Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei
Mein Buch ist fertig. Das Manuskript ist abgeliefert, lektoriert, gesetzt und korrigiert. Zwei- bis dreimal täglich durchfährt mich die Panik, ob da womöglich noch Fehler drin sind und ob man dies oder jenes wirklich so sagen kann und sollte. Aber egal, es ist ohnehin zu spät, ich kann nichts mehr daran ändern: Es ist draußen jetzt, wird gedruckt und ausgeliefert, ab 22. Juli ist es im Buchhandel zu erwerben. Es muss jetzt selber klar kommen. Ich kann nichts mehr tun außer warten, hoffen und Daumen drücken. Wer erwachsene Kinder hat, kennt das Gefühl. Wenn Sie schon mal vorbestellen möchten: Bitte hier entlang!
Das bedeutet unter anderem, dass Sie jetzt wieder öfter von mir hören werden. Dass ich Ihnen quasi jede Woche ein Editorial schreibe wie vor meiner Buch-Schreibe-Pause, kann und will ich zwar nicht versprechen, aber dass ich das jetzt wieder öfter tun werde, das schon. Den vielen Briefe-Schreiber*innen aus den verschiedensten Ecken der Welt, die seit Februar diese Kolumne mit ihren Berichten gefüllt und uns an ihren Erlebnissen und Sichtweisen haben teilhaben lassen, danke ich sehr, genau wie Ihnen dafür, dass Sie uns die Treue gehalten haben und hoffentlich noch weiter halten, während wir dieses so wunderbar experimentiertaugliche Format weiterentwickeln und besser zu machen versuchen.
Während meiner Pause die Klappe zu halten und mich still und stur auf mein Manuskript zu konzentrieren, ist mir nicht immer leicht gefallen. Dies waren sehr ereignisreiche Monate. Vor zwei Wochen habe ich auf der re:publica über unser Thüringen-Projekt sprechen dürfen (wer’s verpasst hat: hier), und für dieses Ereignis hatte ich mir Artikel 5 Abs. 3 S. 1 auf ein T-Shirt drucken lassen: Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Das Hemd kann man bei uns erwerben. Kleiner Beitrag zur Verteidigung der Grundrechte. Kann in diesen Zeiten ganz bestimmt nicht schaden.
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Das Bundesbildungsministerium hat – wie passend – das laufende Jahr 2024 zum “Wissenschaftsjahr” unter dem Motto “Freiheit” ausgerufen und schickt zur Zeit ein “Ausstellungsschiff MS Wissenschaft” durch die Republik, um dazu anzuregen, “über den Wert der Freiheit und ihre Bedeutung ins Gespräch zu kommen”. Die Gelegenheit zu einem solchen Gespräch bot sich mir auf der re:publica direkt im Anschluss an meinen und an Bijan Moinis inhaltlich verwandten Vortrag, weil da die Veranstalter auf der gleichen Bühne 2 ein Podium vorgesehen hatte, auf dem zu meiner Überraschung u.a. unsere BundesBILDministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) Platz nahm und von dort das Publikum auf das Feierlichste dazu aufforderte, zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes die Freiheit im Allgemeinen und die der Wissenschaft im Besonderen nach Kräften zu verteidigen. Als ich mein Staunen überwunden hatte, beschloss ich sie beim Wort zu nehmen und hob den Finger: ob die Frau Ministerin sich vielleicht für Ihre via Bildzeitung verbreitete Äußerung zur Verfassungstreue der Unterzeichner*innen des offenen Briefes zu den Berliner Studierendenprotesten (disclosure: darunter ich) endlich mal entschuldigen möchte?
Tat sie natürlich nicht und hat es, soweit ich weiß, bis heute nicht getan. Was ich nicht wusste: Zu diesem Zeitpunkt hatte die Hausleitung des BMBF bereits veranlasst zu prüfen, wie man den besagten Unterzeichner*innen die Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzen und ihnen die Forschungsförderung entziehen kann. Es gibt im Ministerium, alhamdullilah!, noch Referent*innen, die stabil auf dem von ihrer Ministerin so interessant vermessenen Boden des Grundgesetzes stehen und daher nicht zögerten, ihre Hausleitung in no uncertain terms über dessen Außengrenzen aufzuklären. Staatssekretärin Sabine Döring, selbst im Zivilberuf Professorin für Philosophie und offenbar die Autorin der Prüfbitte, erklärte daraufhin, die Hausleitung habe “zeitnah … klargestellt, dass zuwendungsrechtliche Aspekte nicht Bestandteil (der) rechtlichen Prüfung sein sollen” und der “Entzug von Fördermitteln (…) in der Hausleitung nicht zur Debatte” gestanden habe. Wie das mit dem im Wortlaut dokumentierten Emailaustausch im eigenen Hause zusammengehen soll, kann oder will das Ministerium nicht erklären. Ich jedenfalls verstehe es nicht. So oder so: eine Entschuldigung reicht schon lange nicht mehr aus. Da muss ein Rücktritt her.
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Aber auch der würde aber wohl kaum ausreichen, um den vielerorts bereits auf Hochtouren laufenden autoritären Crackdown gegen Wissenschafts-, Kunst- und anderweitig grundrechtlich geschützte Freiheit noch zu stoppen. In der Bundeshauptstadt Berlin will Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) in § 23 der Landeshaushaltsordnung das Prinzip verankern, dass staatliche Zuwendungen nicht dazu verwendet werden dürfen, “antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Inhalte” zu verbreiten. Auf Ronen Steinkes beunruhigte Nachfrage, wer denn darüber bestimmen soll, was dies- oder jenseits dieser Grenze liegt, gibt die Senatorin, vormals selbst Vizepräsidentin des Bundesamts für Verfassungsschutz, zur Antwort: na, der Verfassungsschutz.
Was in Museen für Kunstwerke gezeigt, auf Bühnen für Stücke aufgeführt, in Universitätshörsälen für Diskussionen geführt werden, darf keine Entscheidung sein, die eine dem Innenministerium unterstellte Behörde des Sicherheitsapparats fällt, sondern einzig und allein die Wissenschaft bzw. die Kunst selbst. Sonst sind sie nicht frei. Sonst leben wir in einem autoritären Regime. Ob dieser Zustand durch direkte Weisung und Zwang hergestellt wird oder indirekt über den Weg des Fördermittelentzugs, das Ergebnis bleibt dasselbe. Die AfD träumt von der Macht, über den Zuwendungshebel aller Wissenschaft und aller Kunst, die ihrer Vorstellung von Volksidentität in die Quere kommt, die Luftzufuhr abzudrehen. Natürlich tut sie das. Sie ist eine autoritär-populistische Partei.
Immerhin, nach dem Panorama-Scoop zur Prüfbitte im Hause Stark-Watzinger scheint die liberalen Reflexe in der bundesdeutschen Öffentlichkeit doch einigermaßen zu funktionieren. Selbst FAZ und WELT finden diesen Vorgang nicht in Ordnung – und bemühen sich um so eilfertiger, ihn als “Übersprungshandlung” bzw. Resultat von “Ahnungslosigkeit” und, I kid you not, ministerieller “Langeweile” aus der autoritären Alarmzone hinaus zu verniedlichen. Trotzdem. Es gibt schon noch einen einigermaßen robusten gesellschaftlichen Konsens darüber, was in der Bundesrepublik für die freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend ist. Das ist nicht nichts. Das ist sogar eine Menge. Solange das so ist, bleibt mir ein Rest von Zuversicht.
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Die Woche auf dem Verfassungsblog
Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union haben ihr Parlament gewählt. Als demokratisches Großereignis ist das ein Grund zur Freude, doch das Ergebnis bereitet auch Sorgen – denn einmal mehr sind autoritär-populistische Kräfte gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen. Das wirkt sich nicht nur auf Koalitionen und die Wahl der Kommissionspräsidenten aus, sondern wird auch die Arbeit der europäischen Institutionen prägen. JANNIK JANSEN und THU NGUYEN haben die Ergebnisse der Wahlen analysiert, diskutieren Ursula von der Leyens Wege in eine zweite Amtszeit und zeigen, warum die Disruptionen nach den Wahlen auf nationaler Ebene auch die Europäische Union betreffen.
Die wohl größten politischen Disruptionen infolge der Europawahl erlebt zur Zeit Frankreich. Dort stellte Marine Le Pens Rassemblement National Macrons Renaissance-Partei in den Schatten. Das größere Beben folgte jedoch auf dem Fuß: Noch am Sonntag kündigte Macron Neuwahlen an, die am 30. Juni und am 7. Juli stattfinden. Ein enorm riskanter Zug, analysiert GIOVANNI CAPOCCIA, und erläutert, was Macrons Kalkül gewesen sein könnte.
Wahlen fanden letzte Woche nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch in Belarus statt. Oder besser gesagt, außerhalb von Belarus. Nachdem Sviatlana Tsikhanouskaya Weißrussland im Jahr 2020 verlassen hat, versucht sie zusammen mit rund 300.000 anderen Anhänger:innen, das autokratische Regime von Alexander Lukaschenka von außen zu durchdringen. Sie organisierten die Wahl für eine Ersatzversammlung im Exil. Doch nur 7.000 Menschen nahmen an der Abstimmung teil. JULIA EMTSEVA erklärt, wie die Exilopposition ihre dringend benötigte weitere demokratische Legitimation verlor.
Donald Trump wurde in New York wegen gefälschter Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin verurteilt. Das macht ihn zum ersten Präsidenten der USA, der verurteilter Krimineller ist. Trump hat bereits angekündigt sich zu begnadigen, sofern er gewählt wird. VICENTE MEDINA weist hier auf zwei Punkte hin. Einerseits die moralische Fragwürdigkeit einen verurteilten Kriminellen zum Staatschef zu machen. Andererseits regt er an, derlei Eigenbegnadigungen durch einen Verfassungszusatz auszuschließen.
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche beschlossen, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Wohngemeinnützigkeit wieder einzuführen. Mit dem Jahressteuergesetz 2024 soll auch die “Förderung wohngemeinnütziger Zwecke” in § 52 AO verankert werden, der die gemeinnützigen Zwecke im Sinne des Steuerrechts listet. Schafft sich die Bundesregierung damit ein wirksames Instrument im Kampf gegen die Wohnungskrise? Und welche Rolle spielt das Grundgesetz bei alledem? EMMA SAMMET hat Antworten.
Ebenfalls in der letzten Woche kündigte Bundeskanzler Scholz eine deutlich härtere Gangart bei Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien an. Schwerstkriminelle und Gefährder sollen auch in diese beiden Länder abgeschoben werden. Ein realistischer Vorschlag? Oder nichts weiter als Wahlkampfgetöse? DANIEL THYM über Leitlinien für Behörden und Gerichte – und die Rolle der Politik bei alledem.
Die Anträge des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs auf Haftbefehle gegen Mitglieder von Hamas und der israelischen Regierung waren bei uns bereits Thema. In Deutschland führten die Anträge kürzlich zu einer Diskussion darüber, ob ein Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu von Deutschland vollstreckt werden würde. Einige wendeten ein, dass der IStGH nicht für Palästina zuständig sei, andere wiesen darauf hin, dass die Immunität Netanyahus zu beachten sei. Warum beide Argumente nicht stimmen, erläutern KAI AMBOS, STEFANIE BOCK, JULIA GENEUSS, FLORIAN JEßBERGER, CLAUS KREß, STEFAN OETER, ANDREAS PAULUS, STEFAN TALMON und ANDREAS ZIMMERMANN.
Auch im deutschen Bundestag spielte das Völkerstrafrecht gerade wieder eine prominente Rolle. Dort wurde am 6. Juni 2024 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts verabschiedet. Das Völkerstrafgesetzbuch ist nunmehr seit mehr als 20 Jahren in Kraft und nach Jahren ohne Anwendung hat sich zuletzt eine – auch international bedeutsame – Rechtspraxis entwickelt. Deutsche Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit erfolgreichen Verfahren wegen syrischer Staatsfolter und IS-Verbrechen Rechtsgeschichte geschrieben. Zugleich hat die Praxis auch gezeigt: Der bisherige Rechtsrahmen weist Lücken auf. Wo diese Lücken erfolgreich geschlossen wurden, und wo nicht, erläutert ISABELLE HASSFURTHER.
Einer anderen Frage, mit der sich der Deutsche Bundestag in dieser Woche beschäftigte, wendet sich SIMON SIMANOVSKI zu. Nachdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ankündigte, das deutsche Lieferkettengesetz für zwei Jahre “pausieren” zu wollen, griff die Unionsfraktion den Vorschlag flugs auf und fordert in einem Gesetzentwurf, das Gesetz aufzuheben. An der Vereinbarkeit dieses Vorgehens mit dem Europarecht bestehen erhebliche Zweifel, meint Simanovski.
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The International Tribunal for the Law of the Sea (ITLOS) delivered a long-awaited Advisory Opinion on climate change and international law – a historic event for international law and the development of state obligations in combating climate change. We joined forces with the Climate Law Blog of the Sabin Center for Climate Change Law and invited globally leading experts to discuss the Advisory Opinion. All texts are available here. Stay tuned for further expert opinions.
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Drei Jahre nach dem Start der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) sieht die EPPO wie ein zahnloser Tiger aus. Mit Blick auf Bulgarien, das immer wieder von Skandalen um den Missbrauch von EU-Geldern erschüttert wird und für seine ausufernde Korruption bekannt ist, kommt RADOSVETA VASSILEVA zu dem Schluss, dass die EPPO sie eher an eine domestizierte als an eine wilde Katze erinnere.
Am 18. Mai beging Kroatien einen Gedenktag für die 1945 in Bleiburg Getöteten, zu denen auch Mitglieder der Ustascha-Bewegung, einer Nazi-Kollaborationsgruppe im Zweiten Weltkrieg, gehörten. Dieser Gedenktag stellt die Ustascha als Kämpfer für die Freiheit und Unabhängigkeit Kroatiens dar. CARNA PISTAN vertritt die Auffassung, dass eine solche Darstellung nicht nur die historischen Fakten verfälscht, sondern auch die Erinnerung an die Opfer der Ustascha-Gräueltaten entehrt und Werte bekräftigt, die der Verfassung des Landes zuwiderlaufen und nicht im Einklang mit der EU-Erinnerungspolitik stehen.
Das Verfahren der Wahl der italienischen Verfassungsrichter und -richterinnen hat in Verbindung mit einer veränderten politischen Landschaft zu politischen Blockaden geführt, die die Funktionsfähigkeit des Gerichtshofs in Rom gefährdet und die parteipolitisch bedingte Besetzung von Richterposten begünstigt. CORRADO CARUSO und PIETRO FARAGUNA bringen ihre Besorgnis zum Ausdruck. In Italien hat die Einführung von psycho-akademischen Tests für den Zugang zur Justiz, die sowohl die Laufbahn von Richtern und Richterinnen als auch die von Staatsanwälten und Staatsanwältinnen umfasst, heftige Debatten ausgelöst. EMANUELE COCCHIARA geht auf die Gründe für diesen Vorschlag ein und analysiert, warum er so viel Aufsehen erregt.
Der aktuelle Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarates über Deutschland nach ihrem Besuch Ende 2023 stellt eine alarmierende Situation der sozialen Ungleichheit in Deutschland fest. NAZLI AGHAZADEH-WEGENER und SOPHIA STELZHAMMER stellen fest, dass die Reaktion der Bundesregierung auf den Bericht harsch ausfiel und beleuchten die Situation der sozialen Rechte am Maßstab verbindlicher internationaler Standards.
Verbindliche Standards muss Deutschland jetzt auch am Arbeitsplatz umsetzen: Gestern trat die ILO Konvention Nr. 190 in Kraft, die auf Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen setzt, um Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern. Deutsche Unternehmen haben hier viel aufzuholen – und die deutsche Gesetzgebung ebenso, wie VANESSA VON WULFEN und EVA KOCHER zeigen.
Nächste Woche hat der EuGH die Gelegenheit, der sich in der EU ausbreitenden Überkriminalisierung der humanitären Hilfe entgegenzuwirken. In der Rechtssache Kinsa soll der Gerichtshof entscheiden, ob das Facilitator’s Package mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Charta unvereinbar ist. STEFANO ZIRULIA erläutert, warum der Gerichtshof dies bejahen sollte.
Die Listen sicherer Drittstaaten sind ein zentrales Instrument, mit dem die EU den Zugang zum Flüchtlingsschutz regelt. In Case C-406/22 klärt der Generalstaatsanwalt zwei zentrale Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung des Konzepts: die Anwendung territorialer Ausnahmen und den Umfang der gerichtlichen Überprüfung. KAROLINA MICHKOVÁ erklärt, wie der Vorschlag des Generalstaatsanwalts den Flüchtlingsschutz verbessern könnte, falls er angenommen wird.
Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht hat einer Lebensmittelfirma die Schutzgewährung für das Zeichen «Bimbo QSR» verneint, da es sittenwidrig sei. Es sah hierin keinen Konflikt mit der Meinungs- und Informationsfreiheit. JOHANN-JAKOB CHERVET zum Markenschutz, der Meinungsfreiheit und einer restriktiven Auslegung der Sittenwidrigkeitsklausel.
Das deutsche Recht sieht mit § 45 Strafgesetzbuch vor, dass eine Verurteilung zum Verlust des passiven und aktiven Wahlrechts führen kann. Die Vorschrift verkörpert allerdings ein veraltetes Strafrechtsverständnis und ist obendrein in weiten Teilen verfassungswidrig, argumentiert FLORIAN SLOGSNAT. Deshalb schlägt er vor, sie zu streichen und eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach dem Vorbild des § 70 StGB (Berufsverbot) zu schaffen.
Das Blog-Symposium zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive
Unternehmen in Europa wurden durch die endgültige Zustimmung des Europäischen Rates zur Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) rechtlich verpflichtet, bei ihren Geschäftstätigkeiten die Menschenrechte und die Umwelt zu achten. Die Richtlinie ist nun Teil der weltweiten Bemühungen von Unternehmen und Menschenrechtsaktivisten, verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen einzuführen.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte untersuchen VIRGNIE ROUAS, JULIA OTTEN und DANIEL TORAN in dieser Woche, welche Umweltauswirkungen von der CSDDD abgedeckt werden und wie sie behandelt werden. In zwei Teilen bieten sie einen Ansatzpunkt für die Debatte und beurteilen den Einfluss der CSDDD. In diesem Zusammenhang bewerten FINN ROBIN SCHUFFT, CEREN YILDIZ und ANNA ASEEVA den Wandel der Richtlinie hin zu einer echten Umweltverantwortung der Unternehmen und ihr Potenzial, zum Schutz der biologischen Vielfalt beizutragen. PADMADOLMA FIELITZ, MELINA GIRARDI FACHIN und DANIELLE ANNE PAMPLONA analysieren weiterhin den auf die Rechteinhaber ausgerichteten Ansatz von Artikel 13. RADU MARES hingegen befasst sich mit den Risiken, die sich aus den verbindlichen Anforderungen an die menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflicht für Entwicklungsländer ergeben. HUMBERTO CANTU RIVERA schließt das Symposium ab, indem er die Umsetzung der CSDDD auf internationaler und regionaler Ebene und die Auswirkungen der Richtlinie auf die nationale Gesetzeslandschaft untersucht.
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Das wär’s für diese Woche! Ihnen alles Gute,
Ihr
Verfassungsblog-Editorial-Team
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Zur anderen Seite der Medaille gehört allerdings auch, dass prominente Teile der deutschsprachigen Wissenschaftslandchaft über Dekaden hinweg die Grundlagen eines solchen Denkens dadurch schaffen konnten, dass sie der Wissenschaft eine Normativität zusprechen, die dem Grundgedanken der Wissenschaft als wahrheitsgeleitete Auffindung von Erkenntnissen fremd ist. Nur so kann jemand auf die hier mit Recht kritisierten, absurden Ideen kommen.
Wenn man bereits die Prämisse vertritt, dass Wissenschaft, sowohl institutionell als auch thematisch, in irgendeiner Weise normativ bzw. werturteilsgeleitet ist oder sein müsste, muss man sich zugleich in einer Demokratie damit abfinden, dass die herrschenden Verhältnisse womöglich auf die Idee kommen könnten, nicht die eigenen Werte zu teilen. Wer Wissenschaft von Grund auf in ein Prokrustesbett flüchtiger moralischer Imperative hineinzulegen versucht, wird früher oder später selbst Gliedmaßen abgehackt bekommen, um hineinzupassen. Insoweit sollte man, wenn man momentan selbst der Abhacker ist, vielleicht ein bisschen weniger kurzsichtig sein.
“Wissenschaftsfreiheit” bedeutet für manche, dass man das schlimmste Massaker an Juden nach dem Holocaust ignoriert, dass man Hamas-Sympathisanten in der Uni randalieren lässt, aber wenn jemand die Fördermittel überprüfen will, dann ist Schluss mit lustig!
Was in Museen für Kunstwerke gezeigt, auf Bühnen für Stücke aufgeführt, in Universitätshörsälen für Diskussionen geführt werden, darf keine Entscheidung sein, die eine dem Innenministerium unterstellte Behörde des “Sicherheitsapparats fällt, sondern einzig und allein die Wissenschaft bzw. die Kunst selbst. Sonst sind sie nicht frei. Sonst leben wir in einem autoritären Regime. Ob dieser Zustand durch direkte Weisung und Zwang hergestellt wird oder indirekt über den Weg des Fördermittelentzugs, das Ergebnis bleibt dasselbe. Die AfD träumt von der Macht, über den Zuwendungshebel aller Wissenschaft und aller Kunst, die ihrer Vorstellung von Volksidentität in die Quere kommt, die Luftzufuhr abzudrehen. Natürlich tut sie das. Sie ist eine autoritär-populistische Partei.”
Aha, der Hinweis auf die AfD darf natürlich nicht fehlen. Nur regiert die AfD nirgends. Während ja anscheinend FDP, CDU und SPD genau das machen; Beispiele werden in dem Artikel ja selbst geliefert. Sind das dann auch autoritär-populistische Parteien?
Und auch lustig die Kritik daran, dass im Sinne der CDU dann der Verfassungsschutz entscheiden würde was jenseits und diesseits der Grenze liegt. Während umgekehrt jegliche Kritik am Verfassungsschutz von seiten der AfD sonst immer reflexartig zurückgewiesen sind.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass selbst höchst intelligente und gebildete Menschen bei solchen Themen nur noch in Schubladen denken können. Denn genau dadurch wird die AfD weiter stark bleiben. Es wird kontinuierlich mit zweierlei Maß gemessen, weil man bereits vorher im Kopf entschieden hat, wo die Grenze verläuft, anstatt jedesmal wirklich hinzuschauen, um was es eigentlich geht. Lagerdenken par excellence.
M.S.: „Als ich mein Staunen überwunden hatte, beschloss ich sie beim Wort zu nehmen und hob den Finger: ob die Frau Ministerin sich vielleicht für Ihre via Bildzeitung verbreitete Äußerung zur Verfassungstreue der Unterzeichner*innen des offenen Briefes zu den Berliner Studierendenprotesten (disclosure: darunter ich) endlich mal entschuldigen möchte?“
Die Rücktrittsforderung von dem Herrn Autor kann ich nicht nachvollziehen. Warum soll es problematisch für die Ministerin sein, wenn die Bildzeitung eine ihrer Äußerungen verbreitet? Die Problematisierung der Verfassungstreue der Unterzeichner*innen im offenen Brief ist aus meiner Sicht schlimmstenfalls abwegig, aber keine Begründung für einen Rücktritt. Die Ministerin und Ihre Partei können bei den nächsten Wahlen gewählt oder eben nicht gewählt werden. Das genügt mir. Und eine Prüfbitte ist eine Prüfbitte und nicht mehr.
Ein Grund für einen Rücktritt wäre für mich, wenn sich die Ministerin in Zusammenhang mit diesem Vorgang hinreichend in Unwahrheiten verstricken würde.