Mathias Hong
The climate protection ruling of the German Federal Constitutional Court in Karlsruhe of 2021 is a historic decision. It is on a par with the Court's major landmark decisions such as Lüth, Elfes, or Brokdorf. It updates the fundamental value of equal freedom: Freedom includes future freedom and, as a right to intertemporal freedom, can demand a proportional distribution of freedom opportunities over time.
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Mathias Hong
Der Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 ist eine historische Entscheidung. Sie kommt an Bedeutung den großen Leitentscheidungen des Gerichts gleich, etwa dem Lüth-Urteil, dem Elfes-Urteil oder dem Brokdorf-Beschluss. Sie entwickelt den Grundwert der gleichen Freiheit weiter und erkennt, auf den Klimaschutz begrenzt, ein Grundrecht auf Nachhaltigkeit an: Freiheit schließt künftige Freiheit ein. Als intertemporale Freiheit kann sie eine verhältnismäßige Verteilung von Freiheitschancen über die Zeit verlangen. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Grundrechtsgerichte Rechte zugleich „erfinden“ und „finden“ können: Sie hat die intertemporale Freiheit – im Entdeckungskontext – schöpferisch-innovativ erfunden, sie aber zugleich – im Rechtfertigungskontext – als überzeugende Verfassungsauslegung im positiv geltenden Verfassungsrecht gefunden.
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Lisa Beer
In Zeiten planetarer Krisen (z.B. Klimawandel und Verlust der Artenvielfalt) können Rechtsvorschriften zur Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen erhebliches Steuerungspotenzial entfalten. Dies gilt insbesondere für Vorschriften des Gesellschaftsrechts, da Unternehmen sowohl bei der Verursachung als auch bei der Bewältigung ökologischer (und ebenso sozialer) Probleme eine entscheidende Rolle spielen. Aus diesem Grund finden immer mehr „nachhaltigkeitsbezogene“ Vorschriften Eingang in Gesellschaftsrechtsordnungen, die ein breites Spektrum von Regulierungsstrategien abbilden. Einige Staaten verfolgen neben der Statuierung von Offenlegungs- und Sorgfaltspflichten einen Ansatz, der in Deutschland durch einen im Jahr 2020 vorgelegten Gesetzentwurf über eine „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) aufgegriffen wurde: Die Einführung einer gesellschaftsrechtlichen Vermögensbindung (asset lock).
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Andreas Buser
In Deutschland ist in den letzten Jahren eine lebhafte juristische Diskussion zur Begrünung des Grundgesetzes entbrannt. Die Einführung des Konzepts der planetaren Grenzen in das Grundgesetz findet sich jedoch bisher, soweit ersichtlich, nicht unter den Reformvorschlägen. Die explizite Einführung einer planetaren Dimension ins Grundgesetz hätte aber mehrere Vorteile.
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Felicitas Sommer
Das Klimaschutzregime wäre ein gänzlich anderes, wenn wir es vom Boden her denken würden. Böden sind es, auf denen die Aktivitäten stattfinden, die Treibhausgase emittieren und jene Ökosysteme zerstören, welche so grundlegend benötigt werden, um Leben zu erhalten, CO2 zu binden und die Erde zu kühlen. Nur weil wir den Klimawandel zu einem bodenlosen Thema gemacht haben – sozusagen rechnerisch in die Atmosphäre verschoben haben - können wir ignorieren, dass der Boden die relevanteste Ressource zur Eindämmung des Klimawandels und der Ökosystemkatastrophe ist und für eine nachhaltige Transformation die Beschaffenheiten lokaler Ökosysteme mitgedacht werden muss.
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Isa Bilgen
Mit dem Klima wandelt sich auch notwendig die offene Gesellschaft. Und mit ihr wandelt sich wiederum auch die Verfassung(-sinterpretation). Periodisch wiederkehrende Gesundheits- und Sicherheitskrisen fordern eine dynamische Reaktion des Grundgesetzes auf mit ihnen einhergehende Probleme. In andauernden Krisen wie der Umweltkrise muss die Verfassung gleichzeitig in vielerlei Hinsicht nachhaltig sein. Dabei muss das, was wir unter Freiheit, Klima‑, Umwelt- oder Tierschutz verstehen, immer im Wandel bleiben.
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Lucia Sommerer
Genau jetzt, während wir zum Auftakt der zweiten Jahreskonferenz Junges Nachhaltigkeitsrecht in diesen altehrwürdigen Räumen der Universität Halle sprechen, findet vor dem Landgericht Halle ein Schadensersatzprozess statt. DHL verklagt Klimaaktivist:innen, junge Menschen so alt wie Sie, die die Zufahrt zum Flughafen Leipzig mit Sitzblockaden versperrt hatten, wodurch der Transport von Paketen behindert und DHLs Profite eigenen Angaben zu folge um Millionenbeträge gemindert wurden. In doppelter Hinsicht steht dabei die Zukunft junger Menschen auf dem Spiel: mit Blick auf die Klimakrise und mit Blick auf die drohende finanzielle Schuldenlast bei Unterliegen im Prozess. Schon dieser Fall zeigt die zentrale Rolle des Rechts für Fragen der Nachhaltigkeit auf.
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Katharina Gelbrich
Rechtspolitische Ansätze versuchen in Zeiten der planetaren Krisen mehr und mehr, Verbraucherschutz und ökologische Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bekommen. Dies zeigt sich an zahlreichen Gesetzesvorschlägen der EU, wie zum Beispiel den Vorschlägen für eine Ökodesignverordnung und der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher beim ökologischen Wandel, sowie z.B. an der Verbindung der Themen Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz unter dem Dach eines Bundesministeriums. Kritisiert wird dabei häufig, dass es sich um grundsätzlich gegensätzliche Interessen handelt und ökologische Nachhaltigkeit nur zulasten der Verbraucher*innen gefördert werden kann (z.B. Teuerungen, Abbau des Schutzniveaus), während der Verbraucherschutz die weitere Zerstörung des Planeten unweigerlich fördert. Tatsächlich ist an vielen Stellen aber schon jetzt eine Verbindung beider Ziele möglich.
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Carolin Heinzel
Faktisch sind Frauen* stärker von den Auswirkungen durch die Überschreitungen der planetaren Grenzen, insbesondere des Klimawandels und der damit verbundenen Naturkatastrophen, betroffen. Obgleich nicht alle Frauen* und keineswegs nur Frauen* tangiert sind, ist eine sog. genderspezifische Vulnerabilität messbar, da sich Gender oft mit anderen Merkmalen wie einer schlechteren sozio-ökonomischen Stellung oder einem erschwerten Zugang zu Ressourcen z. B. Land und Finanzmitteln überschneidet. Frauen* sind aber nicht nur passive Betroffene, sondern übernehmen auch aktiv Führungsrollen zugunsten von Klimaschutz und Klimawandelanpassung, beispielsweise im lokalen Wassermanagement oder in der Rechtsdurchsetzung.
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Charlotte Maier
Die Mediation greift im Gegensatz zur gerichtlichen Konfliktlösung auf eine jüngere Historie und weniger Praxisfälle zurück. Dennoch hat sie der gerichtlichen Konfliktlösung einen wesentlichen – und angesichts der rasant voranschreitenden Umweltzerstörung vielleicht sogar entscheidenden – Aspekt voraus: Mediation kann Ökologie. Sie ist ein Konfliktlösungsverfahren, das in seiner konsequenten Anwendung originär zur Erhaltung der Lebensgrundlage beiträgt. Denn die Mediation, die als Verfahrensziel den Interessenausgleich der Konfliktbeteiligten anstrebt, weiß um die Notwendigkeit der Beteiligung aller vom Konflikt Betroffenen für die Gewährleistung einer ökologisch nachhaltigen Konfliktlösung. Damit hat sie eben nicht nur die menschliche Spezies, sondern auch die Tier- und Umwelt im Blick.
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Romy Klimke, Leah Wetenkamp, Clemens Dahlke
Nicht nur der Klimawandel, auch der immense Verlust der Artenvielfalt und die globale Umweltverschmutzung haben sich aus ihren fachspezifischen Nischen in das Zentrum der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit bewegt. Kaum ein Tag vergeht, an dem uns aktuelle Nachrichten nicht an die großen planetaren Krisen - oder noch treffender, wie viele meinen: Katastrophen – erinnern. Es verwundert daher nicht, dass diese globalen Herausforderungen auch im Fokus des Forums Junges Nachhaltigkeitsrechts stehen, welches vom 16. bis 17. Juni an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale) seine zweite Jahrestagung abhält. Welche potentiellen Lösungen das Nachhaltigkeitsrecht in Theorie und Praxis bereithält, werden wir in den folgenden Tagen nicht nur in Halle (Saale), sondern auch im Rahmen dieser Verfassungsblog-Debatte zur Diskussion stellen.
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