Universität Bielefeld

Posts by authors affiliated with Universität Bielefeld

08 January 2024

One-sidedly Staffed Courts

In Poland, the new parliamentary majority elected on October 15 is confronted not only with a president brought into office by the PiS party but also with a constitutional court made up exclusively of judges elected under the aegis of PiS. Any effort to restore the rule of law in the Polish judiciary is likely to meet resistance from these veto players. The difficulties to be expected for the new majority in dealing with the rule of law deficiencies that have piled up in the Polish justice system, and especially in the Polish Constitutional Tribunal since 2010 (on these difficulties here, pp. 227 ff., and here) draw attention to an underlying problem to be witnessed not only in Poland, and not only in other countries where democracy and the rule of law have deteriorated or never existed: the problem of courts, and in particular constitutional courts, with a blatant lack of political balance in their composition.

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30 November 2023

Einseitig besetzte Gerichte

In Polen ist die am 15. Oktober gewählte neue Parlamentsmehrheit nicht nur mit einem von der PiS ins Amt gebrachten Staatspräsidenten konfrontiert, der ihr das Leben schwer machen kann, sondern auch mit einem Verfassungsgericht, das inzwischen von lauter unter der Ägide der PiS gewählten Richtern besetzt ist. Die Schwierigkeiten rechtsstaatlicher Bewältigung der Rechtsstaatswidrigkeiten, die sich seit 2010 in der polnischen Justiz und speziell auch beim polnischen Verfassungsgerichtshof aufgetürmt haben, lenken den Blick auf ein zugrundeliegendes Kernproblem, das nicht nur in Polen zu besichtigen ist, und auch sonst nicht nur in Staaten, die von wirklich demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen noch oder wieder weit entfernt sind: Das Problem politisch einseitig besetzter Verfassungsgerichte.

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13 October 2023

Wehrhafte Demokratie

Die Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bezog sich ursprünglich auf die militärische Wehrhaftigkeit nach außen. Das änderte sich mit Karl Loewensteins Überlegungen zur „Militant Democracy“ (1937)“, in denen es um die notwendige Wehrhaftigkeit der Demokratie nach innen ging, gegen den Faschismus, der ihr den Krieg erklärt hatte. In dem seither vorherrschenden innengerichteten Sinn gilt das Prinzip der wehrhaften oder, weniger prägnant, der streitbaren Demokratie heute in Deutschland als Verfassungsprinzip. Inzwischen haben wir in Deutschland eine sich zunehmend radikalisierende der Partei, die „Alternative für Deutschland“, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall der Verfassungsfeindlichkeit geführt und deren thüringischer Landesverband vom thüringischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

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11 September 2023

Gemeinwohlsicherung im Recht der Politik

Mit dem jüngsten Stakkato von verfassungsgerichtlichen Urteilen zur Politikfinanzierung und den Diskussionen um die Wahlrechtsreform ist der Topos der „Entscheidungen in eigener Sache“ wieder in den Fokus gerückt. Als juristische Kategorie sind sie durchaus ambivalent. Zugleich verweist die Formulierung von den „Entscheidungen in eigener Sache“ auf eines der zentralen Probleme im Recht der Politik: Wo strukturelle Kontrolldefizite entstehen können, sind rechtliche und institutionelle Reaktionen zur Sicherung des Gemeinwohls notwendig.

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01 September 2023

Fremdkörper im Strafprozess

Nach der Vorstellung des Lagebildes „Clankriminalität Berlin 2022“ fordert die Berliner Innensenatorin Iris Spranger öffentlichkeitswirksam eine Beweislastumkehr im Recht der Vermögensabschöpfung für Fälle mit Bezug zur sog. Clankriminalität. Damit erlangt die Entwicklung der vermögensabschöpfungsrechtlichen Debatte ihren vorläufigen, allerdings keineswegs überraschenden Tiefpunkt. Neben erheblichen verfassungsrechtlichen und strafprozessrechts-dogmatischen Bedenken, die gegen diesen Vorstoß sprechen, stellt sich die Frage, ob das Abschöpfungsbesteck des geltenden Rechts nicht gleichermaßen in der Lage wäre, diese Operation durchzuführen.

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31 July 2023

Warum Fehlinformation, Desinformation und Hassrede nicht gleich behandelt werden sollten

Der Umgang mit Fehlinformationen, Desinformationen und Hassrede im Internet ist ein hochaktuelles Thema. Eine im Juni 2023 vorgestellte Politikrichtlinie der UN zielt darauf ab, eben jene Phänomene zu bekämpfen. Es erscheint jedoch nicht sachdienlich Fehlinformationen, Desinformationen und Hassrede ähnlich bzw. gleich zu behandeln, wie es der UN Entwurf momentan vorsieht. Dieser Blogpost vertritt daher die These, dass zumindest Fehlinformationen - also unabsichtlich unrichtige Aussagen - anders behandelt werden müssen als bewusste falsche oder verletzende Äußerungen im Internet.

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28 June 2023

Digitale Beweise im EU-/US-Datenschutzkonflikt

In der vergangenen Woche hat das Europäische Parlament nach fünfjährigen Verhandlungen der E-Evidence-Verordnung zugestimmt. Hierdurch erhalten die Ermittlungsbehörden der Mitgliedstaaten das Recht, die US-Unternehmen auch zur Herausgabe von Daten, die in den USA gespeichert sind, zu verpflichten. Kann die Europäische Kommission bei den derzeitigen Verhandlungen um ein EU-/US-Abkommen über digitale Beweise verhindern, dass die US-Ermittler:innen umgekehrt ungehinderten Zugriff auf Daten in der Europäischen Union erhalten?

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14 June 2023

Think globally, act locally im Versammlungsrecht?

In Berlin wurden jüngst zwei pro-palästinensische Versammlungen zum Nakba-Tag präventiv verboten. Während die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügungen konkret zweifelhaft ist, weisen sie doch auf schwierige Rechtsfragen, die bislang ungeklärt sind.

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11 May 2023

Versammlungskontrolle und Versammlungsfreiheit

Der 1. Mai bietet jedes Jahr die Möglichkeit, auf dynamische Versammlungsgeschehen ausgerichtete polizeiliche Einsatzkonzepte wie unter dem Brennglas zu analysieren. Dabei hat sich in den letzten Jahren die Polizeitaktik der „Demobegleitung“ als Teil des sog. Deeskalationsprinzips durchgesetzt. In der Praxis zeichnet sich dieses Konzept durch eine starke polizeiliche Präsenz und frühzeitiges Einschreiten aus. Entsprechende Einsatzkonzepte werden weithin akzeptiert und lediglich einzelne überschießende Maßnahmen kritisiert. Doch mit Blick auf die Wirkungen des Einsatzkonzepts, insbesondere auf die Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG, ist die Ausweitung jener Praxis hoch problematisch. Denn von der Versammlungsfreiheit bleibt wenig übrig, wenn faktisch die Polizei die Demonstration veranstaltet.

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03 February 2023

Separatisten vor dem EuGH

Mit dem Urteil vom 31.01.2023 hat der EuGH der bisherigen Geschichte zur Auslieferung der führenden Politiker:innen der katalanischen Autonomiebewegung nach Spanien ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Gleichzeitig entwickelt der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu den Ausnahmen des gegenseitigen Vertrauens bei Gefahren für ein faires Verfahren fort, die dem Betroffenen nach der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls im Ausstellungsstaat drohen – mit noch offenen Folgen für den Auslieferung der katalanischen Politiker:innen.

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20 January 2023
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Judges, Political Mandates and Judicial Independence in Germany

In Germany, 2022 has been a turbulent year regarding former (extreme) right-wing Members of Parliament (MP) returning to their original office as civil servants and judges. Two cases created special great media attention: Jens Maier and Birgit Malsack-Winkemann, demanded (and partly succeeded) to return to serve as judges again. These cases bring the (often problematic) relationship between judges and politics into sharper focus. Therefore, we would like to provide access to the German debate on to an English reading audience as food for possible comparative insights.

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07 October 2022

How to Prevent Blockage of Judicial Appointments

Deadlock is a familiar phenomenon when it comes to the election of constitutional court or other apex court members. Currently, several appointments for the Spanish Constitutional Tribunal, inter alia, are blocked by a deadlocked General Council of the Judiciary. In many jurisdictions, rules are in place which aim to prevent at least some of these adversities. There is, however, a problem with these solutions.

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06 June 2022

Ein Riss in zementierten Ansichten

Am 18. Mai 2022 hat die Berufungsinstanz Cour d‘appel de Paris ein u.a. wegen Beihilfe an Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Vorwurf der Terrorismusfinanzierung eingeleitetes Strafverfahren gegen das Zementunternehmen Lafarge SA bestätigt. Der Umgang der französischen Justiz mit dem „Fall Lafarge“ könnte einen Wendepunkt bei der Adressierung von Kriegsökonomie markieren. Das Unternehmen „an sich“, das durch seine Anerkennung im Recht, seine Einbindung in den Markt und seine Eingliederung in gesellschaftliche Wirkungszusammenhänge längst als „corporate citizen“ in der gesellschaftlichen Realität angekommen ist, wird hier in einem starken Sinne zur Verantwortung gezogen.

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03 June 2022

Das Sondervermögen Bundeswehr, der Bundeshaushalt und die Schuldenbremse

Am 3. Juni 2022 hat der Bundestag eine Änderung des Grundgesetzes und eines Gesetzes zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ gebilligt und damit das größte Investitionsprogramm der Bundesrepublik auf den Weg gebracht. Für die Finanzausstattung des Sondervermögens ist Ermächtigung zur zusätzlichen Nettokreditaufnahme vorgesehen. Das wirft die Frage auf, ob es angesichts des aktuellen Nettokreditbedarfs noch angeht, die verfassungsrechtliche Schuldenbremse für sakrosankt zu erklären.

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02 June 2022

Die Kapitulation

Im Ringen um die Einhaltung eingegangener Verpflichtungen und im Kampf für den Primat des Rechts vor der Macht ist die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 1. Juni 2022 eine Niederlage. Dass hier etwas Problematisches passiert ist, indiziert der ungewöhnliche Vorgang, dass fünf Kommissare – und nicht die Unwichtigsten – sich im Kollegium gegen den Beschlussentwurf ausgesprochen haben.

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26 November 2021
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Unabhängige Richterauswahl durch Kompetenzprüfung und Los

Am kommenden Sonntag, den 28.11.2021, stimmen die Wahlberechtigten in der Schweiz unter anderem über die Vorschläge der „Justiz-Initiative“ ab. Kern der Vorschläge der Initiative ist die Reform der Wahl der Richter:innen nach Art. 168 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft für das höchste Gericht in der Schweiz: Das Bundesgericht. Die Diskussion ist nicht nur für die Schweiz relevant, sondern für ganz Europa, wo die Auswahl unabhängiger Richter:innen heute vielerorts in Gefahr ist.

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12 November 2021

Besser Gesetze nicht ändern als schlecht ändern

Mitte November 2021. Die Inzidenzzahlen steigen wieder dramatisch an. Regierungswechsel mitten in der Pandemie. Der Gesetzgeber macht sich daran, das Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu ändern. Das erfolgt nunmehr in der Pandemie zum wiederholten Mal. Man sollte meinen, dass das Gesetz dabei immer besser wird. Nein. Diesmal nicht. Es droht in einem hastigen Gesetzgebungsverfahren der Rückbau von möglichen Maßnahmen gegen das Infektionsgeschehen. Die Feuerwehr wirft mitten im Einsatz Teile ihrer Ausrüstung ins Feuer.

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18 September 2021

Rubinhochzeit zwischen Rechtsstaat und Sanktionensystem

Frankreich feiert dieser Tage die 40-jährige Abschaffung der Todesstrafe. Am 18. September 1981 wurde die loi n°310 portant abolition de la peine de mort mit 363 Parlamentarier-Stimmen gegen 117 angenommen. Am 9. Oktober 1981 trat das Gesetz in Kraft – seit 2007 hat die Abschaffung der Todesstrafe Verfassungsrang. Man könnte der Auffassung sein, dass es zur Feier einer französischen Rubinhochzeit zwischen Rechtsstaat und Sanktionensystem zumindest für den deutschen Diskurs keinen allzu großen Anlass gibt. Die Todesstrafe ist tabu – oder?

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16 July 2021

Drei sind eins und eins sind wir

In einer Entscheidung vom 27. April argumentiert der Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die für ihn relevanten Grundrechtsebenen in Europa –Grundrechte-Charta der EU, EMRK und Grundgesetz – im Wesentlichen deckungsgleich seien und daher eine Prüfung unabhängig vom konkreten Maßstab zum selben Ergebnis führe. Wenn aber alle Grundrechtsebenen in Europa dem Grundgesetz entsprechen, kann das Bundesverfassungsgericht den Anspruch formulieren, dass seine Maßstabsbildung für den gesamten europäischen Grundrechtsschutz gelten soll.

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15 June 2021

Ende der Krise ohne Ende des Krisenrechts?

Die Pandemie geht, das Lernen geht weiter – oder genauer sagt: beginnt erst richtig. Ausnahmesituationen weisen drei riskante Zonen auf: Den Übergang in das Sonderrecht, die Begrenzung des Sonderrechts und den Ausstieg aus dem Sonder- in den Normalfall. Sie alle haben sich in der Bundesrepublik nach den Vorgaben des Grundgesetzes zu vollziehen. Denn Pandemie und Katstrophen sind Ausnahmesituationen im Recht, nicht vom Recht; nach der Verfassung, nicht von der Verfassung.

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