25 Mai 2023
„Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat“
… so lautet der Titel eines Aufsatzes von Habermas, erschienen 1983. Genau diesen Testfall erleben wir derzeit. Es scheint, als ob „der Rechtsstaat“ – nach Wochen des intensiven Protests durch die „Letzte Generation“ in Berlin – nun „andere Saiten aufziehen“ möchte, und erneut nach dem Strafrecht greift, genauer gesprochen nach einem Tatbestand des ohnehin nicht unproblematischen Präventivstrafrechts. Meine These ist jedoch, dass der Versuch, die Klimaproteste „wegzustrafen“, den Rechtsstaat zwangsläufig schwächt, anstatt ihn zu stärken. Da politischer Protest im Ausgangspunkt als wesentliches Element einer demokratischen Kultur ausgehalten werden muss, ist auch der Umgang mit unter Umständen strafbaren Aktionen im Zuge des politischen Protests - freilich im Rahmen des Legalitätsprinzips - mit Augenmaß zu wählen, um diesen Grundsatz nicht zu konterkarieren. Continue reading >>
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21 Februar 2023
Der Brüsseler Testballon
Über das Amtsblatt der Europäischen Union vom 13. Februar 2023 eröffnete die Kommission den Blick auf eine gegen Ungarn eingereichte Klageschrift. Im Vertragsverletzungsverfahren begehrt sie die Feststellung eines Unionsrechtsverstoßes durch das vom ungarischen Parlament in 2021 verabschiedete Gesetz über ein strengeres Vorgehen gegen pädophile Straftäter und die Änderung bestimmter Gesetze zum Schutz von Kindern. Die Kommission schlägt mit der Klageschrift einen neuen Weg ein, da sie den vorgebrachten Verstoß in einem Punkt auf Art. 2 EUV als solchen, das heißt auf die isolierte Bestimmung, stützt. Continue reading >>
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13 Januar 2023
Rechtsstaatliche und strafverfahrensrechtliche Ernüchterung nach der „Berliner Silvesternacht“
Nach gut zwei Wochen bietet die Berliner Silvesternacht weiterhin Anlass für Schlagzeilen und Talkshows. Kein Wunder – so kurz vor den Berliner Wiederholungswahlen. Insbesondere die rechtspopulistisch angehauchte Anbiederung der Berliner CDU, die nach den Vornamen der Tatverdächtigen fragt, erhitzte noch einmal die ohnehin wahlbedingt leicht reizbaren Gemüter in Berlin. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey (SPD) wiederum forderte ein Umdenken der Strafjustiz, um so mit schnellen Strafen ein schlagkräftiges und rechtsstaatliches Zeichen gegen diese verrohten Jugendlichen zu setzen. Eine Vornamensabfrage hält sie hingegen für den falschen Ansatz. Continue reading >>16 September 2022
Völlige Autonomie
Ist die deutsche Justiz so unabhängig, wie sie sein sollte? Continue reading >>09 September 2022
In einer Handvoll Staub
Ukraine, Frankreich, die EU und die Begrünung der Ödnis Continue reading >>
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02 September 2022
Klagen können
Sollte der Job der Hüterin der Verträge vergesellschaftet werden? Continue reading >>
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31 August 2022
Kein Geld ohne Reform
Polen stehen rund 35,4 Mrd. Euro aus dem im Dezember vom Europäischen Rat beschlossenen Nachcorona-Sonderbudget („Next Generation“) zu. Bisher sind Zahlungen an Polen nicht geflossen. Die EU-Kommission hatte am 1. Juni eine Reihe von Reformauflagen für das polnische Justizsystem als Bedingungen für die Freigabe des Aufbau- und Resilienzplans beschlossen. Zwar hat die polnische Regierung seitdem einige Reformen veranlasst, die europarechtlichen Voraussetzungen für die Auszahlung von Geldern an Polen aus dem Aufbaufonds der EU sind aber weiterhin nicht gegeben. Continue reading >>
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01 Juli 2022
Staatsgeheimnisse und effektiver Rechtsschutz nach 9/11
Staaten haben Geheimnisse, die sie nach ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vor einer Veröffentlichung schützen. Besonders problematisch ist die Geheimhaltung, wenn sich das Verfahren um gravierende Menschenrechtsverletzungen dreht, die von staatlichen Stellen verübt worden sind. Hier kann die Geheimhaltung die justizielle Aufarbeitung staatlichen Unrechts beeinträchtigen oder gar ganz verhindern und den individuellen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz leerlaufen lassen. Continue reading >>
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20 Mai 2022
Die Europäische Union und präventive (Un-)Gerechtigkeit
Die Ausweitung der EU-Befugnisse im Bereich der Terrorismusbekämpfung steht für die präventive Wende in der europäischen Sicherheitspolitik. Unter Präventivjustiz wird hier die Ausübung staatlicher Macht verstanden, um zukünftige Handlungen zu verhindern, die als Sicherheitsbedrohung angesehen werden. Im Paradigma der Präventivjustiz gibt es drei Hauptverschiebungen: (i) eine Verlagerung von der Untersuchung von Handlungen, die stattgefunden haben, hin zu einer Betonung des Verdachts; (ii) eine Verlagerung von gezielten Maßnahmen hin zu allgemeiner Überwachung; und, was beide untermauert, (iii) eine zeitliche Verlagerung von der Vergangenheit in die Zukunft. Continue reading >>
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18 Mai 2022
Vom Krieg gegen Terror bis zum Klimawandel
Von Terrorismus und Wirtschaftskrise bis hin zu COVID-19 und Klimawandel: In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts sind die Demokratien von Krise zu Krise getaumelt und haben rechtliche und politische Maßnahmen ergriffen, um der jeweiligen Bedrohung zu begegnen. Viele dieser vermeintlichen Notfallmaßnahmen sind jedoch zu dauerhaften Maßnahmen geworden, die die Legitimität sowohl der von der Notfallmaßnahme betroffenen Verfassungsnormen als auch der Notfallmaßnahme selbst in Frage stellen. Dieses Plädoyer für den Notstand muss jedoch hinterfragt werden. Continue reading >>
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