26 November 2025
Kurz bevor das Bündnis „Widersetzen“ auch mit Sitzblockaden gegen die geplante Neugründung einer AfD-Jugendorganisation in Gießen protestieren will, hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zu zentralen Fragen dieser friedlichen Aktionsform veröffentlicht. Erfreulicherweise bestätigt der Erste Senat, dass Sitzblockaden grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit umfasst sind. Zugleich bleibt der praktische Schutz Teilnehmender ungewiss ‒ und im Vorbeigehen verpasst Karlsruhe dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG eine neue Einschränkung.
Continue reading >>
25 November 2025
Heute ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Laut aktuellem BKA-Lagebild wurden 2024 in Deutschland rund 266.000 Fälle häuslicher Gewalt registriert – ein Rekord, 70 % der Opfer sind Frauen. Doch die meisten Fälle bleiben im Dunkelfeld. Und auch ökonomische Gewalt – die bewusste Kontrolle über finanzielle Ressourcen, um Handlungsspielräume einzuschränken – wird in Deutschland bisher kaum erfasst, obwohl die Istanbul-Konvention dazu verpflichtet. Vor allem Unterhaltsverweigerung ist als eine Form von ökonomischer Gewalt anzuerkennen.
Continue reading >>
25 November 2025
Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen drängt sich wiederholt der genauere Blick auf Feminizide auf – und darauf, warum viele deutsche Studien das strukturelle Ausmaß dieser Gewalt noch immer unterschätzen. Die aktuelle Femizid-Studie aus NRW bleibt im Rahmen polizeilicher Daten gefangen und verkennt damit patriarchale Machtverhältnisse, institutionelle Versäumnisse und rassifizierende Deutungsmuster. Neuere Forschung aus Tübingen zeigt dagegen, wie erst die Einbettung der Tötungen in soziale, politische und institutionelle Strukturen sichtbar macht, was hinter den Zahlen steht.
Continue reading >>
21 November 2025
On 13 November 2025, Minister of State for the Home Department Lord Hanson introduced an amendment to the Crime and Policing Bill providing for the new “offence of making representations to public office-holders in their home”. Recent years have seen many protests outside the private homes of politicians in the UK. However, it is questionable whether the amendment is compatible with Article 11 of the European Convention on Human Rights (ECHR) on freedom of assembly.
Continue reading >>
19 November 2025
Was passiert verfassungsrechtlich, wenn Deutschland angegriffen wird oder ein solcher Angriff droht? Das Grundgesetz sieht für solche Fälle den sogenannten Spannungs- oder Verteidigungsfall vor. Momentan scheint im Bundestag die hierfür erforderliche Zweidrittelmehrheit in weiter Ferne. Allerdings könnten, wenn Deutschland wirklich mit Waffengewalt angegriffen wird, Bundestag und -rat verfassungsrechtlich zur Feststellung des Verteidigungsfalls verpflichtet sein.
Continue reading >>
12 November 2025
Im November 2025 soll in Gießen die neue AfD-Jugendorganisation gegründet werden. Das Netzwerk „Widersetzen“ mobilisiert zu Blockaden, um genau das zu verhindern. Solche Verhinderungsaktionen sind längst Teil einer neuen Protestpraxis, die nicht mehr nur widerspricht, sondern politische Betätigung gezielt unterbindet. Damit rückt eine heikle Frage in den Mittelpunkt: Wann kippt Protest in eine Gefahr für die Demokratie selbst?
Continue reading >>
07 November 2025
Mexico’s unfolding mass grave crisis has brought unprecedented UN scrutiny: for the first time, the Committee on Enforced Disappearances has triggered emergency measures, framing Mexico as a litmus test for global human rights accountability. The government’s denial and refusal to accept international findings now pit diplomatic rhetoric against the urgent realities of systemic disappearances, challenging whether real reform is possible. As Mexico stands at this crossroads, the world watches to see if international oversight can compel action or if entrenched impunity will prevail.
Continue reading >>
03 November 2025
Nachdem die AfD im Bundestag lange für die Wehrpflicht gestritten hatte, folgte jüngst die Kehrtwende. Sie scheint nun für die Partei plötzlich tabu zu sein. Diese Kehrtwende ist nicht Ausdruck eines inhaltlichen Umdenkens der Partei, sondern dient – wieder einmal – einer strategischen Positionierung. Denn die Opposition zur Wiedereinführung der Wehrpflicht ermöglicht es der AfD, das Schreckgespenst eines drohenden Unrechtsstaats an die Wand zu malen, der Wehrpflichtige in einen „fremden Krieg“ treibt.
Continue reading >>
27 October 2025
Der Vorschlag, ein Losverfahren darüber entscheiden zu lassen, wer zur Musterung antreten und womöglich zum Wehrdienst verpflichtet werden soll, sorgte in den vergangenen Wochen nicht nur für Unruhe in der Koalition. Der Vorschlag entfachte auch eine öffentliche Debatte darüber, ob Losverfahren zulässig und sinnvoll sind. Die Debatte schadet einem Verfahren, das entgegen seinem Ruf ganz und gar nicht willkürlich ist – und dennoch für die Auswahl künftiger Soldaten unzulässig.
Continue reading >>
23 October 2025
Bei den aktuellen Plänen zur Wehrpflicht wird zur Auswahl der heranzuziehenden Wehrpflichtigen insbesondere das Losverfahren diskutiert. Allerdings werfen sowohl die quantitative Begrenzung der Wehrpflicht im Sinne eines kontingentbasierten „Auswahlwehrdienstes“ als auch ein vom Los bestimmtes Selektionsverfahren verfassungsrechtliche Fragen auf. Dabei spricht vieles dafür, dass sich eine derartige Ausgestaltung der Wehrpflicht als mit der Verfassung vereinbar erweisen wird.
Continue reading >>
21 October 2025
Following several egregious crimes against women and children, Kyrgyzstan’s President Sadyr Japarov publicly suggested that the death penalty might be restored. Politically, this statement can be considered a populist response to capitalise on the public outrage over gender-based violence. But beneath this political rhetoric lies a multi-faceted legal question: Kyrgyzstan abolished the death penalty almost twenty years ago, binding itself under international law to permanent abolition. In light of this, the Kyrgyz Republic can neither legally nor reputationally afford to reverse this course.
Continue reading >>
17 October 2025
Mali, Burkina Faso, and Niger trumpet their withdrawal from the International Criminal Court as an act of sovereign defiance and decolonization, but the spectacle barely conceals its true aim: impunity. All three juntas seized power by force and stand accused of atrocities committed by their militaries and Russian-backed auxiliaries. By rejecting The Hague, they aren’t reclaiming justice for Africa; they’re dismantling the last external check on their power, turning “sovereignty” into a shield against accountability and leaving victims in the Sahel with nowhere to turn.
Continue reading >>
16 October 2025
Vor allem Populisten machen die Demokratie verwundbar. Doch auch, wer die Demokratie verteidigen will, kann sie verwunden. Ein aktuelles Beispiel ist das Verbot einer Versammlung in der Nacht vom 11. auf den 12. September 2025, dem Tag der sogenannten Brandnacht in der Stadt Darmstadt – als 1944 ca. 12.000 Menschen einem Luftangriff der Alliierten zum Opfer fielen. Wie das VG Darmstadt nun bestätigte, war ein Verbot offensichtlich nicht zulässig. Dennoch hielt die Stadt daran fest – und schwächte damit die demokratische Grundordnung, statt sie zu verteidigen.
Continue reading >>
15 October 2025
Es ist kein Zufall, dass der Vorschlag, bei der Ausgestaltung der neuen Wehrpflicht das Losverfahren einzusetzen, vor allem auf Seiten der politischen Linken auf Widerstand stößt. Die Ablehnung des positiven Rekurses auf den Zufall gehört auf Seiten der politischen Linken zum festen Kern ihrer epistemologischen Grundüberzeugungen. Dabei gibt es durchaus gute Gründe, in bestimmten Fällen ein Entscheidungsverfahren zu wählen, das ohne die Berücksichtigung vermeintlich guter bzw. „sachgerechter“ Gründe auskommt.
Continue reading >>
14 October 2025
Ekrem İmamoğlu, the Mayor of Istanbul, has been imprisoned for 200 days without indictment as the Turkish government weaponizes the judiciary to eliminate political opposition. This case exemplifies a shift from autocratic legalism to "lawfare," where legal tools are used strategically to suppress democratic competition. İmamoğlu’s situation reveals the deepening authoritarianism in Turkey as the ruling regime abandons fair elections in favor of coercive control.
Continue reading >>
14 October 2025
The revelation that Hungarian intelligence officers allegedly operated within EU institutional premises under the watch of the current EU Commissioner Oliver Várhelyi, who at the time served as Hungary’s Permanent Representative to the European Union, poses an unprecedented challenge to the Union's constitutional framework. The Várhelyi affair poses a question the Union has never had to answer so starkly: What happens when a member state treats the institutions it helped create not as a common project, but as hostile territory to be infiltrated and undermined?
Continue reading >>
08 October 2025
France often takes pride in calling itself a Republic. Invoking the Republic has even become a political mantra, repeated across the entire political spectrum. Yet the sheer frequency of these references has emptied the term of much of its meaning. The reactions to Nicolas Sarkozy’s conviction suggest that many journalists, politicians, and citizens still struggle to grasp what it truly means to be “republican”. Although the judgment of the Paris Criminal Court is particularly thorough, it has provoked widespread controversy, reopening the enduring debate on political justice in France – while also appearing as a sign of the strengthening of the republican ideal.
Continue reading >>
06 October 2025
On September 11, 2025, the CJEU ruled that Spain cannot prosecute an ETA leader for terrorist acts after her prior conviction in France for related offenses activates the ne bis in idem principle. The Court emphasized that “same acts” are defined by materially identical conduct, regardless of differing legal classifications in Member States. This decision highlights the limits of parallel prosecutions under EU law, even in complex cross-border terrorism cases.
Continue reading >>
02 October 2025
Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem sechs Menschen starben und hunderte verletzt wurden, führt zu einem Strafprozess von außergewöhnlichem Ausmaß – verhandelt in einer eigens errichteten Leichtbauhalle, die den enormen Sicherheits- und Beteiligungsanforderungen gerecht werden soll. Die die Entscheidung für einen temporären Gerichtsraum wirft Fragen zum Öffentlichkeitsgrundsatz und zur Rolle der Nebenklage auf. Das Verfahren verdeutlicht eindrücklich die Gratwanderung zwischen praktischen Bedürfnissen, Opferschutz und den prozessualen Rechten aller Beteiligten.
Continue reading >>
26 September 2025
Die Debatte über einen Straftatbestand der verbalen sexuellen Belästigung folgt bekannten Mustern: Kritiker warnen vor Unbestimmtheit, Bagatellisierung und Verfassungswidrigkeit, während die eigentlichen Schutzinteressen aus dem Blick geraten. Verfassungs- und strafrechtsdogmatisch spricht wenig gegen eine klar begrenzte Norm, die massive verbale Übergriffe sanktioniert und eine reale Schutzlücke schließt. Politisch geht es darum, Frauenrechte nicht gegen andere Gleichheitsanliegen auszuspielen, sondern Sexualautonomie als legitimes Schutzgut strafrechtlich anzuerkennen.
Continue reading >>
24 September 2025
Fehlurteile lassen sich in Deutschland nur schwer korrigieren. Das Wiederaufnahmeverfahren ist mit hohen Hürden verbunden, wie die Fälle Manfred G. und Josephine R. drastisch zeigen. Zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit steht der Gesetzgeber vor der Aufgabe, wirksame Korrekturmechanismen zu schaffen, die verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen. Nötig ist nicht nur eine Reform der veralteten Vorschriften, sondern auch eine neue Fehlerkultur, die institutionelle Offenheit und den Mut zur Selbstkorrektur einschließt.
Continue reading >>
23 September 2025
Ob künftig ganze Jahrgänge junger Männer ein Jahr Wehrdienst leisten müssen und damit erheblich in ihren Grundrechten beschränkt werden, soll künftig die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung bestimmen können. Dies sieht jedenfalls der Gesetzesentwurf vor, den die Bundesregierung Ende August beschlossen hat. Über das „ob“ der Wehrpflicht kann aber nicht durch die Verwaltung entschieden werden. Das ist Sache des Gesetzgebers.
Continue reading >>
08 September 2025
Die SPD fordert die Strafbarkeit von Catcalling – ein symbolischer Akt, der an die „Lust am Strafen“ anknüpft, aber verfassungsrechtlich kaum haltbar und praktisch wirkungslos ist. Zwischen Bestimmtheitsgebot und Ultima Ratio bleibt kein Raum für einen sinnvollen Tatbestand, sodass das Strafrecht hier nur als politische Geste dient. Der Diskurs verschiebt sich damit von Prävention und Strukturreformen hin zu „Hyperpolitik“, die moralisch mobilisiert, aber repressive und rassistische Dynamiken verstärkt.
Continue reading >>
22 August 2025
Das Beleidigungsstrafrecht zeigt sich als ambivalentes Instrument: Es kann vor digitalem Hass schützen, birgt aber zugleich das Risiko, freie Kritik zu unterdrücken. Der Künast-Fall lenkte den Blick auf diese Spannung und veränderte das Verständnis von Ehrschutz und Meinungsfreiheit. Mit § 188 StGB verschob der Gesetzgeber das Verhältnis weiter zugunsten eines verstärkten Schutzes von Politikern. Nötig ist eine Reform, die demokratische Machtkritik wieder ins Zentrum rückt.
Continue reading >>
22 August 2025
Äußerungsdelikte rücken zunehmend ins Zentrum von Politik und Justiz, getragen vom Ruf nach härterem Vorgehen gegen „Hass und Hetze“. Die Strafbarkeit wird stetig ausgeweitet – von Volksverhetzung bis zu satirischen Memes mit NS-Bezug. Kritiker sehen darin moralische Tabuisierung und eine Erosion des ultima-ratio-Prinzips. Gefordert sind klare Grenzen strafbarer Rede und stärkere nichtstrafrechtliche Mittel zur Zivilisierung von Kommunikation.
Continue reading >>
21 August 2025
In July, the UK government has decided to proscribe the organisation Palestine Action. The order means that people are criminalised not just for expressing support for terrorist acts, but for the proscribed organisation. As a result, over 500 people were reportedly arrested at a protest in London on 9 August. Whether the decision pushes anti-terrorism law too far and violates freedom of expression will be assessed by the courts at a later date. If the decision survives a legal challenge, it could pave the way for proscription to be used in relation to a broader range of groups in future.
Continue reading >>
21 August 2025
Donald Trump’s use of the presidential pardon has transformed a constitutional power into a tool of personal loyalty and partisan retribution. Rather than correcting injustice, his pardons reward allies, shield loyalists, and punish critics. This shift reflects not only a philosophical challenge to the logic of criminal law, but also a deeper sociopolitical trend: the erosion of accountability through transactional governance. As legal boundaries blur and institutional checks falter, the rule of law itself is drawn into the orbit of authoritarian impulse.
Continue reading >>
21 August 2025
Das Gnadenrecht soll als letztes Korrektiv individuelle Gerechtigkeit schaffen, wo das Straf- und Vollstreckungsrecht an seine Grenzen stößt. In der Praxis ist es jedoch zu einem föderalen Flickenteppich geworden, dessen unterschiedliche Verfahren und Zuständigkeiten zu Ungleichbehandlung und Zufallsergebnissen führen. Kritisiert werden fehlende Transparenz, eingeschränkte Akteneinsicht, das Fehlen gerichtlicher Kontrolle und ein erhöhtes Missbrauchspotenzial. Statt Abschaffung braucht es deshalb eine bundesweit einheitliche, transparente und rechtsstaatlich gesicherte Reform des Gnadenrechts.
Continue reading >>
20 August 2025
In the U.S., authoritarian populists exploit gender politics by criminalizing pregnancy, restricting reproductive rights, and using criminal law to undermine women’s autonomy. Under Trump, these dynamics intensified, ranging from nationwide abortion bans to the erosion of healthcare protections and threats to contraception access. Such measures tap into racial and economic anxieties, reinforce patriarchal power, and resonate far beyond the United States.
Continue reading >>
20 August 2025
Die deutsche Kriminalpolitik reagiert auf Gewalt gegen Frauen vor allem mit Strafrechtsverschärfungen und verknüpft diese häufig mit migrationspolitischen Narrativen. Feministische Kriminalwissenschaft kritisiert diese Fixierung als „Carceral Feminism“, der Ursachen verfehlt und marginalisierte Gruppen zusätzlich belastet. Rechte Akteure instrumentalisieren das Thema, indem sie rassistische Stereotype verstärken und feministische Positionen delegitimieren. Gefordert ist eine differenzierte Politik, die Strafrecht reflektiert einsetzt und Prävention stärkt.
Continue reading >>
19 August 2025
Das BMJV treibt mit seinem neuen Entwurf die Vorfeldkriminalisierung im Terrorismusstrafrecht voran – ein Schritt, der eher Scheinsicherheit erzeugt als wirksamen Schutz. Terroristische Gewalt zielt auf die Zerstörung staatlichen Vertrauens, während Politik und Öffentlichkeit aus Angst reflexhaft Strafverschärfungen fordern. Der Entwurf folgt zwar Brüsseler Vorgaben, überschreitet sie jedoch und gefährdet rechtsstaatliche Grundprinzipien. Am Ende steht die Frage, ob ein Rechtsstaat nicht gerade darin Stärke zeigt, Tatstrafrecht und Unschuldsvermutung auch gegenüber Terroristen zu wahren.
Continue reading >>
19 August 2025
Das Strafrecht ist nicht nur ein Mittel der Rechtsdurchsetzung, sondern ein politisch gestaltetes Instrument, das die sozialen Funktionsbedingungen der Demokratie stabilisiert. Es schützt elementare Voraussetzungen demokratischer Selbstbestimmung – von gleichberechtigter Teilhabe über die Integrität staatlicher Institutionen bis hin zur Abwehr von Machtmissbrauch und kommunikativer Ausgrenzung. Gerade im Strafrecht zeigt sich die Spannung zwischen legitimer Demokratiesicherung und der Gefahr, Freiheitsrechte zu beschneiden.
Continue reading >>
18 August 2025
Grenzen sortieren Menschen in erwünscht und unerwünscht und das Strafrecht wird dabei zur schärfsten Linie. In der Figur des „Schleusers“ verwandelt es sich ins Feindstrafrecht, das nicht mehr differenziert, sondern ausschließt. Humanitäre Fluchthilfe wird so kriminalisiert, Helfer:innen und selbst Flüchtlinge geraten in den Verdacht, „Staatsfeinde“ zu sein. Ein humanes, resilientes Strafrecht muss dem entgegenwirken und die Geschichten, Motive und Verletzlichkeiten der Betroffenen wieder sichtbar machen.
Continue reading >>
18 August 2025
Das Strafrecht ist zur Waffe der Migrationspolitik geworden, allen voran der Schleusertatbestand. Hinter der Erzählung vom skrupellosen Schlepper verbirgt sich ein System, das Flüchtlinge ohne legale Zugangswege in die Abhängigkeit von Schleusern drängt. Zugleich kriminalisiert das Gesetz auch solidarische Hilfe und stellt NGOs wie Flüchtlinge selbst unter Verdacht. Damit rückt das Strafrecht gefährlich nah an autoritär-populistische Instrumentalisierung.
Continue reading >>
15 August 2025
Verwundbare Demokratien sind kein Naturzustand, sondern Resultat politischer und rechtlicher Kämpfe, in denen auch das Strafrecht tief verstrickt ist. Als Teil des staatlichen Gewaltmonopols definiert es, was als legitime oder illegitime Gewalt gilt – und stabilisiert damit bestehende Machtverhältnisse. Statt sich auf entpolitisierte Rechtslogik zu verlassen, braucht es ein Strafrecht, das seine politische Verantwortung anerkennt und im Rahmen demokratischer Auseinandersetzungen transformativ weiterentwickelt wird.
Continue reading >>
15 August 2025
Strafrecht gerät ins Rutschen – nicht, weil es politisch wird, sondern weil es das Politische verliert. Technokratische Verdrängung und affektive Überhitzung spielen autoritären Kräften gezielt in die Hände. Sie schmieden ein regressives Strafrecht, gegen Pluralität, Dissens und das „Andere“. Was also tun? Es gilt, das Politische im Strafrecht zu stärken: nicht als parteipolitisches Kalkül, sondern als emanzipatorisches Projekt.
Continue reading >>
14 August 2025
Vage Rechtsgüter und unbestimmte Tatbestände öffnen dem Strafrecht Türen, durch die populistische und autoritäre Kräfte es zur politischen Waffe machen können. Seine wirksamsten Schutzbarrieren sind klare Rechtsgüter, das Ultima-Ratio-Prinzip und der Bestimmtheitsgrundsatz. Doch gerade im Staatsschutzrecht werden diese Grenzen durch vorverlagerte Tatbestände und offene Begrifflichkeiten ausgehöhlt. Umso entscheidender ist eine starke, unabhängige Strafverteidigung als letzte Verteidigungslinie.
Continue reading >>
14 August 2025
Strafrechtliche Begriffe wie „Clan-Kriminalität“, „Beleidigung“ und „Genozid“ werden in der politischen Rhetorik entkernt, emotional aufgeladen und als Kampfbegriffe eingesetzt. Juristische Präzision weicht moralischer Polarisierung, wodurch gefährliche Ambivalenzen entstehen und gesellschaftliche Spaltungen vertieft werden. Das Strafrecht wird so zum Instrument politischer Agenda und verliert an fachlicher Schärfe. Notwendig ist eine bewusste Abwehr von Zweckentfremdung und eine Sensibilität für die Wirkmacht strafrechtlicher Sprache.
Continue reading >>
13 August 2025
Die Geschichte des Staatsschutzstrafrechts in der Bundesrepublik ist geprägt von NS-Kontinuitäten, politischer Instrumentalisierung und antikommunistischer Paranoia im Kalten Krieg. Juristen mit NS-Vergangenheit formten 1951 ein Strafrecht, das autoritäre Denkmuster fortschrieb und zur Verfolgung politischer Gegner nutzbar machte. Trotz Reformen ab 1968 bleibt der Staatsschutz ein sensibles Instrument, das stets zwischen legitimer Sicherheitsvorsorge und Machtmissbrauch balancieren muss. Die Lehre aus der Geschichte: Strafrecht darf in einer Demokratie nur ultima ratio sein – und muss vor allem die Freiheitsrechte der Bürger schützen.
Continue reading >>
13 August 2025
Autoritär-populistische Kräfte instrumentalisieren das Strafrecht, um Macht zu festigen, Gegner:innen zu markieren und die öffentliche Ordnung in ihrem Sinne zu inszenieren, während das Strafrecht zugleich demokratische Prozesse und Grundrechte schützt. Diese doppelte Funktion birgt Spannungen: Zu starke Eingriffe riskieren, selbst demokratiegefährdend zu werden. Das Strafrecht agiert damit zwischen wehrhafter Verteidigung der Demokratie und politischer Vereinnahmung.
Continue reading >>
12 August 2025
A new July 2025 investigative report highlights the devastating weaponized sexual and reproductive violence unleashed during the 2020-2022 Tigray conflict in Ethiopia. Based on hundreds of medical records and health worker testimonies, the report documents mass rape, sexual slavery, forced pregnancy, and sexual torture of Tigrayan women and children by Ethiopian and Eritrean soldiers. The deliberate reproductive dimension of violence in Tigray constitutes clear violations of both the Maputo Protocol and international law, amounting to war crimes and crimes against humanity.
Continue reading >>
11 August 2025
In mehreren Bundesländern steht eine Reform der Verfassungsschutzgesetze an – und damit auch die Chance, die Definition der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu modernisieren. Statt an überholten Formulierungen aus den 1950er-Jahren festzuhalten, könnten die Legaldefinitionen enger an den Kernelementen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet werden. Doch die Reformansätze der Länder gehen auseinander.
Continue reading >>
31 July 2025
Am 24. Juli 2025 fiel das Urteil gegen Yekatom und Ngaïssona und mit ihm ein Stück klassischer Dogmatik im Völkerstrafrecht. Unter Effizienzdruck setzte der IStGH auf Tempo, Kontext und strukturierte Gesamtschau statt auf starre Zurechnungs- und Beweisregeln. Ein Verfahren, das nicht nur Täter verurteilte, sondern auch Maßstäbe für die Rolle der Verfahrensführung in der internationalen Strafjustiz verschob.
Continue reading >>
30 July 2025
Zerstörte Städte sind mehr als Trümmer. Sie sind gezielte Angriffe auf soziale Vielfalt und urbane Identität. Der Begriff „Urbizid“ rückt diese systematische Vernichtung ins Zentrum völkerrechtlicher Debatten. Doch das geltende Recht greift zu kurz: Zwischen Eigentumsschutz und Kriegsverbrechen bleibt eine Schutzlücke. Könnte ein neuer völkerstrafrechtlicher Tatbestand für den urbanen Lebensraum diese Leerstelle endlich schließen?
Continue reading >>
28 July 2025
Am 9. Juli hat Österreich die Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft beschlossen: Ein Anfang, doch Österreichs Justiz braucht mehr als ein Strohfeuer. Strukturprobleme und politische Einflussnahmen lähmen die Gerichte. Wer Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Verfahren stärken will, braucht langen Atem und einen europäischen Rahmen, der Standards setzt und ihre Umsetzung einfordert.
Continue reading >>
24 July 2025
Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Arztes verworfen: Der Arzt hatte einem psychisch kranken Mann auf dessen Wunsch eine Infusion mit einer tödlich wirkenden Substanz gelegt. Obwohl der Patient den Zugang selbst öffnete, nahm der BGH einen Totschlag in mittelbarer Täterschaft an. Der Fall zeigt einmal mehr, dass der Fragenkreis von Sterbehilfe und Unterstützung beim Suizid dringend einer durchdachten gesetzlichen Regelung bedarf. Anregungen dazu können neue Normierungen der Materie in Frankreich und England geben.
Continue reading >>
22 July 2025
Sweden takes its sex work ban online — but at what cost? Criminalising digital intimacy clashes with EU rights and consensus. The new law risks punishing autonomy without protecting anyone. From demand to overreach: privacy in the digital age is at stake. Copying offline laws into online spaces erodes digital freedoms.
Continue reading >>
21 July 2025
On 17 June 2025, British MPs took an important step in decriminalising abortion against a backdrop of rising prosecutions for "later" abortion. Once the amended Crime and Policing Bill becomes law, people who voluntarily end their own pregnancies will be exempt from criminalisation. But, unless a further amendment is made, those good faith actors who provide abortion, or support others in getting access, remain at risk of criminal investigation. Five aspects of the recent legal changes are worth emphasising as lessons for a strategic perspective on defending, and even expanding, reproductive freedom.
Continue reading >>
15 July 2025
On June 17th, the Danish Supreme Court delivered an important judgement concerning the principle of non-penalization of refugees, ending decades of unlawful prosecutorial practices. A closer reading points to longstanding deficiencies in informing asylum seekers of their rights during the procedure. Moreover, questions remain regarding the interpretation of Article 31 for beneficiaries of subsidiary protection.
Continue reading >>
13 July 2025
Păcurar is yet another version of the familiar cat-and-mouse game between anticorruption agencies and corrupt public officials: some public officials quietly amass real estate, luxury cars, financial investments, or cash, and – once confronted by anticorruption agencies to explain the difference from their declared legal income – rely on whimsical excuses. On 24 June 2025, the ECtHR held that wealth may be taken away if public officials cannot explain that very difference. This ruling completes the ECtHR’s endorsement of civil law instruments in the fight against corruption by fully disconnecting confiscation from any link to a crime.
Continue reading >>
08 July 2025
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verletzt das Gewaltverbot der UN-Charta in aller Deutlichkeit, bleibt strafrechtlich allerdings bislang ungesühnt. Der Europarat und die Ukraine reagieren mit einem Sondertribunal, das hochrangige Verantwortliche für das Verbrechen der Aggression zur Rechenschaft ziehen soll – trotz politischer und verfassungsrechtlicher Hürden. Es bündelt internationale Unterstützung und setzt ein starkes Zeichen gegen Straflosigkeit bei Angriffen auf die internationale Rechtsordnung. Ein ungewöhnlicher Schritt, der das Völkerstrafrecht grundlegend herausfordert.
Continue reading >>
04 July 2025
Da Innenminister Dobrindt trotz der Entscheidung des VG Berlin weiter Zurückweisungen an den deutschen Binnengrenzen durchführen lässt, könnte nunmehr ein Institut des Dienstrechts relevant werden, das lange ein „Schattendasein“ fristete: die Remonstration. Dabei geht es hier insbesondere um die Frage, ob Bundespolizist:innen verpflichtet sind, hinsichtlich der Zurückweisungen zu remonstrieren (§ 63 Abs. 2 S. 1 BBG). Die Rechtsprechung von BVerfG und BGH spricht indes eher gegen diese Pflicht. Ein Recht zur Remonstration besteht aufgrund der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aktuellen Praxis indes bereits jetzt.
Continue reading >>
30 June 2025
On 3 June 2025, the Grand Chamber of the European Court of Justice delivered its judgment on the Kinsa-Case. At the core of the matter were the criminal charges of a third-country national for the facilitation of unauthorized entry of two minors in the territory of an EU Member State. With this ruling, the Court takes an important step towards the de-criminalization of care for migrant children who are seeking international protection. However, the Grand Chamber’s reasoning offers limited considerations on the relevant links between “actual care”, humanitarian assistance, and migrant children’s rights. This shortcoming may ultimately curb protection standards of migrant children in future cases
Continue reading >>
26 June 2025
The war that has plagued Sudan since 15 April 2023 is accompanied by massive violations and abuses of international humanitarian law and international human rights law. Impunity with the persistence, and indeed rise, of alleged perpetrators is a key dimension of the current war. This is a fundamental challenge to its social fabric, state integrity and regional stability. As such, Sudan’s most recent transition process underlines how transitional justice can fail – and what future efforts must learn.
Continue reading >>
26 June 2025
The CJEU’s judgment in Kinsa marks a rare rights-based correction to the EU’s punitive approach to migration. Prompted by a case from Italy, the Court confronts the criminalisation of those who cross borders caring for children. Rather than deferring to enforcement rationales, it centres fundamental rights and draws clear constitutional limits. The ruling opens a path to challenge overbroad criminalisation not just retrospectively, but at the level of legal design. In the shadow of ongoing EU reform efforts, Kinsa signals a shift: from border control to proportionality scrutiny.
Continue reading >>
24 June 2025
Domestic courts are increasingly stepping in where international institutions falter, becoming key enforcers of international criminal law. The conviction of Syrian doctor Alaa M. in Germany exemplifies the potential of universal jurisdiction to deliver justice beyond borders. While the ICC remains blocked in the Syria situation, national trials offer credible, survivor-driven accountability. Rather than being a fallback, domestic prosecutions are emerging as a central pillar of international criminal justice.
Continue reading >>
12 June 2025
Die Ausweitung der DNA-Analyse auf die biogeografische Herkunft entfacht neue Kontroversen zwischen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Wie aussagekräftig sind genetische Phantombilder wirklich und wo liegen ihre Grenzen? Kritiker warnen vor Diskriminierung und voreiligen Schlüssen, während Befürworter auf Fortschritte in der Verbrechensbekämpfung hoffen. Der Streit um die erweiterte DNA-Analyse macht deutlich, wie schmal der Grat zwischen kriminaltechnischer Innovation und gesellschaftlicher Gefahr ist.
Continue reading >>
12 June 2025
Immer mehr Waffenbehörden versuchen, Waffenbesitzern aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der AfD die Waffenbesitzkarte zu entziehen. Seither haben sich mehrere Gerichte damit auseinandergesetzt – jüngst auch das OVG Münster, das entschied, dass der Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis gegenüber einem AfD-Mitglied rechtswidrig war. Dieser Beitrag zeigt, dass die Begründung des OVG dogmatisch richtig ist. Zugleich hat der Gesetzgeber aber Spielraum, die Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern zu verschärfen. Verfassungsrechtliche Gründe stehen dem nicht entgegen.
Continue reading >>
07 June 2025
Since the negotiation of the Rome Statute, U.S. relations with the Court have zig-zagged between quiet support and open hostility. With President Trump’s return to office, we are back to confrontation. On June 5, Secretary of State Marco Rubio made sanction designations of four ICC judges – two of whom authorized the investigation into Afghanistan and two of whom approved the Netanyahu and Gallant arrest warrants. This post describes these developments and situates them within the broader context of U.S.-ICC relations.
Continue reading >>
05 June 2025
The European Court of Human Rights has quietly endorsed a troubling new practice: denying prisoners access to information based solely on format, not content. In Tergek v. Türkiye, the Court upheld a ban on photocopies and printouts, deferring to vague security concerns. Read alongside Yasak, the judgment signals a broader shift away from rigorous rights protection toward deference to state narratives. If this trend continues, the Convention's core promise — to make rights practical and effective — stands on increasingly shaky ground.
Continue reading >>