Der Ausschluss von AfD-Bürgermeisterkandidaten vor der Wahl
Im August dieses Jahres wurden in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zwei AfD-Bürgermeisterkandidaten nicht zur Wahl zugelassen. Die Wahlausschüsse begründeten ihre Entscheidungen mit Zweifeln an der Verfassungstreue der jeweiligen Kandidaten. Beide Ausschlüsse wurden im Nachgang gerichtlich bestätigt (VG Neustadt und OVG Rheinland-Pfalz einerseits, VG Minden andererseits).
Die Gerichtsentscheidungen sind im Ergebnis zwar gut nachvollziehbar. Sie verdeutlichen jedoch zum einen, wie demokratisch sensibel das Thema ist. Zum anderen zeigen sie, dass die Wahlausschüsse bei der Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern vor einer Wahl mit einer Aufgabe konfrontiert sind, deren rechtssichere Bewältigung – soweit eine solche in der Kürze der Zeit überhaupt gelingen kann – Ressourcen braucht, die nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden können.
Ausgangssituation
Nach der Wahl Robert Sesselmanns zum ersten Landrat mit AfD-Parteibuch ist die Verfassungstreue kommunaler Wahlbeamter auf dem Verfassungsblog (vgl. etwa Brenner, Kutting, Schulz, Ighreiz/Selinger sowie hier und hier) und anderswo (vgl. nur Henneke und Ritgen) vertieft diskutiert worden.
Eine wichtige Weichenstellung besteht zunächst in der Tatsache, dass kommunale Wahlbeamte wie Landräte oder Bürgermeister gewissermaßen eine „Zwitterstellung“ innehaben: Sie werden (häufig direkt) vom Volk gewählt und sind insofern Mandatsträger, zugleich sind sie aber auch Beamte mit den damit einhergehenden Dienstpflichten, insbesondere der Verfassungstreuepflicht. Ob die demokratische Wahl Bedeutung für die Interpretation der Beamtenpflichten von Wahlbeamten hat, wird nicht immer einheitlich beantwortet. Die rechtswissenschaftliche Diskussion kreist dabei insbesondere um die Frage, ob bzw. inwieweit der in der Wahl zum Ausdruck kommende Wille der Wählerschaft zu einer gewissen Modifikation der Dienstpflichten bzw. geltenden Beamtenrechtsgrundsätze führt oder führen kann.1)
Bereits im Vorfeld einer Wahl wird diese Frage relevant, etwa wenn es darum geht, ob dienstrechtliche Pflichten gewissermaßen vorwirkend den Ausschluss von Kandidaten rechtfertigen können. Viele Bundesländer – so auch Rheinland-Pfalz2) und Nordrhein-Westfalen3) – haben sie dergestalt beantwortet, dass – ebenso wie dies im Beamtenrecht vor einer Ernennung der Fall ist4) – wählbar nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (fdGO) einzutreten. Die Kandidaten, bei denen dies nicht der Fall ist, werden von dem dafür zuständigen Wahlausschuss (dazu VG Neustadt, Rn. 12 sowie VG Minden, Rn. 23) nach vorangegangener Prüfung zurückgewiesen, also nicht zur Wahl zugelassen. Genau dies ist in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geschehen.
Zur Notwendigkeit der juristischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz
Beide Kandidaten haben diese Zurückweisung – am Ende erfolglos – verwaltungsgerichtlich prüfen lassen. Die Gerichte haben hierbei zunächst die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes eines zurückgewiesenen Kandidaten vor der Wahl bedarf. Diesbezüglich noch eher zurückhaltend merkt das VG Neustadt in Einklang mit der herrschenden Meinung an, dass das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren aufgrund der „Beständigkeit von Wahlen“ Vorrang vor dem einstweiligen Rechtsschutz vor der Wahl habe, so dass letzterer lediglich in Ausnahmefällen in Betracht komme. Dies sei namentlich dann anzunehmen, wenn ein „offensichtlicher Fehler“ in Rede stehe, der nach der Wahl eindeutig zu ihrer Ungültigkeit führen würde (VG Neustadt, Rn. 5 ff.). Noch mehr Zweifel am einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesener Kandidaten vor der Wahl hat das VG Minden, das bereits Bedenken gegenüber dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab im einstweiligen Rechtsschutz vor der Wahl äußert. Das Gericht begründet seine Bedenken mit der Tatsache, dass es in Nordrhein-Westfalen (anders als in Rheinland-Pfalz) einen eigenen Rechtsbehelf5) gegen die Entscheidung des Wahlausschusses über die Zurückweisung von Wahlvorschlägen gibt (VG Minden, Rn. 20 und Rn. 14).
Offensichtliche Fehler bei der Prüfung des Gewährbietens?
Trotz dieser Bedenken setzen sich letztlich beide Gerichte schwerpunktmäßig mit der Frage auseinander, ob dem Wahlausschuss bei der Prüfung der Frage, ob die Kandidaten Gewähr dafür bieten, jederzeit für die fdGO einzutreten (im Folgenden: Zweifel am Gewährbieten), offensichtliche Fehler unterlaufen sind, was beide Gerichte verneinen.
Was den Prüfungsmaßstab bezüglich des Gewährbietens betrifft, so gehen beide Gerichte von dem hergebrachten Verständnis aus, wonach die Gewähr dann verneint werden kann, wenn im Einzelfall hinreichende Zweifel an der Verfassungstreue bestehen. Das sei bereits dann der Fall, „wenn der Verantwortliche im Augenblick seiner Entscheidung nach den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht überzeugt ist, dass der Bewerber seiner Persönlichkeit nach“ künftig der Verfassungstreue entsprechen werde (so VG Minden, Rn. 28 ff., unter Aufführung anerkannter Anhaltspunkte; knapper VG Neustadt, Rn. 22). Gegen diesen Fokus auf die „Persönlichkeit“ sind insbesondere in der Zeit des sogenannten „Radikalenerlasses“ durchaus erörterungswürdige Argumente6) vorgebracht worden. In der Praxis ist dieser Maßstab inzwischen aber anerkannt und soll auch den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt werden.
Im vom VG Minden entschiedenen Fall dürfte bereits ein auf Facebook gepostetes Bild für sich allein begründete Zweifel am Gewährbieten hervorrufen, die darauf beruhende Bewertung durch den Wahlausschuss jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft sein.7) Besagtes Bild war mit folgender Textzeile versehen: „Deutschland ist kein souveräner Staat. Ohne Souveränität gibt es keine Beamten. Keine Bußgelder. Kein Arrest.“ (VG Minden, Rn. 32).
Das Bundesverwaltungsgericht geht seit seinem „Reichsbürger-Grundsatzurteil“ aus dem Jahr 2021 ausgesprochen streng mit reichsbürgertypischen Verhaltensweisen von Staatsdienern um. Danach können Personen, die sich nicht zur fdGO bekennen und für deren Erhaltung eintreten (sondern die Existenz der Bundesrepublik und damit auch die des Grundgesetzes – wie vorliegend – vielmehr leugnen), von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes erforderliche Vertrauen entgegengebracht werden. In solchen Fällen sei grundsätzlich sogar die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst angemessen (BVerwG, Rn. 51 und Rn. 53).
Nicht ganz so eindeutig, aber im Ergebnis ebenfalls zumindest nicht offensichtlich fehlerhaft dürfte die Ansicht des VG Neustadt sein, wonach sich hinreichende Zweifel am Gewährbieten des Bewerbers insbesondere aufgrund seiner aktiven Beziehungen zu den „Neuen Rechten“ ergeben würden (VG Neustadt, Rn. 23 ff.).8) Denn diese propagieren eine – mit der Menschenwürde nicht in Einklang zu bringende – „ethnokulturelle Identität“. Für die Richtigkeit der Sichtweise des VG streitet zunächst die sogenannte „Radikalenentscheidung“ des BVerfG, nach der sich Beamte eindeutig von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren haben, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG, Rn. 38). Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vertritt daran anknüpfend mittlerweile sogar weitergehend mehrheitlich die Auffassung, dass schon der durch fehlende Distanzierungen zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen hervorgerufene „böse Schein“ einer eigenen verfassungsfeindlichen Gesinnung bereits einen konkreten Verstoß gegen die Pflicht zum Eintreten für die fdGO bedeute (vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, Rn. 114 f. m.w.N.).
Relevanz der Parteimitgliedschaft
Das VG Neustadt hat auch die seit Jahrzehnten umstrittene Frage nach der Bedeutung der Parteimitgliedschaft9) thematisiert.
Nach dem Gericht können sich Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel am Gewährbieten auch aus der Mitgliedschaft in einer sogenannten „Verdachtsfall“-Partei ergeben (VG Neustadt, Rn. 23). In diesem Punkt ist jedoch eine gewisse Zurückhaltung angebracht. Denn nach der überwiegenden Ansicht ist die Mitgliedschaft in einer (sogar schon über den Verdachtsfall hinausgehend) als erwiesen extremistisch bzw. verfassungsfeindlich eingestuften Partei lediglich ein Indiz für einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht (die sich, je nach Einzelfall, bei aktiver Betätigung zu einem Verstoß verdichten kann).10) Kommt aber der Mitgliedschaft in einer erwiesen verfassungsfeindlichen Partei „nur“ Indizwirkung für einen Verfassungstreuepflichtverstoß zu, so wird die Mitgliedschaft in einer dahinter zurückbleibenden „Verdachtsfallpartei“ eine geringere Auswirkung haben müssen. Richtigerweise dürfte daher die Mitgliedschaft in einer „Verdachtsfallpartei“ regelmäßig „nur“ dazu führen, die betreffende Person genauer „in den Blick zu nehmen“11) sowie die weiteren Einzelfallumstände zu ermitteln und intensiv zu prüfen.12)
Ausblick
Wie und durch wen die Verfassungstreue von Bewerbern für kommunale Wahlämter vor einer Wahl zu prüfen ist, wird die Öffentlichkeit in Zukunft wohl noch stärker beschäftigen als bisher.
Das liegt auch an dem Umstand, dass dem Wahlausschuss bei dieser Prüfung ein recht weitgehender Entscheidungsspielraum zugestanden wird, bezüglich dessen die gerichtliche Überprüfung auf offensichtliche Fehler beschränkt ist (dazu VG Minden, Rn. 30). Damit kann ein Kandidat, wie dargelegt, vor der Wahl bereits dann ausgeschlossen werden, sofern diese Entscheidung „nicht offensichtlich willkürlich“ (so wörtlich VG Neustadt, Rn. 22) ist.
Auch wenn damit der Wahlausschuss vor der Wahl verhältnismäßig „einfach“ entsprechende Ausschlüsse aussprechen kann, haben die Ausgeschlossenen gleichwohl die Möglichkeit, im nachträglichen Wahlprüfungsverfahren ihren Ausschluss prüfen zu lassen (hierzu VG Neustadt, Rn. 32; Kamil Abdulsalam).
Das führt jedoch dazu, dass Entscheidungen der Wahlausschüsse weniger stabil und rechtssicher sind, als sie im Lichte ihrer demokratischen Bedeutung sein sollten. Daher wird zunehmend (Ritgen, S. 74 ff.) die Frage aufgeworfen (und teils bereits verneint), ob der Wahlausschuss seiner Aufgabe, das Gewährbieten rechtssicher zu prüfen und Kandidaten ggf. auszuschließen, überhaupt gerecht werden kann – denn er muss in kurzer Zeit durchaus anspruchsvolle Rechtsfragen klären.13) Dies dergestalt zu bewerkstelligen, dass die rechtliche Bewertung auch einem nachträglichen Wahlprüfungsverfahren standhält, erfordert jedenfalls entsprechende Rechtskenntnisse der Wahlausschüsse, die man bislang nicht ohne Weiteres voraussetzen kann. Daher spricht viel dafür, der personellen Zusammensetzung der Wahlausschüsse ebenso wie Aspekten des Verfahrens (hierzu lesenswert Ritgen, S. 76) und der Frage, was in der Kürze der Zeit überhaupt rechtssicher entschieden werden kann, in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken.
References
↑1 | Vgl. dazu nur Masuch, NVwZ 2023, S. 1694 ff.; Henneke/Ritgen, LKV 2023, S. 241 ff.; Nitschke, PersV 2023, S. 412 ff. und S. 444 ff.; Schmidt, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Demokratie zwischen Beteiligungschancen und Radikalisierungsgefahren, 2024, S. 217 ff.; Heinz, Die Verfassungstreue kommunaler Wahlbeamter, 2015. |
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↑2 | Vgl. § 58 KWG Rheinland-Pfalz in Verbindung mit § 53 Abs. 3 GemO Rheinland-Pfalz. |
↑3 | Vgl. § 46b KWahlG Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 65 Abs. 2 GO Nordrhein-Westfalen. |
↑4 | Vgl. nur § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG bzw. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG. |
↑5 | Vgl. § 18 Abs. 4 KWahlG Nordrhein-Westfalen. |
↑6 | So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf die Persönlichkeit in diesem Sinne erst durch die Nationalsozialisten ins deutsche Beamtenrecht gekommen sei und gerade totalitäre Regime kennzeichne, vgl. Böckenförde, Der Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 26 ff. m.w.N.; ähnlich zuvor bereits Kröger, AöR 88 (1963), S. 121 ff. Ferner wird immer wieder geltend gemacht, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen kaum bzw. letztlich möglicherweise sogar nie verlässlich ermitteln lasse, vgl. nur Froese, JZ 2024, S. 426; Lüttmann, ZBR 2023, S. 292 ff. |
↑7 | In Bezug auf die auf den ersten Blick nicht eindeutigen, sondern nach den Ausführungen des VG Minden eher mehrdeutigen Äußerungen wie „Gesindel-Ketchup“ (VG Minden, Rn. 32) dürfte angesichts des Gewichts der Meinungsfreiheit indes eine gewisse Zurückhaltung angebracht sein. |
↑8 | Das Gericht führt daneben unter anderem auf, dass der Bewerber selbst im Verfassungsschutzbericht namentlich benannt ist und öffentlichkeitswirksame Beziehungen zum “COMPACT-Magazin” pflegte, das 2021 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, wenngleich die nachfolgende Verbotsverfügung 2025 vom BVerwG aufgeboben wurde. |
↑9 | Dazu Lindner, ZBR 2020, S. 1 ff.; speziell bezogen auf die kommunalen Wahlbeamten Nitschke, NdsVbl 2025, S. 74 ff. |
↑10 | Dazu Lindner, ZBR 2020, S. 1 ff.; Nitschke, ZBR 2025, S. 73 ff. |
↑11 | So Lindner, ZBR 2020, S. 1 (7), der weitergehend aber auch eine Indizwirkung für das fehlende Gewährbieten in solchen Konstellationen jedenfalls andenkt; vgl. auch Nitschke, ZBR 2022, S. 361 (371). |
↑12 | Ob die vom VG Neustadt gemachten Ausführungen genügen, um den Verdacht eines konkreten Dienstvergehens hervorzurufen – die Tatsache, dass der Kandidat Beamter ist, wird vom Gericht unter Rn. 30 kurz behandelt – soll hier nicht tiefergehend erörtert werden, dazu kurz Kamil Abdulsalam. |
↑13 | Dazu statt vieler Schmidt, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Demokratie zwischen Beteiligungschancen und Radikalisierungsgefahren, 2024, S. 217 (221 ff.). |
Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu Herrn Paul wurden der Wahlleiterin der Stadt Ludwigshafen, Frau Steinruck, vom Ministerium des Innern und für Sport RLP mitgeteilt. Das Schreiben ist auf der Seite von NIUS verfügbar:
https://api.nius.de/api/assets/office-hr/f9bd16d6-add3-465b-8fde-9c589405a79c/20250729-wahl-ludwigshafen-geschw.pdf?version=0
Es ist meiner Ansicht nach ein buntes Potpourri, was in dem Schreiben dargelegt wird:
– Herr Paul spricht sich dafür aus, die Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“ (nach Tolkien) und das Nibelungenlied für die Ziele der AfD nutzbar zu machen.
– Bestimmte Migrantengruppen sollen laut Herrn Paul für miserable Zustände in einem bestimmten Stadtteil Ludwigshafens oder bestimmte Formen der Gewaltkriminalität in besonderer Weise verantwortlich sein.
– Ansonsten scheint Herr Paul keine Ängste zu haben, Kontakt zu Rechtsextremisten zu haben (Herr Sellner und andere Vertreter der Neuen Rechten).
So richtig beeindruckt hat mich das nicht. Wenn es um die Erkenntnisse zur Amazon-Serie oder zum Nibelungenlied angeht, habe ich eher an Satire gedacht. Bemerkenswert erscheint mir, dass der Verfassungsschutz insbesondere auf die Kontakte von Herrn Paul abstellt. Dies würde im Ergebnis für Bürgermeisterkandidaten auf eine Kontaktsperre zu bestimmten Personen hinauslaufen. Was Äußerungen von Herrn Paul angeht, ist das Schreiben eher dünn geraten. Da hätte ich mir vom VG Neustadt mehr Ausführungen erhofft, ob die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes nicht doch zu dünn sind („offensichtlich fehlerhaft“).
In Ludwigshafen sollen Aufrufe kursieren, die zugelassen Kandidaten auf dem Wahlzettel durchzustreichen und stattdessen den Namen von Herrn Paul auf den Wahlzettel zu schreiben. Was zur Ungültigkeit des Wahlzettels führen würde.
Sehr geehrter Herr Dr. Nitschke,
danke für die sehr guten und interessanten Ausführungen. Tatsächlich halte auch ich die Wahlprüfungsausschüsse bereits von ihrer Struktur und Zusammensetzung für denkbar ungeeignet, die “Verfassungstreue” von Kandidaten innerhalb der kurzen Zeitspanne zu prüfen.
Darüber hinaus sehe ich wie Sie die (entscheidende) Weichenstellung bei der Beurteilung der rechtlichen Position der sog. Wahlbeamten, würde da aber eine andere Sichtweise ergänzen wollen. Die Urteile der beiden VG scheinen sich – ich habe sie nicht selbst gelesen – mehr oder weniger auf die Grundsätze des Berufsbeamtentum zu beziehen. Auch die Radikalenentscheidung betrifft das Berufsbeamtentum. Was dabei mE unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten aber zu kurz kommt, ist der offensichtliche Eingriff in das passive Wahlrecht des Kandidaten. Bei einer demokratischen Wahl können mE nicht ohne weiteres die gleichen Anforderungen wie im Berufsbeamtentum gestellt werden. Das aktive und das passive Wahlrecht sind die Grundpfeiler einer jeden Demokratie. Daher heißt es auch in § 13 BWG: “Vom deutschen Wahlrecht ist ausgeschlossen, wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt”. Das die beiden Entscheidungen dem mE nicht gerecht werden (können), weil sie keine Entscheidung über das passive Wahlrecht treffen konnten, liegt an dem mE verfehlten Ansatz der Wahlgesetze. – Ich persönlich bin gespannt, ob und wie sich das BVerfG zu diesen Fragen äußert.
Nochmals vielen Dank für den interessanten Artikel.
Beste Grüße
Dr. J. Feldmann
Sehr geehrter Herr Dr. Feldmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Die Frage, ob und inwiefern das Demokratieprinzip (insbesondere das passive Wahlrecht) bei der Bewertung Gewährbietens der Kandidaten für kommunale Wahlämter bedeutsam ist bzw. sein kann, habe ich in meinem Blogpost in der Tat nur sehr kurz anreißen können. In den in den Fußnoten angegebenen Literaturquellen wird dieses Thema tiefergehender behandelt.
Lesenswert in diesem Zusammenhang sind auch und gerade die Entscheidungsgründe des für die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Neustadt zuständigen OVG RP (https://www.landesrecht.rlp.de/bsrp/document/NJRE001619770), die bezeichnenderweise veröffentlicht wurden, kurz nachdem der Blogost online gegangen war. Darin setzt sich das OVG mit der von Ihnen angesprochenen bedeutsamen Frage ab Rn. 24 ausführlich auseinander (deutlich vor allem Rn. 38).
Beste Grüße
Andreas Nitschke
Sehr geehrter Herr Nitsche,
vielen Dank für Ihren Hinweis auf die Entscheidung de OVG RP und die dortige Fundstelle!
Dort heißt es ja: “Vielmehr kann gerade vom höchsten Repräsentanten der Kommunalverwaltung verfassungsrechtlich nicht weniger verlangt werden als von anderen Beamten des Landes und der Gemeinden (vgl. ThürOVG, Urteil vom 14. Oktober 2003 – 2 KO 495/03 –, juris Rn. 58; Masuch, NVwZ 2023, 1694 [1695])”. Das scheint mE etwas (zu) knapp und doch etwas zu pauschal. Eine weitergehende Begründung fehlt dazu, insbesondere eine Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Aspekten, die sich aus der Beschränkung des passiven Wahlrechts als Ausdruck des Demokratieprinzips in jedem Fall ergeben (müssten).
Dabei geht es mir, dass möchte ich klarstellen, bestimmt nicht um die Person des Herrn Paul. Das Verfahren lässt aber irgendwie bei mir das verfassungsrechtliche (Bauch-)Gefühl zurück, dass es so einfach nicht sein sollte, jd. das passive Wahlrecht zu entziehen, das bundesrechtlich ja einen ganz anderen Schutz genießt.
Viele Dank mochmals und beste Grüße zurück,
Dr. J. Feldmann