Anwohnerparken in falschem Gewand
Weshalb die Freiburger Parkgebührenordnung nicht als Satzung hätte ergehen dürfen
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Freiburger Bewohnerparkgebührensatzung am Dienstag für unwirksam erklärt. Als Anreiz für weniger beziehungsweise kleinere Autos galt der Text in Sachen Mobilitätswende als eine Art Leuchtturmprojekt. Ein Rückschlag also für all jene, die sich den nach wie vor nicht ansatzweise umgesetzten Ankündigungen der Ampel zum Trotz (S. 52 im Koalitionsvertrag) auf ihre Weise engagieren, die Verkehrswende mitzugestalten? Nur teilweise. Hohe Parkgebühren und eine Bemessung anhand der Fahrzeuglänge bleiben möglich. Man muss es nur anders verpacken.
„Bewohnerparkgebührensatzung“
Dahinter verbirgt sich jener Text, den der Freiburger Gemeinderat im November 2021 verabschiedete und der seit 1. April 2022 Realität war. 360 Euro jährlich zahlte man für einen Bewohnerparkausweis, wenn der eigene PKW zwischen 4,21 und 4,70 m lang war. Also etwa für einen VW Golf. Für den größeren Kombi wurden schon 480 Euro fällig. Insgesamt unterschied die Stadtverwaltung zwischen drei Stufen. Weder das Kriterium der Länge noch die Höhe der „Regelgebühr“ wurden vom BVerwG beanstandet. Angesichts des erheblichen Wertes eines wohnungsnahen Parkplatzes steht die Höhe weder in einem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck des Ausgleichs der mit dem Parkausweis verbundenen Vorteile, noch ist sie vollständig von den zu deckenden Kosten der Ausweisausstellung abgekoppelt. Problematisch sind hingegen die krassen Gebührensprünge, welche die unterschiedlichen Vorteile nicht mehr in angemessener Art und Weise abbilden. Im Extremfall konnte ein Längenunterschied von 50 cm zu einer Verdoppelung der Gebühr führen – ein Verstoß gegen Art. 3 GG. Der Senat zeigte in der mündlichen Verhandlung aber durchaus Engagement und schlug eine stufenlose Regelung vor. Grund dafür, dass der Text gekippt wurde ist weniger der Inhalt als vielmehr dessen Form.
Straßenverkehrsgesetz ermächtigt nicht zum Erlass einer Satzung
Um es vorwegzunehmen: Der Fehler, der letztendlich zur Unwirksamkeit der Parkgebührensatzung führte, lag nicht bei der Stadt Freiburg, sondern bei der baden-württembergischen Landesregierung. Diese verpflichtet die Gemeinden in ihrer Delegationsverordnung dazu, Gebührenordnungen als Satzung zu erlassen. Das erweist sich im föderalen Bundesstaat als fatal.
Im Einzelnen: Gestützt ist die Bewohnerparkgebührensatzung auf die 2020 in Kraft getretene bundesrechtliche Regelung des § 6a Abs. 5a Straßenverkehrsgesetz (StVG), die die Länder ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. Wenn sie wollen, können sie das auch an die Kommunen delegieren. So auch in Baden-Württemberg. In § 1 ParkgebVO werden die Gemeinden, soweit sie als örtliche oder untere Straßenverkehrsbehörden zuständig sind, ermächtigt, die Gebührenordnungen als Satzungen auszugestalten. Genau hier liegt das Problem. Diese Art der Rechtsform findet sich im Bundesrecht nicht wieder. Zwar ist zuzugestehen, dass die im Straßenverkehrsgesetz verwendete Terminologie nicht eindeutig auf eine Rechtsverordnung schließen lässt. Nach dem Wortlaut des § 6a Abs. 5a StVG können Gebührenordnungen erlassen werden. Nicht Gebührenverordnungen. Die Kriterien, die hierbei berücksichtigt werden dürfen (Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlichen Wert oder den sonstigen Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner:innen) klingen auch ein bisschen nach kommunaler Selbstverwaltung. Am Ende nützt das aber nichts. Denn im letzten Satz des § 6a Abs. 5a StVG wird das Rechtsregime, das hier zur Anwendung kommen soll, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden. Anders als in § 8 Abs. 3 Satz 7 FStrG wird hier auch keine Regelung getroffen, die ausnahmsweise zum Erlass von Satzungen ermächtigt.
Satzung ist nicht Rechtsverordnung
Die Satzung folgt einer anderen Logik als die Rechtsverordnung. Sie ist das Mittel der Wahl, wenn es für Gemeinden darum geht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft abstrakt-generell zu regeln. Sie wird vom Gemeinderat beschlossen. Schon aus dem verfassungsrechtlich verankerten „Quasigrundrecht“ für Kommunen, der kommunalen Selbstverwaltung, folgt, dass hier ein anderes Regime gelten muss als beim delegierten Bundesrecht. Bei Letzterem geht es nicht um den Grundgedanken, dass die örtliche Gemeinschaft ihre Aufgaben möglichst frei regeln können soll. Vielmehr bezweckt man mit Delegationsverordnungen, dass man die Dinge zwar möglichst dort regelt soll, wo die meiste Expertise sitzt bzw. wo es schlicht am meisten Sinn macht. Dahinter steht aber auch immer ein gewisser Harmonisierungsgedanke. Dieser wohnt auch dem Straßenverkehrsrecht inne. Als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung hat der Bund hier von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht (vgl. Art. 72 Abs. 2 iVm Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG).
Beim Anwohnerparken liegt es nahe, die Kommunen Gebührenordnungen erstellen zu lassen. Das macht diese aber nicht zum Gegenstand von Selbstverwaltungsangelegenheiten. Vielmehr handelt es sich um eine Pflichtaufgabe. Die Kommunen sind zwar frei, ob sie eine Norm erlassen. Hinsichtlich des „Wie“ sind sie aber gebunden. Das hat die Landesregierung beim Erlass der Delegationsverordnung wohl übersehen.
Delegiertes Bundesrecht im Korsett des Art. 80 GG
Eine Kette von Rechtsverordnungen muss stets rückgekoppelt sein an ein demokratisch legitimiertes Gesetz. Das folgt aus dem Vorbehalt des Gesetzes. Dass § 6a Abs. 5a StVG als Ermächtigungsgrundlage insoweit einen Rahmen absteckt, in dem sich eine Regelung auf darunter liegender Verwaltungsebene bewegen muss, ist folgerichtig. Eine erneute demokratische Legitimierung erfolgt nicht mehr. Dessen kann sich auch nicht der Gemeinderat ermächtigen. Das würde das Grundgesetz gewissermaßen auf den Kopf stellen. Der „Sprung“ zur Satzung verstößt somit nachvollziehbar gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 80 Abs. 1 GG. Hiernach sind Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz zu bestimmen. Auch das Zitiergebot ist einzuhalten (das hatte die Freiburger Satzung tatsächlich getan). Die verfassungsrechtliche Dimension des Falls hatte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim schlichtweg übersehen.
Weitreichende Auswirkungen für sozialausgleichende Maßnahmen
Das alles hat Konsequenzen für den Inhalt der Satzung. Für die Ermäßigung und den Erlass der Gebühren aus sozialen Gründen fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Nach der maßgeblichen Norm des § 6a Abs. 5a StVG darf die Gebührenbemessung nur die Gebührenzwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs berücksichtigen. Eine Bemessung der Gebühren nach sozialen Zwecken hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, wäre jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich gewesen. Eine gemeinhin übliche Härtefallklausel hätte der Senat für das Abgabenrecht wiederum akzeptiert. Das allerdings hatte der Gebührenordnungsgeber in Freiburg nicht im Sinn. Für die Debatten vor Ort hatte die Ermäßigung von Gebühren für sozial Schwächere eine große Rolle gespielt. Hier sollten differenzierte Regelungen getroffen werden. Personen, die bestimmte Sozialleistungen erhalten, und Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 sowie Inhaberinnen und Inhaber eines orangefarbenen Parkausweises für besondere Gruppen schwerbehinderter Personen zahlen ermäßigte Gebühren in Höhe von 60 €, 90 € und 120 €. Denjenigen Personen, die im Besitz eines blauen Parkausweises für Menschen mit schwerer Behinderung sind, wird die Gebühr erlassen.
Was folgt aus dem Urteil unmittelbar?
Zunächst gilt die bisherige Satzung in Freiburg nicht mehr. Hier zahlt man jetzt wieder 30 Euro im Jahr – egal wie lang das Auto ist. Laut erster Äußerungen der Stadtspitze soll das Konzept überdacht und nachjustiert werden. Der Hinweis, auch den Bund und das Land in die Pflicht zu nehmen, ist einleuchtend. Klimaschutz ist für einschränkende Maßnahmen von Gesetzes wegen nach wie vor kein zu berücksichtigender Belang. Hier geht es ganz klassisch um Aspekte der Sicherheit und um die Leichtigkeit des Verkehrs. Dem „klimapolitischen“ Anstrich des VGH Mannheim folgte der Senat nicht. Die Erreichung der Klimaschutzziele aus Art. 20a GG seien zulässige Lenkungsziele bei der Gebührenfestsetzung hatte der Verwaltungsgerichtshof geurteilt (2. Leitsatz). Er ließ während der mündlichen Verhandlung aber durchblicken, dass die mit der Gebührenordnung mittelbar verfolgten Lenkungsziele einer Wirksamkeit grundsätzlich nicht im Wege stehen. Demzufolge schade es nicht, wenn das Ermächtigungsgesetz nicht ausdrücklich auf klimaschützende Belange verweise. Andere Städte Baden-Württembergs müssen nun ihre Rechtsnormen prüfen und ggf. anpassen.
Der Grundidee, Bewohner:innen mit hohen Gebühren zu belegen, um Anreize für eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs zu schaffen, steht auch nach dem Urteil grundsätzlich nichts im Wege. Dazu bedarf es jedoch der Rechtsverordnung, welche im Übrigen auch nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung vom Gemeinderat vom Stadtrat erlassen werden kann (§ 44 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz BWGemO).
Betrifft das Problem eigentlich auch die Parkgebühren Satzungen in Baden württemberg? § 6a Abs 6 StVG spricht hier ebenfalls von Gebührenordnungen. In § 2 Abs 1 der ParkgebVO BW ist jedoch wieder von Satzungen die Rede.
Anders als bei Parkausweiswn gibt es hier auch keine Rufkfallebene – die Grundgebühr von 5 Cent pro 30 mintune würde um 2003/2004 abgeschafft.