Verfolgung Strafunmündiger als Erziehungskonzept?
Zur Vorladung eines sechsjährigen „Tatverdächtigen" durch die Berliner Polizei
Vor kurzer Zeit erlangte ein skurriler Fall öffentliche Bekanntheit, der sich in einer Berliner Bildungseinrichtung ereignete. Ein Sechsjähriger geriet in Streit mit anderen Kindern. Als eine möglicherweise überforderte Erzieherin, die den Streit nicht zu schlichten vermochte, den Kindesvater anrufen wollte, um das Kind vorzeitig abholen zu lassen, soll der Erstklässler angeblich der Erzieherin auf die Hand geschlagen haben. Die Geschädigte muss von diesem Kraftakt überwältigt gewesen sein und begnügte sich nicht mit einer Entschuldigung des Kindes. Die Schulleitung erstattete vielmehr gegenüber der Polizei Strafanzeige wegen Körperverletzung.
Über die erziehungsberechtigten Eltern erhielt das Kind daraufhin vom Polizeipräsidenten Berlins eine „Vorladung von Kindern“. „In einer Ermittlungssache“ solle der Betroffene „gehört werden“. Beigefügt war ein „Merkblatt für junge Tatverdächtige und ihre Eltern“, das über die „Möglichkeit der Verfahrenseinstellung durch eine erzieherische Maßnahme (Diversionsverfahren)“ informierte. Unter der fettgesetzten Überschrift „Wie geht es weiter?“ findet sich der Hinweis, dass der „Beschuldigte“ eine Telefonnummer erhalte, unter der er sich an das Berliner Büro für Diversionsberatung und -vermittlung wenden könne. Die zuständige Senatsverwaltung sah nach Konfrontation mit dem Vorgang offenbar keine Anhaltspunkte für ein grobes Fehlverhalten. Dies ebenso wie sich anscheinend häufende Beschwerden über ein vergleichbares Vorgehen deuten darauf hin, dass es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine allgemeine Praxis handeln könnte, Strafverfolgungsbehörden zu erzieherischen Zwecken auch dort einzuschalten, wo es um Handlungen Strafunmündiger geht.
Auf den ersten Blick mag dies nur wie eine erneute groteske Fehlleistung der Behörden eines Landes wirken, das mit der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben im Schlendrian administrativer Desorganisation immer wieder überfordert ist. Genauer besehen geht es hier aber um den Anfangsverdacht von schwerwiegenden Straftaten im Amt.
Strafunmündigkeit
Das behördliche Vorgehen ist an strafrechtlichen Ermächtigungen zu messen. Es handelt sich bei der „Vorladung“ unzweideutig um ein strafprozessuales Vorgehen, nicht um eine etwaige Präventionsmaßnahme. Die Polizei verfügt weder im Bereich der Schulverwaltung noch der Jugendhilfe über eigene Aufgaben. Zudem fehlt es an einer Ermächtigung für eine Vorladung, die – schon aufgrund der imperativen Formulierung – kraft Vorbehalts des Gesetzes erforderlich wäre. Zu einem – hier offenkundig nicht veranlassten – Beratungsgespräch im Bereich der Gewaltprävention könnte der Polizeipräsident allenfalls unverbindlich im Sinne eines Hilfsangebots einladen. Vor allem ist der Kontext im Fall unmissverständlich: Eine „Ermittlungssache“ ist ein Strafverfahren; der Hinweisbogen bezieht sich explizit auf Beschuldigte, die es nur im Strafverfahren gibt; ein Diversionsverfahren ist allein im Jugendstrafrecht vorgesehen (§ 45 JGG). Aus dem Gesamtkontext ergibt sich also, dass die Polizei den Sechsjährigen als Beschuldigten in einem Strafverfahren adressierte.
Schuldprinzip
Strafrecht ist in diesem Fall aber offenkundig nicht anwendbar. Nach § 19 StGB ist schuldunfähig, wer bei der Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist. Auch der Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts greift nach § 1 Abs. 2 JGG nur bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Jugendlicher ist hiernach, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist. Ein Sechsjähriger ist also strafunmündig. Das hierin konkretisierte Schuldprinzip wurzelt nach dem BVerfG in der Menschenwürde (etwa BVerfGE 133, 168, 197 f.), die materiale Vorwerfbarkeit voraussetzt, wenn ein hoheitlicher Vorwurf durch Pönalisierung erfolgen soll. Schuldbegründende Zurechnungskriterien lassen sich nicht beliebig verfassungskonform ausgestalten, sondern müssen den realen Kontexten von Handlung und Einsichtsfähigkeit Rechnung tragen. Auch wenn sich das konkrete Alter der Strafmündigkeit nicht verfassungsunmittelbar exakt deduzieren lässt, ist § 19 StGB doch jedenfalls eine einfachgesetzliche Schutzvorkehrung dagegen, nicht hinreichend eigenverantwortliche Minderjährige zu bloßen Objekten öffentlicher Normstabilisation zu degradieren. Die absolute Strafunmündigkeit soll insoweit genau gegen ein Vorgehen wie im vorliegenden Fall beschützen, in dem die äußeren Formen des Schuldstrafrechts zu einem Stigmatisierungsmittel pervertiert werden.
Strafprozessrecht
Das Strafprozessrecht bietet konsequenterweise keine Ermächtigungsgrundlage, Minderjährige als Beschuldigte vorzuladen. Nach allgemeiner Ansicht (z. B. Fischer, StGB, § 19 Rn. 2) bildet die absolute Strafunmündigkeit nach § 19 StGB ein Prozesshindernis. Ein Strafverfahren darf insoweit mangels Anfangsverdachts nach § 152 Abs. 2 StPO schon nicht eingeleitet werden. Stellt sich das Verfahrenshindernis erst nachträglich heraus, etwa weil das Alter eines Beschuldigten anfänglich unbekannt war, ist das Verfahren umgehend einzustellen. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 199 Abs. 1 StPO) erfolgt die Einstellung durch Beschluss des Gerichts (§ 206a Abs. 1 bzw. § 260 Abs. 3 StPO).
Ein strafunmündiges Kind kann natürlich Zeuge im Strafprozess sein. Davon abgesehen, dass die Polizei keine Zeugen verbindlich vorladen kann (zur Anordnung ist nach §§ 161a Abs. 1 Satz 1, 163 Abs. 3 Satz 1 StPO nur die Staatsanwaltschaft befugt), liegt eine Zeugensituation aber ersichtlich nicht vor. Ist Anlass der Maßnahme eine mutmaßliche Tat des Kindes, ist dieses von vornherein nicht Zeuge, jedenfalls solange gegen eine andere Person (wie die Lehrkraft) kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Zeuge der eigenen Straftat kann man nicht sein, schon weil dies die qualifiziert schützenden Beschuldigtenrechte unterlaufen würde. Auch der Hinweis in der Anlage zur Vorladung auf die Handlungsmöglichkeiten Beschuldigter im Jugendstrafverfahren verdeutlicht, dass es nicht um eine etwaige Zeugenstellung gehen sollte.
Nun könnte eine tatbestandliche Straftat Strafunmündiger eine Gefährdung des Kindeswohls indizieren (ein Zehnjähriger, der immer den geladenen Revolver des Vaters mit ins Klassenzimmer nimmt, um Schutzgeld zu erpressen, mag in seiner sozialen Entwicklung gefährdet sein), aber um dies zu prüfen, enthält das Strafprozessrecht keine Eingriffsinstrumente. Das einschlägige Jugendhilferecht (SGB VIII) ermächtigt zum einen keine Strafverfolgungsbehörden und enthält zum anderen für verwaltungsrechtliche Maßnahmen der Jugendämter, für die hier offenkundig keinerlei Anlass bestand, aus gutem Grund hohe Eingriffshürden. Im Übrigen ist es im Einklang mit Art. 6 Abs. 2 GG spezifisch auf die Unterstützung der Eltern bei der Erziehung ausgerichtet.
Strafbarkeit der beteiligten Polizeibeamtinnen und -beamten
Das damit strafprozessual rechtswidrige Vorgehen der Polizei kann für die tätig gewordenen Ermittlungsbeamtinnen und -beamten zugleich empfindliche strafrechtliche Konsequenzen zeitigen. Nahe liegt hier vor allem der Straftatbestand der Verfolgung Unschuldiger (§ 344 Abs. 1 Satz 1 StGB). Wer hiernach als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Das ist ein von Amts wegen zu verfolgender Verbrechenstatbestand (§ 12 Abs. 1 StGB) mit einem Strafrahmen, der dem der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB), des Menschenraubs (§ 234 StGB) oder der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) entspricht. Eine vergleichbare Bestimmung enthielt bereits § 344 Reichsstrafgesetzbuch von 1871, dessen drakonischer Strafrahmen vor allem den rechtsstaatlichen Zeitgeist der Reichsjustizgesetzgebung spiegelte, die dem Missbrauch der staatlichen Strafgewalt einen sichtbaren Riegel vorschieben wollte. Obgleich die Bestimmung des § 344 StGB statistisch eine eher zu vernachlässigende Rolle spielt, zeigt der vorliegende Fall, dass diese rechtsstaatliche Schutzfunktion auch gegenüber einer demokratischen Verwaltung keineswegs obsolet geworden ist.
Täter des § 344 Abs. 1 StGB kann nur ein Amtsträger sein, der zur Mitwirkung an der Strafverfolgung berufen ist, also zu dessen Aufgabenkreis prozessuale Strafverfolgungshandlungen gehören. Das sind neben Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auch Hilfspersonen der Strafverfolgung wie zuständige Polizistinnen und Polizisten (vgl. BGHSt 1, 255 ff.). Unschuldig ist, wer nach materiellem Strafrecht wegen einer Tat, die zur Last gelegt wird, nicht strafbar ist (Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.], NK-StGB, Bd. 3, § 344 Rn. 9, 13). Ein nach § 19 StGB Strafunmündiger ist hiernach immer unschuldig, seine Verfolgung also objektiv tatbestandsmäßig.
Mit der Vorladung als Beschuldigten nahmen die Polizeibeamtinnen und -beamten auch eine Verfolgungshandlung vor. Verfolgung ist eine dienstliche Handlung in einem Strafverfahren, die „auf einen positiven Ausgang des Verfahrens“ (sprich: die Bestrafung) „abzielt oder nur getroffen werden dürfte, wenn ein solcher Ausgang in Betracht käme“ (Fischer, a.a.O., § 344 Rn. 3). Die Vorladung als Beschuldigter ist zweifellos eine Verfahrenshandlung, die ausschließlich gegen Personen getroffenen werden darf, die überhaupt erst einmal beschuldigt werden können (§ 163a StPO). Als Beispiel für eine strafbare Verfolgung Unschuldiger wird daher auch die Übersendung eines Vernehmungsbogens an eine bekanntermaßen nicht schuldige Person genannt (Fischer, a.a.O., § 344 Rn. 3). Da § 344 StGB kein Erfolgs-, sondern ein reines Tätigkeitsdelikt ist, muss es nicht zu einer Verurteilung kommen (Kuhlen, a.a.O., § 344 Rn. 6). Der Straftatbestand ist vielmehr bereits mit der Vornahme der Verfolgungshandlung vollendet, d. h. bereits die Versendung der Vorladung an einen Unschuldigen verwirklicht den Tatbestand, ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB ist danach ausgeschlossen.
Als subjektives Tatbestandsmerkmal verlangt § 344 Abs. 1 Satz 1 StGB qualifizierten Vorsatz, nämlich Absicht oder Wissentlichkeit. Wussten also die betrauten Polizistinnen und Polizisten als Hilfspersonen der Staatsanwaltschaft, dass der Adressat, der vorgeladen wurde, nur sechs Jahre alt und damit nach § 19 StGB strafunmündig ist, wäre auch der subjektive Tatbestand der Verfolgung Unschuldiger verwirklicht. Vom positiven Wissen um die Strafunmündigkeit ist hier ersichtlich auszugehen, weil die Anzeige von der Schulbehörde kam, die die Polizei über Hergang, Kontext und Alter informiert hatte. Damit war klar, dass der Betroffene zum einen kein bloßer Zeuge einer möglichen Straftat Dritter war und dass er selbst für eine etwaige Verletzungshandlung nicht strafrechtlich belangt werden konnte.
Die Versendung der Vorladung zur Vernehmung des Kindes als Beschuldiger verwirklicht damit im Ergebnis den Straftatbestand des § 344 Abs. 1 StGB. Im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung wäre, sofern das Gericht die Tathandlung nicht als minderschweren Fall bewertet, allein aufgrund der Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr das Beamtenverhältnis der tatbeteiligten Polizistinnen und Polizisten von Gesetzes wegen beendet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), ohne dass es auf weitere disziplinarische Maßnahmen ankäme.
Strafbarkeit des Schulpersonals
Was das Schulpersonal betrifft, das an der Erstattung der Anzeige mitgewirkt hat, kommt eine Täterschaft nicht in Betracht. Zwar kann bereits eine Anzeige, die eine Verfolgung durch die zuständigen Organe in Gang setzt, taugliche Tathandlung im Sinne des § 344 Abs. 1 StGB sein. Lehrerinnen und Lehrer sind aber grundsätzlich – auch abstrakt – innerhalb ihres Aufgabenkreises nicht zur Mitwirkung an Maßnahmen der Strafverfolgung berufen. Die Strafanzeige kann allerdings Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) zur Verfolgung Unschuldiger sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Anzeige in der Kenntnis vorgenommen wird, dass die Polizei – etwa nach einer etablierten Praxis oder einer konkreten Absprache im Fall – zur Beschuldigtenvernehmung lädt und durch die Anzeige ein Tatentschluss geweckt bzw. die Verfolgungshandlung durch Zurverfügungstellung des Fallmaterials gefördert wird. Das darf man jedenfalls vermuten, denn anderenfalls wäre eine Strafanzeige der Schulbehörde bei der Polizei schlicht sinnlos.
Sollte eine entsprechende Praxis sogar mit Rückendeckung der Schulaufsichtsbehörden etabliert worden sein oder aufrechterhalten werden – etwa in der Absicht, strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu missbrauchen, in dem gegen Strafunmündige eingeschritten wird, um die expressive Wirkung der Beschuldigtenvernehmung erzieherisch einzusetzen – dann läge auch insoweit eine Teilnehmerstrafbarkeit jedenfalls wegen psychischer Beihilfe durch Bestärken des strafbaren Vorgehens nahe. Ob sich die Handelnden der Unzulässigkeit ihres Verhaltens bewusst waren oder nicht, ist hierbei unerheblich, weil es ggf. um einen vermeidbaren Verbotsirrtum ginge, der nach § 17 StGB nicht entlastet.
Disziplinarische Verantwortung des Schulpersonals
Unabhängig von der Strafbarkeit ist das missbräuchliche Stellen einer Strafanzeige gegen einen Strafunmündigen durch eine staatliche Behörde in jedem Fall ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Private können zwar grundsätzlich jederzeit eine Strafanzeige wegen jedweden Vorkommnisses stellen, weil es sich bei einer Anzeige nicht um eine rollenspezifische Prozesshandlung, sondern um eine reine Wissensbekundung handelt. Was mit einer privaten Anzeige geschieht, muss dann die zuständige Behörde verantworten. Man kann auch das übermäßige Gießen des Hochbeets beim Nachbarn anzeigen, nur ergeben sich hieraus eben keine rechtlichen Konsequenzen.
Anderes gilt für staatliche Behörden wie die Leitung einer staatlichen Schule oder die Schulaufsichtsbehörde. Diese üben grundrechtsgebundene Gewalt aus (Art. 1 Abs. 3 GG) und sind der Gesetzlichkeit der Verwaltung unterworfen (Art. 20 Abs. 3 GG), was nicht immer mit der gebotenen Festigkeit im Bewusstsein erziehungsberuflicher Milieus verankert sein mag. Eine Anzeige durch eine Behörde ist eine Übermittlung personenbezogener Daten, für die eine Ermächtigungsgrundlage vorhanden sein und die der Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe durch die empfangene Behörde dienen muss. Beides ist hier nicht der Fall. Der missbräuchliche Einsatz einer Strafanzeige, um erzieherische Konflikte innerhalb der Schule zu lösen, verletzt damit geltendes Recht, führt zu einer Stigmatisierung des Kindes zum Straftäter und verstärkt möglicherweise anderweitige Diskriminierungserfahrungen. Machtmissbrauch erfolgt typischerweise gerade gegenüber denjenigen, bei denen man Widerstand nicht erwartet: bei (scheinbar) sozial Benachteiligten. Es würde daher kaum überraschen, wenn eine möglicherweise bestehende kohärente Praxis der Schulbehörden statistisch auch spezifischen Betroffenenmustern folgt, also etwa Kinder mit (scheinbar) migrantischen Namen statistisch besonders häufig von Anzeigen aus Schulen betroffen sind.
Unabhängig von der Strafbarkeit wäre daher das Schulpersonal mit den Mitteln des Arbeits- oder Beamtendisziplinarrechts nachhaltig an die Unverbrüchlichkeit administrativer Gesetzesbindung zu erinnern, um solche bizarren Praktiken wirksam abzustellen.
Einzeltäter oder organisierter Machtmissbrauch?
Der Beispielsfall verdeutlicht einmal mehr, dass die amtsbezogenen Straftatbestände des StGB ein filigraner Baustein in der Architektur der Gesamtrechtsordnung zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit sind. Amtsstraftatbestände richten sich gegen Machtmissbrauch und sind Korrelat der besonderen Hoheitsrechte, die Amtsträgerinnen und Amtsträgern durch demokratisches Recht übertragen wurden, um ihre Ämter verantwortungsvoll, neutral, ohne Ansehung der Person und nach geltendem Recht zu verwalten. Der Fall zeigt aber auch, welche Probleme es bereitet, wenn der Staat soziale Konflikte, die in Schulen allgegenwärtig sind, zu einem ganzheitlichen Problem aufbläht, zu dessen Lösung dann alle möglichen Behörden irgendwie aufgerufen sein sollen. Ein diffuses Kindeswohl wirkt dann eher als semantischer Brandbeschleuniger. Dies unterläuft die freiheitsschützende Aufgabendifferenzierung der öffentlichen Gewalt (hier zwischen Schul-, Jugendhilfe- und Strafverfolgungsbehörden) und durchbricht die Grenzen rechtsstaatlicher Eingriffsverwaltung. Am allerwenigsten gedient ist damit den Kindern, um die es eigentlich gehen sollte.