Roter Teppich statt Handschellen
Die Mongolei hat am 03. September 2024 den amtierenden russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen. Gegen Wladimir Putin besteht seit dem 17. März 2024 ein IStGH-Haftbefehl, der alle Vertragsstaaten dazu verpflichtet, diesen bei Betreten ihres Staatsgebietes festzunehmen und an den IStGH zu überstellen. Mit dem Nichtvollzug des Haftbefehls hat die Mongolei ihre aus dem IStGH-Statut erwachsende Kooperationspflicht verletzt. Sie kann dies nicht durch einen Verweis auf eine völkerrechtliche Immunität Putins rechtfertigen.
Continue reading >>Neue Beziehungen zwischen alten Bekannten
Viel wurde über das im Juli bekannt gegebene Compact-Verbot des Bundesinnenministeriums diskutiert. Vor einer Woche bekannte das Bundesverwaltungsgericht nun vorläufig Farbe: Das Gericht stellte die aufschiebende Wirkung der gegen das Verbot gerichteten Anfechtungsklage teilweise wieder her. Seit gestern liegt die Begründung des Beschlusses vor. Sie zeigt: Das BVerwG bleibt seiner umstrittenen linksunten.indymedia-Rechtsprechung treu und bejaht die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Verbote von Organisationen zur Ausschaltung von Medienerzeugnissen. Trotzdem wertet das Gericht die Meinungs- und Pressefreiheit auf.
Continue reading >>Verfassungskonsenskultur in Gefahr
Das Erfolgsmodell der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland beruht – aus dem Ausland mit gleichbleibend großer Verwunderung zur Kenntnis genommen –, auf einer bekennend politischen Auswahl der Richterinnen und Richter. Da man aufgrund der hohen Hürde der Zweidrittelmehrheit zur Wahl die Stimmen der jeweiligen Opposition braucht, sind nur jene Kandidatinnen und Kandidaten durchzusetzen, die sich in die Karlsruher Dialogkultur einpassen. Nach dem gegenwärtig auf dem Tisch liegenden Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes sollen gerade diese einfachgesetzlichen Regelungen nicht im Grundgesetz abgesichert werden.
Continue reading >>Diskriminierend eingestellt
Frauen*, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten, sind dreimal häufiger von sexueller Belästigung betroffen als Frauen* an anderen Arbeitsplätzen. Gleichzeitig gelten sie als „sichere Opfer“, weil ihnen häufig nicht geglaubt wird. Der Verfassungsgerichtshof Berlin gab nun einer Betroffenen recht und stellte fest, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihren Gruppenleiter wegen sexueller Belästigung verfassungswidrig eingestellt worden sei. Der Beschluss selbst gibt zwar kaum Aufschluss über die antidiskriminierungs-rechtlichen Standards – aber Anlass, diese herauszuarbeiten. Denn die wenigsten kennen die verfahrensbezogenen Bedarfe behinderter Menschen.
Continue reading >>Zeitungsverbot durch die Hintertür?
Mit ihrem gewohnten Impetus und einigem Inszenierungsaufwand verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Dienstag dieser Woche das Verbot des rechtsextremen Magazins Compact. Seither ist die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Debatte in vollem Gange. Ein Hauptkritikpunkt: das als Grundlage des Verbots gewählte Vereinsrecht. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass dieses das gezielte Verbot eines Medienerzeugnisses nicht tragen kann.
Continue reading >>Verfassungsfeind in Vorbereitung
Nachdem bereits der Fall „Rechtsreferendar III. Weg“ für Diskussionen um Zugangsvoraussetzungen zum juristischen Vorbereitungsdienst gesorgt hat, tritt mit dem kürzlich ergangenen Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg eine weitere gerichtliche Entscheidung mit eigenen Argumentationsansätzen auf den Plan. Das Gericht hatte sich mit der relevanten Frage zu beschäftigen, ob einem Kandidaten die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst verwehrt werden kann, wenn er die Verfassungsordnung aktiv bekämpft, ohne sich dabei strafbar zu machen. Der Beschluss offenbart erneut die unklare und uneinheitliche Rechtsprechungslinie.
Continue reading >>Karlsruhe hat die Wahl
Vom „Moin“ im Norden bis zum „Grüß Gott“ im Süden – wie viel flächendeckende Repräsentation erfordert das Wahlrecht? Am zweiten Tag der mündlichen Verhandlung zur Wahlrechtsreform ging es um genau diese Frage. Dem Zweiten Senat des BVerfG kommt nun die Aufgabe zu, die dem Gesetzgeber nicht gelungen ist: eine integrierende Entscheidung über das Wahlrecht im Konsens. Dabei lässt er sich kaum in die Karten schauen.
Continue reading >>Full House in Karlsruhe
Gestern begann die mit Spannung erwartete mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition. Zwei Tage verhandelt der Zweite Senat über die Frage, ob die Einführung der Zweitstimmendeckung und der Wegfall der Grundmandatsklausel mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder nicht. Viel Prominenz aus Politik und deutscher Staatsrechtlehre sorgen für – so hat es Vizepräsidentin Doris König ausgedrückt – „Full House“ in Karlsruhe. Nach einem humorvollen Auftakt dürften die Beteiligten versuchen, am heutigen zweiten Tag ihre Asse auszuspielen.
Continue reading >>Keine Grundrechtsverwirkung statt Parteiverbot
Dass Art. 18 GG die Verwirkung von Grundrechten ermöglicht, hat lange selbst in der Wahrnehmung vieler Juristen kaum eine Rolle gespielt. Im Studium wird die Vorschrift bestenfalls als Element der wehrhaften Demokratie mit im Wesentlichen symbolischer Bedeutung erwähnt. Seit kurzer Zeit scheint ein Verwirkungsverfahren vielen aber ein taugliches Mittel zu sein, um das (weitere) Erstarken der AfD zu verhindern. Gefordert wird – sogar per Petition – ein entsprechender Antrag gegen den thüringischen AfD-Vorsitzenden Höcke. Bei genauerer Prüfung erweist sich diese Idee als nicht hinreichend durchdacht.
Continue reading >>Recht schreiben
Jede Diskussion über geschlechtergerechte Sprache erhitzt die Gemüter. Anlass zur Debatte gab zuletzt etwa das in den Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD nach der Landtagswahl in Hessen vereinbarte Vorhaben, staatlichen Stellen über die Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben des Rates der deutschen Rechtschreibung „das Gendern“ zu verbieten. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat für die Staatsregierung angekündigt, die geschlechtergerechte Sprache in Schulen und der übrigen Landesverwaltung zu untersagen. Der Gesetzgeber hat grundsätzlich einen weiten Spielraum bei der Regelung von Sprache. Wo setzt die Verfassung dabei Grenzen?
Continue reading >>Zwischen Komplexität und Klarheit
Am vergangenen Mittwoch verkündete der Zweite Senat des BVerfG sein Urteil zur „kleinen“ Wahlrechtsreform aus dem Jahre 2020. In der mündlichen Verhandlung im April wurde die Frage aufgeworfen, wie verständlich das Wahlrecht sein muss. Nun folgt die Antwort: Wenn es nach der Senatsmehrheit geht, braucht der Wähler wohl nur die Wahlhandlung, nicht aber die Ergebnisermittlung zu verstehen. Damit bleibt die „kleine Revolution“ im Wahlrecht zwar vorerst aus, doch das energisch widersprechende Sondervotum dürfte die wissenschaftliche Diskussion befeuern.
Continue reading >>Das Ende der Linksfraktion, nur wann?
Sahra Wagenknecht und weitere neun Abgeordnete der Fraktion „Die Linke im Bundestag“ sind am Montag aus der Partei „Die Linke“ ausgetreten. Dennoch möchten sie vorerst Mitglied ihrer Bundestagsfraktion bleiben. Auf den ersten Blick scheint das Fraktionsende bis auf Weiteres aufgeschoben, weil die nun ausgetretenen Parteilosen noch keiner konkurrierenden Partei angehören. Doch auf den zweiten Blick könnte das Gebot der politischen Homogenität einer Fraktion das Ende der Linksfraktion schon jetzt besiegeln: Dürfte der Bundestag der Linksfraktion den Fraktionsstatus aberkennen? Oder hat die Fraktion ihren Rechtsstatus bereits am Montag automatisch verloren?
Continue reading >>Sexarbeit und Gewerberecht
Ein Jahr nach Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) bot sich mir die Gelegenheit, einen längeren Überblicksbeitrag zum seinerzeit noch recht neuen Gesetz zu verfassen. Ich wählte für den Aufsatz eine Überschrift, mit der ich heute etwas hadere: „Gewerberecht der Sexualität: Das Prostituiertenschutzgesetz“. Auf der Suche nach einer (scheinbar) griffigen Überschrift habe ich die Ambivalenz dieser Überschrift nicht verkannt, sondern gesucht. Die irritierenden Assoziationen, die sich ergeben, wenn die Kommerzialisierung („Gewerbe“) von Sexualität zum Thema rechtlicher Regulierung wird, habe ich eher als rhetorische Herausforderung begriffen, ohne die brutalen Schattenseiten der Sexarbeit hinreichend zum Problem zu machen.
Continue reading >>Ein populistischer Taschenspielertrick
Am Sonntag fanden in Bayern und Hessen Landtagswahlen statt. Im Vorfeld der Wahl forderten konservative und liberale Parteien mit zunehmender Schärfe, Geflüchteten künftig verstärkt Sach- statt Geldleistungen zukommen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine populistische Nebelkerze, denn diese Forderung ist rechtlich fragwürdig, impraktikabel und nicht sachgerecht. Wem dieser Diskurs genutzt hat, dürfte anhand der Landtagswahlergebnisse deutlich geworden sein.
Continue reading >>Bayerische Bedrängnis
Erdbeben im bayerischen Landtagswahlkampf: Die Causa Aiwanger, ausgelöst durch die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, und s