16 November 2023
Die Repolitisierung des Politischen
Das Verfahren um den zweiten Nachtragshaushalt 2021 gab dem Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, grundlegende Fragen des Finanzverfassungsrechts rund um die Schuldenbremse zu klären. Die Entscheidung, das Gesetz zu kassieren, war die juristisch einzig richtige ‒ und beraubt die deutsche Politik einer schützenden Selbsttäuschung. Continue reading >>
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08 November 2023
Freispruch bleibt Freispruch
Die Entscheidung des 2. Senats des BVerfG ist mit Spannung erwartet worden, jetzt ist sie da: Ein rechtskräftig Freigesprochener darf auch dann nicht wieder verfolgt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel dringende Gründe dafür ergeben, dass er wegen Mordes oder eines schweren Kriegsverbrechens verurteilt wird. Die 2021 in § 362 Nr. 5 StPO ins Gesetz geschriebene Möglichkeit, in solchen Fällen die Wiederaufnahme des Verfahrens zu betreiben, ist verfassungswidrig und nichtig. Continue reading >>16 October 2023
Asylrechtliche Einzelfallgerechtigkeit und Demokratieprinzip
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde eine Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs durch das Bundesverfassungsgericht auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft. Nachdem die gegen die Verwerfung des Parité-Wahlrechts durch den Verfassungsgerichtshof eingelegte Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde, wählte die 3. Kammer des Zweiten Senats nun die verfahrensrechtliche Alternative der Nichtannahme zur Entscheidung wegen Unbegründetheit. Das eröffnet die Möglichkeit, zu den wesentlichen Streitfragen auch inhaltlich Stellung zu nehmen. Continue reading >>
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13 October 2023
Wehrhafte Demokratie
Die Rede von der „wehrhaften Demokratie“ bezog sich ursprünglich auf die militärische Wehrhaftigkeit nach außen. Das änderte sich mit Karl Loewensteins Überlegungen zur „Militant Democracy“ (1937)“, in denen es um die notwendige Wehrhaftigkeit der Demokratie nach innen ging, gegen den Faschismus, der ihr den Krieg erklärt hatte. In dem seither vorherrschenden innengerichteten Sinn gilt das Prinzip der wehrhaften oder, weniger prägnant, der streitbaren Demokratie heute in Deutschland als Verfassungsprinzip. Inzwischen haben wir in Deutschland eine sich zunehmend radikalisierende der Partei, die „Alternative für Deutschland“, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall der Verfassungsfeindlichkeit geführt und deren thüringischer Landesverband vom thüringischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Continue reading >>17 August 2023
Thüringen-AfD verbieten?
Der Blick auf den Deutschlandtrend ist beängstigend. Die AfD liegt bundesweit zwischen 19 und 23 %, in Sachsen und Thüringen, wo am 01. September 2024 gewählt wird, bei 32-33 %. Die deutsche Demokratie ist bewusst nicht allein eine deliberative, sie ist auch eine wehrhafte. Sie bietet einen Instrumentenkasten zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Der besonders radikale Thüringer Landesverband bietet Anlass, ein Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 II, IV GG „föderal zu durchdenken“. Continue reading >>18 July 2023
Changing Tides in European Election Law
On 15 June, the Bundestag approved a minimum percentage threshold for elections to the European Parliament (EP). Shortly before the summer break, the Bundesrat (Federal Council) also agreed to the clause. German lawmakers already failed twice in this endeavour before the Federal Constitutional Court (Bundesverfassungsgericht, short BVerfG). This time, the German legislator can refer to a binding EU legal act backing its reform efforts. This means the electoral threshold must now be treated (also by the constitutional court) as determined by EU law – with all consequences. However, even a 2% hurdle is not 100% safe from the BVerfG. Continue reading >>
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14 July 2023
Vorzeichenwechsel im Europawahlrecht
Der Bundestag hat am 15. Juni einer Sperrklausel für die Wahlen zum Europäischen Parlament zugestimmt. Kurz vor der Sommerpause schloss sich auch der Bundesrat an. Der deutsche Gesetzgeber unternimmt auf ein Neues, womit er schon zweimal vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. Dieses Mal hat der deutsche Gesetzgeber bei der Einführung der Sperrklausel einen verbindlichen EU-Rechtsakt im Rücken. Damit geht allerdings einher, dass die Sperrklausel nun (auch verfassungsgerichtlich) mit allen Konsequenzen als determiniertes Unionsrecht behandelt werden muss. Doch auch eine 2 %-Hürde ist nicht zu 100% sicher vor dem BVerfG. Continue reading >>22 June 2023
Prekariat Gefängnis
In seiner Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden zweier Gefangener aus NRW und Bayern vom 20.6.2023 erklärt das Bundesverfassungsgericht die landesgesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Gefangenenarbeit für mit dem Resozialisierungsgebot aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG unvereinbar. Auf den ersten Blick ist die Entscheidung für die Beschwerdeführer ein Erfolg, da das BVerfG eine Verletzung ihres Grundrechts auf Resozialisierung durch die bestehenden landesrechtlichen Vorschriften anerkennt. Jedoch relativiert das Gericht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene Bezahlung von Gefangenenarbeit, indem es das Kriterium der Angemessenheit aufweicht. Klare Vorgaben in Bezug auf die Vergütung von Gefangenenarbeit sucht man in der Entscheidung vergeblich. Continue reading >>26 May 2023
„Ein Verdacht ist ein Verdacht ist ein Verdacht“
Mit dieser Wendung fasste Erol Pohlreich, Bevollmächtigter für die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, das Dilemma um die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen treffend zusammen. Wie sehr wir uns auch in den Dienst der Wahrheitsfindung stellen, um „materielle Gerechtigkeit“ herzustellen, es bleibt ein Risiko. Dieser Beitrag berichtet frisch von der mündlichen Verhandlung aus Karlsruhe zum Thema. Continue reading >>03 April 2023
Der Gesetzgeber ist zu weit gegangen
Am 29. März 2023, veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seine lang erwartete Entscheidung zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen. Kritiker des Gesetzes werden sich durch die Entscheidung bestätigt sehen, wenn auch nicht vollständig. Denn während das Gericht die Rechtsfolgen kritisiert, bestätigt es im Wesentlichen die Statusentscheidung des Gesetzgebers, Kinderehen, die vor dem sechzehnten Lebensjahr geschlossen wurden, für unwirksam zu erklären. Continue reading >>
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