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Zwei Jahre Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 wurde von der Deutschen Umwelthilfe als „die wohl bedeutendste Umweltschutz-Entscheidung in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts“ gelobt. Wenn man mit dem Abstand von zwei Jahren auf die Entscheidung und ihre (Nicht)Folgen sieht, muss die Bewertung deutlich nüchterner ausfallen. Zum einen wird meist übersehen, dass die unmittelbare Wirkung des Beschlusses denkbar gering war. Vor allem wird er aber von der Politik, von den Verwaltungsgerichten und sogar vom Bundesverfassungsgericht selbst nicht umgesetzt. Das Problem, wie effektiver Klimaschutz durchgesetzt werden kann, ist nach wie vor nicht gelöst.
Continue reading >>Umweltverfassung in Aktion
Dass der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das Recht weit über seine konkrete Regelungswirkung hinaus hat, zeigt sich u.a. im aktuellen Doppelurteil des OVG Berlin-Brandenburg zur Verpflichtung der Bundesregierung, Sofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr nach § 8 Klimaschutzgesetz (KSG) vorzulegen. Das OVG hat sich darin mit einer Reihe von umweltrechtlichen Problemstellungen in Zulässigkeit und Begründetheit befasst.
Continue reading >>Eine verpasste Chance
Das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts erweist der politischen Handlungsfähigkeit und der Generationengerechtigkeit einen Bärendienst. In enger Auslegung der Haushaltsverfassung schränkt es die Möglichkeitsräume langfristig ausgerichteter Politik ein, ohne einen Kompromissweg vorzuzeichnen. Die Richterinnen und Richter haben die Chance verpasst, die haushaltsverfassungsrechtliche Dogmatik in Anknüpfung an den Klimabeschluss – wohlgemerkt des Ersten Senats – fortzuentwickeln und Leitplanken für das Verhältnis von Klimaschutz und Haushaltsverfassung zu formulieren. Das Urteil lässt sowohl Fingerspitzengefühl als auch Weitsicht vermissen, die ein so sensibles Thema wie die Generationengerechtigkeit im Gesamtgefüge verfassungsrechtlicher Normen insbesondere in von Umbrüchen geprägten Krisenzeiten erfordert.
Continue reading >>Schwach, aber rechtmäßig
Die Bundesregierung plant eine Änderung des Klimaschutzgesetzes (KSG), in der es vor allem auch um eine Modifikation der bisherigen Regelungen zu den Sektorenzielen geht. Die vorgesehene Änderung hat erhebliche Kritik ausgelöst. Der Aufruf „Für eine völker- und verfassungsrechtskonforme Klimaschutzpolitik“ vom 31.8.2023 fordert die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, die Klimaziele nicht abzuschwächen, und nimmt dabei wie viele andere Stellungnahmen auch auf den Klimabeschluss des BVerfG von 2021 Bezug. Dass die politische Kritik an einer Abschwächung des Klimaschutzgesetzes verfassungsrechtlich mit dem Klimabeschluss des BVerfG abgestützt werden kann, ist allerdings keineswegs so eindeutig, wie es in zahlreichen aktuellen Stellungnahmen zu dem Thema aufscheint. Denn auch nach dem Klimabeschluss sind gewisse Modifikationen und Abschwächungen der Einzelregelungen des Klimakonzepts durchaus zulässig.
Continue reading >>Die Klimaziele werden nicht dadurch erreicht, dass man sie abschafft
Das Klimaschutzgesetz (KSG) und die darin formulierten Zielvorgaben bilden den zentralen Rahmen für die Umsetzung des Verfassungsauftrages aus Art. 20a GG zu einem effektiven Klimaschutz und zur intertemporalen Freiheitssicherung (Art. 2 Abs. 1 GG). Ein wichtiges Steuerungselement ist dabei die in Anlage 2 des Klimaschutzgesetzes (KSG) festgesetzte Begrenzung der jährlichen Treibhausgasemissionsmengen für die verschiedenen Sektoren. Ausgerechnet diese verbindlichen Sektorziele will die FDP nun restlos streichen. Diese Forderung dürfte kaum mit den Vorgaben aus dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sein.
Continue reading >>Keine Restmenge, keine Vorwirkung
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat verschiedene Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, welche die Landesgesetzgeber stärker für den Klimaschutz in die Pflicht nehmen wollten. Dennoch ist die Entscheidung wegen der Ausführungen zum klimaschutzrechtlichen Verhältnis von Bund und Ländern im Anschluss an den historischen Klimabeschluss vom 24. März 2021 von grundsätzlicher Bedeutung. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nach geltendem Recht vor allem den Bund in der Pflicht sieht, entlässt es die Länder nicht aus der Verantwortung für den Klimaschutz.
Continue reading >>Bitte noch mehr
Der Karlsruher Klimabeschluss ist als Paradebeispiel internationaler Aufgeschlossenheit des Ersten Senats gepriesen worden. Aber wie offen und aufgeschlossen zeigte sich der Erste Senat dafür, seine Überlegungen zum Klimaschutz im transnationalen Rechtsdialog zu entwickeln?
Continue reading >>„Elfes“ Revisited?
So überzeugend der Klimabeschluss des BVerfG im Hinblick auf die strukturelle Koppelung der planetaren Grenzen in Form des 1,5-2 Grad-Ziels mit Art. 20a GG im Ergebnis ist, so sehr wirft doch der grundrechtliche Weg dahin in rechtsdogmatischer Hinsicht viele Fragen auf. Ich konzentriere mich in diesem Beitrag auf die Frage, ob der Erste Senat die berühmte, aber zugleich auch umstrittene „Elfes“-Konstruktion fruchtbar macht und in diesem Rahmen einen im Hinblick auf die Grundrechtsdogmatik tragfähigen und zukunftsweisenden Weg beschritten hat.
Continue reading >>Keine Schutzpflicht vor zukünftigen Freiheitsbeschränkungen – warum eigentlich?
Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluss vom 24.03.2021 die Verpflichtung für den Gesetzgeber auf, auch für nach 2030 Emissionsziele festzuschreiben. Insoweit das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) dieses nicht schon heute tut, ist es verfassungswidrig. Dass Karlsruhe hierfür nicht die dogmatische Figur der Schutzpflicht heranzieht, hängt auch mit selbstauferlegten Zwängen des Gerichts zusammen. Dabei äußert sich im Klimabeschluss zugleich ein tieferliegendes Problem der Maßstabsbildung durch das Bundesverfassungsgericht.
Continue reading >>In ruhige Gewässer
Rechte der Natur erregen die Gemüter. In Deutschland riefen jüngst zwei Urteile des LG Erfurt heftige Reaktionen hervor. Auch in Spanien, wo bereits 2022 mit der Salzwasserlagune Mar Menor das erste europäische Ökosystem mit Rechten ausgestattet wurde, um die fortschreitende Zerstörung durch Pestizideintrag zu stoppen, wurden hitzige Debatten geführt. Am 20.11.2024 hat das spanische Verfassungsgericht die Verfassungskonformität dieses Rechtsakts bestätigt und damit die Debatte in verfassungsrechtlich ruhigere Gewässer gelenkt.
Continue reading >>Der Messias und seine Oligarchen
Über Macht, Personenkult und Populismus.
Continue reading >>Juristische Ausbildung in Zeiten der Klimakrise
Während die Fragestellungen der sozial-ökologische Transformation wohl in die meisten unserer Lebensbereiche vorgedrungen sind, bleibt ein Bereich bisher noch überraschend unberührt: die juristische Ausbildung. Dabei ist weder die Rechtswissenschaft noch die juristische Ausbildung ganz unbeteiligt. Gerade in den Details der Transformation und ihrer Hintergründe wird deutlich, warum auch die Rechtswissenschaft am Thema der sozial-ökologischen Transformation nicht vorbeikommt.
Continue reading >>Rechtsstaat versus Polizeistaat
Ein Review Essay
Maximilian Pichl formuliert eine gutgemeinte Kritik an der populistischen Umdeutung des Rechtsstaatsbegriffs, verstrickt sich aber in Widersprüche und endet in einer über den Rechtsstaat hinausgehenden politischen Utopie.
Continue reading >>Verfassungsfeindlicher Klimaaktivismus?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bearbeitet ausweislich des nun vorgestellten Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2023 „Ende Gelände“ als linksextremistischen Verdachtsfall. Die klimaaktivistische Gruppierung wird so öffentlich mit dem Stigma der Verfassungsfeindlichkeit belegt, zukünftig darf sie auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Die Einstufung ist juristisch nicht haltbar. Das BfV verwechselt radikale Systemkritik mit Verfassungsfeindlichkeit.
Continue reading >>Gemischte Signale für das nationale Klimarecht
Die Klima-Entscheidungen der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind wegweisend. Auf den ersten Blick ist jedoch nicht vollkommen klar, wie sie sich auf das nationale Klimarecht der Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auswirken werden. Haben die strategischen Klimaklagen den von ihnen erwünschten Durchbruch erzielt, der das nationale Klimarecht revolutionieren wird?
Continue reading >>Menschenrecht auf Klimaschutz als „lebensrettende Behandlung“?
Manuela Niehaus verteidigt die menschenrechtsgestützte Klimarechtsprechung – insbesondere des EGMR – gegen meine Kritik. Es handele sich nicht um „Globuli für Umweltjuristen“, sondern um ein potentiell lebensrettendes Medikament, das – im Zusammenspiel mit anderen Mitteln – einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne. Das sehen sicher viele ähnlich und darum bin ich dankbar für Niehaus Argumente und für ihren sanften Spott. Ihr Spott trifft mich zu Recht, ihre Argumente aber überzeugen mich nur sehr teilweise.
Continue reading >>Homeopathic Globules for Environmental Lawyers
Are courts, as institutions aimed at individual justice, suitable institutions for dealing with the climate crisis? Could they guide the social and global transformation processes that are certainly necessary? Bernhard Wegener takes a clear stand against the “sweet illusion of climate justice“.
Continue reading >>Globuli für Umweltjuristen
Sind Gerichte als Institutionen des einzelfallbezogenen Rechtsschutzes geeignete Einrichtungen zur Bewältigung der Klimakrise? Könnten sie die sicherlich notwendigen gesamtgesellschaftlichen und globalen Transformationsprozesse anleiten? Bernhard Wegener bezieht klar Stellung gegen die „zuckersüße Illusion von Climate Justice“.
Continue reading >>Unsere kämpfende Demokratie
Wie die ukrainische Demokratie in diesen herausfordernden Zeiten bestehen kann.
Continue reading >>Sparen auf Kosten des Völkerrechts
Seitdem die Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil vom 15. November 2023 scharfgestellt worden ist, steht die Ampel vor der Herausforderung, einen Haushalt aufzustellen, der den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht wird. Sowohl das Urteil als auch erste Reformüberlegungen wurden auf diesem Blog bereits kritisch erörtert (etwa hier und hier). Dieser Beitrag beleuchtet dagegen, inwieweit die Auslegung der Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsrecht in einem Spannungsverhältnis mit Deutschlands Verpflichtungen aus dem internationalen Klimaschutzrecht steht. Dabei zeigen sich drei Konfliktlinien, die sich ohne eine Reform der Schuldenbremse noch vertiefen und zuspitzen werden.
Continue reading >>Die Schulden-Verfassungsbeschwerde
Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 hat die Bundesrepublik Deutschland über Wochen in Atem gehalten und die Ampel-Koalition in eine Krise gestürzt. Bei der bisherigen Diskussion wenig beleuchtet wurde die Frage, ob Bürger Verstöße gegen die Schuldenbremse im Wege einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG rügen können. Wendet man die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Institute des Anspruchs auf Demokratie (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) und des intertemporalen Freiheitsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG) konsequent an, hat jeder Bürger einen grundrechtlichen Anspruch auf Einhaltung der Schuldenbremse. Diesen Anspruch kann jeder einzelne Bürger im Wege der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht durchsetzen. Eine solche „Schulden-Verfassungsbeschwerde“ könnte schon bald zu einem Haushaltsurteil 2.0 führen.
Continue reading >>Rechtsbruch im Klimaschutz
Heute hat der 11. Senat des OVG Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu verurteilt, ein Sofortprogramm für den Klimaschutz gem. § 8 Abs. 2 S. 1, S. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) zu erlassen. Wieder braucht es ein Gericht, damit gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzmaßnahmen auch ergriffen werden. Und dies, obwohl eine Klage auf Erlass des Programms im Gesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Das Urteil schafft damit einen ebenso wichtigen wie überfälligen justiziablen Mechanismus für eine effektive Nachsteuerung bei Zielverfehlungen im Klimaschutz. Auch wenn im Lichte der anstehenden KSG-Novelle unklar ist, ob das Urteil tatsächliche Wirkungen entfalten wird, setzt es ein wichtiges Signal für mehr Rechtsdurchsetzung im Klimaschutzrecht.
Continue reading >>Wenn das Recht versagt
Die neue Härte in der Migrationspolitik und der Verlust der Überzeugung, dass das, was das Recht erlaubt und verbietet, überhaupt noch wichtig ist.
Continue reading >>Distanzschutz in der Ersten Gewalt
Es ist ein auf den ersten Blick eigenartiger Befund. Während im Bereich der Exekutive und Judikative Entscheidungen in eigener Sache Gegenstand von Ausschließungs- und Befangenheitsregelungen sind und damit als Problem normativ umfangen und im Grundsatz auch problemadäquat gelöst werden, scheinen vergleichbare Normen für die erste Gewalt zu fehlen. Die damit zusammenhängenden Probleme werden plastisch dem Fragenkreis der Entscheidung in eigener Sache zugeordnet. Allerdings ist dieser namentlich von Hans Herbert von Arnim mitgeprägte Begriff missverständnisträchtig, gefahrgeneigt und umstritten.
Continue reading >>Das Ende des Dornröschenschlafs
Das Grundgesetz verlangt Klimaschutz. Das ist in den Rechtswissenschaften weitgehend unumstritten. Wie weit die grundgesetzliche Klimaschutzverpflichtung reicht, allerdings nicht. Dieser Beitrag argumentiert, dass in derartigen Zeiten jedes klimaschädliche Gesetz unter grundgesetzlichem Rechtfertigungsdruck steht. Art. 20a GG verpflichtet nicht „nur“ den Gesetzgeber dazu, einen Emissionsminderungspfad zu normieren und die Gesamtheit der zugelassenen Emissionen in einem erträglichen Ausmaß zu halten. Vielmehr ist aufgrund der angespannten Lage jedes klimaschädliche Gesetz unter Rechtfertigungsdruck.
Continue reading >>„Erfunden“ und „gefunden“
Der Klimaschutzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 ist eine historische Entscheidung. Sie kommt an Bedeutung den großen Leitentscheidungen des Gerichts gleich, etwa dem Lüth-Urteil, dem Elfes-Urteil oder dem Brokdorf-Beschluss. Sie entwickelt den Grundwert der gleichen Freiheit weiter und erkennt, auf den Klimaschutz begrenzt, ein Grundrecht auf Nachhaltigkeit an: Freiheit schließt künftige Freiheit ein. Als intertemporale Freiheit kann sie eine verhältnismäßige Verteilung von Freiheitschancen über die Zeit verlangen. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Grundrechtsgerichte Rechte zugleich „erfinden“ und „finden“ können: Sie hat die intertemporale Freiheit – im Entdeckungskontext – schöpferisch-innovativ erfunden, sie aber zugleich – im Rechtfertigungskontext – als überzeugende Verfassungsauslegung im positiv geltenden Verfassungsrecht gefunden.
Continue reading >>Von der Nachhaltigkeit zur Resilienz und einem planetaren Grundgesetz
In Deutschland ist in den letzten Jahren eine lebhafte juristische Diskussion zur Begrünung des Grundgesetzes entbrannt. Die Einführung des Konzepts der planetaren Grenzen in das Grundgesetz findet sich jedoch bisher, soweit ersichtlich, nicht unter den Reformvorschlägen. Die explizite Einführung einer planetaren Dimension ins Grundgesetz hätte aber mehrere Vorteile.
Continue reading >>Rechtsfortbildung in Zeiten planetarer Krisen
Nicht nur der Klimawandel, auch der immense Verlust der Artenvielfalt und die globale Umweltverschmutzung haben sich aus ihren fachspezifischen Nischen in das Zentrum der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit bewegt. Kaum ein Tag vergeht, an dem uns aktuelle Nachrichten nicht an die großen planetaren Krisen - oder noch treffender, wie viele meinen: Katastrophen – erinnern. Es verwundert daher nicht, dass diese globalen Herausforderungen auch im Fokus des Forums Junges Nachhaltigkeitsrechts stehen, welches vom 16. bis 17. Juni an der Martin-Luther-Universität in Halle (Saale) seine zweite Jahrestagung abhält. Welche potentiellen Lösungen das Nachhaltigkeitsrecht in Theorie und Praxis bereithält, werden wir in den folgenden Tagen nicht nur in Halle (Saale), sondern auch im Rahmen dieser Verfassungsblog-Debatte zur Diskussion stellen.
Continue reading >>Gesetz ist Gesetz?
Seit den Hausdurchsuchungen in 15 Wohnungen von Mitgliedern der „Letzten Generation“ hat sich die öffentliche Diskussion um die Aktionen der Gruppe noch einmal intensiviert. Im Zentrum steht dabei der Begriff des „Zivilen Ungehorsams“. Obwohl das dahinterstehende Konzept auf viel, auch auf viel berechtigte, Kritik stößt, möchte ich zeigen, dass „ungehorsames“ Protestverhalten die Funktion erfüllt, Ungleichgewichte in den Möglichkeiten politischer Einflussnahme auszugleichen. Ziviler Ungehorsam kann dabei eine integrative Funktion erfüllen; er kann aber auch die diskursiven Verhältnisse aufbrechen und zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen anstoßen. Zudem zeichnet er sich dadurch aus, dass er Visionen einer normativen Zukunft entwickelt und insofern einen Beitrag zur Entwicklung der politischen Gemeinschaft und ihrer Verfassung leistet. Die weltweit zunehmende Kriminalisierung von Protestaktionen missachtet diese demokratische und rechtsstaatliche Bedeutung zivilen Ungehorsams.
Continue reading >>„Ziviler Ungehorsam – Testfall für den demokratischen Rechtsstaat“
… so lautet der Titel eines Aufsatzes von Habermas, erschienen 1983. Genau diesen Testfall erleben wir derzeit. Es scheint, als ob „der Rechtsstaat“ – nach Wochen des intensiven Protests durch die „Letzte Generation“ in Berlin – nun „andere Saiten aufziehen“ möchte, und erneut nach dem Strafrecht greift, genauer gesprochen nach einem Tatbestand des ohnehin nicht unproblematischen Präventivstrafrechts. Meine These ist jedoch, dass der Versuch, die Klimaproteste „wegzustrafen“, den Rechtsstaat zwangsläufig schwächt, anstatt ihn zu stärken. Da politischer Protest im Ausgangspunkt als wesentliches Element einer demokratischen Kultur ausgehalten werden muss, ist auch der Umgang mit unter Umständen strafbaren Aktionen im Zuge des politischen Protests - freilich im Rahmen des Legalitätsprinzips - mit Augenmaß zu wählen, um diesen Grundsatz nicht zu konterkarieren.
Continue reading >>Klimakrise und Schuldenbremse
Klimaschutz kostet Geld, viel Geld. Klimaneutralität ist ein großangelegtes Investitionsprogramm. Das können viele Länder und Kommunen aus ihren laufenden Einnahmen nicht finanzieren. Die Aufnahme von Krediten ist ihnen zwar durch die Schuldenbremse in Art. 109 Abs. 3 GG grundsätzlich verboten. Die Grundrechte und Art. 20a GG verpflichten sie aber zu sofortigem Handeln.
Continue reading >>Viel Grau, wenig Grün
Der Koalitionsausschuss hat sich letzte Woche auf eine „Weiterentwicklung“ des Klimaschutzgesetzes sowie auf die Festschreibung eines „überragenden öffentlichen Interesses“ zur Beschleunigung zahlreicher Autobahnprojekte geeinigt. Beschleunigt werden soll aber auch im Bereich des Naturschutzes. Allerdings ist fragwürdig, ob mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nur das Tempo bei der Umsetzung verschiedener Infrastrukturvorhaben auf Kosten der Natur erhöht wird, oder ob damit – wie auf dem Papier angestrebt – auch eine echte Effektivierung des Naturschutzes einhergehen kann. Bislang setzen die Reformvorschläge der Koalition auf möglichst wenig Konfrontation mit konkurrierenden Flächenansprüchen – damit wird sich ein effektiver Schutz der Biodiversität nicht erreichen lassen.
Continue reading >>Vorwärts in die klimapolitische Vergangenheit
Seit einiger Zeit ist bekannt, dass die FDP die Rechtsverbindlichkeit der sektorspezifischen Klimaziele im Klimaschutzgesetz gerne abschaffen würde. Mit dieser Forderung scheint sie sich auf dem Koalitionsgipfel nun durchgesetzt zu haben. Zwar wurden im Gegenzug einige konkrete Klimaschutzmaßnahmen vereinbart, doch damit wird aus Klimaschutzperspektive ein Ass im Ärmel gegen einen Spatzen in der Hand getauscht. Die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes ist nicht nur ein fataler Fehler, sondern zudem möglicherweise verfassungswidrig.
Continue reading >>Demokratische Proteste als Majestätsbeleidigung des Grundgesetzes
Das „Grundgesetz 49“-Denkmal des israelischen Künstlers Dani Karavan unweit des Reichstags in Berlin zeigt die Art. 1-19 GG in ihrer Fassung von 1949 auf gläsernen Scheiben. Es mahnt zur Achtung und zum Schutz der Grundrechte. Am Samstag, den 04. März 2023 haben Klimaschutz-Aktivist:innen der „Letzten Generation“ es mit schwarzer Farbe übergossen. Auf die Glasscheiben klebten sie sodann Plakate mit den Aufschriften „Erdöl oder Grundrechte?“ und „In der Klimahölle gibt es keine Menschenwürde, keine Freiheit, kein Recht auf Leben“. Die breite und heftige Kritik, die die Aktion ausgelöst hat, hält einer juristischen Analyse nicht stand und stellt dem Zustand der freiheitlichen Demokratie in Deutschland kein gutes Zeugnis aus.
Continue reading >>Niemand steht über dem (Klimaschutz-)Gesetz
Weil die Regierung trotz Zielverfehlung noch immer kein Klimaschutz-Sofortprogramm verabschiedet hat, klagt der Umweltverband Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) nun vor dem OVG Berlin-Brandenburg auf Beschluss eines solchen. Die Klage gibt Anlass für eine nähere Betrachtung der rechtlichen Pflichten, die das Klimaschutzgesetz (KSG) für den Fall einer Zielverfehlung auferlegt.
Continue reading >>Ausgebremst
Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Januar 2023 einen Beschluss zur Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde veröffentlicht. Die Beschwerdeführenden haben sich gegen die Nichteinführung eines Tempolimits auf Bundesautobahnen gerichtet und sich dabei auf den Klimaschutz berufen. Damit hatten sie keinen Erfolg, obwohl die Klimaentscheidung von März 2021 den Klimaschutz doch scheinbar verfassungsrechtlich „beschlussfähig“ machte. Der Beschluss zeigt, dass auch ein intertemporaler Freiheitsschutz Beschwerdeführenden keine weiteren Zugänge für Rügen im Bereich von Art. 20a GG eröffnet und Klimaklagen keine einzelnen klimarelevanten Maßnahmen verfassungsrechtlich einfordern können. Um dies zu ändern, müsste die Gesetzgebung tätig werden und Art. 20a GG verfassungsprozessual handhabbar machen.
Continue reading >>Die strafrechtliche Undeterminiertheit von Aktionen des ‚Aufstands der Letzten Generation‘ und wie damit umzugehen ist
Ob der zivile Ungehorsam der Personen des ‚Aufstand der Letzten Generation‘ strafbar ist, wird weithin als Frage der Subsumtion von Sachverhalten unter Strafrechtsnormen behandelt. Meist resultiert dann eine Verurteilung, manchmal auch ein Freispruch. Mein Eindruck ist dagegen, dass das einschlägige Recht in vielen Fällen keine eindeutige Antwort enthält und dass deshalb außerrechtliche Umstände auf die Entscheidung einwirken. Dies ist zunächst eine rechtssoziologische Frage, deren Beantwortung aber für die Rechtsanwendung fruchtbar gemacht werden kann.
Continue reading >>Flensburger Einhorn
Das Urteil des Amtsgerichts Flensburg zu Klimaschutz als rechtfertigendem Notstand stößt auf Begeisterung und scharfe Ablehnung. Nachdem der Freispruch eines Klimaaktivsten durch das Gericht bereits im November bekannt wurde, sind nun die Urteilsgründe veröffentlicht worden. Inmitten der zunehmend intensiver geführten Debatte um den juristisch „richtigen“ Umgang mit Klimaaktivismus schlägt das Urteil eine ebenso ungewohnte wie mutige Richtung ein.
Continue reading >>Gewaltfantasien und Gewaltmonopol
Auf Welt.de ist vor kurzem ein Stück Service-Journalismus der besonderen Art erschienen. Der Redakteur Constantin van Lijnden hat die „Rechte der ausgebremsten Bürger“ zusammengetragen. Was kann man tun gegen die Störenfriede der Letzten Generation, die sich fortwährend auf Straßen festkleben, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen? Der Staat, jedenfalls in Berlin, leider nur wenig, so der Tenor.
Continue reading >>Ein „konstitutioneller Wumms“ für den Straßenbau
Ein Vorschlag aus FDP-Kreisen sorgt seit Anfang Oktober für verfassungsrechtliches Stirnrunzeln: Durch die Einführung eines neuen Staatsziels „Verkehrsinfrastruktur“ im Grundgesetz soll eine schnellere Umsetzung von Infrastrukturvorhaben ermöglicht werden. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Idee bestenfalls als Symbolpolitik, tatsächlich aber wohl als Fördermaßnahme für klimaschädliche Verkehrsinfrastruktur.
Continue reading >>Auto fahren oder Klima retten?
Vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten finden zurzeit Prozesse gegen Aktivist:innen von Letzte Generation statt. Diese hatten sich an verschiedenen Straßen in Berlin festgeklebt, um auf die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen aufmerksam zu machen (die BZ prägte deshalb auch den Begriff „Klima-Kleber“). Dadurch kam es teilweise zu Straßensperren und Staus. Die jüngst ergangenen Urteile werfen die Frage nach den strafrechtlichen Grenzen von zivilem Widerstand bzw. Ungehorsam auf: Kann Klimaschutz ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund sein?
Continue reading >>Von der Freiheit der Zukunft auf den Boden der Tatsachen
Hitze und Dürre kennzeichnen den Sommer 2022. Waldbrände in Spanien, Portugal, Frankreich, Italien, Tschechien und auch Deutschland sind Symbol für die Folgen der Klimakrise. Hitzewellen sind bereits heute wahrscheinlicher und intensiver. Die Auswirkungen auf den Menschen sind unübersehbar. Tausende Hitzetote wurden aus Europas Süden gemeldet. Dazu kommen Ernteausfälle, die Rationierung von Trinkwasser und Einschränkungen der Industrie wegen mangelndem Kühlwasser (z.B. AKWs) und reduzierter Transportkapazitäten der Frachtschifffahrt.
Continue reading >>Protecting Whose Children?
One year ago, the First Senate of the German Federal Constitutional Court (GFCC) has issued a landmark decision on the rights of future generations and their (legal) entitlement to solidarity. This blog post compares this decision to the 2018 ruling of the Colombian Supreme Court (CS) that was also concerned with the rights of future generations. I argue that while the idea of solidarity with people threatened by climate change is central to both judgments, the courts have taken very different approaches to whom this solidarity extends to.
Continue reading >>Von der Bewahrung zur Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen
Von den vielen Fragen, die nach dem Klimabeschluss vom 24. März 2021 gestellt wurden, hat das BVerfG im neuen Kammerbeschluss vom 28. Januar 2022 einige diskret aber insistierend beantwortet. Wir haben es bei einer abstrakten Betrachtung mit einem Übergang von dem Rechtsmodell der Bewahrung zum Rechtsmodell der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen zu tun. Insgesamt hält die Kritik allerdings noch zu sehr am Bewahrungsmodell fest und lässt sich nicht auf das Bewirtschaftungsmodell ein.
Continue reading >>Die Corona-Triage und das Verbot der Diskriminierung wegen der Behinderung als Schutzpflicht
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Art. 3 III 2 GG gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen vor Diskriminierung bei einer Corona-Triage verlangt. Vor allem stellt die Entscheidung klar, dass Art. 3 III 2 GG, wie alle Grundrechte, auch objektive Wertentscheidung und Schutzauftrag ist – ein Schutzauftrag, der sich zu einer gesetzgeberischen Schutzpflicht verdichten kann.
Continue reading >>Ein hartes Jahr
Ein Blick zurück auf 2021 und die meistgelesenen Verfassungsblog-Posts
Continue reading >>Mit Auto-Autos gegen die Klimakrise?
Autonome Autos gelten oft als Schlüsseltechnologie in der „Verkehrswende“, also im Umbau der Mobilitätssysteme zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt. Die Verselbständigung der Steuerungstechnik macht den Autoverkehr allerdings nicht zwangsläufig ökologischer. Ob autonome Fahrzeuge zu nachhaltigerer Mobilität und damit zum Klimaschutz beitragen, hängt vor allem von entsprechender rechtlicher Steuerung ab. Das am 27. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zum autonomen Fahren und auch der nun angenommene „Ampel-Koalitionsvertrag“ enthalten jedenfalls noch keine Absicherungen, dass die Wende zum autonomen Fahren auch nachhaltig gestaltet wird.
Continue reading >>Klimaschutz oder Sozialstaat?
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz vom 24. März 2021 hat der Bundestag mit Gesetzesbeschluss vom 24. Juni 2021 mit dem Ziel umgesetzt, den monierten verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Parallel zur Umsetzung nimmt eine Debatte über die soziale Dimension des Klimaschutzes Fahrt auf: Der soziale Ausgleich müsse beim Klimaschutz mit bedacht werden.
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