Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik
Effektive Maßnahmen gegen die Erderwärmung statt Verwässerung des Klimaschutzgesetzes!
Berichte über Extremwetterereignisse in allen Erdteilen haben uns in den letzten Wochen noch einmal deutlich vor Augen geführt, welche Folgen die Klimaveränderung haben wird. Darum sind energische und wirksame Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes von größter Wichtigkeit für die Erhaltung der Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens.
Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2021 klargestellt, dass das Grundgesetz zu wirksamen Maßnahmen gegen die Erderwärmung verpflichtet. Diese Pflicht gilt auch gegenüber zukünftigen Generationen, deren Möglichkeiten, ihre Freiheitsrechte auszuüben, ohne entsprechende Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würden.
Völkerrechtlich hat sich Deutschland konkret zu wirksamen Maßnahmen verpflichtet, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2° C über dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, ihn auf 1,5° C zu begrenzen. Neben Deutschland haben sich 194 weitere Staaten durch die Ratifikation des Übereinkommens von Paris von 2015 zu diesem Ziel bekannt und dadurch deutlich gemacht, dass ein globaler Konsens besteht. Diese Verpflichtung hat das Bundesverfassungsgericht als Konkretisierung des in Artikel 20a Grundgesetz verankerten Klimaschutzziels angesehen und so die Einhaltung der völkerrechtlichen Vorgaben verfassungsrechtlich abgesichert.
Hierfür sind im Bundes-Klimaschutzgesetz konkrete Ziele sowie Mechanismen festgelegt, mit denen die schrittweise Erreichung dieses Zieles gewährleistet werden soll. Gegenwärtig ist aber eine Novelle geplant, die die sektorspezifischen Ziele schwächt. Damit sind die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in Gefahr, die verlangen „dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln“.
Die Auseinandersetzungen und fachwissenschaftlichen Debatten zum Klimaschutz werden derzeit von Diskussionen über bestimmte Protestformen, wie z.B. Straßenblockaden, überlagert. Dabei sind insbesondere Forderungen nach einer Verschärfung straf- und polizeirechtlicher Reaktionen beunruhigend und in vielen Fällen verfassungsrechtlich fragwürdig, denn das Versammlungsrecht schützt auch Protestformen, die disruptiv wirken und von der Mehrheit als Störung empfunden werden. Vor allem aber lenken diese Debatten von den dringend nötigen Auseinandersetzungen über die konkrete Umsetzung der verfassungs- und völkerrechtlichen Klimaschutzpflichten ab.
Vor diesem Hintergrund fordern wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verfassungs- und Völkerrechts die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, das Klimaschutzgesetz nicht abzuschwächen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.
Erstunterzeichner*innen:
Prof. Dr. Isabel Feichtner, Universität Würzburg
Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Kassel
Prof. Dr. Thomas Groß, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Remo Klinger, HNE Eberswalde
Prof. Dr. Rike Krämer-Hoppe, Universität Regensburg
Prof. Dr. Markus Krajewski, Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Nora Markard, Universität Münster
Prof. Dr. Alexander Thiele, BSP Business and Law School Berlin
Prof. Dr. Jochen von Bernstorff, Universität Tübingen
Weitere Unterzeichner*innen
Prof. Dr. Jelena von Achenbach, Universität Gießen
Prof. Dr. Andreas von Arnauld, Universität Kiel
Prof. Dr. Helmut Aust, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Jelena Bäumler, Universität Lüneburg
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Susanne Baer, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Cengiz Barskanmaz, Hochschule Fulda
Prof. Dr. Sigrid Boysen, Universität der Bundeswehr Hamburg
Prof. Dr. Pascale Cancik, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Claus Dieter Classen, Universität Greifswald
Prof. Dr. Philipp Dann, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Universität Rostock
Prof. Dr. Kurt Faßbender, Universität Leipzig
Prof. Dr. Anuscheh Farahat, Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Michael Fehling, Bucerius Law School Hamburg
Prof. Dr. Andreas Fisahn, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Sina Fontana, Universität Augsburg
Prof. Dr. Dr. Günter Frankenberg, Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Thomas Giegerich, Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Christoph Goos, Hochschule Harz
Prof. Dr. Alexander Graser, Universität Regensburg
Prof. Dr. Dirk Hanschel, Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Felix Hanschmann, Bucerius Law School Hamburg
Prof. Dr. Georg Hermes, Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Mathias Hong, Hochschule Kehl
Prof. Dr. Wolfgang Kahl, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Universität Bochum
Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold, Universität München
Prof. Dr. Andrea Kießling, Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Pia A. Lange, Universität Bremen
Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski, Universität Kassel
Prof. Dr. Markus Ludwigs, Universität Würzburg
Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, Universität Flensburg
Prof. Dr. Nele Matz-Lück, Universität Kiel
Prof. Dr. Mehrdad Payandeh, Bucerius Law School Hamburg
Prof. Dr. Birgit Peters, Universität Trier
Prof. Dr. Niels Petersen, Universität Münster
Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Hochschule RheinMain
Prof. Dr. Arne Pilniok, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Dagmar Richter, Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Michael Riegner, Universität Erfurt
Prof. Dr. Kirsten Schmalenbach, Universität Salzburg
Prof. Dr. Reimund Schmidt-De Caluwe, Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemer, Technische Universität Dresden
Prof. Dr. Angelika Siehr, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Dominik Steiger, Technische Universität Dresden
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-Tobias Stoll, Universität Göttingen
Prof. Dr. Tarik Tabbara, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Prof. Dr. Pierre Thielbörger, Universität Bochum
Prof. Dr. Emanuel V. Towfigh, EBS Universität Wiesbaden
Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner, Universität Rostock
Prof. Dr. Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
Vertr.-Prof. Dr. Tim Wihl, Universität Erfurt
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Gerd Winter, Universität Bremen
Prof. Dr. Johanna Wolff, Universität Osnabrück
Weitere Unterzeichner*innen nach Veröffentlichung
Prof. Dr. Kristina Balleis, Technische Hochschule Aschaffenburg
Asst. Prof. Dr. Hannah Birkenkötter, ITAM Mexiko/Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Maxim Bönnemann, University of Michigan
Prof. Dr. Tobias Brönneke, Hochschule Pforzheim
Prof. Dr. Manuel Brunner, Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen
Dr. Andreas Buser, New York University / Freie Universität Berlin
Dr. Anne Dienelt, Universität Hamburg
Prof. Dr. Robert Frau, TU Bergakademie Freiberg
Dr. Andreas Gutmann, Universität Kassel
Dr. Nina Keller-Kemmerer, Universität Gießen
Prof. Dr. Lando Kirchmair, Universität der Bundeswehr München
Dr. Romy Klimke, Universität Halle-Wittenberg
Dr. Michael von Landenberg-Roberg, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Anna-Julia Saiger, Universität Freiburg
Prof. Dr. Lucia Sommerer, Universität Halle-Wittenberg
Dr. Petra Sußner, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Berit Völzmann, Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Christian Walter, Universität München
Wissenschaftler:innen des öffentlichen Rechts (Habilitand:innen, Postdoktorand:innen, Professor:innen), die den Aufruf gerne mitzeichnen möchten, können sich an mb[at]verfassungsblog.de wenden.
Vielen Dank für dieses Engagement und den offenen Brief. Die Veränderung des Klimaschutzgesetzes ist auch aus meiner Sicht ein schwerer Fehler. Nur, weil ein Minister unfähig ist, seine Sektorziele einzuhalten, werden Sektorziele in ihrer Bedeutung abgeschwächt.
Ich werde den offenen Brief in Kürze unter http://www.cleanthinking.de dokumentieren, und erwarte rege Verbreitung.
Martin Jendrischik
Ein wichtiges Signal!
dringend