VerfassungsPod: EU v. Polen
Der Konflikt zwischen der EU und Polen ist bereits viel weiter eskaliert, als man bis vor kurzem für vorstellbar gehalten hätte. Und immer noch ist kein Ende in Sicht. Aus dem innerpolnischen Verfassungskonflikt um Rechtsstaat und unabhängige Justiz ist ein europäischer Verfassungskonflikt um den Vorrang des EU-Rechts geworden. Wie konnte das passieren? Was für Kräfte sind da am Werk? Und wie kommen wir da wieder heraus?
Diesen Fragen wollten wir in diesem Podcast-Projekt auf den Grund gehen. Wir haben Interviews mit Jurist_innen, Politikwissenschaftler_innen und Historiker_innen geführt, haben recherchiert, diskutiert und nachgedacht.
In den Folgen 1 bis 3 geht es um Entstehung und Verlauf des Konflikts – zuerst auf der innerpolnischen Bühne (1), dann die Reaktion der EU (2) und die Gegenreaktion der polnischen Regierung (3). Dabei wird ein viel älterer Konflikt, der die ganze Integrationsgeschichte der EU durchzieht, in mächtige Resonanzschwingungen versetzt (4). Er präfiguriert die Möglichkeiten, den Konflikt zu lösen (5, 6).
Teil 1: Projekt Imposybilizm
In Polen kommt 2015 eine neue rechtspopulistische Regierung an die Macht, die von Tag 1 an beginnt, ihren Plan zur Unterwerfung der unabhängigen Justiz in die Tat umzusetzen, und dabei auf die Institutionen und Verfahren der polnischen Verfassung keinerlei Rücksicht nimmt. Wir rekonstruieren, was es mit diesem Plan auf sich hat, wo er herkommt und wie es der PiS-Regierung gelang, ihn umzusetzen – und bis zu welchem Punkt. (Veröffentlicht am 02.12.2021)
00:00 bis 05:50: Einleitung
05:55 bis 18:45: Die PiS-Regierung und ihre Vorgeschichte
18:45 bis 37:00: Die Zerstörung des Verfassungsgerichts
37:15 bis 42:30: Die Zerstörung des Nationalen Justizrats
53:20 bis 66:00: Der Kampf um den Obersten Gerichtshof
Teil 2: Hase und Igel
Spätestens 2017/18, als die PiS-Regierung ihr Gesetzespaket zur Übernahme der Justiz vorlegt, wird der auf Dialog und Ausgleich bedachten EU-Kommission bewusst, dass sie ein Riesenproblem hat. Während die anderen Mitgliedstaaten keinerlei Interesse zeigen, das Problem auf politischem Weg zu lösen, bringt sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg mit einer Kette von revolutionären Urteilen in eine Position, die gegen die Zerstörung der unabhängigen Justiz in Polen wirksame Hilfe verspricht. Doch die PiS-Regierung reagiert anders als erhofft. (Veröffentlicht am 06.12.2021)
00:00 bis 13:05: Europa wacht auf
13:06 bis 18:24: Portugiesische Richter:innen
18:25 bis 26:00: Irische Richter:innen
26:01 bis 31:41: Polnische Richter:innen
31:42 bis 40:49: Ein europäisches Verfassungsgericht
Teil 3: Der große Crackdown
2019 – 2021 lässt die PiS-Regierung ihr eigens zu diesem Zweck errichtetes Disziplinarregime auf die polnischen Richter_innen los, um ihren vom EuGH ermutigten Widerstand zu ersticken. Die wenden sich an den anderen Europäischen Gerichtshof, den für Menschenrechte in Straßburg, der erklärt, dass die von der PiS-Regierung mit ihren Gefolgsleuten infiltrierten Gerichte nicht “auf Gesetz beruhen” und also gar keine Gerichte sind. Die PiS-Regierung wiederum bestellt sich bei dem von ihr kontrollierten “Verfassungsgericht” Urteile, wonach Polen der Rechtsprechung beider Europäischer Gerichtshöfe und dem Recht, auf das sie sich stützen, aus angeblichen verfassungsrechtlichen Gründen keinen Gehorsam schuldet. (Veröffentlicht am 14.12.2021)
00:00 bis 15:00: Das Maulkorb-Gesetz
15:01 bis 31:10: Der EuGH erhöht den Einsatz
31:11 bis 40:43: Wie geht es weiter mit der polnischen Justiz?
Teil 4: Der Kampf um den Vorrang
Damit ist aus dem polnischen Verfassungskonflikt endgültig ein europäischer Verfassungskonflikt geworden: Es geht um den Vorrang des EU-Rechts und damit um den Grundpfeiler der Verfassung der Europäischen Union. Der ist allerdings weniger unumstritten als viele meinen. Der Kampf zwischen EuGH und nationalen Verfassungsgerichten, an die PiS-Regierung anzuknüpfen behauptet, durchzieht die ganze Geschichte der EU – und das deutsche Bundesverfassungsgericht hat dabei immer wieder eine Schlüsselrolle gespielt. (Veröffentlicht am 10.01.2022)
00:00 bis 20:00: Der Vorrang des EU-Rechts
20:01 bis 28:05: Grundrechte und die Solange-Rechtsprechung
28:06 bis 48:33: Kompetenzen und Maastricht
48:34 bis 60:37: Verfassungsidentität und Lissabon
60:38 bis 76:00: Das Jahrzehnt der Krisen
Teil 5: An den Grenzen des Rechts
Was also tun? Ist der Versuch, Polen mit rechtlichen Mitteln zum Gehorsam gegenüber dem EU-Recht zu zwingen, gescheitert? Oder war er nur noch nicht entschlossen genug? Wie kann die EU ihre Grundwerte verteidigen, wenn die Mitgliedstaaten das offenbar gar nicht so wichtig finden? Werden sie erst aktiv, wenn es um die Verteidigung ihrer Beiträge zum EU-Haushalt gegen Korruption und Misswirtschaft geht? Und was verrät uns das über die Verfasstheit der Europäischen Union selbst? (Veröffentlicht am 24.01.2022)
00:00 bis 14:30: Strafgelder
14:31 bis 22:00: Rechtsbruch mit System
22:01 bis 30:00: Schutz des Rechtsstaats durch Schutz des EU-Haushalts – und umgekehrt
30:01 bis 40:12: Konditionalität
40:13 bis 44:50: Der Mechanismus vor dem EuGH
44:51 bis 51:44: Der stärkste Trumpf der Kommission
Teil 6: Am Ende der Geduld
Wenn die Mitgliedstaaten eine gerichtlich durchsetzbare Verfassungspflicht zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der EU nicht wollen – was wollen sie dann? Warum machen sie von den politischen Möglichkeiten keinen Gebrauch, die die EU-Verträge ihnen geben? Warum ist das Artikel-7-Verfahren so ein stumpfes Schwert? Wenn Polen kein Rechtsstaat mehr ist – kann es dann überhaupt Mitglied der EU bleiben? (Veröffentlicht am 14.02.2022)
00:00 bis 10:35: Hard Polexit?
10:36 bis 20:08: Soft Polexit?
20:09 bis 29:14: Wie man die Mitgliedstaaten plötzlich hellwach bekommt: Binnenmarkt!
29:15 bis 41:34: Nochmal: Artikel 7
41:35 bis 47:06: Und wenn nicht?
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Gesprächspartner:innen:
- Prof. Dr. Dr. h.c. Stanisław Biernat, Jagiellonian University in Kraków
- Prof. Dr. Tanja A. Börzel, Freie Universität Berlin
- Prof. Dr. Hans-Petter Graver, Universität Oslo
- Prof. Dr. Ireneusz Paweł Karolewski, Universität Leipzig
- Prof. R. Daniel Kelemen, Rutgers University
- Prof. em. Dr. Ulrike Liebert, Universität Bremen
- Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, Europa-Universität Flensburg
- Prof. Dr. Franz C. Mayer, Universität Bielefeld
- Dariusz Mazur, Richter am Regionalgericht Krakau
- Prof. Dr. Florian Meinel, Georg-August-Universität Göttingen
- Prof. Dr. Jan-Werner Müller, Princeton University
- Prof. Dr. Martin Nettesheim, Universität Tübingen
- Dr. Thu Nguyen, Jacques Delors Centre
- Prof. Dr. Laurent Pech, Middlesex University London
- Prof. Dr. Morten Rasmussen, University of Copenhagen
- Dr. Roya Sangi, Kanzlei Redeker Sellner Dahs
- Prof. Dr. Daniel Sarmiento, Universidad Complutense Madrid
- Dr. Malte Symann, Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer
- Prof. Dr. Alexander Thiele, BSP Business & Law School Berlin
- Prof. Dr. Antoine Vauchez, Université Paris 1-Sorbonne
- Anna Wójcik, Polnische Akademie der Wissenschaften
Quellen:
Auf dem Verfassungsblog sind seit 2015 mehr als 300 Artikel zur Rechtsstaatskrise in Polen erschienen. Eine unschätzbare Informationsquelle ist außerdem die fortlaufende Berichterstattung auf der Website RuleofLaw.pl.
Weitere Informationsquellen:
- Amelie Albrecht: Sanktionen gegenüber „democratic backsliding“ in Ungarn und Polen – Das Interventionsparadox der EU. Münchner Beiträge zur Politikwissenschaft 2020. DOI: 10.5282/ubm/epub.72109.
- Petra Bárd, Adam Bodnar: The End of an Era. The Polish Constitutional Court’s judgment on the primacy of EU law and its effects on mutual trust, CEPS Policy Insights 2021 / 15.
- Stanisław Biernat, Paweł Filipek: The Assessment of Judicial Independence Following the CJEU Ruling in C-216/18 LM. In: Armin von Bogdandy et al. (Hrsg.): Defending Checks and Balances in EU Member States. Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 298, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62317-6_16
- Anne Boerger, Morten Rasmussen: Transforming European Law: The Establishment of the Constitutional Discourse from 1950 to 1993. European Constitutional Law Review 2014, S. 199 ff.
- Israel Butler: Two proposals to promote and protect European values through the Multiannual Financial Framework: Conditionality of EU funds and a financial instrument to support NGOs, Civil Liberties Union for Europe, März 2018, https://drive.google.com/file/d/1UG4PIg7tObjUoK9tBKq3IdqCT-eB5iM9/view
- Rebecca Byberg: The History of the Integration Through Law Project: Creating the Academic Expression of a Constitutional Legal Vision for Europe, German Law Journal 2020, S. 1431 ff.
- ESI Report 18 December 2021: The Polish Bulldozer: Towards a win-win-win for Poland, the EU and the European Commission, https://www.esiweb.org/sites/default/files/reports/pdf/Polish%20Bulldozer%20report%20-%20ESI%20-%2018%20December%202021.pdf
- Paweł Filipek: The New National Council of the Judiciary and its impact on the Supreme Court in the light of the principle of judicial independence. Problemy Współczesnego Prawa Międzynarodowego, Europejskiego i Porównawczego 2018, S. 177ff.
- Gábor Halmai: The possibility and desirability of economic sanction: Rule of law conditionality requirements against illiberal EU Member States, EUI Working Papers Law 2018/06, https://cadmus.eui.eu/bitstream/handle/1814/51644/LAW_2018_06.pdf
- Lukas Hartmann: Fehlerfolgen: Ist die verfassungsgerichtliche Ultra-Vires- und Identitätskontrolle aus verfassungsrechtlichen Gründen rechtlich wirkungslos? Der Staat 2021, S. 387 ff.
- R. Daniel Kelemen: The European Union’s Authoritarian Equilibrium. Forthcoming in Journal of European Public Policy, Rutgers Law School Research Paper, http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3450716
- R. Daniel Kelemen, Tommaso Pavone: Where Have the Guardians Gone? Law Enforcement and the Politics of Supranational Forbearance in the European Union, SSRN working paper, 27.12.2021
- Dimitry V. Kochenov, Petra Bárd: The Last Soldier Standing? Courts vs. Politicians and the Rule of Law Crisis in the New Member States of the EU (February 22, 2019). 1 Eur Ybk Cont’l L 2019, University of Groningen Faculty of Law Research Paper 5/2019, https://ssrn.com/abstract=3339631.
- Dimitry V. Kochenov, Barbara Grabowska-Moroz: Constitutional Populism versus EU Law: A Much More Complex Story than You Imagined. RECONNECT Working Paper 16, Juli 2021, https://ssrn.com/abstract=3880717
- Helle Krunke, Sune Klinge: The Danish Ajos Case. The Missing Case from Maastricht and Lisbon. European Papers 2018, S. 157 ff.
- Katarzyna Krzyżanowska: Legal impossibilism versus the rule of law, Review of Democracy 29.6.2021, https://revdem.ceu.edu/2021/06/29/legal-impossibilism-versus-the-rule-of-law.
- Claus Leggewie, Ireneusz Pawel Karolewski: Die Visegrád-Connection. Eine Herausforderung für Europa, Berlin 2021.
- Wilfried Loth: Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte. 2. Aufl., Frankfurt 2020.
- Florian Meinel: Das Bundesverfassungsgericht in der Ära der Großen Koalition – zur Rechtsprechung seit dem Lissabon-Urteil. Der Staat 2021, S. 43 ff.
- Christoph Möllers, Linda Schneider: Demokratiesicherung in der Europäischen Union. Studie zu einer europäischen Aufgabe. Heinrich-Böll-Stiftung, Schriften zu Europa Bd. 9, Berlin 2018.
- Christian Neumeier: Kompetenzen. Zur Entstehung des deutschen öffentlichen Rechts, Tübingen 2021 (i.E.).
- Laurent Pech, Dimitry Kochenov: Respect for the Rule of Law in the Case Law of the European Court of Justice. A Casebook Overview of Key Judgments since the Portuguese Judges Case, SIEPS 2021/3, https://www.sieps.se/globalassets/publikationer/2021/sieps-2021_3-eng-web.pdf?.
- Laurent Pech: The Rule of Law in the EU: The Evolution of the Treaty Framework and Rule of Law Toolbox, Pech, RECONNECT Working Paper 7, März 2020, http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3608661
- Laurent Pech, Sébastien Platon: Judicial Independence Under Threat: The Court of Justice to the Rescue. Common Market Law Review 2018, S. 1827 ff., https://ssrn.com/abstract=3607788
- Laurent Pech, Kim Lane Scheppele: Illiberalism Within: Rule of Law Backsliding in the EU. Cambridge Yearbook of European Legal Studies 2017, S. 3 ff., http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3009280
- Morten Rasmussen: Towards a Legal History of the EU, European Papers 2021, S. 923 ff.
- Wojciech Sadurski: Poland’s Constitutional Breakdown, Oxford 2019.
- Wojciech Sadurski: What makes Kaczyński tick? ICONnect 14.1.2016, http://www.iconnectblog.com/2016/01/what-makes-kaczynski-tick/.
- Marek Safjan: Transitional Justice: The Polish Example, the Case of Lustration. European Journal of Legal Studies 2007, S. 1, http://hdl.handle.net/1814/7711.
- Eric Stein: Lawyers, Judges, and the Making of a Transnational Constitution, American Journal of International Law 1981, S. 1 ff., https://doi.org/10.2307/2201413
- Hanna Suchocka: Lustration: Experience of Poland. Venedig-Kommission des Europarats, CDL-PI(2015)029.
- Tom Theuns: The Need for an EU Expulsion Mechanism: Democratic Backsliding and the Failure of Article 7, Res Publica, 2.11.2021, https://doi.org/10.1007/s11158-021-09537-w
- Venedig-Kommission des Europarats: Joint Urgent Opinion of the Venice Commission and the Directorate General of Human Rights and the Rule of Law (DGI) of the Council of Europe on Amendments to the Law on the Common Courts, the Law on the Supreme Court and some Other Laws, 16.1.2020, CDL-PI(2020)002.
Urteile:
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte:
- 12.9.2019: Guðmundur Andri Ástráðsson v. Iceland, 26374/18, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-191701
- 7.5.2021: Xero Flor w Polsce v. Polen, 4907/18, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-210065
- 29.6.2021: Broda und Bojara v. Polen, 26691/18, 27367/18, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-210693
- 22.7.2021: Reczkowicz v. Polen, 43447/19, http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=001-211127
- 8.11.2021: Dolińska-Ficek und Ozimek v. Polen, 49868/19 57511/19, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-213200
- 3.2.2022: Advance Pharma SP.Z.O.O. v. Polen, https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-215388
Europäischer Gerichtshof:
- 27.2.2018: Associação Sindical dos Juízes Portugueses gegen Tribunal de Contas, C-64-16
- 17.4.2018: Europäische Kommission gegen Polen (Wald von Białowieża), C-441/17
- 25.6.2018: LM (Celmer) , C-216/18 PPU
- 24.6.2019: Europäische Kommission gegen Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofs), C-619/18
- 24.6.2019: Daniel Adam Popławski, C-573/17
- 5.11.2019: Europäische Kommission gegen Polen (Zwangsverrentung), C‑192/18
- 19.11.2019: A. K. gegen Krajow a Rada Sądow nictwa und CP und DO gegen Sąd Najwyższy, C‑585/18, C-624/18, C-625/18
- 29.1.2020: DŚ gegen Zakład Ubezpieczeń Społecznych Oddział w Jaśle, C‑522/18 (erledigt)
- 26.3.2020: Miasto Łowicz gegen Skarb Państwa – Wojewoda Łódzki und Prokurator Generalny gegen VX, WW, XV, C‑558/18, C‑563/18
- 2.3.2021: A.B. u.a., C-824/18
- 20.4.2021: Repubblika gegen Il-Prim Ministru, C-896/19
- 18.5.2021: Asociația „Forumul Judecătorilor din România“, C‑83/19, C‑127/19, C‑195/19, C‑291/19, C‑355/19 und C‑397/19
- 15.7.2021: Europäische Kommission gegen Polen (Disziplinarkammer), C-791/19
- 20.9.2021: Tschechische Republik/ Polen (Turów), C-121/19 (Beschluss)
- 6.10.2021: W.Z., C-487/19
- 27.10.2021: Europäische Kommission gegen Polen („Maulkorb“-Gesetz), einstweilige Anordnung, C-204/21 R
- 16.11.2021: W.B. u.a. C‑748/19 bis C‑754/19
- 2.12.2021: Republik Polen gegen Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union, C-157/21, und Ungarn gegen Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union, C-156/21, Schlussanträge von Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona
Vielen Dank für den hervorragend recherchierten und aufbereiteten Podcast. Ich warte schon gespannt auf die nächste Folge!
Is a transcript available?
Thank you – for all the important work you do.
Vielen Dank für den großartigen Beitrag!
Habt ihr einen Paypal-Link, unter dem man euch unterstützen kann?
super, vielen Dank! Am liebsten über Steady (https://steadyhq.com/de/verfassungsblog/about), aber Paypal haben wir natürlich auch: https://www.paypal.com/paypalme/verfassungsblog
Auch ich danke sehr für die hervorragenden Einblicke in die Zusammenhänge von Verfassungsgerichtsarbeit und Rechtsstaatswahrung. Mir hätte es diesbezüglich sehr gut gefallen, wenn der Aspekt der Anerkennung von EuGH-Rechtsprechung durch das polnische Verfassungsgericht im Kontext des Konkurrenzkampfes zwischen Karlsruhe und Luxemburg noch näher ausgeleuchtet worden wäre. Vielleicht könnte sich hieran eine Idee für weitere Projekte anschließen, bei der der Frage nachgegangen wird, inwiefern die BVerfG-Rechtsprechung und ihre Marschroute des letzten Wortes der deutschen Verfassung für den europäischen Gesamtkontext problematisch werden kann, weil ander Mitgliedsstaaten mit dem Finger auf die deutsche Praxis zeigen können, wenn sie eine Vorgabe aus Luxemburg nicht anerkennen wollen.
Es wäre daher politikwissenschaftlich interessant, die Frage zu erörtern, inwiefern die Einforderung einer Sonderbehandlung des deutschen Rechts von Drittstaaten nicht als Carte Blanche angenommen werden sollte, wenn es darum geht EU-Recht unter Beachtung des Maßstabs des EuGH im nationalen Kontext anzuwenden. Schlussendlich könnte Griechenland, Spanien oder Irland sich auf die Position zurückziehen, dass die Aufrechterhaltung eines ausgeprägten Sicherheitsnetzes und Sozialstaates Teil der unverrückbaren Verfassungsgrundsätze sei und von den Kreditgeberländern des Nordens eingeforderte Kürzungen dieser Bereiche, die sich auf EU-Recht stützen, unzulässig seien.
Warum also steht Karlsruhe auf dem Standpunkt, das deutsche Recht habe in seiner Gesamtheit ein Recht auf Sonderbehandlung, da die europäischen Regelungen nur soweit beachtet werden müssen, wie es die Verfassung vorgibt? Wieso soll das polnische Verfassungsgericht den Einwand gelten lassen, es sei zwingend an EU-Recht gebunden, wenn das deutsche BVerfG dies nur unter der Einschränkung eines klauten “Ja, aber…” zulässt. Stichwort Staatsanleihe-Programm.
Mir ist selbstverständlich klar, dass die zwei Gerichte in ihrer Zusammensetzung und politischen Instrumentalisierung nicht vergleichbar sind, aber aus einer faktisch-pragmatischen Sicht kann sich der schmollende polnische Autokrat doch guten Gewissens auf den Standpunkt zurückziehen, die Deutschen würden doch auch nicht immer machen, was Luxemburg wolle.
Die Frage stellt sich demnach, wie Karlsruhe den Dualismus mit Luxemburg in einer glaubhafteren Weise mit gleichem Ergebnis ausgestalten kann, auf dass autoritär unterwanderte Verfassungsgerichte in den EU-Mitgliedsstaaten nicht nach Karlsruhe zeigen und mit diesem Verweis die Relativität der Bindungswirkung der EuGH-Rechtsprechung begründen können.
Als letzte Anmerkung dann eine Stil-Frage:
Wie kommt es eigentlich, dass im Rahmen eines Verfassungspodcasts Carl Schmitt wohlwollend und mit dem Zusatz “schön” rezipiert werden kann und keiner der Moderatoren die Sprecherin diesbezüglich herausfordert? Sollte im 21. Jahrhundert nicht langsam aber sicher der Glorifizierung und positiven Rezeption dieses üblen Genossens und Vordenkers der antiliberalen wie antidemokratischen Kräfte Einhalt geboten werden? In jedem Fall hätte ich mir hier zumindest eine kritische Anmerkung gewünscht, immerhin handelt es sich bei ihm nicht um irgendeinen Staatsrechtler, Philosophen oder Politologen, sondern zu einem nich unerheblichen Teil auch um einen Agitator für diejenigen Umwälzungen, deren Einhalt sich der Verfassungsblog meiner bisherigen Wahrnehmung entsprechend eigentlich verschrieben hat.