Antidiskriminierungsklauseln im Zuwendungs- und Förderungsrecht
Rechtliche Überlegungen
Der Berliner Senat lässt sich nicht beirren vom Scheitern der Antisemitismusklausel des Berliner Kultursenators Chialo für die Förderung von Kunst. Nun erwägt er, sein Zuwendungsrecht insgesamt so zu ändern, dass die Vergabe von Zuwendungen an bestimmte Auflagen und Auswahlkriterien geknüpft wird. Insbesondere geht es ihm darum, sicherzustellen, dass keine antisemitischen Projekte oder Personen gefördert werden. Auf Bundesebene werden ähnliche Maßnahmen erwogen.
Das Ziel, mit staatlichen Geldern nicht Antisemitismus zu fördern, ist wichtig und begrüßenswert. Eine Regelung im Rahmen des Zuwendungsrechts stößt freilich auf verfassungsrechtliche Bedenken, die die uns bekannten bisherigen Stellungnahmen nur unzureichend berücksichtigen. Diese Bedenken lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Auch in der Ausgestaltung der Vergabe von Geldern im Rahmen von Kunst-, Wissenschafts- und ähnlicher Förderung ist der Staat an die Grundrechte gebunden und daher nicht völlig frei, Kriterien und Auflagen vorzuschreiben. Frei ist er nur in der Entscheidung, ob er fördert und ggf. was er fördert.
- Personenbezogene Kriterien bei der Auswahl Geförderter unterliegen dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG, das auch politische Anschauungen schützt. Das bedeutet, dass der Staat Vertreter:innen bestimmter politischer Anschauungen nur dann von der Förderung ausschließen kann, wenn das für den Förderzweck unumgänglich ist.
- Inhaltsbezogene Kriterien, die sich aus der Verfassung ergeben, wie etwa der Schutz vor Antisemitismus, sind bei der Auswahl geförderter Projekte möglich und gegebenenfalls nötig, müssen aber mit Grundrechten wie Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit im Einklang stehen.
- Inhaltsbezogene Kriterien, die auf politischer Setzung beruhen, kann der Staat regelmäßig nicht vorschreiben, es sei denn, sie ergeben sich zwingend aus dem Förderzweck.
Diese Fragen bedürfen einer umfassenderen verfassungs-, europa- und menschenrechtlichen Beurteilung, als sie in diesem Rahmen möglich ist oder in uns bekannten jüngeren gutachterlichen Stellungnahmen erfolgt ist.1) Auf dem Gebiet des Förderungs- und Zuwendungsrechts verbleiben zahlreiche grundrechtsdogmatisch bislang ungeklärte Fragen. Die strengen Maßstäbe, die in der Kultur- und Bildungsverwaltung gelten, sind nicht identisch mit jenen in anderen Bereichen der Leistungsverwaltung (etwa in der Jugendhilfe). Die unterschiedlichen Bereiche staatlicher Leistungsverwaltung erfordern differenzierte Bewertung.
Diese Stellungnahme spart die wichtige Frage aus, wie der Grundrechtsschutz durch staatsfernes Verfahren zu operationalisieren ist. Sie behandelt auch nicht die die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes, eine im Lichte des Wesentlichkeitsgrundsatzes ebenfalls zentrale Frage.
Die Stellungnahme behandelt einen Bereich, in dem die Rechtsunsicherheit insgesamt als sehr groß einzuschätzen ist. Weitere gründliche Analyse, auch hinsichtlich anderer Bereiche als Kultur und Wissenschaft, wird erforderlich sein. Gleichwohl halten wir es für unerlässlich, in die Debatte einzugreifen, und hoffen explizit auf Kritik und Gegenrede, damit die Debatte auf grund- und menschenrechtlich solider Basis fortgeführt werden kann.
Verfassungsmäßige Schranken der Leistungsverwaltung
Das Recht trennt zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung.
- Eingriffe des Staates in die Freiheit der Bürger:innen (zum Beispiel das Verbot einer Meinungsäußerung) bedürfen stets der Rechtfertigung: sie müssen formal auf einer gesetzlichen Rechtsgrundlage beruhen, und sie müssen materiell-rechtlich gerechtfertigt sein. Je nach betroffenem Grundrecht (etwa Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit oder Wissenschaftsfreiheit) ist eine Rechtfertigung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Jedenfalls muss der Eingriff verhältnismäßig sein.
- Leistungen des Staates – Subventionen etwa, oder Kulturförderung – sind normalerweise keine Eingriffe. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie keinerlei (verfassungs-)rechtlichen Bindungen unterlägen: Da das Geld des Staates im Wesentlichen aus Steuern kommt, bedarf seine Verwendung auch einer rechtsstaatlichen Grundlage. Das betrifft nicht nur die formalen Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung für eine Zuwendung, sondern auch die hier in Frage stehenden materiellen (Grundrechts-)Fragen, etwa nach den rechtmäßigen Zielen einer Zuwendung und rechtlichen Mechanismen, um die Zielerreichung sicherzustellen. Die im hiesigen Diskurs und zuweilen auch in juristischen Stellungnahmen suggerierte Ansicht, der Staat sei völlig frei in seiner Entscheidung, was, wie und wen er fördere, ist mit der Bindung aller staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbar. Das ergibt sich auch aus europa- und menschenrechtlichen Vorgaben. So betont Generalanwältin Kokott in ihrer Stellungnahme zum ungarischen Hochschulgesetz, dass die Wissenschaftsfreiheit auch einen institutionell-organisatorischen Rahmen als materielle Grundlage von freier Forschung garantiert (Rn. 144 ff.). Drittmittel davon auszunehmen, scheint fragwürdig.
- Zudem ist die Abgrenzung zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung nicht immer ganz einfach, wie etwa der Fall Oyoun in Berlin zeigt: Die Zuwendungsmittel für das Kulturhaus Oyoun wurden auch angesichts der Notwendigkeit einer längerfristigen Ressourcenplanung informell über einen Mehrjahreszeitraum zugesagt, aber jeweils nur jährlich bewilligt. Nach Kritik an einer Veranstaltung bei Oyoun fiel die Entscheidung, die Förderung des Trägers einzustellen. Ob nun die Nichtbewilligung trotz (informeller) Mittelzusage eine Rücknahme und damit ein Eingriff oder bloße Nichtvergabe einer Leistung ist, hängt von der Beurteilung ab, wie bindend man die Mittelzusage einordnet. Auch wegen dieser Schwierigkeit der Abgrenzung wird eine kategorisch unterschiedliche Behandlung beider Verwaltungsformen mittlerweile weitgehend abgelehnt.
- Als Leitlinie kann man formulieren: je mehr das Vorenthalten einer Leistung einem Freiheitseingriff qualitativ ähnelt, desto strenger ist auch die (verfassungs-)rechtliche Überprüfung. Das hängt auch von den konkreten Umständen ab. Wenn beispielsweise bestimmte Kunstformen wie in Deutschland von staatlicher Förderung weithin abhängig sind, werden die grundrechtlichen Bindungen des Staates im Ergebnis deutlich stärker.
In welchem Maße die Freiheit des Staates in der Entscheidung über die Vergabe von Geldern, also in der Leistungsverwaltung, durch das Recht beschränkt ist, ist nicht ganz klar.
- Das Gutachten von Möllers geht hier (wie auch ein Großteil der gesellschaftlichen Diskussion) sehr weit: Weil niemand Anspruch auf Leistung vom Staat habe, könne der Staat auch recht frei entscheiden, wen und was er fördern möchte, und die Vergabe von Geldern an Bedingungen knüpfen. Er dürfe dabei nur nicht willkürlich handeln, müsse also etwa seine eigenen Kriterien gleichmäßig anwenden. Ansonsten gebe es rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe im Wesentlichen nur bei der Eingriffsverwaltung. In der Rechtsprechung lässt sich ein so weitgehender Satz nicht nachweisen. Das Bundesverfassungsgericht etwa betont im Einklang mit dem modernen Eingriffsbegriff, dass die Meinungsfreiheit schon dann berührt ist, wenn nachteilige Rechtsfolgen an das grundrechtlich geschützte Verhalten geknüpft werden (zuletzt Beschluss vom 27. August 2019 – 1 BvR 811/17, Rn 18; ebenso BVerwG, Urteil vom 20.01.2022 – BVerwG 8 C 35.20, Rn 18-19). Das träfe zum Beispiel auch auf die Zurückweisung eines Förderantrags zu. Zudem lässt sich, wie oben dargestellt, keine kategorische Trennung zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung vornehmen. Die Unterschiede von Eingriff und Leistung führen lediglich dazu, dass die grundrechtlichen Bindungen unterschiedlich angewandt werden und daraus ggf. unterschiedliche Maßstäbe für die Rechtfertigung folgen.
- Es spricht danach Vieles dafür, auf der sog. Zweistufentheorie aufbauend zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ einer staatlichen Zuwendung zu unterscheiden. Ob der Staat überhaupt Kunst oder Bildung fördert (oder stattdessen etwa Schwimmbäder), ist, von seltenen grundrechtlichen Leistungspflichten abgesehen, seine freie politische Entscheidung. Auch welche Gebiete er fördert – Malerei oder Bildhauerei etwa, eine Konferenz zum Demokratieprinzip oder stattdessen eine zum kretischen Tempelbau – kann er weitgehend frei von rechtlichen Vorgaben entscheiden. Hat er sich aber einmal für die Förderung eines Bereichs entschieden („Ob“), so unterliegt das „Wie“, also die Art und Weise der Förderung einer strengeren Bindung an das Grundgesetz, insbesondere an das Gleichheitsgebot und die Grundrechte. Diese Bedingung betrifft dann zum einen die Auswahl von Förderungsempfänger:innen, die nicht gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen darf. Sie betrifft zum anderen die Auflagen und Einschränkungen der Freiheitsgrundrechte, die er den Empfänger:innen machen kann. Dabei ist die Abgrenzung von „Ob“ und „Wie“ nicht immer ganz leicht durchzuführen: Entscheidet sich der Staat etwa, ein Projekt zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel auszuschreiben, so dürfte diese Themenwahl dem „Ob“ zuzuordnen sein. Ebenso ist es bei einem Projekt zur Kunst türkischer Migrant:innen, bei dem selbstverständlich nach der Nationalität diskriminiert werden können muss. Der Inhalt des konkreten Projekts dagegen, sowie die Auswahl der Teilnehmenden, betreffen das „Wie“. Der Staat kann also das Projektthema vorgeben, aber nicht die Ergebnisse: die Geförderten können beispielsweise verpflichtet werden, zum Thema der Verbesserung des Verhältnisses von Deutschland und Israel vorzutragen (weil dies im Beispiel der Gegenstand der Förderung ist), nicht aber, in diesem Rahmen keinerlei Kritik an Israel zu äußern, also sonst unzulässige Beschränkungen der Meinungsfreiheit hinzunehmen. Für die Kunst gilt Ähnliches.
Ist daher anzunehmen, dass der Staat im Bereich der Vergabe staatlicher Gelder grundrechtlich gebunden ist, so muss man zweierlei unterscheiden.
- Erstens muss man unterscheiden hinsichtlich der Rechtsnatur von Auflagen und Auswahlkriterien. Einige solche Kriterien kommen aus dem Grundgesetz, so etwa die Nichtdiskriminierung. Hier ist der Staat selbst gebunden; es stellt sich die Frage, ob er diese inhaltliche Bindung auch auf Geförderte übertragen kann oder sogar muss. Andere Kriterien dagegen entstammen der politischen Festlegung des Staates, etwa die Förderung der deutsch-französischen Freundschaft oder auch die Unterstützung Israels. Eine solche Verpflichtung kann sich der Staat selbst auferlegen, etwa als „Staatsräson“; sie bindet so aber zunächst nur den Staat und seine Institutionen. (Zudem handelt es sich hierbei um eine politische Selbstbindung, nicht um eine Rechtspflicht – jedenfalls sofern es nicht beispielsweise um staatsvertragliche Freundschaftsabkommen geht.) Die Abgrenzung ist teilweise nicht leicht.
- Zweitens muss man hinsichtlich der geförderten Bereiche nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Verbürgungen differenzieren, weil teilweise unterschiedliche Einschränkungsmöglichkeiten bestehen. Kunstfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und Religionsfreiheit sind zum Beispiel ohne ausdrücklichen Schrankenvorbehalt gewährt. Ihre Einschränkbarkeit ergibt sich nur aus kollidierendem Verfassungsrecht (Grundrechte anderer und Güter von Verfassungsrang), unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Im Unterschied dazu sind etwa die Berufsfreiheit oder die Meinungsfreiheit, die eigene, weitergehende Schrankenregelungen enthalten, nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit leichter einschränkbar. Deshalb sind Erkenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaftsförderung – wo im Wesentlichen die leicht einschränkbare Berufsfreiheit betroffen ist – im Grunde kaum auf die Bereiche der Kunst- und Wissenschaftsförderung übertragbar.
- Drittens muss man bei Auflagen unterscheiden zwischen solchen, die den Inhalt der Förderung selbst betreffen – also etwa Vorgaben über den Inhalt von Kunstwerken in einem Museum oder die Ergebnisse von Vorträgen bei einer wissenschaftlichen Konferenz – und Auflagen, die die Ausführung betreffen – also etwa Fragen der Anstellungsverhältnisse, der Unterlassung von Diskriminierung bei der Auswahl von Teilnehmenden, der nachhaltigen Energieversorgung, usw. Dabei relevant sind insbesondere Voraussetzungen, die die Person des oder der Geförderten selbst betreffen – ob etwa Angehörige bestimmter Nationalitäten ausgeschlossen werden können (z.B. russische Staatsangehörige) oder andere bevorzugt werden, oder auch ob Vertreter:innen bestimmter politischer Ansichten (z.B. AfD-Mitglieder oder BDS-Unterstützer:innen) aufgrund ihrer Ansichten ausgeschlossen werden können.
Personenbezogene Einschränkungen
In der Diskussion sind Forderungen, bestimmte Menschen wegen ihrer Identität oder ihrer Ideologie von der Förderung auszuschließen oder umgekehrt sie bevorzugt zu fördern. So finden sich Forderungen, verstärkt israelische Künstler:innen zu fördern – eine Bevorzugung aufgrund der Nationalität – oder einzelne Künstler:innen wegen ihrer Unterstützung des BDS auszuschließen – eine Benachteiligung aufgrund der politischen Überzeugung. Beides soll dem wichtigen Kampf gegen den Antisemitismus dienen.
- Vor der Verfassung können solche Kriterien nur eingeschränkt Bestand haben. Was die Person des Geförderten betrifft, kann der Staat nämlich weder nach Identität noch nach politischer Einstellung differenzieren, und zwar aus Gründen, die Horst Dreier, Rechtswissenschaft 2010, 11, 29 so beschreibt: „es zeichnet diesen Staat gerade aus, dass er die Vielfalt der Meinungen, ethischen Überzeugungen, divergenten Weltanschauungen und Lebensvollzüge in umfassender Weise schützt. Er würde sich im Grunde zu sich selbst in Widerspruch setzen, wenn er diese Freiheit inhaltlich von vornherein so modellieren wollte, dass sie passgenau den Verfassungsgehalten des Grundgesetzes entspräche.“ Eine Grenze dürfte dann erreicht sein, wenn eine Einstellung als verfassungsfeindlich festgestellt wurde. Daher kann der Staat die Förderung regelmäßig nicht an die politischen Einstellungen der Empfänger knüpfen. Dass jemand AfD-Wähler:in oder BDS-Unterstützer:in ist, spielt für die meisten Zuwendungsprojekte im Kunst- und Kulturbereich keine unmittelbare Rolle und darf daher dann auch keinen Ausschlussgrund darstellen, weil auch das eine Grundrechtsverletzung wäre. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz wirkt mittelbar insofern, dass Förderungsbedingungen ein Mindestmaß an Verbindung mit dem Förderungszweck haben müssen. (BVerwG, Urteil vom 06.04.2022 – 8 C 9.21: Keine Förderungsverweigerung in der Elektromobilität wegen Scientology-Unterstützung). Der Staat kann also etwa schlechte Künstler:innen von der Kunstförderung ausschließen oder Nichtexpert:innen von einer wissenschaftlichen Konferenz zum Gazakrieg (wobei er die relevanten Entscheidungen in der Regel nicht selber treffen darf sondern prozedural absichern muss, dass sie von geeigneten Personen vorgenommen werden). Da Art. 3 Abs. 3 GG die Diskriminierung aufgrund politischer Anschauung verbietet, ist es in der Regel verfassungswidrig, Künstler:innen wegen ihrer israelkritischen Einstellung von staatlicher Förderung auszuschließen.
- Besonders deutlich wird das im Rahmen einer Verpflichtung zu bestimmten politischen Bekenntnissen, wie sie der Kultursenator vorgeschlagen hatte. Eine solche Bekenntnispflicht greift regelmäßig in verfassungswidriger Weise in die negative Meinungsfreiheit ein. Denn wenn kein enger innerer Zusammenhang zwischen den verfolgten Förderzielen (in der Regel künstlerische/kulturelle Vorgaben) und der fraglichen Meinung besteht, können die Förderziele durch eine Verpflichtung zu bestimmten Meinungsäußerungen auch nicht befördert werden. Umgekehrt dürfte eine Zuwendung an Personen, die sich z.B. nicht gegen Rassismus oder Antisemitismus erklären wollen, aber ihre Meinung nicht anderweitig sichtbar in die Projektinhalte einbringen, für den verfassungsrechtlichen Auftrag des Staates zur Arbeit gegen beide Phänomene unschädlich sein. Selbst die Befürwortung von Boykotten kann kein Kriterium zum Ausschluss von Förderung sein, soweit sie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist (vgl. Baldassi et al. c. France, Nr. 15271/16, 11.6.2020; Ambos, Verfassungsblog 16.6.2020).
- Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Formulierung politischer Vorgaben für die Auswahl und Ausgestaltung von Förderung einen gefährlichen Präzedenzfall für mögliche autoritär-populistische Regierungen setzen würde.
Andererseits kann der Staat Förderungsempfänger dazu verpflichten, selbst nicht zu diskriminieren; ein solches Diskriminierungsverbot gilt zum Teil ohnehin schon durch das AGG und im Rahmen der Grundsätze ordentlicher Haushaltsführung. Geförderten Institutionen kann insbesondere auferlegt werden, nicht nach Geschlecht, Religion, usw. zu differenzieren, und auch nicht Juden oder Angehörige anderer Minderheiten auszuschließen. Das AGG landesrechtliche Äquivalente bieten hier ein nützliches Vorbild.
Inhaltsbezogene Einschränkungen
Eine andere Frage ist, inwieweit der Staat inhaltliche Auflagen machen kann – insbesondere etwa die Auflage, dass in einer Kunstausstellung keine antisemitische Kunst gezeigt oder in einer wissenschaftlichen Veranstaltung keine rassistischen Inhalte vertreten werden dürfen.
- Das ist keineswegs so selbstverständlich, wie es einigen erscheinen mag, weil hier das “Wie” und nicht das “Ob” betroffen ist. Denn der Staat darf nicht mittelbar über Förderung so steuern, wie er es unmittelbar über Ge- und Verbote nicht dürfte. Im Rahmen vorbehaltlos gewährter Grundrechte ist damit eine inhaltliche Beschränkung nur sehr eingeschränkt möglich, weil diese im Zuwendungsbereich nur durch den Förderungszweck und etwa konkurrierende Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang eingeschränkt werden können. Auch andere Grundrechte kann der Staat nicht einfach beschränken. Er kann zum Beispiel nicht bestimmte Meinungen präferieren oder andere ausschließen, sondern die Meinungsfreiheit nur inhaltsunabhängig einschränken, darf sich also nicht gegen spezifische Meinungen richten und als Staat von oben die “richtige” Meinung vorgeben und durchsetzen.
- Es ist daher unseres Erachtens sehr zweifelhaft, ob der Staat durch seine Förderrichtlinien etwa umfassend antisemitische oder rassistische Inhalte untersagen kann, jenseits dessen, was den Einzelnen ohnehin durch die Strafgesetze verboten ist. Erstens sind nach dem Bundesverfassungsgericht sogar totalitäre und menschenverachtende Meinungen und Inhalte grundrechtlich geschützt, sofern sie nicht andere Rechtsgüter gefährden. Zweitens ist wissenschaftlich und politisch hochumstritten, was antisemitisch ist und was nicht; der Staat kann das jedenfalls nicht rechtsverbindlich vorschreiben. Insoweit ist die sogenannte Staatsferne auch verfassungsmäßig abgesichert: Grundrechtsschutz ist insoweit auch Institutionenschutz. Das gilt in besonderem Maße in Bereichen, die – wie die Wissenschaft und die Kunst – seit jeher von staatlicher Förderung abhängig sind. Denn hier kommt die Versagung von Förderung einem effektiven Verbot sehr nahe.
- Man hat versucht, das Verbot der Antisemitismusförderung mit der Staatsferne dadurch in Einklang zu bringen, dass der Staat etwa das Antisemitismusverbot auferlegen dürfe, dessen “ästhetisch-inhaltliche Bewertung” aber der zuständigen Fachkommission, also etwa dem Kuratorium einer Kunstausstellung, aufzuerlegen habe (etwa Keller-Kemmerer, Kritische Justiz 56 (2023) 417, 427). Das erscheint indes schon deshalb nicht überzeugend, weil die Erkenntnis von Antisemitismus nicht primär Ergebnis einer “ästhetisch-inhaltlichen Bewertung” ist und ein Kuratorium nicht zum Erkennen von Antisemitismus, sondern zur Beurteilung von Kunst ausgewählt ist. Es ist ferner deshalb abzulehnen, weil die Staatsferne materiell und nicht bloß formell zu verstehen ist: sie betrifft nicht nur die Frage, wer Einschränkungen machen darf, sondern auch die Frage, was für Einschränkungen gemacht werden dürfen.
Es gilt hier zu differenzieren nach der Natur der betroffenen Auflagen. Bestimmte Pflichten – etwa die Pflicht, vor Antisemitismus zu schützen (Art. 1, 3 GG) oder die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Art. 3 Abs. 2 GG) – folgen aus der Verfassung. Sie binden daher den Staat. Das wirkt sich auf die Nutzung von Geldern aus. Weder darf der Staat selbst antisemitisch handeln; noch darf er durch seine Leistungen gezielt Antisemitismus fördern.
- Diese Pflichten treffen allerdings Einzelne nur in beschränktem Maße, soweit sie die Rechte anderer nicht verletzen. Denn Einzelne sind nur mittelbar, z.B. über zivilrechtliche Generalklauseln, an die Verfassung gebunden. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) betrifft nur bestimmte Konstellationen. Daher dürfen sich Einzelne innerhalb des von den Strafgesetzen abgesteckten Rahmens auch rassistisch äußern oder antisemitische Kunst herstellen; sie sind hier durch das Grundgesetz geschützt. Dagegen dürfen sie keine Volksverhetzung betreiben (§ 130 StGB), weder durch Wort noch durch Bild; oder etwa verbotene Kennzeichen verwenden (§ 86a StGB).
- Der Staat kann gleichwohl bis zu einem bestimmten Maße Förderung von der Einhaltung solch grundgesetzlicher Erfordernisse abhängig machen. Dabei ist es staatliche Pflicht, gegen Antisemitismus vorzugehen, aber auch abzuwägen gegen das Recht der Geförderten, Kunst oder Wissenschaft zu betreiben, die nach Ansicht einiger antisemitisch ist. Das wäre aber nur als Pflicht zur Einhaltung unkontroverser, aus der Verfassung direkt folgender äußerster Grenzen des Kunstschaffens zu verstehen und nicht auf kontroverse Fälle übertragbar; es wäre zudem logisch nur ein eng auszulegendes Verbot, gerade kein Gebot, etwa einer “rassismuskritischen” Kunst.
- Zweifelhaft wäre dabei, eine solche Klausel auf Antisemitismus zu beschränken und andere Formen der Diskriminierung bzw. Menschenfeindlichkeit nicht gleichzeitig mitzuregeln. Denn Art. 1, 3 GG schützen nicht speziell gegen Antisemitismus, sondern allgemein gegen “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit”. Antisemitismus ist nur ein Anwendungsbeispiel hierfür. Heitmeyer (Deutsche Zustände, Folge 3, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 19) listet eine ganze Reihe anderer Ausprägungen dieses Syndroms auf. Es geht also nicht um die jeweilige Ausprägung der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, sondern um das Prinzip der Ungleichbehandlung, juristisch um Art. 3 Abs. 3 GG. Eine Klausel wäre also möglich, dann aber in einer Formulierung, die auf “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” abstellt oder ähnlich wie Art. 3 Abs. 3 GG formuliert.
Andere Inhalte folgen nicht aus der Verfassung, sondern aus politischer Entscheidung. So mag eine Regierung daran interessiert sein, den Patriotismus, die Sichtbarkeit von Migrant:innen, oder die Nachhaltigkeit zu stärken. Auch Solidarität mit Israel gehört in diese Kategorie – selbst, wenn man sie als “Staatsräson” einordnet, bleibt sie politische Entscheidung und wird nicht zum rechtsverbindlichen Verfassungsauftrag. Solche politischen Entscheidungen binden Einzelne nicht; fraglich ist, ob der Staat sie mittelbar über Förderpolitiken durchsetzen kann.
- Hinsichtlich des Inhalts kann der Staat wenig vorschreiben, was nicht das “ob” betrifft, also die Natur des geförderten Projekts selbst. Gewiss kann der Staat “Entscheidungsparameter, die sich aus einer kulturpolitischen Schwerpunktsetzung oder Kulturentwicklungsplanung bspw. als bildungs-, sozialpolitische oder vielfältige andere Auswahlkriterien ergeben”, vorgeben und deren Einhaltung überprüfen. (vgl. Braun, Jahrbuch Kulturmanagement 5 (2013) 291, 301). Das betrifft aber im Wesentlichen nur die Ausführung und nicht den Inhalt der Förderung selbst. Hinsichtlich des Inhalts ist der Leistungsverwaltung nicht gestattet, mittelbar über die Förderung in einer Art und Weise zu steuern, die ihr die Gesetzeslage für die unmittelbare Vergabe von Förderungen versagt. Hier gehen die Grundrechte der politischen Maßgabe durch den Staat durchweg vor, soweit nicht der Förderzweck selbst betroffen ist. Es mag Fälle geben, in denen Förderzweck und Bekenntnisinhalt so eng beieinander liegen, wie etwa bei der Extremismusklausel, dass zu Fördernde wegen ihrer politischen Ansicht ausgeschlossen werden können (vgl. Möllers S. 23). Das dürfte aber die absolute Ausnahme sein.
- Insbesondere dürfen keine Ergebnisse vorgegeben werden. Kunstförderung darf mithin nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass die (geförderte) Kunst nicht einen bestimmten Staat oder seine Politik kritisiert oder eine bestimmte Antisemitismusdefinition anerkennt. Ebenso kann Wissenschaftsförderung nicht davon abhängig gemacht werden, dass etwa das europäische Grenzregime für rechtswidrig oder rechtmäßig gehalten wird. Denn auch die geförderte Kunst muss inhaltlich frei, auch die geförderte Wissenschaft inhaltlich unabhängig sein. Insoweit ist die sogenannte Staatsferne auch verfassungsmäßig abgesichert: Grundrechtsschutz ist insoweit auch Institutionenschutz.
Umsetzung
Es sollte nach der Rücknahme der Antisemitismus-Klausel des Berliner Kultursenators Chialo klar sein, dass der Staat von Förderungsempfänger:innen keine eigenen konkreten Bekenntnisse verlangen darf (so tendenziell auch Möllers, S. 25). Das gilt sogar für Bekenntnisse zu Verfassungsinhalten wie der Gegnerschaft zum Antisemitismus. Denn eine solche Bekenntnispflicht verstieße, wie schon oben gesagt, gegen die negative Meinungsfreiheit – die Freiheit, eine bestimmte Meinung nicht zu haben oder seine Meinung nicht äußern zu müssen.
Es kommt hinzu, dass solche Bekenntnisse wenig Nutzen und viel Schaden bringen dürften:
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- Wenig Nutzen: Viele Empfänger:innen werden eine solche Klausel einfach als notwendige Formalität unterschreiben, ohne sich darum zu kümmern. Die tiefe gesellschaftliche Verwurzelung von Rassismus und Antisemitismus lässt Bekenntnispflichten in der staatlichen Förderpraxis als oberflächlich und langfristig wenig erfolgversprechend erscheinen.
- Schaden: Für einige Empfänger:innen bedeuten solche Bekenntnisse eine große Beeinträchtigung (so bekommen etwa ihre Familien in arabischen Ländern Probleme); dem Staat attestiert die Forderung nach derartigen Bekenntnissen ein wenig selbstbewusstes Misstrauen gegenüber der Verfassungstreue seiner Kulturschaffenden.
- Schließlich kann der Staat kaum mit akzeptablem Aufwand überprüfen, ob ein Bekenntnis wahrheitsgemäß abgegeben wurde.
In gewissem Rahmen möglich sind Auflagen, die der Staat bei der Förderung macht. Diese sind freilich nach unserer Auffassung, soweit sie das „wie“ der Förderung betreffen, rechtfertigungsbedürftig. Auch hier gilt es daher zu unterscheiden.
- Unproblematisch sind solche Auflagen, die den Förderzweck selbst betreffen und ihn konkretisieren.
- Unproblematisch ist auch die deklaratorische Nennung solcher Pflichten, die Geförderte schon aus dem geltenden Recht treffen, insbesondere dem AGG und entsprechender Landesgesetze.
- Relativ unproblematisch sind Auflagen, bei der Durchführung des geförderten Projekts bestimmte Grundsätze einzuhalten, etwa nicht diskriminierend einzustellen, oder sparsam mit Energie umzugehen. Problematisch werden solche Auflagen jedoch, wenn sie den Förderzweck beschränken, weil z.B. nur bestimmte Antragsteller:innen zur Erfüllung in der Lage sind.
- Problematischer sind Auflagen, die andere Verfassungsgüter betreffen, soweit diese in der Abwägung den Vorrang erhalten können. Im Rahmen der Ausgestaltung der Förderung haben Abwehrrechte des Einzelnen tendenziell Vorrang vor Schutzpflichten des Staates. So sind etwa Meinungs- und Kunstfreiheit zwar schon intrinsisch durch Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) beschränkt; bestimmte Formen evident menschenverachtender Kunst oder Meinungen sind daher nicht geschützt. Das ist aber ein sehr enger Bereich. Hingegen dürfte die Versagung der Förderung von Kunst, die nicht evident als antisemitisch oder rassistisch zu würdigen ist, insbesondere da sie mehrere Lesarten zulässt, sehr zweifelhaft sein.
- Nicht möglich sind politische Auflagen. Der Staat kann also u.E. etwa Förderungsempfänger:innen nicht auf die Annahme einer bestimmten Antisemitismusdefinition wie etwa die IHRA-Arbeitsdefinition verpflichten (ebenso Möllers, S. 27; ausführlicher Ambos u.a., Verfassungsblog 18.12.2023.)
Durchsetzung
- Für die Rechtmäßigkeit von Auflagen macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob der Staat sie mit Sanktionen bewehrt oder nicht, solange sie als Verpflichtungen und nicht bloße Absichtserklärungen ausgestaltet sind.
- Rechtmäßige Auflagen kann der Staat nach herkömmlichen Grundsätzen durchsetzen, indem er gezahlte Gelder zurückverlangt, wenn die Auflagen nicht eingehalten sind, sofern das verhältnismäßig ist und andere Erfordernisse erfüllt sind. Er muss das freilich gleichmäßig tun und kann nicht selektiv nur gegen bestimmte Empfänger:innen aus bestimmten Gründen vorgehen. Praktisch bewirkt das u.U. eine enorme Überwachungsverantwortung für den Staat, die er in der Praxis kaum zu leisten im Stande sein dürfte. Zudem besteht die Gefahr, dass Medien Druck nicht nur auf private Institutionen ausüben (wie es jetzt schon der Fall ist), sondern auch auf den Staat, er müsse bestimmte Gelder zurückfordern.
- Eine im wesentlichen deklaratorische Klausel, die Geförderte auf bereits bestehendes Recht verpflichtet und zudem auf Zielrichtungen des Staates hinweist, ist möglich. Hier wird auf zusätzliche unmittelbare Durchsetzung verzichtet, aber an die Selbstverantwortung appelliert.
Praktische Erwägungen
- Wenn es tatsächlich um Antisemitismus- und Rassismusbekämpfung im Kulturbereich geht, so wäre der beste Umgang mit den Problemen die Erarbeitung von Verhaltensregeln (Codes of Conduct) gemeinsam mit den betreffenden Bereichen. Es sollten also etwa Wissenschaft und Kultur angespornt werden, selbst solche (nicht bindenden) Verhaltensregeln zu entwickeln.
- Will der Staat selbst (maß)regeln, so muss er Klauseln formulieren, die aus der Verfassung selbst folgen und nicht aus spezifischer politischer Präferenz. Das heißt im Sinne von Meinungsneutralität und Menschenwürde, dass Empfänger:innen von Förderung verpflichtet werden können, von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung den nötigen Abstand zu nehmen.
- In Bezug auf die Ausführung sollte das recht unproblematisch sein; es entspricht wohl der ordnungsgemäßen Geschäftsführung, zu der Empfänger:innen ohnehin verpflichtet sind (vgl. Winterhoff/Henckel/Klatt). Klärend lässt sich hier auf das AGG bzw. entsprechende Landesgesetze verweisen. Schwieriger ist es, soweit Inhalte betroffen sind.
- Ob der Staat politische Entscheidungen den Geförderten als Inhalt vorgeben kann, ist verfassungsmäßig sehr zweifelhaft, weil der Staat unter keinen Umständen direkt in den Inhalt der Kunst oder der Forschung etc. eingreifen darf. Eine solche Klausel dürfte regelmäßig unwirksam sein. Das Grundgesetz steht in Deutschland “Staatskunst” und “staatlich determinierter Wissenschaft” entgegen, indem diese staatsfrei gestellt sind.
- Eine Rückforderungsoption ist problematisch, weil sie dem Staat enorme Pflichten auferlegt (Gleichbehandlung, Überwachung) und häufig nicht gerichtsfest formulierbar sein dürfte. Der Staat sollte nicht mehr versprechen, als er (rechtmäßig) einhalten kann.
References
↑1 | Möllers, Zur Zulässigkeit von präventiven Maßnahmen der Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus in der staatlichen Kulturförderung – Ein verfassungs- und verwaltungsrechtliches Kurzgutachten im Auftrag der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Winterhoff/Henckel/Klatt, Gutachterliche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der Einführung einer Antidiskriminierungsklausel für den Bereich der Kulturförderung im Land Berlin, 16.2.2024. Tikvah Institut, Policy Paper: Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen, in Beck (Hg.), Mögliche juristische und rechtspolitische Antworten auf BDS (2023) 8. Der Aufsatz von Müller, JZ 2023, 39 behandelt im Wesentlichen den für andere Gebiete nicht repräsentativen Bereich der Wirtschaftsförderung. Für eine weiterführende Diskussion siehe jetzt Justus Duhnkrack, Öffentliche Kunstförderung (2024); vgl. auch ders., Das ist Kunst, das kommt weg, Verfassungsblog 29.4.2024. |
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Besten Dank für die interessanten Überlegungen zu diesem grundrechtsdogmatisch spannenden Feld. Was ich mich bei der Lektüre gefragt habe, ist, ob der behauptete enge Maßstab im Bereich des „wie“ der Förderung wirklich so zutrifft. Sie legen hier eine für die Eingriffsdogmatik prägende Enge an, obwohl der Staat Leistungen gewährt. Dies mag für Fälle zutreffen, in denen Kunst gar nicht ohne öffentliche Finanzierung entstehen könnte, gilt aber nicht für den gesamten Bereich der Kunstförderung (so wird für die Wissenschaftsfreiheit ebenfalls aus Art. 5 III 1 GG ein verfassungsrechtliches Gebot auf Grundfinanzierung abgeleitet; andere, weichere Maßstäbe gelten aber im Bereich der darüber hinausgehenden Drittmittelförderung). Während nicht staatlich geförderte Kunst nur in ganz engen Grenzen beschränkt werden kann, kann der Staat m.E. durchaus weitgehender darüber befinden, welche Kunst er auch finanziell unterstützen möchte. Mir scheint daher der Satz „Denn der Staat darf nicht mittelbar über Förderung so steuern, wie er es unmittelbar über Ge- und Verbote nicht dürfte.“ nicht vollumfänglich zuzutreffen, weil es sich um zu unterscheidende Sphären bei der Beurteilung der grundrechtlichen Relevanz handelt.
Ich teile Ihre Auffassung, dass der Staat bei der Förderung auf den Schutz verfassungsrechtlicher Güter limitiert ist. Auch eine Drittmittelförderung im Bereich der Wissenschaft, die die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre nicht wahrte, wäre nicht mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar. In diesem Bereich ist dem Staat aber m.E. mehr Freiraum einzuräumen, als Ihr Beitrag ihm zugesteht. Es ist ein qualitativer Unterschied, ob der Staat etwas unter Auflagen finanziell fördert oder verbietet. Die Nicht-Förderung von antisemitischen oder rassistischen Inhalten, die menschenwürdeverletzend und diskriminierend sind, ist auf Grundlage der Art. 1, 3 GG deshalb weitergehend zulässig, als es ein generelles Verbot entsprechender Inhalte sein könnte. So kennt das GG dem BVerfG nach zwar „kein allgemeines Grundprinzip, das ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts erlaubte.“ Dies bedeutet aber m.E. nicht, dass die Verbreitung entsprechenden Gedankenguts auch finanziell gefördert werden müsste.
Gleiches gälte m.E. im Übrigen für die Wissenschaft: Während Forschung über Diskriminierung zulässig ist, dürfte ein öffentlicher Drittmittelgeber die Auflage machen, dass es sich um keine mit Art. 1, 3 GG unvereinbare diskriminierende Forschung handelt. Demgegenüber wäre ein generelles gesetzliches Verbot diskriminierender Forschung deutlich höheren Anforderungen auszusetzen.