10 June 2024
Waiting for Kinsa
On 18 June 2024, the Court of Justice of the European Union will sit as a Grand Chamber in a hearing addressing the compatibility of the so-called Facilitators Package with the principle of proportionality set out in the EU Charter of Fundamental Rights (CFR). The Kinsa case (previously named Kinshasa) provides an opportunity for the CJEU to counteract the trend towards overcriminalisation of humanitarian action that has taken hold across the EU. This blog highlights the ways in which the Facilitator Package fails to take account of important fundamental rights and why the criminalization of solidarity that it has facilitated is not an inevitability but a political choice. Continue reading >>
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A High-Stakes Game
So it has happened: Marine Le Pen’s Rassemblement National (RN) received more than twice the votes of Macron’s Renaissance list in the European elections (31.4% vs. 14.6%). Following the results, Macron announced to dissolve parliament and call an early election. Judging by the immediate reactions on social media, Macron’s announcement shocked several commentators and the public. Yet, from the perspective of the 2027 presidential elections, the reasoning may not be as reckless as it seems. Macron’s calculation is based on the consideration that three more years of the current situation would make a Le Pen presidency highly likely in 2027. Continue reading >>Zur Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dafür ausgesprochen, Schwerstkriminelle und Gefährder auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Die öffentliche Debatte unterstellt dabei bisweilen, dass der Kanzler, die Innenministerin oder das Außenministerium eigenständig darüber entscheiden könnten, ob ein Land als generell sicher oder unsicher gilt. Je nach Ergebnis erhalten dann entweder alle Schutz oder Abschiebungen sind plötzlich möglich. Das stimmt nicht, denn das Asylrecht fragt nach Situation jeder Einzelperson. Statt eines „Alles oder nichts“ gilt also „Es kommt darauf an“. Das klingt unentschieden, ist es jedoch nicht. Continue reading >>New Wine in Old Bottles
The CSDDD requires companies to carry out due diligence on actual and potential human rights and environmental adverse impacts. This means companies have to identify harmful impacts in their value chains and take appropriate measures to prevent, mitigate, or bring them to an end. In this two-part blog post, we will look at which environmental impacts are covered by the CSDDD and how they are addressed. Our intention is to provide a starting point for the debate by summarising the outcome of the legislative process, explaining how we got there, and offering some thoughts on where we might go next. Continue reading >>
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Bezahlbare Miete statt Rendite
Die Bundesregierung hat am vergangenen Mittwoch beschlossen, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Wohngemeinnützigkeit wieder einzuführen. Konkret soll mit dem Jahressteuergesetz 2024 auch die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ in § 52 AO verankert werden, der die gemeinnützigen Zwecke im Sinne des Steuerrechts listet. In der Folge können Wohnungsunternehmen, die bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, von Steuererleichterungen profitieren. Der vorherrschenden Logik einer auf den Marktausgleich orientierten Wohnungspolitik wird hiermit ein alternatives Paradigma gegenübergestellt: Nunmehr soll sich nicht mehr nur die Profitorientierung lohnen, sondern auch die gemeinwohlorientierte Wohnraumbewirtschaftung belohnt werden. Continue reading >>07 June 2024
Die Moral und die Grundmandatsklausel
Das neue Wahlgesetz, das im März 2023 beschlossen wurde, hat viel Kritik auf sich gezogen. Insbesondere die dort implementierte Abschaffung der Grundmandatsklausel findet eine erbitterte Gegnerschaft. Gregor Gysi bezeichnete das Vorgehen der Ampel schlicht als „unmoralisch“. So fremdartig der Vorwurf der „Unmoral“ im Kontext einer verfassungsrechtlichen Debatte erst einmal zu sein scheint, so bringt er den Kern des weitverbreiteten Unbehagens am neuen Gesetz gut auf den Punkt. Denn nicht nur das Gesetz könnte „falsch“ sein, sondern einige Akteure könnten auch aus den „falschen“ Motiven gehandelt haben. Continue reading >>
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Towards Planetary Boundaries for Business?
While the material scope of the EU’s Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) fell behind civil society demands, it does mandate a degree of environmental due diligence that constitutes a tentative shift towards real corporate environmental accountability. Despite its conceptual restrictions, which are the result of a somewhat polarised legislative process, the CSDDD’s environmental annex provides a provision with potential for the protection of biological diversity: the reference to the Convention on Biological Diversity. Continue reading >>
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06 June 2024
Militant Public Administration
An unprecedented scandal surrounding a Polish governmental fund established to aid crime victims highlights the role of civil servants in authoritarian state capture. The revelations surrounding the Justice Fund show broad levels of bureaucratic acquiescence with shocking abuses of power, and only belated effort to document and report these abuses. The Polish case shows it is time for a democratically militant public administration – the new vision of civil service better prepared to fend off authoritarian encroachment from elected politicians. Continue reading >>
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05 June 2024
Trans Rights and Gender Recognition before the CJEU
On May 7, 2024, the Advocate General of the CJEU issued his Opinion on the Mirin case concerning the right to Legal Gender Recognition (LGR) for transgender persons. Yet, the solution offered by the AG deviates from the Court’s previous case-law on LGR, by making it about free movement rather than protection against discrimination, or fundamental rights. It also places the applicant, and those in a similar position, in an administrative situation that is defeating the very purpose of LGR – an issue that the AG himself acknowledges. A more satisfactory and ambitious alternative would instead be to frame the LGR as protected under the EU Charter. Continue reading >>Nur vom Volk abhängig?
Das Schweizer Parlament wehrt sich nach wie vor gegen weitergehende Transparenzvorschriften, die seine eigene Tätigkeit betreffen. Dieses Mal geht es um die Nebeneinkünfte der Parlamentsmitglieder. Wie auch im Zusammenhang mit anderen verwandten Geschäften – man denke etwa an die Transparenzinitiative – beharrt der Ständerat auf den Besonderheiten des Milizparlaments sowie auf dem Schutz der Privatsphäre. Wie der vorliegende Beitrag zeigt, entfernt sich das Parlament mit dieser Argumentation immer mehr von den Wählerinteressen – und damit von seinem verfassungsrechtlichen Auftrag, wonach es nur vom Volk abhängig sein darf. Continue reading >>
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04 June 2024
Zur Gestalt Europas
Die Debatte über die Finalität der Europäischen Union ist in eine Sackgasse geraten. Die letzte Vertragsrevision liegt bald 15 Jahre zurück, ernsthafte politische Initiativen sind nicht erkennbar oder nicht Erfolg versprechend. Die Konferenz zur Zukunft Europas präsentierte Mitte 2022 ihre Ergebnisse, vermutlich dürften aber auch diese alsbald verpuffen. Wir tippeln auf der Stelle, seit dem Vertrag von Lissabon, eigentlich aber schon seit dem Scheitern des Verfassungsvertrages scheint die Debatte festgefahren. Anstatt über die weitere Entwicklung der Integration zu sprechen, scheint es eher darum zu gehen, das Bestehende zu bewahren und zu verhindern, dass es zu signifikanten Integrationsrückständen kommt. Continue reading >>Eine Strategie tut not, nicht Schnellschüsse
Der Freistaat Sachsen hat einen Gesetzentwurf vorgestellt, der die Vorschriften gegen Nötigung von Angehörigen von Verfassungsorganen auf Kommunal- und Europapolitiker erstreckt. Er sieht auch eine Art Stalking-Tatbestand vor, der Übergriffe in den Bereich der persönlichen Lebensgestaltung von Amts- und MandatsträgerInnen kriminalisiert. Fast zeitgleich hat der Freistaat Bayern einen Gesetzentwurf präsentiert, der sich gegen die Verbreitung von Deep Fakes richtet. Die Vorschläge reagieren auf einzelne, als bedrohlich erachtete Phänomene mit symbolischen Strafschärfungen bzw. kleinräumigen, einzelfallbezogenen Gesetzesänderungen zur Schließung von Gesetzeslücken. Was den Vorhaben fehlt ist eine Gesamtstrategie auf Grundlage einer umfassenden Gefahrenanalyse. Continue reading >>
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03 June 2024
Soft law, hardcore?
Soft law offers the possibility of agile and flexible regulation that can adapt to dynamic digital developments. However, due to its non-binding nature, soft law is not considered to be very effective. With the Digital Services Act (DSA), however, the EU is taking an - at least from a legal dogmatic perspective - unconventional approach by combining hard and soft law in a unique way. The DSA itself is a legally binding EU regulation, but it provides for soft law instruments and even contains provisions for their legal enforcement. Although such regulatory techniques are well known in EU law, they at least call into question the public perception of the DSA as the ‘constitution of the internet’. How far-reaching can such a constitution be that outsources essential issues to (executive-initiated, privately set) soft law? Continue reading >>
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Soft law, hardcore?
Soft Law bietet die Möglichkeit der agilen und flexiblen Regulierung, die sich gerade an die dynamische digitale Entwicklung anpassen kann. Allerdings gilt Soft Law durch seine unverbindliche Natur als wenig effektiv. Mit dem Digital Services Act (DSA) beschreitet die EU jedoch einen unkonventionellen Weg, indem sie Hard Law und Soft Law in – zumindest aus dogmatischer Perspektive – eigentümlicher Weise miteinander verbindet. Der DSA ist selbst eine rechtsverbindliche EU-Verordnung, welche jedoch Soft Law Instrumente vorsieht und sogar Vorschriften zu ihrer rechtlichen Durchsetzung enthält. Derlei Regelungstechniken sind im Unionsrecht zwar durchaus bekannt, doch stellen sie zumindest der öffentlichen Wahrnehmung des DSA als ‚Verfassung des Internets‘ in Frage. Wie weitreichend kann eine solche Verfassung sein, die wesentliche Fragen an (exekutiv initiiertes, privat gesetztes) Soft Law auslagert? Continue reading >>Deepfakes, the Weaponisation of AI Against Women and Possible Solutions
In January 2024, social media platforms were flooded with intimate images of pop icon Taylor Swift, quickly reaching millions of users. However, the abusive content was not real; they were deepfakes – synthetic media generated by artificial intelligence (AI) to depict a person’s likeness. But the threat goes beyond celebrities. Virtually anyone (with women being disproportionately targeted) can be a victim of non-consensual intimate deepfakes (NCID). Albeit most agree that companies must be held accountable for disseminating potentially extremely harmful content like NCIDs, effective legal responsibility mechanisms remain elusive. This article proposes concrete changes to content moderation rules as well as enhanced liability for AI providers that enable such abusive content in the first place. Continue reading >>
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Besetzte Hochschulautonomie
Am 23. Mai, dem Tag des Grundgesetzes, wurde das am Vortag von Studierenden besetzte Institut für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität (HU), polizeilich geräumt. Die Präsidentin der HU, die zuvor den Dialog mit den Besetzer:innen gesucht hatte, sprach hinterher davon, dass sie von der Wissenschaftssenatorin und dem Regierenden Bürgermeister angewiesen worden sei, die Besetzung zu beenden. Die Hochschulautonomie verschafft der Präsidentin einen weiten Ermessensspielraum, auf derartige Situation zu reagieren. Eine Weisung wäre – auf Grundlage der bislang bekannten Tatsachen – in der vorliegenden Situation rechtswidrig gewesen. Continue reading >>31 May 2024
Unionsfeindlichkeit und Obstruktion
Am 9. Juni ist Europawahl. Mit dem zu erwartenden, starken Ergebnis der potenziell unionsfeindlichen Parteien bei der Europawahl wächst vor allem auch das Risiko für Angriffe aus dem Inneren des Europäischen Parlaments selbst. Ein Blick in die aktuelle Geschäftsordnung des EU-Parlaments (GOEP) zeigt bereits heute ein EU-Parlament, das sich im Bewusstsein dieser Obstruktionsgefahren selbst organisiert hat. Continue reading >>
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Und (fast) täglich grüßt das Murmeltier
Anfang Mai 2024 deckte eine Investigativrecherche des Bayerischen Rundfunks auf, dass das Bundeskriminalamt offenbar schon im Jahr 2019 heimlich rund fünf Millionen Gesichtsbilder aus dem zentralen polizeilichen Informationssystem INPOL-Z extrahiert und dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung zur Verfügung gestellt hat. Immer wieder verkennen die Sicherheitsbehörden die Reichweite der Datenschutz(grund-)rechte oder ignorieren geflissentlich Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Continue reading >>Kommunikatives Tabu ohne Zukunft?
„Der Angeklagte (…) hat (…) eine Rede gehalten und diese mit dem Ausruf "Alles für Deutschland" beendet, wobei es sich, wie allgemein bekannt ist, um die Losung der SA, handelt.“ Mit dieser Feststellung bestätigte das OLG Hamm 2006 eine Haftstrafe wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Für das Höcke-Urteil des LG Halle ist damit ein wichtiger Referenzpunkt gesetzt. Gleichzeitig wird es zunehmend schwieriger, das „kommunikative Tabu“ aufrechtzuerhalten, das § 86a StGB etablieren sollte. Continue reading >>Namhafter Fortschritt?
„Das neue Namensrecht ist auch ein Antidiskriminierungsrecht“, erklärte Kassem Taher Saleh im April bei der Aussprache im Bundestag. Kurz darauf beschlossen die Abgeordneten in dieser Sitzung das „Gesetz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts“. Am 17. Mai billigte nun auch der Bundesrat den Gesetzesentwurf. Doch tatsächlich ist das neue Namensrecht nicht so antidiskriminierend, wie es politisch dargestellt wird. Continue reading >>
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30 May 2024
Follow Me to Unregulated Waters!
In this article, I will demonstrate how some major platforms are failing to properly implement the Digital Service Act's (DSA) rules on notice and action mechanisms. In my view, many platforms are unduly nudging potential notice-senders to submit weak, largely unregulated Community Standards flags. At the same time, platforms are actively deterring users from submitting (strong) notices regulated under the DSA. Continue reading >>
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Verfassungsfeindlicher Protest und Versammlungsrecht
Politische Äußerungen in Versammlungen sind gegenwärtig Gegenstand intensiver öffentlicher Diskussionen. Insbesondere Positionen und Parolen, die auf eine Verneinung des Existenzrechts des Staates Israel gerichtet sind, werden zum Anlass für administrative Interventionen durch „Auflagen“ (sc. Beschränkungen) in Bezug auf Inhalt und Äußerungen im Rahmen von Versammlungen oder gar deren Auflösung genommen. Auch wenn viele Äußerungen, die gegenwärtig auf Versammlungen fallen, politisch ohne Zweifel zu missbilligen sind, gerät der Grundsatz, dass der Inhalt einer Versammlung und im Rahmen einer Versammlung erfolgte Meinungsbekundungen grundsätzlich „staatsfrei“ zu bleiben haben und nur bei Überschreitung äußerster Grenzen reglementiert werden können, zusehends in Gefahr. Continue reading >>
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A Comparative Analysis between the Corporate Sustainability Due Diligence Directive and the French and German Legislation
This blog post offers an initial comparative glimpse of the most important changes that the Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) will bring for the respective mandatory human rights and environmental (HREDD) legislation in Germany and France. While both the French Duty of Vigilance Law and the German Supply Chain Act already require effective HREDD, the CSDDD goes a long way in strengthening the requirements and bringing them more in line with international standards. Continue reading >>
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29 May 2024
The Electoral Reform in New Caledonia as a Blessing in Disguise
The constitutional amendment recently examined by the French Parliament would allow French citizens, residing in New Caledonia for at least ten years, to take part in local elections. Prompted by President Macron, this electoral reform has led to massive riots in recent weeks involving supporters and opponents of independence for this territory of the French Republic. Local representatives fear that this reform will place the Kanak – the archipelago’s autochthonous people – in an even more inferior position vis-à-vis loyalist militants. Nevertheless, this reform should guarantee better representation of the population of New Caledonia and thereby guarantee the right to vote more widely, in line with the democratic principles of the French Republic. Continue reading >>Administrative Enforcement of Corporate Human Rights Due Diligence Legislation
Mandatory human rights and environmental due diligence legislation such as the new EU’s Directive on Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD) have received praise and critique in practice and scholarship. This contribution assesses the regime of administrative enforcement contained in the CSDDD and asks if it meets the standards of effective remedy. Continue reading >>
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Polizei und Taser
Immer mehr Landesgesetzgeber führen den Taser als weiteres polizeiliches Einsatzmittel neben Pfefferspray, Schlagstock und Schusswaffe ein. Dabei ist die fortschreitende Ausrüstung aus einer Reihe von Gründen, die im Diskurs oft zu kurz kommen, abzulehnen. So birgt der Beschuss einer Person mit einem Elektroimpulsgerät praktisch nur schwer zu kontrollierende gesundheitliche Risiken und endet in der Praxis immer wieder tödlich. Außerdem ist zu befürchten, dass Beamte die Geräte künftig extensiv nutzen und sich damit eine Form erheblicher polizeilicher Gewaltanwendung schleichend normalisiert – nicht zuletzt deshalb, weil deren Einsatz in den meisten Ländern bislang nicht eigens geregelt ist. Continue reading >>On Kanaks and Caldoches
Over the past week, the French electoral reform in New Caledonia precipitated into violent unrest. Although the French government lifted the state of emergency on Tuesday morning, in an attempt to initiate a process of de-escalation and to renew the dialogue with the independence movement, the reform will eventually move forward. Henceforth, France will further entrench its influence in the South Pacific and effectively deny the Kanak people to achieve their desired self-determination. Continue reading >>
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Untying the Gordian Knot
Much like Alexander the Great’s “untying” of the mythical Gordian Knot in ancient Persia, tracking defamation litigation in this year’s US Presidential election season would appear to not only require formal legal training, but resort to some fairly unconventional tactics. But rather than slicing the metaphorical knot with brute force (as legend has it), this article shines a modest but revealing light on the history and principles of US defamation law to assist foreign jurists with its many technicalities and often perplexing uses. Continue reading >>
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