Zugang
Zugänge öffnen. Das ist es, was wir machen. Wir öffnen den Zugang zu dem, was Wissenschaftler*innen über Verfassungsrecht und Verfassungspolitik wissen. Wir öffnen ihn für die Rechtswissenschaftler*innen untereinander, über Sprach-, Kultur- und Rechtsordnungsgrenzen hinweg. Wir öffnen ihn für die Wissenschaft überhaupt, über Disziplingrenzen hinweg. Und schließlich und vor allem öffnen wir ihn für die Öffentlichkeit. Wir verschaffen der Öffentlichkeit einen Zugang zu dem Wissen der Wissenschaft, das sie braucht, um sich so viele fundamentale Dinge, die in diesen komplizierten Zeiten in der Welt passieren, eine informierte Meinung bilden zu können.
Das ist gar nichts Neues. Das war eigentlich schon immer unsere Selbstbeschreibung. Neu sind die Schlussfolgerungen, die wir seit 1.1.2023 daraus ziehen.
Zugänge zu Informationen zu öffnen war in der alten Welt der Job von Medienunternehmen: Verlage investieren in die Herstellung und den Vertrieb von Medien, die Leser*innen und Werbekund*innen hinreichend nützlich finden, dass sie dafür einen Preis zu bezahlen bereit sind, mit dem der Verlag auf seine Kosten kommt. Das ist die Welt, in der ich noch Journalist geworden bin. Wie jede*r weiß, der die letzten zwei Jahrzehnte nicht unter einem Stein verbracht hat, existiert diese Welt nicht mehr. Die großen Medienunternehmen investieren heutzutage nicht mehr in die Öffnung von Zugängen. Sie investieren in deren Schließung. Sie investieren in Paywalls und Exklusivlizenzen. Noch viel mehr investieren sie in Datenanalyse. Nicht anders als Meta, Amazon und Alphabet gründet sich ihr Wert nicht so sehr auf das Wissen, das wir durch sie beziehen, als vielmehr auf das Wissen, das sie über uns besitzen. Sie wissen, was wir lesen, schreiben, denken, wie weit wir aufmerksam bleiben und wo wir uns zu langweilen anfangen, was wir mögen und was uns aufregt, was wir vermögen und was wir wertschätzen und wie sehr. Sie wissen das über jede*n Einzelne*n von uns, und sie wissen das über uns alle zusammen. Es ist ihr exklusives Eigentum, dieses Wissen, zu dem sie Zugang verschaffen, wer immer sie dafür bezahlt, und mittels dessen sie regulieren, wer in ihrer privaten, von Security-Wachleuten wimmelnden Shopping Mall der Ideen zu welchen Informationen Zugang bekommt oder auch nicht (dringende Leseempfehlung dazu: hier!).
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Eine Karriere bei Hausfeld bietet die Möglichkeit, in einer anderen Art von Kanzlei zu arbeiten. Wir wachsen weiter und suchen Associates (m/w/d) Digitalkartellrecht mit oder ohne Berufserfahrung für unser Berliner Büro in Voll- oder Teilzeit. Wenn Sie auch Teil unseres renommierten Teams werden möchten, freuen wir uns auf Ihre vollständige Bewerbung mit Ihrem frühesten Eintrittsdatum an: bewerbung@hausfeld.com.
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Nirgends ist das extremer als in der Wissenschaft. Den Zugang zu ihrem Wissen kontrolliert ein Oligopol riesiger Verlagskonzerne: Elsevier, Wiley, Springer, Taylor & Francis, plus ein paar Lokalgrößen wie unser deutscher Jura-Quasimonopolist C.H.Beck. Diese Konzerne halten Exklusivrechte an den allermeisten Monographien, Sammelwerken, Datenbanken und Zeitschriftenartikeln, aus denen der öffentliche Zugang zum Wissen der Wissenschaft eigentlich besteht – zu welchem sie selbst übrigens kaum noch beitragen, weil die ganze Redaktionsarbeit aus der Wissenschaft zumeist für lau nebenher miterledigt wird und das digitale Veröffentlichen als solches ja kaum noch Aufwand macht. Und weil die Wissenschaft um jeden Preis auf den Zugang zu diesem Wissen angewiesen ist, können sie auch jeden Preis verlangen und kriegen ihn bezahlt von den Unis in den Ländern, die reich genug sind, sich solche Preise leisten können. Damit die Wissenschaft um jeden Preis auf diese Zugänge angewiesen bleibt und sich nicht womöglich alternative Wege sucht, haben die Verlagskonzerne ein hermetisches System von Metriken für die Messung von “Impact” und anderem Hokuspokus in die Welt gesetzt, von denen von der Berufung bis zum Drittmittelantrag zunehmend die ganze Wissenschaftler*innenexistenz abhängt. In den Natur- und Lebenswissenschaften funktioniert dieses System vollkommen geschlossen, höre ich von Freunden, die dort arbeiten. Da ist kein Entkommen mehr. Auch nicht durch Open Access: Kein Problem, dein Paper ohne Zugangsbeschränkung zu veröffentlichen, sagen da kühl die Verlage. Musst du bzw. deine Uni uns halt 2000 Euro aufwärts bezahlen.
Das ist ein riesiges, gesamtgesellschaftliches, viel zu wenig öffentlich beachtetes Problem. Wir wollen nicht Teil dieses Problems sein, sondern Teil der Lösung. Was not tut, ist eine Systemalternative, und wir wollen bei denen dabei sein, die sie entwickeln. Wir sind kein Medienunternehmen. Wir sind eigentlich überhaupt kein Unternehmen. Wir sind nicht privatnützig. Wir sind gemeinnützig. Wir firmieren seit 1.1.2023 als gGmbH. Wir sind kein gewerblicher Akteur, der der Wissenschaft Zugänge oder überhaupt irgendjemandem irgendetwas verkauft. Unser Verhältnis zur Wissenschaft ist nicht das eines Austauschs von Leistung und Gegenleistung. Wir sind selber eine Wissenschaftsorganisation.
Das heißt aber auch umgekehrt: Unser Unterhalt ist nicht unsere Privatangelegenheit. Das ist eine Angelegenheit der Wissenschaft.
Die Wissenschaft wird sich aus dem Würgegriff der Verlage nur befreien können, wenn sie die Publikation ihres Wissens selber in die Hand nimmt. Blogs wie wir können dafür die Keimzelle sein. Wir eignen uns dafür: Wir tracken keine Daten. Wir haben keine Paywall. Wir gehören keinem Konzern, und wir sind keinem Investor eine Redite schuldig. Was bei uns erscheint, das erscheint eh unter einer CC-BY-SA-Lizenz. Wir haben keine Backlist und kein Archiv, für das man uns den offenen Zugang erst um teures Geld abkaufen müsste. Wir waren schon “Diamond Open Access”, lange bevor es cool war und lange bevor wir selbst überhaupt wussten, was das ist.
Wir brauchen gar nicht viel. Was wir brauchen, ist eine effiziente und transparente Finanzierung unseres Redaktionsaufwands. Zwei VZÄ E13-Stellen. Das brauchen wir, um den Verfassungsblog (ohne Blogsymposien, ohne Podcast, ohne Projekte) betreiben zu können, die tägliche Akquise von Artikeln, den Review, das Redigat, die Kommunikation mit den Autor*innen. Das brauchen wir. In unserem BMBF-geförderten Projekt “Offener Zugang zum Öffentlichen Recht” (OZOR) haben wir in den letzten zwei Jahren erkundet, wie das gehen könnte. Wir haben bislang 22 Universitäts- und andere wissenschaftliche Bibliotheken davon überzeugen können, sich an einer Konsortialfinanzierung für 2023 zu beteiligen. Der Betrag, der so zustande kommt, ist zwar noch nicht annähernd ausreichend. Aber immerhin, ein Anfang ist gemacht.
Das heißt aber auch: Wir sind noch lange nicht am Ziel. Für uns heißt das ganz konkret, dass wir, wenn nichts passiert, in 2023 auf einen nicht unbeträchtlichen Fehlbetrag zusteuern. Bis wir unser Ziel erreicht und uns , sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen.
85.000 Euro. Das ist der Betrag, der zusätzlich zu unseren erwarteten sonstigen Einnahmen in den nächsten Monaten zusammenkommen muss, damit wir gut über dieses Jahr kommen.
Wir starten daher heute eine Spendenkampagne. 85.000 Euro müssen zusammenkommen, und wir werden Ihnen daher in nächster Zeit tüchtig in Ohren liegen mit der Aufforderung, doch bitte Ihre Taschen für uns aufzumachen und uns zu helfen, unser Spendenziel zu erreichen. Tut mir leid, das lässt sich nicht vermeiden. Ist für einen guten Zweck!
Aber vielleicht geht es ja auch ganz leicht und schnell und mühelos. Das klappt vor allem dann, wenn alle mitmachen. Wir haben alles vorbereitet, Sie müssen uns eigentlich nur Ihre Kontonummer da lassen und den Betrag, brauchen noch nicht mal Ihre Online-Banking-App öffnen. Paypal und Klarna gehen auch, Kreditkarte kommt hoffentlich in den nächsten Tagen noch dazu.
Bereit zu spenden? Danke! Dann hier entlang bitte!
Die Woche auf dem Verfassungsblog
… zusammengefasst von PAULA SCHMIETA & PAULINE SPATZ:
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) klagt vor dem OVG Berlin-Brandenburg, da die Regierung noch immer kein Klimaschutzsofortprogramm verabschiedet hat. PHILIPP SCHÖNBERGER erläutert wie es dazu kam und ordnet die Erfolgschancen der Klage ein.
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Das GfU-Forum, das den Auftakt der 46. Umweltrechtlichen Fachtagung vom 9. bis 11. November 2023 bildet, findet am Donnerstag, den 9.11.2023, 19.30 Uhr im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig statt.
Bewerbungen für Vorträge auf dem GfU-Forum bitte bis zum 28. Februar 2023 mit Lebenslauf und Kurzexposé (2 bis max. 5 S.) an Gesellschaft für Umweltrecht e.V. (mail@gesellschaft-fuer-umweltrecht.de) und Prof. Dr. Sabine Schlacke (sabine.schlacke@uni-greifswald.de) senden. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbungen!
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UWE VOLKMANN blickt auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Parteienfinanzierung. Zwar sei das Ergebnis erwartbar gewesen, die Begründung jedoch eher kleinlich.
In der Debatte um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz reden alle über das Punktesystem, das die Ampelkoalition einführen will. Noch viel spannender findet DANIEL THYM aber etwas anderes: Versteckt in der Beschäftigungsverordnung findet sich ein neuer Zugangsweg für Menschen, die keine Uni- oder Berufsausbildung nach deutschen Standards absolvierten, aber aufgrund alternativer Kriterien dennoch als qualifiziert gelten. Diese „Erfahrungssäule“ könnte mehr Menschen anziehen als das Punktesystem und dürfte noch für manche Debatte sorgen.
TRISTAN ROHNER kommentiert die Abmahnung des Bundeskartellamts gegen Google. Im Fokus steht dabei der kaum erprobte § 19a Abs. 2 GWB, der Verbraucher*innen mehr Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf „Superprofiling“ geben soll.
MERVE HICKOK, MARC ROTENBERG & KARINE CAUNES äußern sich besorgt über die Entscheidung des Europarates, die angekündigte internationale KI-Konvention hinter verschlossenen Türen zu entwickeln. Dies, so die Autor*innen, sei ein Schritt in genau die falsche Richtung.
ZUZANA VIKARSKÁ erörtert das Urteil des EGMR in der Rechtssache Fedotova v Russland zur rechtlichen Anerkennung und zum Schutz gleichgeschlechtlicher Paare. Sie kritisiert, dass die Entscheidung ein neues Recht schaffe und das politischste Urteil aller Zeiten sei. Außerdem fragt sie sich, was der russische Richter noch auf dem Richterbank zu suchen hat. EDUARDO GILL-PEDRO ist von Vikarskás Befund, dass ein neues Recht geschaffen worden sei, nicht überzeugt. Gill-Pedro stimmt ihr zu, dass die Entscheidung von großer politischer Bedeutung ist, ist aber der Meinung, dass es richtig war, sie zu treffen.
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An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena ist zum 01.06.2023 eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter (w/m/d) mit einem Stellenumfang von 80 % für max. 3 Jahre zu besetzen. Nährere Informationen hier.
Bewerbungen bitte unter der Reg.-Nr. 444/2022 bis zum 15.03.2023 an:
Prof. Dr. Anna Leisner-Egensperger
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Rechtswissenschaftliche Fakultät
LS Öffentliches Recht und Steuerrecht
Carl-Zeiß-Str. 3
07743 Jena
E-Mail: a.leisner@uni-jena.de
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SERGII MASOL untersucht einen Gesetzentwurf, mit dem angeblich russisches Straf- und Strafprozessrecht in den ukrainischen Provinzen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja eingeführt werden soll – der aber Verbrechen “zum Schutze der Interessen der Russischen Föderation” für straffrei erklärt. Sollte der Gesetzentwurf in Kraft treten, würde er die besetzten Gebiete in einen rechtsfreien Raum verwandeln, meint Masol.
MAX STEUER befasst sich mit dem Referendum, das am vergangenen Wochenende in der Slowakei abgehalten wurde. Er kommt zu dem Schluss, dass das Ergebnis zwar von geringer praktischer Bedeutung sei, das Ereignis aber zeige, wie anfällig das Instrument Referendum für illiberalen Missbrauch ist.
Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in der Türkei beschäftigt sich MAHIR TOKATLI mit der Ankündigung von Recep Tayyip Erdoğan, für eine weitere Amtszeit als Präsident zu kandidieren. Zurzeit wäre seine Kandidatur verfassungswidrig.
RIVKA WEILL nimmt den Gesetzentwurf zur Neustrukturierung des Richterwahlausschusses in Israel unter die Lupe. Sie weist die Behauptung der Regierung zurück, der Gesetzentwurf würde das Ernennungsverfahren demokratisieren, und erklärt, dass er das Gegenteil bewirken würde: die Konzentration der Befugnis zur Ernennung von Richter*innen in den Händen einiger weniger Personen.
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Max Planck Law connects ten Institutes in Germany and Luxembourg to form one of the world’s largest networks for doctoral and postdoctoral research in law.
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Unser jüngstes Blogsymposium ist soeben gestartet: Es geht um Abtreibungsrecht aus aller Welt. In den USA ist die Rekriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in vollem Gange, und auch in Deutschland nimmt die Debatte immer mehr Fahrt auf. Das Blogsymposium bringt Rechtsexpert*innen aus verschiedenen Verfassungstraditionen und Rechtssystemen zusammen, um zu untersuchen, wie eine Regulierung aussehen könnte. APARNA CHANDRA und CAMILLA PICKLES machen mit Beiträgen aus Indien und Südafrika den Anfang, weitere folgen im Laufe dieser Woche.
Das wäre es dann wieder für diesmal. Ihnen alles Gute und bis nächste Woche! Und wie gesagt: Bitte versäumen Sie nicht zu spenden!
Ihr
Max Steinbeis
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