09 February 2024
UNRWA as Sui Generis
Since UNRWA preemptively disclosed Israel’s claim to have evidence that 12 UNRWA employees participated in the 7 October 2023 attacks, at least 16 donor states and the European Union, which collectively supply the vast majority of the Agency’s budget, have suspended their contributions. This poses an existential threat to UNRWA, the largest provider of humanitarian assistance in Gaza. This post explains how the current episode displays the unsatisfactory sui generis status of UNRWA’s Palestinian staff, and forms part of an ongoing and largely successful attempt to position UNRWA as a compromised, sui generis UN organisation which constitutes an outlier in the law and practice of the United Nations. Continue reading >>
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Exercising Power from the Outside
Since 2019, anti-Islam non-parliamentary activists have explored the limits to freedom of speech in Denmark, Sweden, Norway, and the Netherlands through their provocative Quran desecration acts. Using the non-parliamentarian arena to exercise power from a position of minority, the far-right activist Rasmus Paludan and his party were able to effectively push the Danish constitutional boundaries, while at the same time affecting the geopolitical situation. While the protests so far only have had legal repercussions regarding blasphemy and freedom of speech in Denmark, it clearly demonstrates that non-parliamentary far-right activists also hold certain legislative powers. Continue reading >>
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08 February 2024
Subnational Politics and the Path of National Democracies
In Germany and the United States, political factions have emerged in the last decade that have challenged some of the core institutions, conventions, and norms of liberal democratic life. In both countries, subnational units of government—states or municipalities—have operated as staging grounds for parties or factions of parties that reject some or all necessary elements of democratic practice. While they have used different institutional tactics to this end, many basic elements of political strategy can be observed across the two cases. Continue reading >>
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Grundrechtsverwirkung und Parteiverbote gegen radikale AfD-Landesverbände (Teil III)
In diesem abschließenden dritten Teil werde ich die dritte These des Beitrags begründen: Die Verfassungstreuepflicht engt das politische Antragsermessen für solche Anträge umso stärker ein, je klarer ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Sie reduziert dieses Ermessen auf Null und begründet eine Antragspflicht, wenn, wie hier, die Voraussetzungen hinreichend klar vorliegen und die zu erwartenden Nachteile die Vorteile eines Antrags jedenfalls nicht klar und eindeutig überwiegen. Sie verlangt zudem auch von allen Amtsträger:innen, nicht zuletzt auch von der Staatsrechtslehre, sich stärker gegen diese Bedrohung der freiheitlichen Demokratie zu wenden, als das bislang vielfach geschieht. Continue reading >>Nachhaltig nicht-nachhaltig
Im Rahmen der Energiewende wächst der europäische Bedarf nach Rohstoffen. Zahlreiche der für die Energiewende benötigten Rohstoffe befinden sich auf den Gebieten indigener Völker, was häufig zu Konflikten führt. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass das geplante Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten keine Vorschriften bezüglich Beteiligung und Schutz indigener Völker beinhaltet. Ein Verweis auf solche Vorschriften, insbesondere aus der ILO-Konvention 169, wäre völkerrechtlich geboten und trüge dazu bei, die Konflikte und Widersprüche des Nachhaltigkeitsbegriffs aushandelbar zu machen. Continue reading >>
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07 February 2024
Schützt das Bundesverfassungsgericht!
Lange fühlten wir uns in Deutschland wie auf einer Insel der Seligen. Während in Polen, den USA und zuletzt in Israel die Unabhängigkeit der Justiz unter Beschuss ist, sind wir gesegnet mit einem starken Verfassungsgericht. Es hat sich über die Jahrzehnte als ausgewogen und unabhängig erwiesen; in der Bevölkerung hat es sich ein immenses Vertrauen erarbeitet. Doch die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts steht auf tönernen Füßen. Nun ist auch in der Öffentlichkeit die Debatte entbrannt, ob und wie man die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts schützen sollte. Der Blick in andere Rechtsordnungen kann zu dieser Diskussion viel beitragen. Continue reading >>Examining the EU’s Artificial Intelligence Act
Finally, consensus on the EU Artificial Intelligence Act. The academic community is thus finally in a position to provide a (slightly) more definitive evaluation of the Act’s potential to protect individuals and societies from AI systems’ harms. This blog post attempts to contribute to this discussion by illustrating and commenting on the final compromises regarding some of the most controversial and talked-about aspects of the AI Act, namely its rules on high-risk systems, its stance on General Purpose AI, and finally its system of governance and enforcement. Continue reading >>
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Grundrechtsverwirkung und Parteiverbote gegen radikale AfD-Landesverbände (Teil II)
Das demokratische Haus in Deutschland brennt. Es ist höchste Zeit, die Instrumente der streitbaren Demokratie gegen Landesverbände der AfD einzusetzen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sind, wie die in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Warum die Voraussetzungen für Grundrechtsverwirkung und Parteiverbot dort vorliegen, und die Verfassungstreue es auch verlangt, diese Anträge zu stellen, begründe ich in diesem dreiteiligen Beitrag. In diesem zweiten Teil werde ich näher auf die Voraussetzungen für ein Parteiverbot für die fraglichen Landesverbände eingehen, aber auch darauf, welche Rolle in dieser Debatte gerade auch Staatsrechtslehrer spielen, die den Volksbegriff des Grundgesetzes in einem ethnisch-exkludierenden Sinn verstehen. Continue reading >>Parlament als Bühne
Die AfD ist die erste (populistische) Rechtsaußenpartei in der Bundesrepublik Deutschland, der der Einzug in alle 16 Landtage, den Bundestag sowie das Europäische Parlament gelang. Bis heute gibt es keine „Zauberformel“ im Umgang mit ihr, wenngleich die anderen Parteien mit der Zeit viel über ihre parlamentarische Arbeitsweise und populistische Funktionslogik gelernt haben. Ein Grund dafür liegt darin, dass die AfD das Parlament als Bühne nutzt, um sich – auch und vor allem außerhalb der Parlamente – als Opfer der „Altparteien“ und als einzige „wahre Opposition“ zu inszenieren. Dazu arbeitet sie mit gezielten Provokationen und bricht formelle sowie informelle parlamentarische Spielregeln. Continue reading >>
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06 February 2024
Grundrechtsverwirkung und Parteiverbote gegen radikale AfD-Landesverbände (Teil I)
Das demokratische Haus in Deutschland brennt. Es ist höchste Zeit, die Instrumente der streitbaren Demokratie gegen Landesverbände der AfD einzusetzen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sind, wie die in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Warum die Voraussetzungen für Grundrechtsverwirkung und Parteiverbot dort vorliegen, und die Verfassungstreue es auch verlangt, diese Anträge zu stellen, werde ich in diesem dreiteiligen Beitrag begründen. In diesem Teil werde ich darlegen, warum eine Verwirkung mit Wählbarkeitsausschluss möglich ist und deren Voraussetzungen voraussichtlich auch erfüllt sind. Continue reading >>Bricolage, Bullshit, and Bustle
On 15 December 2023, the Swiss Federal Council (Government) announced that it intended to start formal negotiations with the EU on the conclusion of a Framework Agreement (FA) 2.0. Five existing and two new treaties between the EU and Switzerland are to be subject to dynamic alignment and institutionalised, i.e. provided with a monitoring and judicial mechanism. The project, which is practically fixed in the decisive questions by a “Common Understanding” (“CU”) between the two parties, is based on a triple B approach: in substance, it consists of unsuccessful bricolage, the foundations were laid by bullshit, and because elections and a change of the Commission are imminent in the EU, bustle is supposedly of the essence. The CU summarizes what the Parties have informally agreed on. Continue reading >>Zur notwendigen Annahme der CSDDD durch den EU-Rat
In unterschiedlichen Disziplinen forschen, lehren und beraten wir zu Fragen der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Die aktuellen Pläne gegen eine Annahme der im Trilog abgestimmten EU-Lieferkettenregulierung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) durch den EU-Rat, initiiert von den FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz (Christian Lindner und Dr. Marco Buschmann), nehmen wir mit großer Sorge wahr. Sie stellen nicht nur das Gelingen der CSDDD, sondern auch die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft in der EU nach dem EU-Green-Deal-Projekt in Frage. Wir finden: die CSDDD bedeutet nicht nur Aufwand, sondern sorgt für Rechtssicherheit für Unternehmen mit internationalen Lieferketten. Continue reading >>
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Parlamentarische Minderheitenrechte und Obstruktion in Österreich
In Österreich sind bereits seit Mitte der 1980er-Jahre obstruierende Aktivitäten der Oppositionsparteien im parlamentarischen Verfahren zu beobachten. Der Gesetzgeber und die parlamentarische Praxis haben seit den 1980ern unterschiedliche Instrumente entwickelt, um der Gefahr der Obstruktion der parlamentarischen Tätigkeit im Nationalrat[1] durch die missbräuchliche Ausübung von Minderheitenrechten zu begegnen, ohne gleichzeitig Minderheitenrechte völlig auszuschließen. Diese Abwägung ist nicht in allen Fällen geglückt und effektiv. Der Gedanke, dass im parlamentarischen Verfahren im Widerstreit von Mehrheit und Minderheit über unterschiedliche Interessenlagen ein politischer Konsens entstehen kann und soll, scheint dabei zusehends in den Hintergrund zu treten. Continue reading >>
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05 February 2024
Heightening the Repressive Dynamic
The new French Immigration Act was promulgated and published on 26th January 2024, the day after the Conseil Constitutionnel decision which censored 35 provisions in one of its longest decisions to date. The Conseil chose to emphasize the Constitution’s procedural requirements, while largely avoiding substantive analysis of the Act’s drastic reduction of foreigners’ rights. Indeed, it asserted the constitutionality or remained silent on many provisions that undercut foreigner’s rights. The Act as promulgated thereby constitutes the most repressive text since 1945 and heightens a migration restrictive dynamic. Continue reading >>
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Vater-in-waiting
Kommt ein Kind auf die Welt, ist das schön – macht aber Arbeit. Das hat der Unionsgesetzgeber erkannt und den sogenannten Vaterschaftsurlaub zur Entlastung nach der Geburt normiert. Den nationalen Gesetzgeber konnte das bislang – trotz abgelaufener Umsetzungsfrist und Vertragsverletzungsverfahren – nicht zum Handeln bewegen. Das ist nicht nur ärgerlich für Eltern und unionsrechtswidrig, sondern offenbart auch ein tiefergreifendes Unvermögen, Zeitinteressen von Eltern normativ angemessen zu berücksichtigen. Es ist daher dringend an der Zeit, dass der Gesetzgeber sein Handeln an einem verfassungsrechtlichen zeitlichen Existenzminimum misst – gerade wenn es um einen so überschaubaren Zeitraum wie zehn Tage geht. Continue reading >>Unveiling Democracy
On 11 January, Advocate General Richard de la Tour delivered his Opinions in two cases, against the Czech Republic and Poland, which cautiously uncover part of the core of the EU value of democracy. The Commission launched these infringement cases against the two Member States back in November 2012 and April 2013 respectively. Now that the rule of law is a well-established principle of EU law, these cases present themselves as a chance to focus on a less explored value enshrined in Article 2 TEU. They allow the Court to construct a foundation to address prospective questions regarding democratic principles. Continue reading >>
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Alles unter Kontrolle
In der Praxis einer parlamentarischen Demokratie übernimmt die Kontrollfunktion in erster Linie die Opposition. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss parlamentarische Kontrolle verfahrensrechtlich so gestaltet sein, dass sie effektiv ist. Anders als bei der Teilnahme an der Gesetzgebungs- und Kreationsfunktion, etwa bei der Änderung des Grundgesetzes bzw. der Landesverfassungen oder bei der Verfassungsrichterwahl kann eine Sperrminorität bei der parlamentarischen Kontrolle nur wenig obstruieren. Dennoch bieten die parlamentarischen Kontrollinstrumente, insbesondere das Untersuchungsrecht, Möglichkeiten, die parlamentarische Arbeit zu beeinträchtigen. Continue reading >>
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03 February 2024
Eine wirkliche Gefahr für die Verfassung
Recht und Gesetz sind keine Garanten dafür, dass sich staatliche Akteure an demokratische Spielregeln halten. Friedhelm Hufen hat in der FAZ kürzlich einen Text veröffentlicht, in dem er implizit das Gegenteil behauptet: Potenzielle Wahlerfolge der AfD in einem deutschen Bundesland seien keine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung, weil die „Mechanismen der streitbaren Demokratie” und die Gewaltenteilung Schutz genug sind. Aber Hufen verfehlt den Kern der Debatte. Here is why. Continue reading >>02 February 2024
Kein Geld ist auch eine Lösung
Viereinhalb Jahre nach dem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf Ausschluss der NPD (heute „Die Heimat“) von der staatlichen Parteienfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht am 23. Januar 2024 entschieden: Die „Heimat“ ist für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Das Verfahren ist das erste seiner Art nach Verankerung des Finanzierungsausschlusses im Grundgesetz im Jahr 2017. Dessen Voraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr erstmals konkretisiert und dabei den engen Zusammenhang zwischen Finanzierungsausschluss und Parteiverbot betont. Continue reading >>
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Ziviler Ungehorsam im Parlament
Wie Menschen haben auch Verfassungen einen blinden Fleck. Bis zu einem gewissen Maß sind sie blind für die inhaltliche Ausrichtung einer Partei. In diesem Bereich können sie herannahende Gefahren nicht erkennen. Hat es eine autoritär-populistische Partei einmal geschafft, Abgeordnete ins Parlament zu entsenden, schützt und unterstützt die Verfassung die „Gefahrenquelle“ sogar noch, statt sie abzuwehren. Der dagegen von Abgeordneten teilweise praktizierte „zivile Ungehorsam“ in Form von Boykotten und Ausschlussmaßnahmen befindet sich daher häufig nahe am Rechtsbruch und schadet der Sache letztendlich mehr, als er ihr zuträglich ist. Continue reading >>01 February 2024
Milieudefensie v ING: Climate Breakdown and Banks’ Duty of Care
There is a trend towards climate lawsuits against companies based on their alleged duty of care not to emit more than a certain amount of greenhouse gases (GHGs). Currently, there are four such cases before courts in Germany, all of which have been unsuccessful so far. On 19 January 2024, Milieudefensie, a Dutch environmental group, initiated legal proceedings against the Dutch Bank ING, for the first time raising the issue of whether financial actors have such a duty of care. This case represents a significant milestone in the worldwide effort to transform the financial sector and curb its seemingly endless appetite for financing fossil fuels. In light of these proceedings, I argue that the German courts have adopted an imprecise understanding of what the duty of care entails and that an appropriate application of this duty can increase the accountability of financial actors. Continue reading >>Maschinengewehre und Handgranaten für die Polizei
In Sachsen wird aufgerüstet. Der sächsische Verfassungsgerichtshof hat verschiedene Regelungen des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes und des Sächsischen Polizeibehördengesetzes für verfassungswidrig und nichtig erklärt. In seiner Entscheidung hat der Gerichtshof sich überzeugend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu heimlichen Überwachungsbefugnissen angeschlossen, das Erfordernis der Normenklarheit grundrechtsstärkend ausgelegt und - dies ist das Kernproblem der Entscheidung - die polizeiliche Aufrüstung zu weit zugelassen. Continue reading >>
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An Unfortunate Trend of Vagueness
The German Government is planning to change the procedural and substantive legal framework on international criminal law in Germany, with an expert hearing having taken placed on 31 January 2024 before the German Parliament’s (Deutscher Bundestag) Legal Affairs Committee. One aspect appears to have been totally neglected by the current draft proposal: the issue of functional immunity from foreign criminal jurisdiction in case of core crime charges. In this post, I highlight an ambiguity regarding the personal scope of functional immunity arising from German case law which the German Government and Parliament should take the opportunity to clarify with the current reform proposal. This is particularly important given that the ambiguity appears to have traveled to other jurisdictions as illustrated by the case of Ziada v. Netherlands. Continue reading >>
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Selbstergänzung zur Vermeidung politischer Blockaden des Thüringer Verfassungsgerichtshofs
Was passiert, wenn die politischen Verhältnisse in Thüringen dazu führen, dass die vakanten Richter*innenposten am Thüringer Verfassungsgerichtshof über längere Zeit unbesetzt bleiben und deshalb das Gericht funktionsunfähig wird? Die Amtsfortführung eines Mitglieds des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ist nicht unbegrenzt möglich. Eine solche Situation würde den Verfassungsstaat zumindest in eine Krise stürzen können, bedenkt man die vielen Aufgaben des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, die ihm durch Verfassung und Gesetz zugewiesen sind. Dieses Problem ließe sich lösen, wenn man als Auffangregelung für eine blockierte Nachwahl den Mitgliedern des Gerichtshofs die Ergänzung selbst überlässt. Continue reading >>
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Mit der Verfassung spielt man nicht!
Am 25. Januar 2024 hat der französische Verfassungsrat zahlreiche Normen des neuen Einwanderungsrechts für verfassungswidrig erklärt (Nr. 2023-863 DC). Im Kontext dieses Normkontrollverfahrens zeigte sich eine Regierung, die den Verfassungsverstoß als Mittel zur Mehrheitsfindung nutzte. Zugleich scheute das Verfassungsgericht die inhaltliche Prüfung und stützte sich fast ausschließlich auf Verfahrensmängel. Beides hilft Bestrebungen von rechts, eine gerichtliche Kontrolle staatlicher Maßnahmen zukünftig einzuschränken. Noch bleibt Zeit, die Verfassungskultur in Frankreich zu stärken. Continue reading >>The Limits of Public Participation
In this piece, I critique the proposed people-driven constitution-making process in South Sudan, identifying some challenges that may hinder meaningful participation by the people. One is mass illiteracy: over 70% of the population is illiterate. This can impact the people’s capacity to meaningfully engage with some of the complex issues that may arise from the process. Another factor is that involving the people could exacerbate existing ethnic tensions in the country, as constitution-making is inherently divisive. My suggestion is to entrust the process to experts with oversight by parliament. Continue reading >>31 January 2024
Keine Blockade, sondern eine Frage der Kompetenz
Ein „Offener Brief“ an den Bundesjustizminister vom 29. Januar, den „über 100 namhafte Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft“ unterzeichnet haben, fordert diesen auf, seine „Blockade-Haltung“ gegenüber einem Vorhaben der Europäischen Kommission aufzugeben. Die Kommission setzt sich für eine Richtlinie ein, die der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt dienen soll. Unter anderem ist eine Vereinheitlichung im Sexualstrafrecht vorgesehen, nämlich beim Tatbestand der Vergewaltigung (Art. 5). Die zentrale Frage ist, inwieweit die Gestaltung von Strafrecht in die Kompetenz der EU fällt. Die Verfasserinnen des „Offenen Briefs“ scheinen davon auszugehen, dass die EU alles könne und dürfe und nur der widerborstige Bundesjustizminister ein Hindernis sei. Die Rechtslage sieht anders aus. Continue reading >>Das Recht auf gute und schlechte Opposition
Nicht erst, aber doch ganz besonders seit dem Erstarken der AfD stellt sich die Frage, wie mit einer obstruktiven Minderheit umzugehen ist. Sie politisch zu beantworten, fällt nicht leicht. Verfassungsrechtlich ist die Lage zumindest im Ausgangspunkt klarer: Das Wirken als parlamentarische Opposition fällt unter den Schutz der Verfassung, die nicht grundsätzlich zwischen „guter“ und „schlechter“ Opposition differenziert. Ein Freibrief geht damit indes nicht einher. Im Umgang mit obstruktiven oder gar antidemokratischen oppositionellen Kräften ist das Parlamentsrecht demnach nicht machtlos, aber auch nicht als erstes und einziges am Zug. Continue reading >>The Ambivalent Juridification of Humanitarian Space
While humanitarian actors remain hesitant and somewhat suspicious to legal regulation, litigation, and lawyers, the sector is going through a process of juridification: the law regulates more activities, is more often used to solve conflicts, and the legal profession is getting more involved in the nuts and bolts of humanitarian lawyering. Most importantly, individuals in crisis and aid workers increasingly see themselves as legal subjects – whether as workers, rights-holders, or customers. My objective in this blog is to encourage the humanitarians to deal with these developments more comprehensively. Moreover, this blog post takes stock of the ambivalence to law and emergent shifts in the sector and calls for international law scholars to pay more attention. Continue reading >>
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Funktionen eines Parteiverbotes
Das Parteiverbotsverfahren konfrontiert die Mitglieder der politischen Gemeinschaft mit der Frage, wo sie die Grenzen des politischen Raums ziehen wollen. Es verlangt eine Entscheidung der Frage, welche politischen Ziele, Werte und Forderungen im politischen Raum – in organisierter Form und mit dem Ziel einer Repräsentation im Parlament – vertreten werden dürfen und welche jenseits einer Tabugrenze liegen. In diesem Beitrag soll die These begründet werden, dass das Gericht den Verbotsmaßstab für ein Parteiverbot 2017 in problematischer Weise reformuliert und dem Anliegen des Art. 21 Abs. 2 GG damit möglicherweise mehr Schaden als Nutzen zugefügt hat. Continue reading >>South Africa v Israel: A Solomonic Decision as “Constructive Ambiguity”
In its wise Order of 26 January 2024, the ICJ managed to make a virtue out of a necessity: Israel was not prohibited from continuing its combat operations but was reminded of its strict compliance with international humanitarian law and its obligation to avoid genocide. At the same time, the ICJ reiterated the requirement to respect the most fundamental rights and the core of humanitarian law to all warring factions. Despite still essentially being a court for inter-state disputes – it put the individual, the human being, at the centre. Henceforth, the ICJ’s order of provisional measures is a Solomonic decision at its best and a further step towards the “humanization of international law”. Continue reading >>
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30 January 2024
Wer wacht über die Wächter?
Fast möchte man sagen: endlich! Regierung und Opposition wollen gemeinsam versuchen, das Bundesverfassungsgericht besser vor einer möglichen Einflussnahme durch Feinde der Demokratie zu schützen. Dafür wollen sie die Verfassung anpassen. Allerdings zeigt ein Blick in die Länder, dass entsprechende Vorhaben nicht umsonst zu haben sind. Sie können demokratische Kosten und bisweilen kontraproduktive Wirkungen zeitigen. Continue reading >>Intervention auf Irrwegen
Am 29.12.2023 reichte Südafrika Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) gegen Israel wegen Verstößen gegen die Völkermordkonvention im Gazastreifen ein. Zusätzlich zum Hauptsacheantrag begehrte Südafrika im einstweiligen Rechtsschutz den Erlass von vorsorglichen Maßnahmen („Provisional Measures“), auf die sich auch die zweitägige Anhörung der Parteien bezog. Am zweiten Tag der Anhörungen verkündete Deutschland, zugunsten Israels zu intervenieren, mit der Begründung, der Vorwurf des Völkermords entbehre jeder Grundlage. Neben einer Zusammenfassung der Parteivorträge und der Eilrechtsschutzentscheidung des IGH vom 26.1.2024 beleuchtet der Beitrag die deutsche Rolle im Hauptsacheverfahren. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung wie auch der Pluralität deutscher historischer Verantwortung droht die geplante Intervention der Glaubwürdigkeit Deutschlands im multilateralen System weiter zu schaden und die Universalität des Völkerrechts auszuhöhlen. Continue reading >>Wie obstruktiv kann die Minderheit sein?
Parlamentarische Obstruktion ist in den letzten Jahren in der deutschen Rechtswissenschaft ein wenig zum Modebegriff geworden. Dieser Trend mag in gewisser Weise schlicht dem Erstaunen und der Erschütterung darüber geschuldet sein, wie sich in vergleichsweise kurzer Zeit der Ton in deutschen Parlamenten verändert hat. Um das, was in der aktuellen Debatte gerne mit Obstruktion beschrieben wird, besser begreifen zu können, schlage ich daher eine analytische Trennung in drei Phänomene vor. Continue reading >>Is the Norwegian Paradox Coming to an End?
A wind of change is sweeping in the last stronghold of European petrostates: Norway. The recent decision rendered on January 18, 2024, by the District Court of Oslo in the North Sea Fields Case may testify to the demise of what was once called the Norwegian paradox, referring to Norway’s dual role as a climate leader internationally while maintaining a significant reliance on fossil fuels domestically. Despite advocating for climate action on the global stage, Norway remains the largest per capita exporter of CO2 emissions, due to its substantial petroleum industry. Continue reading >>
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There is one alternative
Die Urszene der parlamentarischen Obstruktion spielte sich am 31. Januar 1881 im britischen Unterhaus ab. Zur Debatte stand ein Zwangsgesetz (Coercion Bill), das es in Irland erlauben sollte, säumige Schuldner aus ihren Häusern zu vertreiben. Obwohl mehr als 150 Jahre alt, ist diese Episode bis heute überaus instruktiv für das Verständnis parlamentarischer Obstruktion. Im Fall systematischer parlamentarischer Obstruktion ist eine Majorisierung der Parlamentsregeln unabdinglich – andernfalls droht der Zusammenbruch der legislativen Demokratie. Continue reading >>
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Shielding Frontex 2.0
In Hamoudi v Frontex, the General Court dismissed another action that could have clarified if, when, and how independent or joint human rights responsibility would arise when Frontex is engaged in shared operational conduct with the Member States. This time not on the basis of an obscure re-interpretation of the Applicant’s claim, but instead, on the basis of an unattainably high and unrealistic burden, standard and method of proof. In doing so, the General Court again eschews from clarifying the nature, conditions and consequences of both independent and joint human rights responsibility of Frontex. Taken together, these cases raise the question whether there are any viable forms of judicial recourse for fundamental rights violations committed or contributed to by the EU’s Border and Coastguard Agency. Continue reading >>
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29 January 2024
Provisional Measures as Tools of American Empire
One could feel the weight of history on her shoulders, as Judge Joan Donoghue, President of the International Court of Justice, read the provisional measures order in South Africa v Israel. Her hand reached several times for the glass of water. Carefully, and with an occasional sip of water, she walked her viewers on the ICJ’s streaming service from one provisional measure to the next. By first zeroing in on the role of the American judge, this post describes how the provisional measures decided upon, ultimately correspond to a larger project of global American governance. As I will argue the US Executive Branch is likely to take a lead role in interpreting the provisional measures, further cementing their place as tools of empire. Continue reading >>
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Möglich, aber nicht hinzunehmen
Es gibt wirksame Mittel, Sand ins Parlamentsgetriebe zu streuen, also das parlamentarische Verfahren zu verzögern oder sogar Beschlüsse zu verhindern. Obstruktion gehört zum Parlamentarismus. Sie ist in einem Parlament leicht zu praktizieren, aber schwer zu bekämpfen. Bislang werden Obstruktionsmittel von parlamentarischen Minderheiten, vor allem von Oppositionsfraktionen, genutzt. Je größer die Oppositionsfraktionen sind, desto mehr Obstruktionsmittel stehen ihnen zur Verfügung. Continue reading >>Parlamentarische Obstruktion
Eine autoritär-populistische Partei nutzt ihre demokratischen Rechte, um die demokratischen Rechte anderer abzubauen. Das tut sie im Namen des “Volkes”, das sie anfangs durch Wahlen legitimiert. Einmal an der Macht, bedient sie sich mit der Legitimation der Wähler*innen legaler Methoden, um ihre Pläne “im Pluralismus der legitimen Rechtsformen zu verstecken”. Mit entsprechender Mehrheit kann sie die Verfassung durch Verfassungsänderungen weniger demokratisch machen. Aber auch ohne eine solche Mehrheit oder Regierungsbeteiligung können autoritär-populistische Parteien Demokratie und Rechtsstaat auf Bundes- oder Länderebene auf vermeintlich verfassungsgemäßen Wege untergraben. Continue reading >>A Way Forward?
While included in the EU Charter of Fundamental Rights (CFR), academic and scientific freedom were for years hardly a focus for the EU. This no longer holds true. On 29 November 2023, the European Parliament invited stakeholders to discuss the state of academic freedom in Europe (STOA conference), including the role of the EU in its legal protection. The conference intertwines with two important developments, both driven by the EP. First, on 22 November 2023, the EP adopted its proposals for the amendment of the Treaties, with some relevant for academic freedom protection. Earlier this month, on 17 January 2024, the EP approved the Report calling on the Commission to initiate a legislative proposal on the promotion of the freedom of scientific research in the EU and providing recommendations on its content. In this blog post, we briefly discuss these two EP calls aimed at enhanced protection of academic and scientific freedom to assess to what extent they address the concerns raised by various stakeholders. Continue reading >>
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Wirksam gegen „Gehsteigbelästigung“?
Bald ist es wieder so weit: Vom 14. Februar bis 24. März 2024 halten Abtreibungsgegner:innen weltweit sogenannte „Mahnwachen“ vor Beratungsstellen und Abtreibungseinrichtungen ab, um Abtreibungen zu verhindern. Solche und ähnliche Anti-Abtreibungsproteste stigmatisieren Schwangere und Personal. Das gefährdet einerseits das gesetzliche Beratungskonzept aus dem Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz (SchKG), das die staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben umsetzt. Andererseits beeinträchtigen die Versammlungen das Persönlichkeitsrecht der Schwangeren, die schlimmstenfalls ihr Recht auf straffreie, sichere Abtreibung nicht ausübt. Deshalb kündigte der Koalitionsvertrag 2021 „wirksame gesetzliche Maßnahmen“ gegen „sogenannte Gehsteigbelästigungen“ an. Nun hat das Kabinett am 24. Januar den Gesetzentwurf beschlossen, Wird was lange währt auch endlich gut? Continue reading >>27 January 2024
Die Diskriminierung der Anderen begreifen
Es wird gestritten und gerungen. Über Antisemitismusdefinitionen, deren gesetzliche Anwendung und deren potentiellen Missbrauch. Über Antisemitismus als Phänomen geht es in diesen Debatten kaum. Ich möchte erstens anregen, dass wir den Antisemitismusbegriff (auch) als Begriff im theoretischen Sinne verstehen sollten. Es soll sich zweitens zeigen, dass ein rassismuskritischer Ansatz nach Charles Mills für eine stärkere Einbeziehung jüdischer Erfahrungen bei der Begriffsbildung und darüber für ein weites Antisemitismusverständnis streitet. Durch eine klarere Trennung von Begriffs- und Anwendungsebene könnte – drittens – die vermeintliche Kollision von Antisemitismuskritik und Rassismuskritik jedenfalls in dieser Debatte vermieden werden, so die Hoffnung. Continue reading >>26 January 2024
Too Little, Too Late
All signs indicate that the various procedures and instruments invented and used by the European Commission to improve the situation of the rule of law in Hungary have so far not been successful. In fact, apart from a few sham measures, democracy and rule of law, in their simplest definitions (the possibility to overthrow the incumbent government through free and fair elections, and the limitation of political power by law) are in a worse situation in Hungary today than when the various mechanisms for protecting the rule of law were launched or payments were suspended. Why have the tools used by the European Union so far proven ineffective? Finding the causes of a complex phenomenon is never easy, but the experience of recent years makes it possible to identify some that can explain this failure. Continue reading >>
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25 January 2024
Viel zu verlieren
Die Enthüllungen des Recherchezentrums CORRECTIV zum „Geheimplan gegen Deutschland“, einem Treffen von Rechtsextremen und AfD-Politikern in Potsdam, lösten eine neue Dynamik in der Diskussion um den richtigen Umgang mit der AfD aus. Die ehemalige Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff wies schon im Oktober 2023 in einem Beitrag auf dem Verfassungsblog auf eine zuvor wenig beachtete Möglichkeit hin: die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG. Die Auswirkungen eines erfolgreichen Verwirkungsverfahrens dürften jedoch überschätzt, die Risiken hingegen unterschätzt werden. Continue reading >>Measuring with Double Legal Standards
Less than two hours after Israel had closed its pleadings, the German Government released a press statement, announcing its intent to intervene as a third party under Article 63 of the Statute of the ICJ (ICJ Statute). Therefore, it can be assumed that Germany did not take sufficient time to conduct a comprehensive assessment prior to its decision. At all costs, it sought to be perceived as being on Israel’s side. Germany’s decision may not appear startling given that it had previously intervened in both genocide proceedings against Russia (Ukraine v Russia case) and Myanmar (Rohingya case). However, in the latter case, Germany joined Gambia in upholding a purposive construction of Article II Genocide Convention, which would seem to present a serious obstacle to support Israel. Thus, this contribution investigates whether Germany, in its intervention in the "Genocide in the Gaza Strip case", would be able to abandon its previous submissions in the Rohingya case and instead adopt a more restrictive construction of the Article II Genocide Convention. Continue reading >>Counter-Genocidal Governance
The International Court of Justice’s decision regarding South Africa’s request for provisional measures in its genocide case against Israel is expected tomorrow. Whatever the Court decides, it is worthwhile noting that the impact of the process is already evident. And any provisional measures that may be given, will shape a years-long and likely tense dialog between Israel and the Court, as well as third countries. Everything that will happen for the duration of the proceedings, over the next two or three years at least, will continue to build evidence until, finally, the owl of Minerva will spread its wings. My purpose in this post is to provide some provisional reflections on how that may work. In doing so, I will expand a bit on a notion I’ve tried to develop in a previous post, that of counter-genocidal governance. Continue reading >>
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24 January 2024
Free Speech in the Shadow of the Israel-Gaza War
Since Hamas’ attack on October 7, and the war between Israel and Gaza that ensued, constraints on speech have become more widespread in Israel, both on the formal and informal level. Restrictions on anti-war demonstrations, police violence toward protestors, investigations and indictments for “incitement to terrorism” or “identifying with a terrorist organization” and other speech-restricting measures, have become the norm. At the much less discussed, informal level, Israeli media has largely embraced a non-critical position, failing to provide audiences with information as to the situation in Gaza, and providing almost all the analysis from an internal Israeli perspective. While this cannot be construed as a formal restriction on speech, it nevertheless speaks to the informal mechanisms that render criticism unpalatable during times of war. Continue reading >>
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23 January 2024
Orwell’sche Gleichgültigkeit und Europäische Demokratie
Stolz wurde am 9. Dezember 2023 verkündet, dass „der KI-Deal steht“ – so ließe sich die damalige Pressemeldung des Rates paraphrasieren. Mittlerweile ist allerdings Besorgnis im Hinblick auf die weitere Ausformung des erzielten Kompromisses angebracht. Nachdem die Institutionen bei einem langwierigen letzten Treffen innerhalb der Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission zu einem „provisional agreement“ fanden, das den langen wie gewundenen Weg der (angeblich) „weltweit ersten“ KI-Regulierung zu einem Ende bringen könnte, scheint sich der für Ende Januar erwartete konkrete Textentwurf des AI Acts in mehrerlei Hinsicht von den dortigen Festlegungen zu entfernen. In der Sache lassen sich gewichtige rechtliche Einwände gegen den konkreten Regulierungsansatz vorbringen; noch schwerwiegender lastet allerdings das bedeutsame wie kritische Defizit der demokratischen Legitimierung dieser wichtigen regulatorischen Entscheidung auf den aktuellen Entwicklungen des AI Acts. Continue reading >>
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22 January 2024