09 June 2023
Geldsäcke im Parlament?
Die BGH-Entscheidung zu den „Maskendeals“ hat – wieder einmal – gezeigt, dass der Straftatbestand der Mandatsträgerkorruption (§ 108e StGB) dringend reformbedürftig ist. Die politischen Zeichen hierfür stehen günstig, schließlich wollen die Regierungsfraktionen ausweislich ihres Koalitionsvertrags „den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten.“ Wir plädieren dafür, einerseits § 108e StGB partiell zu entschärfen (speziell im Hinblick auf Kommunalpolitiker), andererseits aber ergänzende Strafvorschriften einzuführen, die sich an die etablierten Strukturen des allgemeinen Korruptionsstrafrechts und die bereits geltenden Zuwendungsverbote des § 44a AbgG anlehnen. Continue reading >>
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17 January 2023
Vorschlag mit Ablaufdatum
In einer Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 10. Januar 2023 findet sich folgende Bekanntmachung: „Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann und Bundesernährungsminister Cem Özdemir setzen sich dafür ein, dass Strafverfahren wegen des sogenannten Containerns eingestellt werden sollten, wenn dies die Umstände im Einzelfall zulassen.“ Dies soll eine ursprünglich vom Land Hamburg ausgestaltete Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) erreichen und einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die hohe Lebensmittelverschwendung in Deutschland darstellen. Doch handelt es sich bei diesem Vorschlag um eine „echte“ Entkriminalisierung des Containerns, wie Grüne und Linke sie jeweils erfolglos angestrebt hatten, oder betreiben die Minister in der Klimakrise Symbolpolitik? Continue reading >>
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06 January 2023
Die strafrechtliche Undeterminiertheit von Aktionen des ‚Aufstands der Letzten Generation‘ und wie damit umzugehen ist
Ob der zivile Ungehorsam der Personen des ‚Aufstand der Letzten Generation‘ strafbar ist, wird weithin als Frage der Subsumtion von Sachverhalten unter Strafrechtsnormen behandelt. Meist resultiert dann eine Verurteilung, manchmal auch ein Freispruch. Mein Eindruck ist dagegen, dass das einschlägige Recht in vielen Fällen keine eindeutige Antwort enthält und dass deshalb außerrechtliche Umstände auf die Entscheidung einwirken. Dies ist zunächst eine rechtssoziologische Frage, deren Beantwortung aber für die Rechtsanwendung fruchtbar gemacht werden kann. Continue reading >>
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16 December 2022
Flensburger Einhorn
Das Urteil des Amtsgerichts Flensburg zu Klimaschutz als rechtfertigendem Notstand stößt auf Begeisterung und scharfe Ablehnung. Nachdem der Freispruch eines Klimaaktivsten durch das Gericht bereits im November bekannt wurde, sind nun die Urteilsgründe veröffentlicht worden. Inmitten der zunehmend intensiver geführten Debatte um den juristisch „richtigen“ Umgang mit Klimaaktivismus schlägt das Urteil eine ebenso ungewohnte wie mutige Richtung ein.  Continue reading >>
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13 December 2022
Den Baum vor lauter Wald nicht sehen – oder umgekehrt?
Das Amtsgericht Flensburg hatte jüngst über die Strafbarkeit eines Klimaaktivisten zu entscheiden, der ein fremdes Grundstück unbefugt betreten hatte, um dort die Rodung eines kleinen Waldstücks zu verhindern. Der Aktivist wurde vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen, weil seine Tat dem Klimaschutz gedient habe und damit wegen Notstands (§ 34 StGB) gerechtfertigt sei. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die rechtliche Diskussion um Klimaproteste und um die diesbezüglichen Urteile und wirft dabei zwei Fragen auf: Sollten kleine Beiträge zum Klimaschutz als solche rechtlich anerkannt werden oder nicht? Und: Sind unkonventionelle Klima-Urteile illegitimer ‚richterlicher Aktivismus‘ oder ein Beitrag zur Rechtskultur? Bei beiden Fragen geht es um das Verhältnis vom Kleinen (Protestaktion, Urteil) zum Großen (Klimaschutz, Rechtskultur) und damit letztlich um das Verhältnis zwischen Baum und Wald. Continue reading >>11 December 2022
Klimanotstand über Gewaltenteilung?
Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass das Amtsgericht Flensburg einen Klimaaktivisten freigesprochen hatte, der einen Baum auf einem Privatgrundstück besetzt hatte. Der Baum sollte auf Grundlage einer Baugenehmigung gerodet werden, gegen die auch eine verwaltungsgerichtliche Klage eingereicht worden war. Nun ist die Urteilbegründung veröffentlicht: Das Gericht sah § 123 StGB – Hausfriedensbruch – zwar tatbestandlich erfüllt, jedoch aufgrund von § 34 StGB in einer Art „Klimanotstand“ gerechtfertigt. Die vom Gericht bemühte „verfassungskonforme“ Auslegung ist jedoch weder überzeugend noch verallgemeinerungsfähig, schadet dem Ansehen der Judikative und schafft einen Anreiz für zukünftiges rechtswidriges Verhalten. Continue reading >>17 November 2022
„Klima-RAF“ herbeireden
Derzeit erleben wir nahezu täglich und in ganz Europa, dass junge Menschen in unterschiedlichen Formen Protest erheben, um auf den voranschreitenden Klimawandel hinzuweisen. Alexander Dobrindt forderte härtere Strafen für „Klima-Chaoten“, um eine Radikalisierung zu vermeiden. Sollte der Protest besonders streng geahndet werden? Meine These lautet, dass selbst im Falle einer Strafbarkeit ein Labeling als Öko-Terrorismus beziehungsweise Schwerkriminalität nicht nur falsch, sondern sogar schädlich ist. Continue reading >>16 November 2022
Gewaltfantasien und Gewaltmonopol
Auf Welt.de ist vor kurzem ein Stück Service-Journalismus der besonderen Art erschienen. Der Redakteur Constantin van Lijnden hat die „Rechte der ausgebremsten Bürger“ zusammengetragen. Was kann man tun gegen die Störenfriede der Letzten Generation, die sich fortwährend auf Straßen festkleben, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen? Der Staat, jedenfalls in Berlin, leider nur wenig, so der Tenor. Continue reading >>10 November 2022
Feindbild Klimaaktivismus
Die jüngsten Klimaproteste der Bewegung „Letzte Generation“ haben eine Diskussion über Strafverschärfungen für Klima-Aktivist*innen entfacht. Der reflexartige Ruf nach (härteren) Strafe(n) ist symptomatisch für einen Politikbetrieb, in dem gesellschaftliche Konflikte an den eigentlichen, inhaltlichen Problemen vorbei verhandelt werden. Die Kriminalisierung des zivilen Ungehorsams stellt dabei den Versuch dar, die Definitionsmacht über die Legitimationsgrenzen des Protestes dem Staat zu übertragen und auf die Kategorien strafbar/straflos zu reduzieren. Was das für ein Strafrechtsverständnis offenbart und welche Gefahren mit dem Einsatz von Strafrecht als vermeintliches Konfliktschlichtungsinstrument einhergehen, ist Gegenstand dieses Beitrags. Continue reading >>31 October 2022
Regieren der Erinnerung durch Recht
Knapp zwölf Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist implementiert Deutschland die von einem EU-Rahmenbeschluss vorgegebene Pflicht, die Leugnung von Völkermorden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe zu stellen. Was ein hehres Ziel ist – die Bekämpfung von Geschichtsrevisionismus –, zieht Probleme nach sich, die zum Teil im Rahmenbeschluss selbst wurzeln, zum Teil in der deutschen Umsetzung. Continue reading >>
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