende biologische Abstammung der Person auf einer Zeugung durch männliche Gameten, also Samen, beruht“ (S. 53). Mit dieser Zuspitzung ist der Regelungsvorschlag erschütternd. Er erschwert die Eltern-Kind-Zuordnung für Frauen, inter, nicht-binäre, diverse oder geschlechtslose Personen in mehrfacher Hinsicht. Erstens müssten sie künftig zwingend den Umweg eines gerichtlichen Feststellungsverfahrens in Kauf nehmen und dabei die Abstammungsverhältnisse des Kindes offenbaren (s. dazu schon oben). Zweitens wird das gerichtliche Verfahren noch komplizierter, weil der Nachweis der genetischen Abstammung allein nicht mehr ausreichen soll. Vielmehr sollen die betroffenen Personen nun zusätzlich nachweisen, dass das Kind mittels ihrer „männlichen Gameten“ gezeugt wurde. Die „Fortschrittskoalition“ überformt das Abs