Range vs. Maas: Zu wenig Eingriff, nicht zu viel
Ein “unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz” hat also stattgefunden. Der amtierende Bundesjustizminister hat also den amtierenden Generalbundesanwalt zu hindern versucht, pflichtgemäß seine Arbeit zu tun und dem Verdacht auf journalistischen Landesverrat nachzugehen, nur weil ihm diese Arbeit politisch nicht in den Kram passte. Einen regelrechten Verfassungsbruch hat der Minister damit also begangen, indem er die Unabhängigkeit der Justiz brutal der Logik politischer Opportunität unterwarf.
Das ist sicherlich ein strammer Vorwurf und als politischer und sicherheitsadministrativer Vorgang zweifellos höchst bemerkenswert, aber inhaltlich meines Erachtens ein rechter Schmarren. Erstens ist hier von Unabhängigkeit der Justiz gar keine Rede, und zweitens hat, selbst wenn, Minister Maas in dieselbe eher zu wenig als zu viel eingegriffen.
Der Generalbundesanwalt ist, wie jeder Staatsanwalt, bekanntlich Teil der Exekutive und unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesjustizministeriums. Anders als Richter_innen sind Staatsanwält_innen mitnichten unabhängig, sondern müssen tun, was die Politik in Gestalt des jeweiligen Bundes- bzw. Landesjustizministeriums ihnen befiehlt. Das müssen sie aber nur, wenn sie ihnen etwas befiehlt. Was aber nur äußerst selten passiert, und zwar aus gutem Grund: In dem Moment, wo das Ministerium Weisung erteilt, wie zu verfahren ist, hat es die Verantwortung für das Verfahren an der Hacke, und die will es nur selten tragen. Politisch sieht es gar nicht gut aus, wenn das Ministerium die Staatsanwaltschaft anweist, bei wem durchsucht wird und bei wem nicht, wer angeklagt wird und wer nicht. So sehr die Politik auch die Verlockung verspüren mag, Freunde zu decken und Feinde zu drangsalieren – in einer leidlich offenen Gesellschaft wie der unseren schafft dies politische Kosten, die den politischen Nutzen regelmäßig weit übersteigen, und deshalb unterbleibt das in der Regel (jedenfalls außerhalb Bayerns, wo das mit dem politischen Kosten-Nutzen-Kalkül womöglich gelegentlich anders aussehen mag).
Hier kommt noch etwas weiteres hinzu. Unabhängigkeit der Justiz von der Politik klingt toll, aber ihr Preis ist, dass sich diese Unabhängigkeit dann halt auch auf die institutionellen Eigeninteressen der Justiz erstreckt. In vollkommener Unabhängigkeit entscheidet die deutsche Justiz, dass das Verbrechen der Rechtsbeugung etwas ist, zu dem strukturell eigentlich nur DDR-Richter fähig sind. Im Fall des Generalbundesanwalts kommt dazu, dass dieser nicht nur Teil der Justiz (im Sinne der Strafrechtspflege), sondern auch Teil eines mächtigen administrativen Sicherheitsapparates ist. Zu dem auch der Verfassungsschutzpräsident gehört, der die angeblichen Landesverräter von Netzpolitik.org angezeigt hatte. Das sind alles Leute, die sich als Kämpfer gegen allerhand supergefährliche Feinde empfinden und von denen man nicht allzu viel kritische Selbstdistanz erwarten sollte. Aus der Binnensicht des Sicherheitsapparats heraus betrachtet sieht dann so ein kritischer Pressebericht enthüllenden Charakters schnell mal wie etwas aus, das verboten sein müsste und ganz bestimmt auch verboten ist, und schon ist aus dem Kritiker ein Rechtsbrecher geworden und aus einem Schlag gegen einen Gegner ein Akt sauberster juristischer Pflichterfüllung.
In einem solchen Moment ist die politische Verantwortung des Bundesjustizministers gefragt. Wenn er zu dem Schluss kommt, dass hier nicht juristische Subsumtionskunst, sondern das institutionelle Eigeninteresse des Sicherheitsapparats im Vordergrund steht, dann sollte er nicht nur, dann muss er Weisung erteilen, dass kein Ermittlungsverfahren zu eröffnen ist. Und dafür dann politisch in der Öffentlichkeit gerade stehen.
Was Heiko Maas stattdessen getan hat, wenn ich das richtig sehe, ist die Hände zu heben und “Unabhängigkeit der Justiz” zu murmeln, aber öffentlich zu erkennen zu geben, dass er das doof findet, was der Generalbundesanwalt da macht.
Das ist läppisch und hat mit politischer Verantwortung nichts zu tun.
Folgenden Text möchte ich zu dem Thema beitragen, persönlich halte ich diesen für überzeugender und den demokratischen Grundsätzen von Gewaltenteilung wesentlich gerechter werden!
“Die Abhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaft
Der Generalbundesanwalt ist der Generalstaatsanwalt des Bundes. Für die Bundesanwaltschaft gelten dieselben Rechtsvorschriften wie für die Staatsanwaltschaften der Länder. Hierzu ein Beitrag:
Aus dem Text:
“…. Es ist nämlich eine Fehlinformation,…..dass mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft in Deutschland keine unzulässige politische oder sonst unsachgemäße Einflussnahme verbunden sei. Vielmehr lässt sich der Missbrauch der Staatsanwaltschaft in Deutschland als »Organ der Staatsregierung« bis zu ihren…..Anfängen zurückverfolgen ….”
Die Abhängigkeit der deutschen Staatsanwaltschaft
von Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg
Brandenburg a.d. Havel
(veröffentlicht in GA (Goltdammers Archiv für Strafrecht) 2006 S. 356 ff.)
Zu den eindrucksvollsten Erlebnissen meines Berufslebens wird die Festrede gehören, die Roxin zum 150 jährigen Jubiläum der Berliner und damit der ersten deutschen Staatsanwaltschaft im modernen Sinn am 1. 10. 1996 im Berliner Rathaus gehalten hat. (1) Seine Ausführungen »Zur Rechtstellung der Staatsanwaltschaft damals und heute« befassen sich zu einem wesentlichen Teil mit der »Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts«, womit ich bei meinem Thema angelangt bin. Dabei sollte zwischen der Abhängigkeit des einzelnen Staatsanwalts und der der Staatsanwaltschaft als Institution von der Regierung unterschieden werden.
Dem einzelnen Staatsanwalt die gleiche Unabhängigkeit zu geben, wie sie Art. 97 I GG ausdrücklich nur den Richtern einräumt, und damit das »interne Weisungsrecht« zu beseitigen, wäre nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern auch sachwidrig. Mit der heute ganz h.M. (2) ist auch Roxin (3) der Auffassung, dass die Staatsanwaltschaft einer Organisationsform bedarf, die eine gleichmäßige und berechenbare Anklage und Einstellungspraxis sicherstellt. Das ist de lege lata mit ihrem traditionell hierarchischen Aufbau, dem in § 146 GVG verankerten Weisungsrecht der staatsanwaltlichen Vorgesetzten und den in § 145 GVG geregelten Rechten der »ersten Beamten der Staatsanwaltschaft« zur Devolution und Substitution der Fall. Gleichwohl ist zu begrüßen, dass der 2003 von der Kommission für die Angelegenheiten der Staatsanwälte im Deutschen Richterbund vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung des Amtsrechts der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (4) die Stellung des einzelnen Staatsanwalts stärken will, indem etwa Weisungen nur schriftlich erfolgen und für den Bereich der Tätigkeit des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung ganz ausgeschlossen werden sollen.
Kommen wir nun zu der höchst problematischen Abhängigkeit der Staatsanwaltschaft als Institution, d. h. der des an der Spitze der Hierarchie stehenden obersten Anklägers vom Justizministerium, worin die Gefahr politischer Einflussnahme auf staatsanwaltschaftliche Entschließungen begründet liegt. Dieser Problembereich kann mit den Stichworten »politischer Beamter« und »externes Weisungsrecht« gekennzeichnet werden.
Was den obersten Ankläger als politischen Beamten betrifft, der jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden darf, hat sich Roxin in seiner Festrede unmissverständlich ablehnend positioniert (5): Es liege auf der Hand, dass die Aufgabe eines leitenden Beamten der Staatsanwaltschaft nicht mit der Legaldefinition des § 31 Abs.1 BRRG zutreffend beschrieben sei, wonach der politische Beamte »ein Amt bekleidet, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muss«. Der oberste Ankläger solle nämlich »nicht die politischen Ansichten und Ziele der Regierung, sondern das Recht durchsetzen«, und so hat Roxin den betroffenen Gesetzgebern »den Abschied von dieser historisch überlieferten Konstruktion« empfohlen.
Seinem Appell ist man 2000 in Nordrhein Westfalen und 2002 in Berlin gefolgt, so dass nur noch der Bund und die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg Vorpommern, Schleswig Holstein und Thüringen an dem Status des »politischen Beamten« für ihre obersten Ankläger entgegen der nunmehr ganz h. M. (6) festhalten. Dies sind somit die Adressaten eines im September 2004 mit großer Mehrheit gefassten Be Schlusses des 65. Deutschen Juristentages: »Das Amt des politischen Beamten ist im Bereich der Staatsanwaltschaft abzuschaffen.« (7) Eine entsprechende Empfehlung hat die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarates den betroffenen vier Bundesländern im Rahmen der Ersten Evaluierungsrunde zugeleitet und in dem »Umsetzungsbericht über Deutschland« vom 14.5.2004 begrüßt, dass Schleswig Holstein die Abschaffung der Stellung des Generalstaatsanwalts als politischer Beamter durch Änderung seines Landesbeamtengesetzes bereits erwäge. (8) Während der so erzeugte Druck dazu führen dürfte, dass in Deutschland bald kein Staatsanwalt mehr »politischer Beamter« sein wird, ist eine Beschneidung des Weisungsrechts der deutschen Justizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften in absehbarer Zeit wohl nicht zu erwarten.
Der Deutsche Richterbund hat vorgeschlagen, dass es zwar bei allgemeinen Weisungen der Justizminister an die Staatsanwaltschaften verbleiben, das »externe Weisungsrecht« in Einzelfällen aber durch Änderung des GVG abgeschafft werden sollte. (9) Abgelehnt worden ist dies vom 65. Deutschen Juristentag, (10) vom Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins” (11) und vor allem von den Rechtspolitikern der nunmehrigen Regierungsfraktionen in ihren vor der Wahl des 16. Deutschen Bundestages erbetenen Stellungnahmen zu den »Wahlkampfprüfsteinen« des Deutschen Richterbundes. (12) In der Tat lassen die Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Exekutive durch die Regelung des Art. 92 GG, die die rechtsprechende Gewalt ausschließlich den Richtern zuweist, und der verfassungsmäßige Grundsatz, dass es innerhalb der Exekutive keine »ministerialfreien Räume« geben dürfe, weil dadurch der Exekutivspitze die Lenkungsmöglichkeit entzogen und gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle beschränkt werde, (13) eine derartige Beschneidung des ministeriellen Weisungsrechts als zweifelhaft erscheinen. (14) Da es m. E. aber dem Prinzip der Gewaltenteilung, das allen demokratischen Rechtsordnungen zugrunde liegt, mehr entsprechen würde, wenn der oberste Ankläger nicht den Weisungen des Justizministeriums unterworfen wäre, plädiere ich für eine Zuordnung der Staatsanwaltschaft zur Judikative durch Änderung des Art. 92 GG, (15) wodurch ihre Weisungsunabhängigkeit sogar verfassungsmäßig geboten sein und damit die Gefahr politischer Einflussnahme vermindert werden dürfte.
Es ist nämlich eine Fehlinformation, die aber »German authorities« GRECO mitgeteilt haben, dass mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft in Deutschland keine unzulässige politische oder sonst unsachgemäße Einflussnahme verbunden sei. (16) Vielmehr lässt sich der Missbrauch der Staatsanwaltschaft in Deutschland als »Organ der Staatsregierung« bis zu ihren auch von Roxin in seiner Festrede beschriebenen Anfängen zurückverfolgen (17) und steht ihre Weisungsgebundenheit in der Bundesrepublik seit langem in der Kritik. (18) Politisch motivierte Einflussnahmen kommen auch nicht nur in einzelnen Verfahren vor, sondern sind sogar bei der Ausübung des externen Weisungsrechts durch allgemeine ministerielle Weisungen anzutreffen. Diese bezeichnet Roxin als »um der Einheitlichkeit der Strafverfolgung willen notwendig«, (19) was etwa bezüglich der bundesweit geltenden »Richtlinien für das Straf und Bußgeldverfahren« auch zutrifft. Doch übersieht er, dass die Vorschriften, mit denen der Bundesgesetzgeber die Einstellung des Ermittlungsverfahrens aus Opportunitätsgründen unter Einräumung gewisser Beurteilungsspielräume ermöglicht hat, die Gefahr bergen, von den Landesjustizministern durch allgemeine Anwendungshinweise an die ihnen nachgeordneten Staatsanwälte kriminalpolitisch instrumentalisiert zu werden.
Das lässt sich exemplarisch durch die bundesweit stark divergierende Anwendung des § 31a BtMG (Absehen von der Verfolgung bei »geringer Menge« zum »Eigenverbrauch«) belegen, wobei die in der Regel von den Ministerien gezogenen Obergrenzen für die Annahme einer geringen Menge Cannabis eine Spanne von 6 bis 30 Gramm aufweisen. (20) Das BVerfG hat dies in einem Beschluss vom 9.3.1994 beanstandet und die Länder auf ihre Pflicht hingewiesen, bei der Anwendung des Bundesrechts »für eine im Wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen«, (21) die sie immer noch nicht erfüllt haben. Auch haben Landesjustizminister für ihre Geschäftsbereiche den staatsanwaltlichen Anwendungsbereich der § § 153 f. StPO bei Ladendiebstählen durch Bestimmung von Wertgrenzen nach ihrem kriminalpolitischen Gusto festgelegt. (22)
Problematischer als die ministeriellen Einflussnahmen durch allgemeine Weisungen sind aber zweifellos diejenigen in Einzelfällen, die allerdin