This article belongs to the debate » Kleben und Haften: Ziviler Ungehorsam in der Klimakrise
21 June 2023

Blockierende Beamte?

Die Letzte Generation, das Beamtentum und der Klimaschutz

„Als Polizistin bei der Letzten Generation“ – so betitelte ZEIT Online gestern einen Bericht über eine Hauptkommissarin, die in ihrer Freizeit die Letzte Generation unterstützt. Der Fall sorgt für Aufsehen – und rückt eine Frage in den Mittelpunkt, die in der bisherigen Diskussion über die Letzte Generation bislang keine Beachtung gefunden hat: Dürfen sich Beamt:innen für diese Bewegung engagieren?

Ähnlich wie bei der strafrechtlichen Bewertung zeigt sich auch aus beamtenrechtlicher Perspektive, dass der rechtliche Umgang mit der Letzten Generation von zahlreichen Unsicherheiten geprägt ist. Insbesondere die strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen gegen die Bewegung dürften auch unter Beamt:innen Abschreckungs- und Einschüchterungswirkungen entfalten. In Hinblick auf ein mögliches Engagement werden daher auch (und insbesondere) Beamt:innen aufgrund der von Kubiciel so bezeichneten „prohibitiven Wirkungen“, also sogenannter „chilling effects“, im Zweifel Vorsicht walten lassen. Für eine solche Vorsicht bestehen gute Gründe. Denn ob eine Unterstützung der Letzten Generation mit beamtenrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist, lässt sich wohl nur im Einzelfall beurteilen. Solange diese beamtenrechtlichen Unsicherheiten bestehen, ist es Beamt:innen jedenfalls zumutbar, ihr politisches Engagement auf Handlungen zu beschränken, die unzweifelhaft vom Grundgesetz gedeckt sind.

Unsicherheitsfaktor 1: Dienstpflichtverletzung durch Aktionen?

Verunsichern dürfte die Beamtenschaft derzeit zunächst die Frage, ob sich Staatsdiener:innen an Aktionen für die Letzte Generation beteiligen dürfen. Beamt:innen stehen zu ihrem Dienstherrn gemäß Art. 33 Abs. 4 GG in einem sogenannten öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis und haben vor diesem Hintergrund entsprechende Dienstpflichten zu erfüllen. Diese Pflichterfüllung könnte mit einem Engagement für die Letzte Generation in Konflikt geraten.

Das ist zum einen deswegen denkbar, weil die Frage nach der Strafbarkeit der wohl häufigsten Aktion („Festkleben“ auf Straßen) in Teilen der Wissenschaft und Rechtsprechung zwar uneinheitlich beurteilt, aber dennoch mehrheitlich bejaht wird. Gerade im Rahmen der Nötigung gemäß § 240 StGB kommt es, worauf unter anderem Höffler hinweist, vor allem auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere im Rahmen der Prüfung der Verwerflichkeit. In Bezug auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB hat das LG Berlin Ausführungen zum Gewaltbegriff gemacht, die unter anderem von Heger und Dießner zur Diskussion gestellt werden.

In Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Dienstpflichten könnte die Frage nach der Strafbarkeit eines Engagements für die Letzte Generation allerdings weniger bedeutsam sein, als es zunächst den Anschein haben mag. Denn Verletzungen von Beamtenpflichten setzen nicht zwingend die Verwirklichung von Straftatbeständen voraus. So kann gegen die in diesem Zusammenhang relevante Dienstpflicht zur politischen Mäßigung (§ 60 Abs. 2 BBG / § 33 Abs. 2 BeamtStG) verstoßen werden, ohne dass die relevante Handlung strafbar sein muss.

Die politische Mäßigungspflicht

Diese Dienstpflicht verlangt von Beamt:innen, bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Da Aktionen für die Letzte Generation regelmäßig außerhalb des Dienstes, also im privaten Bereich, stattfinden dürften, ist ergänzend auf § 77 Abs. 1 S. 2 BBG / § 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG hinzuweisen. Danach liegt eine Dienstpflichtverletzung bei außerdienstlicher Betätigung nur bei einer besonderen Vertrauensbeeinträchtigung vor. Der Hintergrund für diese Norm besteht in dem Gedanken, dass von Beamt:innen außerhalb des Dienstes „heutzutage kein wesentlich anderes Sozialverhalten“ mehr erwartet wird als von anderen Bürger:innen.1)

In der Rechtsprechung des BVerwG ist in diesem Lichte anerkannt, dass ein politisch motiviertes Verhalten dann einen Verstoß gegen die politische Mäßigungspflicht darstellt, wenn es „einen Bezug zur dienstlichen Stellung und zu den dienstlichen Aufgaben“ aufweist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Beamt:innen Einschränkungen „für den Stil der politischen Betätigung und die Wortwahl politischer Meinungsäußerungen“ hinzunehmen haben. Erforderlich sind nach herrschender Meinung stets Sachlichkeit und Distanz in der Art und Weise der politischen Betätigung sowie das Unterlassen von (grundsätzlich erlaubter) Kritik an der Regierung, sofern diese in aggressiver, kämpferischer oder in Form der Agitation erfolgt.2)

Differenzierung nach Beamtengruppen?

Angesichts dieser abstrakten Ausführungen lassen sich einige grundsätzliche rechtliche Erkenntnisse bezüglich eines Engagements von Beamt:innen für die Letzte Generation gewinnen.

Nehmen Beamt:innen an „Festklebeaktionen“ teil und verweisen dabei auf ihren Beamtenstatus, ihren Dienstposten und die damit verbundenen Rechts- und Verwaltungskenntnisse (nehmen also gewollt einen sogenannten „Amtsbonus“ für sich in Anspruch, um ihren Argumenten größere Beachtung zu verleihen, wie es zurzeit in Bezug auf den Uniformauftritt von Claudia Pechstein diskutiert wird), so wird im Regelfall ein Verstoß gegen die Mäßigungspflicht vorliegen. Denn durch ein solches Verhalten wird nicht nur die dienstliche Stellung mit der politischen Aktion verknüpft. Durch den Verweis auf (vermeintliche) Rechts- und Fachkenntnisse kombiniert mit der Teilnahme an den Aktionen wenden sich die Beamt:innen weitergehend öffentlich gegen die Staatsgewalt.

Es spricht viel dafür, nichts anderes für Polizist:innen anzunehmen – auch bei fehlendem Hinweis auf Statusamt und Dienstposten. Denn Polizist:innen  haben einzelfallabhängig gegen die Aktionen der Letzten Generation zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzuschreiten. Nehmen sie aber selbst an diesen Aktionen teil, setzen sie sich gerade in Widerspruch zu ihren dienstlichen Aufgaben, was für den erforderlichen Bezug zur dienstlichen Stellung spricht.

Bei anderen Beamt:innen erscheint die rechtliche Situation herausfordernder. Gerade in Bezug auf die bei außerdienstlichen Verhaltensweisen notwendige bedeutsame Vertrauensbeeinträchtigung zeigen sich aktuell gewisse Untiefen. Das Fernziel des Klimaschutzes (als Staatsziel in Art. 20a GG verankert) in Verbindung mit der gebotenen engen Auslegung („in dubio pro libertate“)3) der politischen Mäßigungspflicht mag als Indiz gegen eine Beeinträchtigung streiten. Andererseits könnte das Festkleben auf der Straße bereits als kämpferische Agitation gewertet werden, was für einen Verstoß gegen die Mäßigungspflicht spricht. Unterstrichen wird ein solches Verständnis durch die oben angesprochene Sichtweise des BVerwG, welches einen zurückhaltenden „Stil bei der politischen Betätigung“ fordert, der bei den Aktionen der Letzten Generation in Zweifel stehen könnte.

Es wird, so unbefriedigend dies erscheinen mag, letztlich stets auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommen. In diesem Zusammenhang kann auch die strafrechtliche Einordnung des Verhaltens bedeutsam werden. Denn im Rahmen der Frage, ob ein politisches Verhalten gegen die Mäßigungspflicht verstößt, ist auch dessen strafrechtliche Relevanz ein prägender Faktor.4) Gerade diesbezüglich verbleibt es gegenwärtig aber bei den eingangs angesprochenen Unsicherheiten.

Unsicherheitsfaktor 2: Die Unterstützung durch Spenden

Für den Fall, dass sich Beamt:innen nicht für die Letzte Generation durch die eben erörterten äußerlich wahrnehmbaren Aktionen engagieren, sondern die Gruppierung lediglich durch Spenden unterstützen wollen, hängt zunächst alles davon ab, ob die Letzte Generation als kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB zu qualifizieren ist. Denn dann könnte auch schon die Unterstützung durch Spenden eine Straftat gemäß § 129 Abs. 1 S. 2 StGB darstellen (dazu Wenglarczyk).

Ob dies der Fall ist, ist derzeit umstritten. Vereinzelt wird eine kriminelle Vereinigung bejaht (dazu Gärditz; in Bezug auf organisierte “Kategorien” von Mitgliedern vgl. Fischer), stellenweise verneint (dazu beispielsweise Langmack/Brandau unter Betonung der Relevanz der EMRK). Differenzierende Stimmen finden sich ebenfalls (vgl. Kubiciel). Koch hält § 129 StGB in der aktuellen Fassung sogar für verfassungswidrig. Angesichts dieses Meinungsstands lässt sich zumindest festhalten, dass momentan schwerlich von einer klaren Rechtslage gesprochen werden kann.

Die Verwirklichung eines außerdienstlich begangenen Straftatbestands ist nicht nur im Rahmen der politischen Mäßigungspflicht (deren Verletzung bei Spenden schwieriger zu bejahen sein dürfte als im Falle des oben angesprochenen Festklebens) bedeutsam, sondern auch bei der Prüfung der sogenannten Wohlverhaltenspflicht gemäß § 61 Abs. 1 S. 3 BBG / § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG. Diese verpflichtet als Auffangtatbestand Beamt:innen auch außerdienstlich zu einem Handeln, das der Achtung und dem Vertrauen des Beamtenberufs gerecht werden muss. Die Verwirklichung von Straftatbeständen, die sich gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung richten, kann diesbezüglich bedeutsam werden.

Unsicherheitsfaktor 3: Die Mitgliedschaft und das rein interne Engagement

In Bezug auf die Mitgliedschaft von Beamt:innen in der Letzten Generation stellt sich die Frage, inwiefern hierein ein Verstoß gegen die sogenannte Verfassungstreuepflicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 3 BBG / § 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG liegen könnte. Danach müssen sich Beamt:innen durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für ihre Erhaltung eintreten.

Ob die Mitgliedschaft in einer Vereinigung einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht darstellt, ist abhängig von ihrer Einstufung durch den Verfassungsschutz beziehungsweise das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Diesbezüglich gilt vereinfacht zusammengefasst das Folgende: Die Mitgliedschaft in einer vom BVerfG verbotenen oder (wie im Fall der NPD) jedenfalls als verfassungswidrig eingestuften Partei stellt nach herrschender Ansicht einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht dar. Ist die Vereinigung seitens des Verfassungsschutzes als erwiesen extremistische Vereinigung klassifiziert worden (also als verfassungsfeindlich), ohne dass sich das BVerfG zur Verfassungswidrigkeit geäußert hat, so begründet dies nach herrschender Auffassung zwar keinen unmittelbaren Verfassungstreuepflichtverstoß, kann einen solchen aber indizieren. Unterhalb dieser Schwelle wird zwischen dem Verdachtsfall (der auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende konkrete Verdacht in Bezug auf die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung) und dem Prüffall (hier bestehen lediglich Informationssplitter, die dazu führen, dass der Verfassungsschutz die Vereinigung aufgrund eines indiziengestützten Anlasses genauer in den Blick nimmt) differenziert. Die reine Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die als Prüf- oder Verdachtsfall eingestuft wird, stellt keinen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht dar, kann aber nach herrschender Auffassung Anlass für weitergehende Untersuchungen sein (einführend dazu Lindner).5)

Entscheidend ist damit die Einordnung der Letzten Generation durch den Verfassungsschutz. Aktuell wird die Gruppierung als Prüffall eingestuft, was seitens der Literatur, soweit ersichtlich, mehrheitlich befürwortet wird (vgl. nur Gärditz, für den die Verfassungsfeindlichkeit derzeit nicht naheliegt). Gegenwärtig stehen zwar Straftaten in Rede, diese dürften aber momentan noch nicht den konkreten Verdacht einer verfassungsfeindlichen Grundeinstellung der Letzten Generation rechtfertigen. An dieser Einstufung ändern auch vereinzelte Forderungen aus der Politik nichts, die Gruppe als Verdachtsfall zu behandeln.

Das bedeutet, dass Lebenszeitverbeamtete allein durch die Mitgliedschaft derzeit nicht gegen die Verfassungstreuepflicht verstoßen. Allerdings könnte die Mitgliedschaft einerseits Anlass sein, die Verfassungstreue dieser Beamt:innen ggf. „eigens zu prüfen“. Ferner ist die Unsicherheit in Bezug auf die Verwirklichung des § 129 Abs. 1 S. 1, 2. Var. StGB und damit auch bezüglich der Wohlverhaltenspflicht zu beachten.

Auch für den Fall, dass die Letzte Generation nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft werden sollte, ergeben sich gewisse Unsicherheiten für Lebenzeitbeamt:innen in Bezug auf die Mitgliedschaft oder ein rein internes Engagement ferner vor dem Hintergrund der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht. Zwar dürfte die bei außerdienstlicher Betätigung für ein Dienstvergehen erforderliche besondere Vertrauensbeeinträchtigung bei bloß passiver Mitgliedschaft oder einem rein internen Engagement geringer sein, als dies bei äußerlich wahrnehmbaren aktiven Aktionen der Fall wäre. Einzelfallabhängig könnte aber auch in diesen Konstellationen ein Bezug zur dienstlichen Stellung vorliegen. Hierbei kommt es auf das konkrete interne Verhalten des verbeamteten Mitglieds und die dadurch geförderten äußerlich wahrnehmbaren Auswirkungen an, also wieder auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

Noch weitergehender sind die möglichen Folgen für Anwärter:innen oder potentielle Bewerber:innen für den Staatsdienst. In diesem (Vor-)Stadium des Dienstverhältnisses genügen nach heute ganz herrschender Meinung bereits berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue, um eine Entlassung oder eine Nichternennung zu rechtfertigen. Solche Zweifel können einzelfallabhängig durch die Mitgliedschaft in einer als Prüf- oder Verdachtsfall eingestuften und entsprechend beobachteten Vereinigung hervorgerufen werden.6)

Zusammenfassung und Ausblick

Die juristischen Unsicherheiten in Bezug auf die Letzte Generation betreffen nicht nur das Strafrecht, sondern wirken auch im Beamtenrecht. Damit spricht viel für einen „chilling effect“ dahingehend, dass Beamt:innen oder Bewerber:innen von jeglichem Engagement für diese Gruppierung aus beruflichen „Sicherheitsgründen“ absehen könnten.

Trotz des Satzes des BVerfG, wonach die Allgemeinheit kein Interesse an einer unkritischen Beamtenschaft haben könne, erscheint ein solcher „chilling effect“ aber als hinnehmbar. Denn jedermann, auch die Beamtenschaft, kann in Deutschland politische Anliegen mit den vom Grundgesetz dafür vorgesehen Möglichkeiten vorbringen.

Das Risiko nachteiliger rechtlicher Konsequenzen, das jede Aktivität im juristischen Grenzbereich stets birgt, muss entweder in Kauf genommen oder es muss von dieser Aktivität abgesehen werden. Damit wird die Beamtenschaft in Sachen Klimapolitik nicht „mundtot“ gemacht. Vielmehr ist sie auf die mit den Dienstpflichten harmonierenden Optionen zu verweisen. Die Letzte Generation hat mit ihrer Interpretation des „zivilen Ungehorsams“ jedenfalls eines ihrer Ziele erreicht: mediale Aufmerksamkeit zu erregen. Darauf aufbauend könnten Beamt:innen sich im Rahmen des Grundgesetzes und der Dienstpflichten für den Klimaschutz engagieren, um auf diese Weise, wie in einer Demokratie bei jedem gesellschaftlichen Konflikt geboten, für politische Mehrheiten zu werben.

References

References
1 Grundlegend dazu Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht/Beamtenstrafrecht, 2. Aufl. 2021, § 4, Rn. 86 ff.
2 Grundlegend dazu Baßlsperger, PersV 2019, S. 204 ff. m.w.N.; Masuch, NVwZ 2021, S. 521 ff m.w.N.
3 Baßlsperger, PersV 2019, S. 204 (212 m.w.N.); vgl. auch Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht/Beamtenstrafrecht, 2. Aufl. 2021, § 10, Rn. 914 m.w.N.
4 Dazu Masuch, NVwZ 2021, S. 521 (524) mit Verweis auf BVerfGE 25, 44 ff.
5 Vgl. ferner Hanschmann/Paskowski, Jura 2022, S. 1271 ff. m.w.N.; Schneider, DÖV 2022, S. 372 ff. m.w.N.; Nitschke, ZBR 2022, S. 361 ff. m.w.N.
6 Dazu Baßlsperger, PersV 2019, S. 204 ff. m.w.N.; Nitschke, ZBR 2022, S. 361 ff. m.w.N.

SUGGESTED CITATION  Nitschke, Andreas: Blockierende Beamte?: Die Letzte Generation, das Beamtentum und der Klimaschutz, VerfBlog, 2023/6/21, https://verfassungsblog.de/blockierende-beamte/, DOI: 10.17176/20230621-231029-0.

3 Comments

  1. Michael Schneider Wed 21 Jun 2023 at 18:37 - Reply

    Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation für sich genommen keinen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht darstellt. Nicht nachvollziehbar erscheint mir allerdings die Auffassung, dass umgekehrt die Mitgliedschaft in einer Organisation, die vom Verfassungsschutz nicht als extremistisch eingestuft wird, per se keine Dienstpflichtverletzung darstellen soll. Meines Erachtens dürften in beiden Fällen die gleichen Grundsätze einer Einzelfallprüfung gelten. Denn bei der Einstufung durch den Verfassungsschutz handelt es sich um ein Werturteil, an das im Disziplinarverfahren „keinerlei rechtliche Auswirkungen“ geknüpft sind (so wörtlich VG Düsseldorf, BeckRS 2014, 53952 unter Berufung auf BVerwG, NJW 2002, 980). Dies müsste konsequenterweise in beide Richtungen gelten. Daher dürfte es Aufgabe der Disziplinarbehörde bzw des Gerichts sein, selbst zu beurteilen, inwiefern die Organisation verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Ist letzteres der Fall, so dürfte es jedenfalls für die Frage eines objektiven Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht keinen Unterschied machen, welche Auffassung der Verfassungsschutz vertritt. Denn die Bestrebungen einer Organisation verlieren ihren verfassungsfeindlichen Charakter nicht alleine dadurch, dass der Verfassungsschutz (vorliegend wohl aus politischen Gründen) sich in Zurückhaltung übt und auf eine offizielle Einstufung verzichtet. Allenfalls in subjektiver Hinsicht mag der Beamte geltend machen, er sei davon ausgegangen, dass nur solche Organisationen verfassungsfeindlich seien, die auch vom Verfassungsschutz so eingestuft werden.

    • Andreas Nitschke Thu 22 Jun 2023 at 20:20 - Reply

      Lieber Herr Schneider,

      haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar. In der Tat gibt es keinen rechtlichen Automatismus dahingehend, dass die Einstufung durch den Verfassungsschutz für die Dienststelle der Beamtin bzw. des Beamten oder gar für die Gerichte verbindlich ist. Dienststelle und Gerichte entscheiden eigenständig.

      Man wird allerdings von einer Art Indizwirkung der Verfassungsschutzeinschätzung für die Einschätzung anderer Behörden sprechen können, da diese die Einstufung durch den Verfassungsschutz in der Vergangenheit häufig übernommen haben. Dies hat beispielsweise Dietrich Murswiek (vgl. dazu auch sein in meinem Beitrag verlinktes Gutachten aus dem Jahr 2018) in einem NVwZ-Aufsatz aus dem Jahr 2004 wie folgt formuliert:

      „Für die öffentliche Verwaltung hat der Verfassungsschutzbericht zwar keine verbindliche Tatbestands- oder Feststellungswirkung, doch Behörden und Gerichte stützen sich, insbesondere bei Personalentscheidungen, immer wieder auf die Feststellungen und Wertungen der Verfassungsschutzberichte, deren Auswirkungen auf diese Weise erheblich gesteigert werden“ (NVwZ 2004, S. 769, 773 m.w.N.).

      In diesem Sinne sind die Ausführungen in meinem Beitrag zu verstehen. Diese Ergänzung sei hiermit nachgeholt.

      Herzliche Grüße

    • Jendrik Wüstenberg Mon 26 Jun 2023 at 13:02 - Reply

      Kann mich da nur anschließen: Die Einschätzung des Verfassungsschutzes kann natürlich berücksichtigt werden, sollte aber nicht die richtungsweisende Grundlage, schon gar keine verbindliche, bilden. Zumal der Verfassungsschutz wie jede andere Institution auch irren und ohnehin nicht alles abdecken kann. Hier obliegt es den beteiligten Behörden und Gerichten, genau auf den Einzelfall zu blicken.

Leave A Comment

WRITE A COMMENT

1. We welcome your comments but you do so as our guest. Please note that we will exercise our property rights to make sure that Verfassungsblog remains a safe and attractive place for everyone. Your comment will not appear immediately but will be moderated by us. Just as with posts, we make a choice. That means not all submitted comments will be published.

2. We expect comments to be matter-of-fact, on-topic and free of sarcasm, innuendo and ad personam arguments.

3. Racist, sexist and otherwise discriminatory comments will not be published.

4. Comments under pseudonym are allowed but a valid email address is obligatory. The use of more than one pseudonym is not allowed.




Explore posts related to this:
Beamtenrecht, Berufsbeamtentum, Letzte Generation, Ziviler Ungehorsam


Other posts about this region:
Deutschland