Nun sag’, wie hast du’s mit Kaiserreich und Kolonialismus?
Einmal mehr stehen die sogenannten Benin-Bronzen im Mittelpunkt kulturpolitischer Streitgespräche. Die Feuilletons der beiden größten deutschen Tageszeitungen schlugen unabhängig voneinander einen Bogen von Benin City nach Berlin, indem sie die Frage der Rückgabe der Benin-Bronzen mit den Forderungen nach Ausgleichsleistungen der vormals das Königreich Preußen regierenden Familie in Verbindung brachten. Diese Verknüpfung der beiden womöglich am kontroversesten diskutierten Restitutionsfälle der jüngeren deutschen Geschichte wirft eine handvoll Fragen auf.
Continue reading >>Restitution, light?
Wieder einmal wird über die sogenannten Benin-Bronzen debattiert. Die problematische Herkunft der in einem kolonialen Raubzug erbeuteten Kunstartefakte und die Frage ihrer Restitution sorgten bereits in der Vergangenheit für Diskussionen. Als die Bundesregierung letztes Jahr schließlich die ersten Bronzen an den nigerianischen Staat übergab, schien die Auseinandersetzung beendet. Happy End für alle: Die Deutschen wagen einen Schritt Richtung kolonialer Wiedergutmachung und die Nigerianer erhalten wertvolles Kulturerbe zurück. Nun aber bekommt das Bild der Win-Win-Situation Risse.
Continue reading >>Google zähmen
Das Bundeskartellamt versucht sich an der Zähmung des Datenkraken Google und zeigt, dass es trotz europäischer Regulierung weiterhin eine Vorreiterrolle im Kampf gegen die großen Digitalunternehmen einnehmen wird. Auf Grundlage des bisher kaum erprobten § 19a Abs. 2 GWB sollen Alphabet und Google Verbraucher*innen mehr Wahlmöglichkeiten bei der Einwilligung in das „Superprofiling“ geben. Damit zielt das Bundeskartellamt in das Herz des Geschäftsmodells der digitalen Giganten. Ob das gelingt, hängt maßgeblich davon ab, ob der für diesen Zweck geschaffene § 19a GWB in der Anwendung schlagkräftiger ist als das „alte“ Kartellrecht.
Continue reading >>Merkwürdiges und Bedenkenswertes bei der Wahlprüfung in Berlin
Die Wahlen zum Deutschen Bundestag im September 2021 wurden in Berlin zusammen mit Wahlen zum dortigen Abgeordnetenhaus und den Bezirksvertreterversammlungen durchgeführt, obendrein noch mit einem Volksentscheid gekoppelt. Das Wahlgeschehen war bekanntlich von erheblichen Pannen begleitet, das Wort „Chaos“ wird regelmäßig zur Beschreibung der damaligen Zustände in den Wahllokalen benutzt. Aber auch das ergangene Urteil und seine Begründung werfen etliche Fragen auf.
Continue reading >>Alles auf Anfang oder weiter so?
Bei der Wahlprüfung durch das Parlament und durch die Verfassungsgerichte stellt sich nicht nur die Frage, wie stabil ein Parlament gehalten werden muss, sondern auch umgekehrt, in welchem Maße Wahlen noch die Überzeugungskraft besitzen, tatsächlich demokratische Legitimation zu stiften. Je öfter nämlich offensichtliche Rechtsverstöße bei der Wahl durch die Besonderheiten des Wahlprüfungsverfahrens vollkommen folgenlos bleiben, desto stärker werden Zweifel daran genährt, ob es bei der Wahl überhaupt mit rechten Dingen zugeht und nach demokratischen Regeln gespielt wird.
Continue reading >>Eine Laudatio, ein Schnitt und ein bedauerlicher Fehler
Bei der Aufbereitung des Videomaterials einer Preisverleihung ist dem ZDF nach eigenen Angaben ein „bedauerlicher Fehler“ unterlaufen, der mittlerweile beseitigt wurde. Seitdem sieht sich der Sender dem schwerwiegenden Vorwurf ausgesetzt, Zensur betrieben zu haben.
Continue reading >>Kartellrecht mit Klauen
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 26. September 2022 seinen Referentenentwurf zur 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgelegt (11. GWB-Novelle). Das BMWK vollzieht mit dem Entwurf nichts weniger als einen Paradigmenwechsel im deutschen Kartellrecht. Das Bundeskartellamt soll in Märkte eingreifen können, ohne dass dort Rechtsverstöße begangen werden. Daneben sollen kartellrechtswidrige Gewinne in Zukunft leichter abgeschöpft werden können. Die neuen Instrumente schließen Lücken im Wettbewerbsschutz und haben das Potential, das deutsche Kartellrecht nachhaltig zu verändern.
Continue reading >>Wie privat ist der Staat an der Spitze?
Der Streit um das Altkanzlerbüro von Gerhard Schröder legt die ungeklärten Fragen in der Abgrenzung von privater und staatlicher Sphäre im Verfassungsrecht offen.
Continue reading >>Krokodilstränen der Demokratie
Zu den urbanen Mythen der juristisch-journalistisch-politischen Welt gehört seit einiger Zeit die Behauptung, an der Misere mit dem Bundestagswahlrecht sei eigentlich nur das Bundesverfassungsgericht schuld. Diese Legende ist in etwa so stichhaltig wie die Erzählung, in der Kanalisation von New York würden Krokodile leben (oder mutierte Schildkröten). Vielmehr zeigt sich an der fortdauernden Misere, dass der Gesetzgeber selbst sich in den unterschiedlichsten politischen Mehrheitskonstellationen beständig als unfähig erweist, eine tragfähige Lösung für das Wahlrecht zu finden. Der aktuelle Vorschlag aus der Ampel-Koalition, der schon Ende des Jahres Gesetz werden könnten, setzt diese Entwicklung leider nahtlos fort.
Continue reading >>Versteckte Mahnung
Mit Beschluss vom 22. Juli 2021 hat das Bundesverfassungsgericht über eine sog. Nichtanerkennungsbeschwerde der Zentrumspartei entschieden. Der Beschluss des Zweiten Senats, dessen Begründung nun knapp ein Jahr später veröffentlicht wurde, gilt einer Schnittstelle von Wahl- und Parteienrecht. Er betrifft damit eine zentrale Stelle des Rechtes des politischen Prozesses. Auch wenn sich das Gericht daran gehindert sah, über die Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Normen zu entscheiden, ist die Schrift an der Wand einigermaßen deutlich lesbar: Der Gesetzgeber sollte tätig werden.
Continue reading >>Noch nicht die Lösung
Ersatzstimmen sind das Mittel, mit dem die in die Wahlrechtsreformkommission entsandten Obleute der Ampelkoalition den gordischen Knoten der Wahlrechtsreform durchschlagen wollen. Das klingt kompliziert, ist es auch, und zwar in doppelter Hinsicht: Sowohl verfassungsrechtlich als auch politisch schafft der Vorschlag mehr Probleme als er löst.
Continue reading >>Das Mengen- und das Intensitätsproblem der Parteitage
Digitalgestützte Entscheidungen unter Abwesenden stellen eine Verarmung gegenüber der Entscheidungsfindung und Anwesenden dar. Sie haben zusätzliche Kosten und Gefahren in mehreren Hinsichten. Die Hoffnungen auf eine Demokratisierung durch digitale Teilhabe der Mitglieder sind doch eher eine Illusion. Die Erweiterung auf digitale Mitgliederentscheide und auch die Durchführung von Parteitagen lediglich im Internetmodus stärkt die Leitungsebene der Parteien.
Continue reading >>Digitalisierung, Parteitage und innerparteiliche Demokratie
Die durch digitale Technik leichter mögliche Ausweitung des Teilnehmerkreises an Entscheidungsprozessen ist nicht gleichbedeutend mit einer Erhöhung ihrer demokratischen Qualität. Vielmehr ändert sich die inhärente Logik des Entscheidungsprozesses.
Continue reading >>Die anderen Herzkammern der Demokratie
Parteitage sind das Herzstück der innerparteilichen Demokratie. Wenn das Grundgesetz den Parteien abverlangt, dass ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, dann sind Parteitage das zentrale Instrument, mit dem dieses verfassungsrechtliche Gebot, das gleichzeitig Teil eines demokratischen Versprechens ist, eingelöst wird.
Continue reading >>Wirtschaftssanktionen gegen Russland und ihre rechtlichen Grenzen
In der Dynamik der letzten Tage wurden von den USA, der Europäischen Union und anderen Staaten Sanktionen gegen Russland beschlossen, die als „beispiellos“ und „verheerend“ bezeichnet wurden. Russland spricht von „illegitimen“ Sanktionen und droht gar mit atomarer Abschreckung. Tatsächlich stehen die erlassenen Wirtschaftssanktionen auf sicherem rechtlichen Boden. Sie sind in einem gewissen Maß sogar Voraussetzung dafür, dass der Boden des Völkerrechts nicht wegbricht
Continue reading >>Private enforcement and the Digital Markets Act
For the Digital Markets Act to function properly – that is, to dismantle overwhelming private power – enforcement capacities of private actors should be strengthened at the outset: Competitors and customers should be integrated into the enforcement system as complainants, informants and litigants. The digital giants will not tumble because of government intervention but because of innovative competitors and stronger customers that can rely on the framework set by governments. Private power needs to be cured with private empowerment.
Continue reading >>Grenzen des Parteienrechts
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) kann an der Bundestagswahl 2021 teilnehmen, obwohl sie gegen ihre finanziellen Transparenzpflichten verstoßen hat. Nicht abgegebene Rechenschaftsberichte können seit 2016 den Verlust der Parteieigenschaft und damit des Zugangs zur Wahlteilnahme zur Folge haben. Der Bundeswahlausschuss hatte die DKP aus diesem Grund nicht zur Wahl zugelassen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auf kluge und maßvolle Weise korrigiert.
Continue reading >>