07 February 2025

Das Ende der Mitte

Zur Lage vor der Bundestagswahl

Die Bundestagswahl ist durch den Politikwechsel der Unionsparteien in der letzten Sitzungswoche unter völlig neue Vorzeichen getreten. Damit tritt die seit langem latente prinzipielle Veränderung des politischen Systems der Bundesrepublik in eine neue Phase. Wie lässt sich diese Veränderung der Lage beschreiben und was folgt aus ihr?

Die Bildung neuer parlamentarischer Mehrheiten ist in der parlamentarischen Demokratie ein konstitutiver Vorgang. Sie manifestiert, mögen die Beteiligten es auch gelegentlich bestreiten, den Willen zu gemeinsamer politischer Gestaltungsmacht in der Definition von Agenda, Zielen und Mitteln. Der einmal erfolgreiche, einmal gescheiterte Versuch der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, eine Mehrheit unter Einschluss der AfD zu bilden, verändert die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik deswegen von Grund auf. 

Die Unionsfraktion hat mit ihrer Entscheidung jenen politischen Raum der Mitte zerstört, der seit Gründung der Bundesrepublik ihr programmatisches Betätigungsfeld und ihre Erfolgsbedingung in Wahlen war. Denn diese Mitte war notwendigerweise weniger inhaltlich als vielmehr durch die Abgrenzung zu den Extremen definiert. Das ist nun nicht mehr der Fall; die Menschen, die zu Hunderttausenden am vergangenen Wochenende gegen den Schulterschluss mit der AfD auf die Straßen gegangen sind, bezeugen es. Die politische Rechte hat zweifach und unmissverständlich ihren Willen signalisiert, sich unter Einschluss des Extremismus als eine geeinte Rechte zu positionieren, wenn auch zunächst nur auf einem Politikfeld. Die Frage, warum Merz dieses Risiko eingegangen ist und ob er sich dabei möglicherweise verzockt hat, betrifft nur seine Motive. Davon unabhängig sein sollte die politische Bewertung, gerade im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl.

Die Erfahrungen gemäßigt konservativer Parteien in allen anderen europäischen Demokratien zeigen, dass sich die Strategie der Umarmung des Rechtspopulismus durch Imitation von Standpunkten oder gar Koalitionen mittelfristig gegen sie selbst kehrt. Bislang konnten die deutschen Unionsparteien größtenteils als Ausnahmeerscheinung gelten, die sich dieser Strategie beharrlich widersetzte. Das hat sich nun als Illusion herausgestellt. Es spricht viel dafür, dass sich die vom Rechtsextremismus gesteuerte, die Mitte-Rechts-Parteien zerreißende Dynamik von Angsterzeugung, Radikalisierung und Regierungswille auch an der CDU/CSU vollziehen wird. Das von Friedrich Merz und seiner Fraktion gegebene Signal der Bereitschaft zu disruptiver Politik durch offen rechtswidrige Vorschläge lässt daran wenig Zweifel.

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Ad Astra Fellow – Lecturer/Assistant Professor in International Law and Global Justice, UCD Sutherland School of Law 

The UCD Sutherland School of Law wishes to appoint an Ad Astra Fellow in International Law and Global Justice (ILGJ). The Fellow will have demonstrated expertise in public international law and diverse global justice theories. The post holder will contribute to team teaching across public international law subjects, as well as developing theoretically-informed courses in their field of expertise in ILGJ. Expertise on international criminal justice, climate justice, border justice, racial justice or any other cognate field is welcome.

Closing date: 12:00 noon (local Irish time) on the 21st February 2025.

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Die Beteuerungen der Union, das Gewollte und Getane entweder nicht gewollt oder so nicht getan zu haben, ändern daran nichts. Denn die Eskalationsdominanz liegt eindeutig bei der extremen Rechten, wie der in der Sache eindeutige Rechtskurs des CDU-Bundesparteitags belegt. Keine Beteuerung des guten Willens ändert etwas daran, dass die Union den Raum, den sie mit ihrem Abschied aus der Mitte betreten hat, nicht beherrschen wird, weil sie in einem System des Verhältniswahlrechts die harte Rechte nicht mehr absorbieren kann. Jener Raum gehört der AfD. Ihr gehört nicht zuletzt die Wirklichkeitsbeschreibung, von der sich die Union als Teil der Rechten auf diese Weise politisch abhängig macht: eine Wirklichkeitsbeschreibung, an der das Weiße Haus und der Kreml gleichermaßen interessiert sind und in der namentlich migrantische Gruppen und schwerste Verbrechen so lange obsessiv verknüpft werden, bis eine Politik der gewaltsamen Abschottung und der Angst als gebotene Verteidigung darstellbar ist, der man sich vermeintlich nur aus Konfliktscheu und Realitätsverlust verweigern kann. Diese Wirklichkeitsbeschreibung kann nicht mehr als Randbedingung der Ermittlung des Mehrheitswillens abgetan werden. Sie ist zu ihrem eigentlichen Gegenstand geworden. Ob sie die künftige Basis des Regierungshandelns wird, steht bei der Bundestagswahl zur Abstimmung.  

Welche Folgen ergeben sich daraus für die übrigen, insbesondere die Parteien des progressiven Spektrums? Der Ausgang der Wahl und die Bildung einer neuen Regierung hängen in hohem Maße davon ab, welche Parteien die Ausgangsbedingungen der neuen Lage am schnellsten erkennen, zumal sich die Union noch eine Zeitlang in der halb zynischen, halb unpolitischen Illusion wiegen dürfte, die Zustimmung von der falschen Seite ändere nichts an ihrer irgendwie gut gemeinten („Sorgen der Menschen“) Sache. 

Diese Lage trifft namentlich die SPD, aber auch die Grünen denkbar unvorbereitet und hart. Ihre Spitzenkandidaten haben ihre gesamte bisherige politische Karriere darauf aufgebaut, ihre Parteien in der Mitte zu positionieren und damit bündnis- und regierungsfähig zu halten. Es ist deswegen nicht überraschend, dass beide Parteien – vor allem die Grünen unter Habeck – reflexhaft darauf setzen, von der Union geräumte Positionen der Mitte durch einen maßvolleren Kurs auf das gleiche Ziel zu usurpieren. Die Signale der SPD gehen in eine ähnliche Richtung. Ob diese Strategie kurzfristig elektoralen Erfolg hat, wird sich zeigen. Was von den anderen Parteien aber in seinen Konsequenzen zu realisieren wäre, ist die Kehrseite der begonnenen Zerstörung der Mitte durch die politische Rechte. Wer sich als Gegner der Rechten versteht, kann mittelfristig nicht mehr darauf bauen, in einem politischen Raum namens Mitte zu reüssieren, den es so nicht mehr gibt oder der nur noch mit abnehmendem politischen Ertrag rhetorisch nachgeahmt werden kann. 

Es mag nach den verpassten politischen Reaktionen von Grünen und SPD auf die letzte Woche zu spät sein, vor der Wahl die Konsequenzen zu ziehen aus dem, was jetzt offenbar geworden ist. Jene Konsequenzen hätten ein hohes Maß an Mut und Kraft erfordert, aber zumindest eine Chance geboten, in den verbleibenden gut zwei Wochen die Dynamik des Bundestagswahlkampfs zu drehen, anstatt ihn gleich und von vornherein verloren zu geben. Spätestens nach der Wahl werden sich allen Gegnern der Rechten die Fragen stellen, die eigentlich sofort zu stellen gewesen wären. Zur gewohnheitsmäßigen, aber wahrscheinlich aussichtslosen Besetzung von zentristisch klingenden Positionen gibt es zwei Alternativen, die beide mit immensen Risiken verbunden sind, aber den Vorteil haben, dass sie der realen politischen Lage Rechnung tragen.

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Lehrstuhlteam 2024

Am Lehrstuhl für Öffentliches Recht I von Prof. Dr. Christoph Krönke an der Universität Bayreuth ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine auf drei Jahre befristete Stelle als wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (m/w/d), TV-L E13, Prae- oder Post-doc, zu besetzen. Der Stellenumfang beträgt entweder 100 v. H. oder 50 v. H. der wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten. Den Link zu der Stellenausschreibung finden Sie hier.

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Eine Politik, die defensiv noch einmal auf die Rekonstruktion des Raums der Mitte gerichtet wäre, müsste die Unionsparteien ultimativ zur Revision ihres begonnenen Strategiewechsels zwingen, was derzeit nur durch den übereinstimmenden und kategorischen Ausschluss von Koalitionen unter Merz‘ Führung möglich erscheint. Die Jugendorganisationen der SPD und der Grünen haben sich in dieser Richtung geäußert. Abzielen müsste eine solche Strategie aber vorwiegend auf die intermediären, vermittelnden Institutionen des vorpolitischen Raumes, vom Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk über die großen Verbände und Kirchen bis zum Deutschen Landkreistag, die sie mittragen müssten. Die politische Verständigung innerhalb der Mitte war auch und gerade ihre Existenz- und Funktionsbedingung, die mit der Aufkündigung der Mitte zumindest mittelfristig in Frage gestellt ist. Die in ihnen gepflegte Tradition der Überparteilichkeit und des Proporzes, die ein zentrales Element der Verfassungsordnung der Bundesrepublik ist, beruhte wie das Parteiensystem stets auf der Konstruktion eines politischen Raumes der Mitte, das heißt auf dem Ausschluss extremistischer Positionen. Gerade deswegen richtet sich die Politik der AfD so entschieden gegen sie. Ob sie in der derzeitigen Lage als Hüterinstitutionen der Mitte ansprechbar sind, ist fraglich, aber nicht ausgeschlossen.

Offensiv wäre dagegen eine Politik, die den Aktionsraum der Mitte einstweilen verloren gibt und nach links integriert. In diesem Sinne verspräche die Bildung eines bis in den Linksliberalismus hinein anschlussfähigen Parteienbündnisses nach dem Vorbild des französischen Nouveau Front Populaire den meisten Erfolg. Wäre die kurzfristige Umstellung des Wahlkampfes der SPD, der Grünen und der Linken auf einen gemeinsamen Gegner nicht eine reale Option gewesen? Sie hätte der Aufgabe entsprochen, vor die diese Wahl alle Gegner der Rechten stellt. Von der Bereitschaft und Fähigkeit, gegen die Politik der Angst und ihre Wirklichkeitsbeschreibungen eine Mehrheit zu organisieren, die lose um unterschiedliche Aspekte einer demokratischen, solidarischen und europäischen Politik gruppiert ist, hängt dann die Kanzlerfrage ab. Wer diese Aufgabe mit der größten Aussicht auf Erfolg zu lösen verspricht, qualifiziert sich als Kanzler des gesamten nicht-rechten Spektrums. 

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Editor’s Pick

von FRIEDRICH ZILLESSEN

Foto: © universal pictures

Brady Corbets Film The Brutalist ist ein monumentales Werk, das die Geschichte des fiktiven Bauhaus-Architekten László Toth erzählt, der das KZ Buchenwald überlebt hat und als Immigrant in den USA um seine Existenz ringt. Auf 70 Millimetern gedreht und musikalisch eindrucksvoll unterlegt, ist der Film zugleich episch und intim: Mal öffnen sich Corbets Räume ins Unendliche, mal schließen sie sich erdrückend um seine Figuren. The Brutalist nimmt sich 215 Minuten (!) Zeit, um sich allmählich zu entfalten und doch nicht alles auflösen zu müssen – und er hallt nach wie ein Echo in Betonhallen. Großes Kino.

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Die Woche auf dem Verfassungsblog

zusammengefasst von EVA MARIA BREDLER

Die letzte Sitzungswoche des Bundestages haben wir noch immer nicht verdaut. Dass Friedrich Merz mit den Stimmen der AfD migrationspolitische Anträge durchbrachte, gärt im öffentlichen Diskurs. TARIK ABOU-CHADI (DE) erläutert aus politikwissenschaftlicher Perspektive, warum jede Form der Zusammenarbeit radikal rechte Parteien weiter normalisiert.

LÉONIE DE JONGE (DE) kann diesen Befund bestätigen. In den Niederlanden könne man beobachten, dass Mitte-rechts-Parteien die radikale Rechte legitimierten, wenn sie ihr die Hand reichen. Bleibt zu hoffen, dass aus dem Händedruck keine Räuberleiter wird.

Doch die Anträge sind nicht nur heikel, was die politischen Auswirkungen angeht, sondern auch die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. THOMAS GROSS  (DE) hat eine der migrationspolitischen Forderungen geprüft und kommt zu dem eindeutigen Schluss: Die vorgesehene unbefristete Abschiebungshaft ist unzulässig.

Einfache Lösungen für komplexe Probleme verspricht man sich neben der Migrations- auch regelmäßig von der Kriminalpolitik. Das ließ sich zuletzt an den emotionalen und von wissenschaftlicher Evidenz gänzlich unbeeindruckten politischen Forderungen nach dem Attentat in Aschaffenburg beobachten. In einer STELLUNGNAHME VON STRAFRECHTSWISSENSCHAFTLER*INNEN (DE) rufen zahlreiche Unterzeichner*innen zu einer „evidenzbasierte, rationalen Kriminalpolitik“ auf.

Auf politischer Ebene wird am 23. Februar über die besten Problemlöser*innen abgestimmt. Zu den Wahlberechtigten gehören natürlich auch solche, die im Ausland wohnen. Zumindest theoretisch – praktisch kann sich die Beantragung von Briefwahlunterlagen bei dieser vorgezogenen Wahl erheblich verzögern und im schlimmsten Fall die Stimmabgabe verunmöglichen. JOHANNES SOCHER und RAPHAËL GIRARD (EN) fordern deshalb, dass Staaten die Briefwahl über diplomatische Vertretungen und offizielle Kurierdienste generell erleichtern.

Für Menschen mit Behinderungen bestehen noch massivere Hürden. Viele von ihnen werden ihre Stimme weder in allgemeiner noch in geheimer Wahl abgeben können. Denn eine erhebliche Zahl von Wahllokalen ist nicht barrierefrei – ein Verstoß und gegen völkerrechtliche Pflichten, wie PHILIPP SCHÖBEL (DE) anmahnt.

Völkerrechtlich heikel sind auch Asylanträge von russischen Männern im wehrfähigen Alter, die in Deutschland kaum Erfolg haben. In zwei bemerkenswerten Urteilen hat das Verwaltungsgericht Berlin nun festgestellt, dass russischen Kriegsdienstverweigerern aufgrund des drohenden Einsatzes in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg subsidiärer Schutz zustehe. Damit wendet sich das Verwaltungsgericht gegen das eigene Oberverwaltungsgericht, beobachtet VALENTIN FENEBERG (DE).

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The upcoming German Bundestag elections will be decisive in shaping political agendas and priorities in Germany, Europe and beyond. At the same time, the country faces a risk of democratic decline as observed in several other EU member states due to a normalisation of far-right positions. How likely is it that the incoming government will adopt restrictive policies that undermine the rule of law? The resilience of Germany’s courts, political institutions and civil society may soon be put to the test. Join our panel debate to explore these and other topics here.

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Ein weiteres bemerkenswertes Urteil aus Berlin: Das Landgericht Berlin I hatte im November 2024 die Wortfolge „From the river to the sea“ als Kennzeichen der Hamas eingestuft und eine Angeklagte wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt. ROBERT BROCKHAUS (DE) hält das Urteil für problematisch, weil die Formulierung mehrdeutig sei und in verschiedenen Kontexten – auch ohne Bezug zur Hamas – genutzt werde.

In rechtsstaatlichen Krisenzeiten braucht es starke Verfassungsgerichte, wie wir inzwischen wissen. Das BVerfG kannte in den 1950er-Jahren noch ein prädiktives Gutachtenverfahren, dessen Einführung jetzt wieder diskutiert wird. ALEXANDER WEHDE (DE) hält das für keine gute Idee: Ein solches Verfahren könne das Gericht weiter politisieren.

Als good old Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nun über Hochrisikospiele entschieden und den Weg dafür freigemacht, deren Mehrkosten in der Fußball-Bundesliga auf die Veranstalter umzulegen. Doch jetzt geht das eigentliche rechtspolitische Spiel erst los: LARS DITTRICH und SIMONE DITTRICH (DE) analysieren, welche Fragen offen bleiben und in wessen Feld jetzt der Ball liegt.

Die EU und Großbritannien stritten währenddessen darüber, in wessen Feld der Fisch liegt, genauer: der Tobiasfisch, auch Sandaal genannt. Letzte Woche gingen in Den Haag vor dem Ständigen Schiedshof die mündlichen Anhörungen zu Ende. Damit erreicht zum ersten Mal ein EU-UK-Streit im Rahmen des Handels- und Kooperationsabkommens von 2021 die Schiedsgerichtsphase. EVA KASSOTI (EN) zeigt, dass der Fall sowohl den Post-Brexit-Rechtsrahmen als auch die regulatorische Autonomie Großbritanniens am Haken hat.

Weder die EU und Großbritannien noch der Tobiasfisch sind allein auf der Welt: Sie alle teilen ein Habitat. Auch darauf hat die EU eine Antwort – die Habitat-Richtlinie – und auch diese wurde in Den Haag verhandelt, allerdings am Bezirksgericht. Das Gericht stellte nun fest, dass die Niederlande gegen die Richtlinie und die niederländischen Stickstoffziele verstoßen haben. LAURA HILDT (EN) gibt einen Überblick über das Urteil und argumentiert, dass der Fall den standortspezifischen EU-Naturschutz mit einer systemischen Dimension verbindet.

Naturschutz lässt sich auch mit künstlerischen Dimensionen verbinden, wie JENNY GARCÍA RUALES, LUIS ESLAVA und VIVIANA MORALES NARANJO (EN) beweisen: Sie beschreiben am Beispiel des Projekts Amazon of Rights, wie sich mit dem Format künstlerisch-rechtlicher „mingas“ kollektiv Räume öffnen lassen, um hegemoniales Denken aufzubrechen und Rechte der Natur ökozentrisch zu denken.

Auf weniger konstruktive Weise verschwammen Recht und Kunst, Fakt und Fiktion auch beim TikTok-„Verbot“ – das keines ist. PAOLO MAZZOTTI (EN) rekonstruiert, wie rechtliche und politische Symbolik das „Verbot“ narrativ erschufen und welche Verantwortung die Rechtswissenschaft dabei trägt.

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Max Planck Masterclass 2025 | Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht | 94

We are delighted to announce that our next Max Planck Masterclass with Professors Floris de Witte and Bruno de Witte is now open for applications (deadline 10 April).
The Masterclass on “EU Law in a Changing Europe” will take place on 10-13 June 2025 at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg, Germany.

More information can be found here.

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In den USA verschwimmen derweil private und öffentliche Akteure. Der US Supreme Court nahm Ende Januar einen Fall an, der es sogenannten Charter Schools – öffentlich finanzierten Schulen mit weitgehender Autonomie – erlauben würde, religiös zu werden. So könnten sich die Schulen öffentliche Mittel ohne verfassungsrechtliche Pflichten sichern. GAURAV MUKHERJEE (EN) schildert, warum der Fall das US-amerikanische Verhältnis zu Religion und Neutralität neu definieren könnte.

Auch wenn es um Außenpolitik geht, ist Neutralität nicht gerade eine Stärke der USA. Trump wütet mit Zöllen – zuletzt als Vergeltungsmaßnahme gegen Kolumbien, weil Präsident Gustavo Petro keine US-Abschiebeflüge erlaubte. JOSE ATILES (EN) zeichnet nach, dass die USA einseitige wirtschaftliche Sanktionen historisch gezielt als Instrument kolonialer Wirtschaftspolitik einsetzten, vor allem gegen Lateinamerika. Angesichts der erheblichen sozialen Schäden fordert er, die US-Sanktionen in der Region als staatliches Verbrechen anzuerkennen.

Lateinamerika war lange Vorreiter für reproduktive Rechte. Doch eine aktuelle Entscheidung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte sieht nach einem gefährlichen Rückschritt aus: In einem Fall gegen El Salvador – einem der restriktivsten Länder, was Abtreibungsrecht angeht – weicht der Gerichtshof von gefestigter Rechtsprechung ab, statt etablierte Menschenrechtsstandards zu verteidigen, stellen ALICIA ELY YAMIN und SABRINA OCHOA (EN) fest.

Der Fall von Beatriz hätte sicherlich auch Lucy Thoumaian bewegt, die FRANZISKA BACHMANN (EN) für das Februar-Kalenderblatt des „Outstanding Women of International, European and Constitutional Law“ Projekts porträtiert.

Diese Woche haben wir unser Symposium zu „Musk, Power, and the EU: Can EU Law Tackle the Challenges of Unchecked Plutocracy?“ (EN) fortgesetzt. ELENA GARCIA GUITIAN und LUIS BOUZA GARCIA warnen vor der demokratiegefährdenden Macht der Tech-Mogule und untersuchen das machtbeschränkende Potenzial aktueller EU-Regulierung. JULIAN UHLENBUSCH sieht im Digital Services Act eine Gelegenheit für die EU, Musks Macht an ihren technologischen Wurzeln zu packen. Nächste Woche erscheinen die letzten Beiträge zum Thema.

Auch unser Symposium zu „The Omnipresence of Divergent Historical Narratives in Law and Politics“ (EN) ging weiter: MARIA MÄLKSOO untersucht, wie die baltischen Staaten das internationale Strafrecht stärken, indem sie die völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit Russlands einfordern. MARTIN SCHULZE WESSEL zeigt, wie die deutsche Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg dazu führte, dass Deutschland nun auch eine besondere historische Verantwortung gegenüber der Ukraine anerkennt. ANDREA PETŐ nennt vier Gründe dafür, wieso sich illiberale Politik die Erinnerung an die ungarische Revolution von 1956 aneignen konnte. Und PETER VERMEERSCH beschreibt, wie exilierte Künstler*innen aus Belarus über ihre Heimat reflektieren und den Widerstand künstlerisch am Leben halten.

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SUGGESTED CITATION  Meinel, Florian; Steinbeis, Maximilian: Das Ende der Mitte: Zur Lage vor der Bundestagswahl, VerfBlog, 2025/2/07, https://verfassungsblog.de/das-ende-der-mitte/.

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